265 6 Lebensraum Stromlandschaft Elbe eine Synthese Jörn Hildebrandt, Frank Dziock, Hans Jürgen Böhmer, Klaus Follner, Matthias Scholten, Mathias Scholz und Klaus Henle Auf Organismen an Wasser wie an Land wirken unzählige Umweltfaktoren ein; diejenigen Faktoren, die entscheidend die Dynamik von Populationen und Lebensgemeinschaften bestimmen, sind von besonderem Interesse für die ökologische Forschung. Auf diese so genannten Schlüsselfaktoren, beispielsweise in Flüssen auf die Strömungsgeschwindigkeiten oder in Auen auf die Überflutungsdauern, haben Tiere und Pflanzen in ihrer Evolution mit ganz bestimmten Strategien reagiert. Sie ermöglichen ihnen das Überleben und die Reproduktion in ihren Lebensräumen: Die Organismen ziehen existenziellen Nutzen aus den jeweiligen Bedingungen ihrer Umwelt und sie sind in der Lage, bestimmte Faktoren zu tolerieren, ihnen zu widerstehen oder ihnen auszuweichen. Vom Elbestrom über die Ufer bis in den Auenbereich wird die Vielzahl von Schlüsselfaktoren stark vom Menschen verändert bzw. neue Faktoren können anthropogen entstehen, indem z. B. Buhnenfelder am Ufer angelegt werden. In den vorhergehenden Kapiteln wurden wesentliche Schlüsselfaktoren und Lebensstrategien für einzelne Taxa und Lebensräume herausgestellt. In einer zusammenfassenden Betrachtung wird nun versucht, in der Vielfalt an Anpassungsleistungen grundlegende auen- und flusstypische Faktoren und Strategien zu identifizieren, die für eine Bioindikation und Modellierung von ökologischen Veränderungen in der Flusslandschaft Elbe und damit für ein verbessertes Management verwendet werden können (siehe Kapitel 6.1 und 6.2). Schlüsselfaktoren und Lebensprozesse spielen sich in verschiedenen Skalen von Raum und Zeit ab. Um ein genaueres Verständnis der Habitatansprüche von Arten zu erhalten, sollten demzufolge auch die verschiedenen Skalenebenen berücksichtigt werden (siehe Kapitel 6.3). Für aquatische Biotope und ihre Tier- und Pflanzenarten werden inzwischen solche räumlichen Klassifizierungen vorgenommen, also sowohl die Makro-, die Meso- als auch die Mikroskala betrachtet. Dieser Ansatz ist besonders für die Fischfauna relativ weit gediehen, bei der sich gezeigt hat, dass die besiedlungsbestimmenden Faktoren unterschiedlich sein können, je nachdem welche Raumskala, etwa die Ebene von Flusslandschaften oder die von Buhnenfeldern, untersucht wurde. Im terrestrischen Bereich sind solche räumlichen Skalierungsansätze dagegen weniger ausgereift. Eine Klassifizierung der Abläufe in der Zeit bezieht sich z. B. auf unterschiedlich schnell ablaufende Ein- und Auswanderungsprozesse von Arten oder Sukzessionen, mit denen Reaktivierungsbemühungen in Auen eng zusammenhängen. Des Weiteren wird dargestellt, wie Schlüsselfaktoren, Lebensstrategien und Raum-Zeit-Skalen in Indikationsansätzen zusammenfließen (siehe Kapitel 6.4). Die Differenzierung und Gewichtung von Umwelt- und organismischen Parametern ist besonders für Ansätze relevant, die auf eine Umweltindikation zielen. Dies gilt speziell für Modellierungen, bei denen ein grundlegendes Verständnis der wesentlichen Muster und Prozesse, wie z. B. der Habitatbesiedlung oder des Ausbreitungsverhaltens, notwendig ist, um Modelle über den Untersuchungsraum hinaus auf andere Regionen der Elbe oder auf andere Flüsse übertragen zu können. Solche übertragbaren Prognosemodelle können wichtige Entscheidungshilfen für ein nachhaltigkeitsorientiertes Flussgebietsmanagement der Elbe und vergleichbarer Fluss- und Auenlandschaften geben (siehe Kapitel 6.5). Lebensraum Stromlandschaft Elbe eine Synthese