Reiten mit Gerte: eine Drohung oder besonders fein? Teil 2 Ein Plädoyer für den kultivierten Gebrauch der Gerte!

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Transkript:

Die Gerte und ihr Einsatz ein richtig spannendes und wichtiges Thema. Und eines, das nicht schnell mal eben in ein paar Sätzen abzuhandeln ist. Silke Hembes hat für den Tölt.Knoten aufgeschrieben, was wichtig und wissenswert ist. Reiten mit Gerte: eine Drohung oder besonders fein? Teil 2 Ein Plädoyer für den kultivierten Gebrauch der Gerte! Von Silke Hembes Die Gerte: Zauberstab oder verlängerter Zeigefinger? Beides! Die Gerte ist, bewusst und vorsichtig touchierend angewendet, eines der feinsten Hilfenmittel, die dem Reiter überhaupt zur Verfügung stehen. o Beim frei laufenden Pferd oder an der Longe als Verlängerung unseres Armes.. o An der Hand als Verlängerung des Zeigefingers o Und unter dem Reiter als unglaublich feiner, vielseitiger und effektiver Berührungsimpuls, der tatsächlich bei einem eingespielten Team an einen Zauberstab der Kommunikation denken lässt. Um die Gerte aber so zielgerichtet und hilfreich einzusetzen, bedarf es schon ein wenig der Übung und zu allererst des Wissens, wie man dieses Instrument sinn- und gefühlvoll spielt! Hier folgen nun in den in diesem und den noch folgenden Teilen unseres Artikels eine kleine Einführung und eine Übersicht in die Möglichkeiten zur Nutzung der Gerte beim Reiten. Wenn Sie sich dies bitte zu Herzen nehmen, werden Sie Ihrem Pferd nie wieder mal eben unbedacht eins überbraten. Und wer bisher vielleicht die böse Gerte mied wie der Teufel das Weihwasser, der wird sich doch noch mal überlegen, ob Silke Hembes... ist Ausbilderin für Reiter und Pferde mit dem Schwerpunkt Grundlagen der klassischen Dressur. Ihr Unterricht ist von pragmatischer Einfachheit, undogmatisch und trotzdem anspruchsvoll, weil sie ihre Schüler zum Fühlen anleitet, was herkömmlicher Unterricht bei den meisten Reitern systematisch abtrainiert. Dabei ist alles, was sie dem Reitschüler vorgibt, immer auf das Wohlbefinden des Pferdes und eine klare Kommunikation zwischen Reiter und Pferd ausgerichtet. Ihre Schüler kommen zu ihr mit Pferden aller Rassen aus allen Reitweisen und unter den von ihr unterrichteten Pferden und Reitern sind alle Leistungsklassen und Talente vertreten. Mehr über Silke Hembes finden Sie im Tölt.Knoten Archiv und hier: http://www.silke-hembes.de er sich solch feine und klare Hinweise an sein Pferd tatsächlich entgehen lassen möchte. 1

