Herausforderungen in der Wohnungspolitik: Bezahlbaren Wohnraum für einkommensschwache Haushalte schaffen

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Transkript:

Armutskongress Umsteuern: Armut stoppen, Zukunft schaffen 27. Juni 2017 Herausforderungen in der Wohnungspolitik: Bezahlbaren Wohnraum für einkommensschwache Haushalte schaffen Ulrich Ropertz Geschäftsführer Deutscher Mieterbund (DMB)

1. Ausgangslage / Problembeschreibung 2. Lösungsansätze / Forderungen Deutscher Mieterbund 2

Ausgangslage 1 Million Wohnungen fehlen in Deutschland Extrem betroffen: Wohnungsmärkte in Großstädten, Ballungsgebieten und Universitätsstädten 3

Ausgangslage Erheblich angespannte Wohnungssituation Hoher bis sehr hoher Nachfrageüberhang: 138 regionale Wohnungsmärkte (34 %), aber: betroffen sind 37,6 Millionen dort lebende Menschen, 46 % der Gesamtbevölkerung Auf diese 138 Wohnungsmärkte entfallen 86 % des aktuellen Wohnungsfehlbestandes. 4

Problembeschreibung Gründe für Wohnungsfehlbestand: Steigende Einwohnerzahlen (plus 2,5 Millionen zwischen 2011 und 2016, jetzt 82,8 Millionen). Deshalb steigende Zahl von Haushalten und die Haushalte werden immer kleiner. Hohe Zuwanderungszahlen aus dem europäischen Ausland. Anstieg der fluchtbedingten Migration, insbesondere 2015. 5

Problembeschreibung Gründe für Wohnungsfehlbestand: Binnenwanderung: Stark überdurchschnittlicher Anstieg der Bevölkerung, der Haushalte, der Wohnungsnachfrage in wirtschaftlichen Ballungsräumen und Hochschulstandorten. Zu wenig Wohnungsneubau seit Jahren: 1995: 602.000 2009: 159.000 2016: 278.000 6

Problembeschreibung Wohnungsbedarf: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr Wohnungsneubau: 2015: 248.000 2016: 278.000 Das heißt, allein in den beiden letzten Jahren sind 274.000 Wohnungen zu wenig gebaut worden. 7

Problembeschreibung Bedarf an Mietwohnungen: Rund 200.000 neue Mietwohnungen pro Jahr, das bedeutet 140.000 Mietwohnungen - insbesondere bezahlbare Mietwohnungen mehr, als bisher gebaut werden, davon 80.000 Sozialmietwohnungen Fertiggestellte Mietwohnungen: 2015: 46.000 2016: 53.000 davon Fertiggestellte Sozialwohnungen: 2015: 15.000 2016: 25.000 Sozialwohnungsbestand = ca. 1,5 Millionen Jährlicher Verlust = ca. 40.000 bis 50.000 8

Problembeschreibung Große bezahlbare Wohnungsbestände gingen / gehen dem Wohnungsmarkt verloren. Auslaufen der Sozial- und Preisbindungen bei Sozialwohnungen, ca. 2,5 Millionen in den letzten 30 Jahren. Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes 1990 und damit keine dauerhafte Unternehmensbindungen mehr. Verkauf kommunaler Wohnungsbestände, die ursprünglich häufig mit öffentlichen Mitteln gefördert und dann verkauft wurden. Sie bilden heute den Grundstock für finanzmarktorientierte bzw. börsennotierte Unternehmen, wie Vonovia oder Deutsche Wohnen. 9

Folgen Hunderttausende von Haushalten finden in den Städten keine Wohnung. Umzüge bzw. Haushaltsgründungen junger Haushalte sind kaum möglich. Mietpreise steigen: -> bei Erstvermietung (Neubau) -> bei Wiedervermietungsmiete -> bei Bestandsmieten Viele Mieter werden aus der Stadt bzw. an den Stadtrand gedrängt. Neubaumieten für einkommensschwächere Haushalte bis hin zu Normalverdienern (3. Quintil) nicht bezahlbar. Durchschnittliche Wohnkostenbelastung = 35 % Eine vierköpfige Familie kann sich beispielsweise in Düsseldorf allenfalls noch eine 70 Quadratmeter große Wohnung leisten, in München, Berlin und Hamburg allenfalls eine 60 Quadratmeter große Wohnung. 10

Folgen Diskriminierung auf den Wohnungsmärkten Untersuchungen von Bayerischem Rundfunk und Spiegel vor zwei Wochen: Ausländer werden bei der Wohnungssuche diskriminiert. Ja, aber: einkommensschwächere Haushalte, Familien mit Kindern, Alleinerziehende, ältere Menschen, Behinderte werden ebenfalls diskriminiert. 335.000 Menschen haben in Deutschland keine Wohnung. 2018 könnten es 536.000 Menschen sein (BAG). Das ist die extremste und ständig steigende Form der Wohnungsarmut. 11

Schlussfolgerungen Wir brauchen mehr Neubau, mehr bezahlbare Mietwohnungen. Mehr Unterstützung einkommensschwächerer Haushalte bei den Wohnkosten. Bestandsmietverhältnisse müsse sicher sein. Ein gemeinwohlorientiertes Wohnungsmarktsegment ist aus- bzw. aufzubauen. Die Mieten im Wohnungsbestand müssen bezahlbar bleiben. Wie soll das gehen? Welche Lösungsansätze und Möglichkeiten gibt es? 12

