STRAFRECHTSVERSTOSS IM UNTERNEHMEN WAS NUN? RA MMag. Dr. Christopher Schrank
Ausgangslage Fallbeispiel Sie sind in der Compliance Abteilung tätig und erfahren über Ihr Whistleblower System, dass von Seiten des Vertriebs Kunden über Monate hinweg vermutlich vorsätzlich überhöhte Abrechnungen übermittelt worden sind (zb Nebenkosten höher als in AGB vereinbart verrechnet). vorerst keine Anzeichen dafür, dass sich die Mitarbeiter persönlich bereichert haben; Kunden sind jedenfalls geschädigt worden Sachverhalt kann den Tatbestand des Betruges erfüllen ( 146 StGB Strafrahmen bis zu 10 Jahre) Was ist zu tun? 2
Wer ist für derartige Straftaten verantwortlich? primär knüpft das Strafrecht an die natürliche Person an => Mitarbeiter & Organe nicht nur der Mitarbeiter, der die Straftat unmittelbar begangen hat, sondern auch das Unternehmen kann nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) strafrechtlich belangt werden 3 VbVG: Ein Unternehmen ist für folgende Straftaten verantwortlich, wenn die Tat zu seinen Gunsten begangen wurde oder durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen: jede rechtswidrige und schuldhafte Tat eines Entscheidungsträgers (etwa Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat) rechtswidrige Handlungen von Mitarbeitern, wenn sie der Verband durch mangelnde Prävention ermöglicht bzw erleichtert hat (Organisationsverschulden) Sanktion: Verbandsgeldbuße von bis zu EUR 1,8 Mio (abhängig von Schwere der Tat und Leistungsfähigkeit des Unternehmens) 3
Besteht eine Anzeigepflicht? Anzeigepflicht von Straftaten ist in 78 Abs 1 StPO geregelt: 78. (1) Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet. als Behörde oder öffentliche Dienststelle gelten etwa Landespolizeidirektionen, Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Polizeiinspektionen Privatpersonen daher auch Entscheidungsträger/Mitarbeiter eines Unternehmens sowie das Unternehmen selbst fallen nicht darunter keine Anzeigepflicht ihnen kommt lediglich ein Anzeigerecht zu ( 80 StPO) 4
Weitere Schritte Interne Aufarbeitung Unternehmen sollten Sachverhalt zunächst intern aufarbeiten: Welche strafbaren Handlungen wurden gesetzt? Wer hat die strafbare Handlung begangen (Entscheidungsträger und/oder Mitarbeiter)? Wer ist Opfer der strafbaren Handlung bzw wer wurde dadurch geschädigt? Wie hoch ist der Schaden? Gibt es persönliche Bereicherungen von Mitarbeitern? Nach Möglichkeit: wurden bereits eine Anzeige erstattet oder Ermittlungen eingeleitet? relevante Unterlagen sollten gesammelt und geordnet werden (Verträge, Abrechnungen, E-Mail-Korrespondenz, etc) intern zu diskutieren, ob Eskalation (Anzeige) oder Deeskalation (interne Bereinigung) gewünscht wird 5
Tätige Reue (I) nach Klärung des Sachverhalts sollten die Voraussetzungen der tätigen Reue geprüft werden bestimmte strafbare Handlungen können durch tätige Reue "saniert" werden führt zu Straffreiheit (nicht bloßer Milderungsgrund) nur im Gesetz aufgezählte Delikte (insb 167 StGB und 163d StGB) sind reuefähig, etwa klassische Vermögensdelikte: zb Diebstahl, Sachbeschädigung, Betrug, Veruntreuung, Untreue, Unterschlagung Gläubigerschutzdelikte: zb betrügerische Krida, Schädigung fremder Gläubiger, grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen Bilanzdelikte (nur eingeschränkt) 6
Tätige Reue (II) idr erforderlich: Entscheidungsträger/Mitarbeiter muss den Schaden rechtzeitig (bevor die Behörde davon erfahren hat) freiwillig (ohne äußeren Zwang) und vollständig widergutmachen zur Schadenswiedergutmachung auch Ratenvereinbarung zulässig => Strafbarkeit lebt bei Nichterfüllung wieder auf auch ein Dritter (zb Unternehmen) kann den Schaden im Namen des Täters begleichen, wenn sich der Täter um Schadenswiedergutmachung ernstlich bemüht 7
Tätige Reue (III) Achtung: tätige Reue des Täters führt nicht unbedingt auch zur Straffreiheit des Unternehmens nach dem VbVG: sofern die strafbare Handlung von einem Entscheidungsträger begangen worden ist und dieser tätige Reue übt tätige Reue schlägt auf das Unternehmen durch = Straffreiheit sofern die strafbare Handlung von Mitarbeitern begangen worden ist und diese tätige Reue üben Straffreiheit des Unternehmens vom Gesetz nicht vorgesehen; von der Lehre bejaht sofern das Unternehmen selbst tätige Reue übt keine zwingende Straffreiheit; die Staatsanwaltschaft kann lediglich von einer Verfolgung absehen ( 18 VbVG) 8
Hausdurchsuchung (I) trotz Vornahme einer Reuehandlung, kann es sein, dass die Staatsanwaltschaft bereits ermittelt (etwa durch Anzeige eines Dritten oder einer undichten Stelle ) Ermittlungen beginnen meist beim Unternehmen und zielen auf die Sicherstellung von Unterlagen ab drohende Hausdurchsuchung es ist daher empfehlenswert, bereits in Friedenszeiten Vorbereitungen für eine dann akute und oft unvorhergesehene Hausdurchsuchung zu treffen, und einen Notfallplan vorzubereiten Notfallplan muss leicht verständlich die Handlungen beim Hausdurchsuchungen festgelegen, Mitarbeiter sind entsprechend zu schulen 9
Hausdurchsuchung (II) Bei einer Hausdurchsuchung ist die Einhaltung folgender Regeln zu empfehlen: Ausweise der Anwesenden kontrollieren Strafverteidiger verständigen Sicherstellungsanordnung lesen keine mündlichen Informationen erteilen keine freiwillige Herausgabe von Dokumenten zu durchsuchende Objekte vorweg fotografieren eigenes Protokoll führen (anwesende Personen, Ablauf) 10
Prüfung von Schadenersatzansprüchen parallel zur strafrechtlichen Komponente sollte geprüft werden, ob der betreffende Entscheidungsträger/Mitarbeiter einen Schaden für das Unternehmen verursacht hat Geltendmachung entweder über eine zivilrechtliche Klage oder über den Anschluss an das Strafverfahren als Privatbeteiligter (sofern dieses nicht wegen tätiger Reue eingestellt wurde) in der Regel verjähren derartige Schadenersatzansprüche in 3 Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger Achtung: Das Unterlassen der Geltendmachung von (erfolgsversprechenden) zivilrechtlichen Ansprüchen kann Untreue sein! 11
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