Intensität einer Aktion mit der Gerte Touchieren Normalerweise wird mit einer Gerte touchiert vom französischen toucher = berühren. Und dies ist tatsächlich wörtlich zu nehmen. Ein Touchement, also eine Berührung, ist wirklich eine Berührung und kein Schlag und schon gar kein Hieb. Man hört es nicht, und wenn man nicht ganz genau beobachtet, dann sieht man es auch fast nicht. Es ist einfach eine kleine, feine und leise Information, die der Reiter seinem Pferd gibt. Als halbe Parade wird ein Touchement (tic oder auch tictictic), gezielt an einen Punkt gesetzt, um die besondere Aufmerksamkeit des Pferdes auf genau diesen Bereich zu erzielen. Manchmal neckt der Reiter sein Pferd mit mehreren kleinen Touchements, die so fein aber auch ebenso nervig sein können wie das Anfliegen einer Fliege mehrfach am gleichen Platz. Hier kann der Effekt enorm sein, obwohl der Reiter das Fell des Pferdes nur eben so berührt. Manchmal erzielen Touchements in einem gleichmäßig klaren Staccato den gewünschten Effekt, das Pferd mit dem taktmäßig touchierten Bein energischer fußen zu lassen. Auch hier bleiben die Berührungen sehr leicht, sind aber ein wenig spitz und pointiert sie können reizen, aber sie werden nicht zu Schlägen. Reagiert das Pferd, wird die Gertenhilfe sofort eingestellt. Voraussetzung für diese Art der Kommunikation ist natürlich immer, dass das Pferd keinerlei Angst bekommt und der Reiter genau weiß, wann und wie er das Touchement einsetzt! Wie weit darf man gehen? Die maximale Steigerung wäre ein anschwellendes Crescendo um in der Sprache der Musik zu bleiben. Die ansteigende Geschwindigkeit, in der die kleinen, leichten Berührungen aufeinander folgen, kann ein Pferd sehr aufregen und hitzig machen. Und zwar ohne dass es im geringsten Schmerz verspürt. Diese Art des Touchierens sollte, wenn überhaupt, sehr vorsichtig und selten eingesetzt und nur von Reitern genutzt werden, die viel Erfahrung im Umgang mit der Gerte haben. Ich halte diese Intensität auch meist für unnötig. Außerdem kann diese Art des Touchierens für meinen Geschmack einem Strafen schon recht nahe kommen. Und ich möchte grundsätzlich mit der Gerte beim Reiten nicht strafen! Es entsteht viel Spannung bei dieser Vorgehensweise und ich bin mir sicher, dass die Losgelassenheit auf diesem Weg auf der Strecke bleibt. Und auch hier gilt wieder: Die Losgelassenheit ist alles in der Reiterei und ohne Losgelassenheit ist alles nichts! 2

Der einzige Grund, doch unter dem Sattel zu strafen Es gibt nur einen Grund, ein Pferd beim Reiten tatsächlich mit der Gerte zu schlagen. Schlägt das Pferd beim Reiten nach einem anderen Pferd aus oder greift es auf andere Art an, dann muss der Reiter seinem Pferd sehr deutlich mitteilen, dass das verboten ist und es vorwärts reiten! Jedes Verhalten im Angriff oder Verweigern des Antretens wird hier energisch mit einem Gertenschlag geahndet. Es ist einfach zu riskant zuzulassen, dass Pferde sich unter dem Reiter angreifen dies könnte lebensgefährlich werden! Was tun, wenn Strafe nötig erscheint? Im Allgemeinen ist es wenn der Mensch sinn- und gefühlvoll agiert sowohl im Umgang als auch beim Reiten nicht nötig ein Pferd zu schlagen. Respektlosigkeit, die eventuell zu Problemen führen könnte, wird dann frühzeitig erkannt und korrigiert. In diesem Stadium reichen feine Zeichen aus, um dem Pferd zu demonstrieren, dass der Mensch hier die Führung übernimmt und wo genau die Grenzen sind. Im Falle einer Attacke eines Pferdes auf ein anderes Pferd oder gar auf einen Menschen muss tatsächlich eine Strafe erfolgen. Erstens um das Geschehen zu unterbrechen. Ein Pferd, das es nicht gewöhnt ist geschlagen zu werden, wird sehr erstaunt und eventuell ein wenig verwirrt reagieren. Auf jeden Fall aber ist die Chance groß, das unerwünschte Muster zu unterbrechen. Zweitens ist in diesem Fall des gefährlichen Verhaltens tatsächlich zur Sicherheit von Mensch und Tier eine Strafe angebracht. Richard Hinrichs sagte auf einem seiner Seminare sinngemäß:...wenn Sie strafen müssen, tun Sie es bewusst, kalt und leidenschaftslos. Also beherrscht und kontrolliert, dann haben Sie später nichts zu bereuen. Scheint ein Pferd schwierig und die Person, die mit ihm umgeht glaubt, es sei wiederholt notwendig es tatsächlich mit der Gerte zu schlagen, dann sollte sie sich unbedingt lieber an einen Trainer wenden, der Erfahrung mit anspruchsvollen Pferden hat. Ein guter Trainer wird immer einen besseren Ansatz haben als die primitive Prügelstrafe. Hat er das nicht, dann ist er kein guter Lehrer und sein Unterricht ist keinen Cent wert! Analysieren Sie aber auf jeden Fall auch selbst die Situation, die scheinbar so eskalierte, dass Strafe nötig schien. o Was war los? o Wie kam es dazu? o Wie hätte man das verhindern können und vor allem wann? 3

Haben Sie Ihr Pferd vielleicht provoziert? Nach dem Motto Das wollen wir jetzt aber mal sehen?!. Das ist kindisch und sehr ungeschickt arbeiten Sie so mit Ihrem Pferd, dass es gar nicht erst zu solchen Streitsituationen kommt. Das menschliche Gehirn sollte dem des Pferdes so weit überlegen sein, dass der Mensch nicht in die Verlegenheit gerät, sich mit 400 bis 600 kg zu streiten oder gar handgreiflich zu werden. Wenn doch, dann sind Sie sehr ungeschickt vorgegangen. Bei einer solch eindeutigen körperlichen Unterlegenheit führt der Versuch körperlich zu obsiegen mit Sicherheit zu unfairen Methoden und Gewalt und sei es über Hebel und Flaschenzüge. Wo setze ich die Gerte ein? Gertenpositionen zum Begrenzen und Berühren Schauen Sie sich bitte die Zeichnung an: a) Die begrenzend angelegte Gerte am Hals. An diesem Punkt, dort wo der Hals den Pferdeschultern entspringt, hat der Reiter die Möglichkeit, zu versuchen, ein massives Ausbrechen oder gar ungewolltes Abwenden zu verhindern. Dazu wird die Gerte erst leicht und bei Bedarf, wenn das Pferd dagegen drängt, deutlicher außen angelegt. Wichtig ist, dass die gertenführende Hand dabei nicht steigt! Ein fein gerittenes Pferd wird auf das einseitige Steigen einer Hand sofort mit Aufmerksamkeit in genau diese Richtung reagieren. Wir wollen aber begrenzen. Also legen Sie die Gerte in Ruhe an, ohne die Hand dabei extra anzuheben und vor allem führen Sie Ihr Pferd weiter gleichmäßig zwischen den Zügeln! 4

Eine weitere Möglichkeit zum Touchieren in Position a: Haben Sie zwei Gerten zur Verfügung, können Sie mit beiden sanft touchierend das Rückwärtstreten anfragen und unterstützen. Dies hilft bei vielen Pferden, die sich anfangs mit dem Rückwärts unter dem Reiter schwer tun, die Gertenhilfe vom Boden aus aber verstanden haben. b) Die begrenzend angelegte Gerte an der Schulter Bricht ein Pferd zum Beispiel nach links aus, so versucht es wahrscheinlich einer Situation rechts von ihm auszuweichen. In diesem Fall nimmt es Rechtsstellung an und so wird der linke, hoffentlich verwahrende Zügel zum äußeren. Das bewusst verwahrend angelegte äußere Knie unterstützt dies. Auch hier kann die Gerte eine klare Begrenzung sein - in diesem Fall aber etwas weiter hinten als bei a - begrenzen Sie die Schulter Ihres Pferdes! Achten Sie zusätzlich darauf, dass Sie bei diesem Begrenzen mittig und aufrecht sitzen bleiben und NICHT ungewollt rechts einknicken, ein wenig nach vorne fallen, rechts am Zügel ziehen und gleichzeitig versehentlich mit dem rechten Bein viel Druck ausüben, um das Pferd darum herum nach rechts zu biegen. Drängt ein Pferd nach außen weg, muss es als erstes außen begrenzt werden! Zug innen zieht lediglich den Hals herum, vor allem wenn gleichzeitig der äußere Zügel fehlt das Pferd driftet nun erst recht über die linke Schulter nach außen. Die gesamte linke Seite der Reiterin - Fokus, Schulterdrehung, Zügel, GERTE, Schenkel, Knie und Unterschenkel machen "zu" und begrenzen so das sich deutlich nach links orientierende Pferd. Nach rechts steht dem Pferd die "Tür offen". 5

Drückt nun auch noch der innere Schenkel, bekommt das Pferd wirklich sämtliche Informationen, mit abgeknicktem Hals über die äußere Schulter zu weichen. Also - beim Ansatz zum Ausbrechen: Außen verwahren mit Schenkel, Knie, Zügel und in tiefer Hand geführter Gerte und auf gar keinen Fall innen ziehen! Slalom Reiten Sie einen Slalom in dressurmäßiger Manier: schön sauber gestellt und gebogenen mit exakten, bewusst gerittenen kurzen Geraden zwischen den wechselnden Biegungen. Und nun setzen Sie die Gerte entsprechend einrahmend außen ein. Wie Sie die Gerte elegant und vor allem fließend, störungsfrei und schnell von einer Hand in die andere wechseln lassen. wird an späterer Stelle besprochen. Zum Erfühlen, und damit Sie erst einmal nicht ständig wechseln müssen, benutzen Sie doch einfach vorübergehend zwei gleiche Gerten! Dazu auch später noch mehr. Üben Sie diese Situationen. Hier stabilisiert die Gerte die innere Schulter, damit das Pferd nicht auf diese drauf fällt. Der linke Schenkel treibt den linken Hinterfuß vermehrt Richtung Schwerpunkt um die linke Schulter zu entlassen. Die Gerte verhindert ein "Reindriften oder Drehen. So entsteht ein Schenkelweichen, dass das Pferd besser in die Balance bringt und verhindert, dass es sich nach links "schmeißt". Ebenfalls ein Grund für Touchements im Bereich b: Fällt ein Pferd auf die innere Schulter, kann der Reiter erst versuchen, durch kleine Touchements mit leicht steigender Gertenhand das Pferd dazu motivieren, sich wieder aufzurichten. Oder aber, wenn unser Pferd sich dann schnell wieder auf die Schulter wirft, können Sie durch das Anlegen der Gerte dafür sorgen, dass es weiterhin in der Schulterpartie aufrecht bleibt. Verkürzen Sie die Reprisen in der jeweiligen Biegung, wenn Ihr Pferd diese noch nicht lange halten kann. 6

Spanischer Schritt Unter dem Reiter ebenfalls an der Schulter wird das Touchement zur Polka und dem Spanischen Schritt eingesetzt. Um dem Pferd im exakt richtigen Moment die Hilfe in der feinstmöglichen Intensität geben zu können, muss der Mensch den Bewegungsablauf völlig verstanden haben und im Schlaf wissen, WANN er touchieren muss! Hat das Pferd den Huf bereits vom Boden genommen, ist es zu spät zum Touchieren. Der Bogen, in dem ein Pferd oder auch jedes andere Lebewesen sein Bein nach vorne schwingt, ist angelegt in dem Moment, in dem das Bein den Boden verlässt. Nur exakt im Abrollmoment kann der Reiter diesen Bogen beeinflussen, ohne dass Fluss und Balance verloren gehen. Das Pferd wird, wenn es dem verspäteten Touchement Folge leistet, nach vorne fallen, weil es versucht das Bein, das sich bereits in der Vorwärtsbewegung befindet, aus dieser heraus mehr nach vorne/oben zu werfen. Dadurch wird die Bewegung länger und gerät aus dem Fluss das Pferd fällt mit dem Schultergürtel nach vorne unten und es entsteht der gefürchtet Spanische Stampf. Versucht ein Reiter - egal in welcher Situation - die Beine seines Pferdes isoliert von dessen Körper in extremer und nicht der restlichen Bewegung relativ entsprechender Weise zu bewegen, führt dies zuverlässig zu einem durchfallenden Rücken und/oder zu überlasteten Fesselträgern irgendwo MUSS das Übermaß an Energie bei mangelnder Versammlung heraus! Eine spektakuläre Bewegung der Gliedmaßen ist nur dann anzunehmen, wenn sie aus einem durchlässigen Körper heraus entsteht. Sonst ist sie schädlich für das Pferd. Unabhängig davon, ob es um Höchstleistungen in der Schub- oder der Tragkraft geht. Egal ob der Barockreiter eine Piaffe forciert, der Sport-Dressurreiter eine maximale Trabverstärkung herausreitet oder der Gangpferdereiter ohne Kompromisse starkes Tempo Tölt fordert beachtet der Reiter nicht die Grenzen der Relativität und vor allem den Erhalt der Losgelassenheit, so wird aus dem angestrebten Maximum der Lektion eine Tortur für das Pferd körperlich und psychisch. Natürlich sind die aufgezählten Lektionen an sich keine Qual wenn Pferd und Reiter ihnen gewachsen sind und sich auf entsprechend hohem Ausbildungsstand befinden. Aber wie viele Reiter ignorieren das bzw. überschätzen sich? Hier wird die Gerte wieder zu einem Instrument der Drohung und der Strafe beobachten Sie gut, sich selbst und auch andere, denn die Grenzen sind fließend! 7

Probieren Sie folgendes bitte einfach einmal zu Fuß aus: o Gehen Sie taktmäßig und nun versuchen Sie, in der fließenden Bewegung - nicht beim Abrollen - den Bogen, den Ihr Bein beim Vorschwingen beschreibt, zu verändern. o Sehen Sie - Sie fallen nach vorn! o Und falls Sie es nicht sehen - hören Sie! Sie werden mit dem untaktmäßig vorgeschwungenen Bein deutlich lauter auffußen als sonst auf dieser Strecke. o Touchiert der Führende oder der Reiter zu früh, wird ein williges Pferd versuchen zu reagieren, obwohl es sich noch VOR dem Abrollvorgang, also voll in der Stützbeinphase befindet. Zündet es nun trotzdem sofort, entsteht ein Hüpfen, das ebenfalls den Takt unterbricht. Probieren Sie auch dies: o Tun Sie sich und Ihrem Pferd! einen Gefallen und üben Sie den Spanischen Schritt zu Fuß. Wirklich! o Zusammen mit einem Partner können Sie sowohl das Finden des richtigen Momentes als auch das Hin- und Wegführen der Gerte üben. o Sie dürfen dabei ausschließlich auf die gegenseitigen Hilfen reagieren - bitte kein vorauseilender Gehorsam, der nimmt die Möglichkeit zum Lernen. o Solange Sie nicht in der Lage sind, einen Zweibeiner hinten am Hosenbund zu führen und ihm über Zeigen und Touchieren erst eine Polka und dann den spanischen Schritt zu entlocken, sollten Sie es mit einem Pferd gar nicht erst probieren. o Ein schlecht eingebläuter Spanischer Stampf, der sich häufig noch verselbständigt, ist nur sehr schwer hin zu einem eleganten, leichten Spanischen Schritt zu korrigieren. o Nachdem das Pferd am Boden gelernt hat, auf Berührung mit der Gerte und Stimmkommando zu reagieren und das entsprechende Bein zu heben, wird dies nun unter dem Reiter fortgeführt. Vielleicht anfangs noch mit einem Helfer, der vom Boden aus mit der Gerte auf das gefragte Bein zeigt, nach und nach aber soll das Pferd immer klarer den Hilfen des Reiters folgen: dem deutlich vorgetriebenen diagonalen Hinterbein, der auf der Seite des zu hebenden Beines leicht nach vorne-oben steigenden Hand, dem Stimmkommando und eben dem Touchement der entsprechenden Schulter. o Anfangs empfehle ich Ihnen auch hier das Mitführen von zwei Gerten. Diese sollten mit der Zeit unnötig werden, so dass das Pferd auch den spanischen Schritt nach Möglichkeit mit unsichtbaren Hilfen am Sitz und zwischen den Zügeln ausführt. o Bedenken Sie: eine kleine, feine Gertenhilfe ist für das Pferd sehr viel klarer und feiner, und sieht auch eleganter aus, als gut sichtbares plumpes Arbeiten mit Händen und Füßen, nur um keine Gerte zu benutzen. Mit diesen Gedanken, praktischen Übungen und Tipps zum Einsatz der Gerte schließt der zweite Teil unserer Artikelreihe. 8

Der Tölt.Knoten Tipp: Ausdrucken oder archivieren! Sie haben dann nach Abschluss unserer Artikelreihe eine Broschüre über Die Gerte zur Hand, die Sie wahrscheinlich woanders in dieser Ausführlichkeit und Qualität nicht finden werden! Silke Hembes hat ihre Ideen von Respekt vor dem Pferd und Reiten in Losgelassenheit im Kosmos Verlag in ihrem Buch Der Weg zum Guten Reiten veröffentlicht. Dieses Mut-mach-Buch ist ein verständlicher Leitfaden für alle Pferd-Reiter-Paare, denen Leichtigkeit und Kommunikationsfähigkeit abhandengekommen ist und die wieder oder ganz neu auf der Suche danach sind. Text: Silke Hembes, Fotos: Jörg Ammann, Skizze: Silke Hembes Lektorat Barbara Schnabel töltknoten.de 2013 9