Mehr Neubau Mehr bezahlbare Mietwohnungen Mehr Sozialwohnungen Langfristig bzw. dauerhaft gebundene Wohnungen 13

200.000 neue Mietwohnungen pro Jahr notwendig Um der wachsenden Nachfrage nach Mietwohnungen gerecht zu werden, müssen 200.000 Mietwohnungen pro Jahr - mindestens 140.000 mehr als bisher - davon 80.000 Sozialwohnungen, neu gebaut werden. Verbesserte Abschreibungsbedingungen für den Wohnungsbau (2 % statt 3 %) und eine steuerliche Förderung bzw. Investitionszulagen für den Neubau bezahlbarer Mietwohnungen, zum Beispiel in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf, sind hierzu erforderlich. Unverzichtbar sind für diesen steuerlich geförderten Mietwohnungsbau aber Mietobergrenzen. 14

Soziale Wohnraumförderung: 3 Milliarden Euro pro Jahr / 80.000 Wohnungen Ab 2017 hat der Bund seine Fördermittel für die soziale Wohnraumförderung auf 1,5 Milliarden Euro erhöht. Das reicht nicht aus, mindestens 3 Milliarden Euro sind notwendig. Die Bundesländer müssen verpflichtet werden, die Mittel des Bundes jetzt zweckgebunden für den Bau von Sozialmietwohnungen einzusetzen, eigene Finanzmittel in gleicher Höhe bereitstellen und attraktive Förderbedingungen schaffen, zum Beispiel durch die Gewährung von Zuschüssen. Ziel muss der Aufbau langfristiger Bindungen sein. Bei Bebauungsplänen Förderkontingente für preisgebundene Wohnungen vertraglich vereinbaren. 15

Soziale Wohnraumförderung von Bund uns Ländern nach 2019 sichern Die (Mit-)Finanzierung der sozialen Wohnraumförderung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro durch den Bund ist nur bis 2019 gesichert. Ab 2020 soll die Verantwortung für Sozialwohnungen ausschließlich bei den Ländern liegen. Wir fordern, dass die dauerhafte gemeinsame Zuständigkeit von Bund und Ländern für den sozialen Wohnungsbau gesetzlich verankert wird. Ggf. ist das Grundgesetz entsprechend zu ändern. 16

Gemeinnütziges Wohnungsmarktsegment einführen Für kommunale und kirchliche Wohnungsunternehmen, Genossenschaften oder Stiftungen sollen staatliche, unternehmensbezogene Förderinstrumente entwickelt werden, um so dauerhaft preiswerte Wohnungsbestände mit unbefristeten Mietpreisund Belegungsbindungen zu schaffen. Eckpunkte einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit sind: Steuerbefreiung bzw. Steuervorteile und zusätzliche Zuschüsse zum Wohnungsbau für gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen, zum Wohnungserwerb und zur Bestandsverbesserung, Mietpreisbindung, die gewährleistet, dass die Bruttomieten für Mieter bezahlbar sind und dass sie am Mietwohnungsmarkt insgesamt preisdämpfend wirken, Gewinnbeschränkung, zum Beispiel auf 3 bis 4 %. Dauerhafte Zweckbindung des Vermögens Beschränkung der Veräußerungen von Wohnungsbeständen auf andere gemeinnützige Träger Bau- und Investitionsverpflichtung für das Wohnungsunternehmen 17

Gemeinnütziges Wohnungsmarktsegment einführen Ein Wohnungsmarkt, auf dem private Vermieter und finanzorientierte Unternehmen dominieren, braucht ein gemeinwohlorientiertes Segment als Gegenstück. Letztlich nur hier kann der Wohnungsbedarf von Bevölkerungsgruppen gedeckt werden, die große Zugangsprobleme haben. Der freie Wohnungsmarkt ist für diese Probleme blind. Kommunale und / oder gemeinnützige Unternehmen dürfen es nicht sein egal, ob sie direkt oder an soziale Träger vermieten. 18

Voraussetzungen für preiswertes Wohnen und Bauen schaffen Wesentliche Voraussetzung für preiswertes Wohnen und Bauen ist eine aktive Baulandpolitik, das heißt eine schnelle und verbilligte Bereitstellung von Bauland durch Bund, Länder und Kommunen. Öffentliche Grundstücke des Bundes oder der Länder sollen nur an die Kommunen, und zwar deutlich unterverkehrswert, verkauft werden dürfen. Kommunen selbst sollen Grundstücke in erster Linie städtischen Wohnungsunternehmen oder gemeinwohlorientierte Unternehmen zur Verfügung stellen, vorrangig in Erbpacht. Die Bodenpolitik und das Planungsrecht müssen so ausgestaltet werden, dass Bodenspekulationen verhindert werden und bezahlbarer Wohnungsneubau, insbesondere der Bau von preisgebundenen Wohnungen, ermöglicht wird. Im Rahmen einer Novellierung des Baugesetzbuchs ist ein planungsrechtliches Instrument zur Steuerung der Bodenpreisentwicklung zu erarbeiten. Notwendig sind Regelungen, die den Abriss preisgünstiger Mietwohnungen und die Verdrängung der Bewohner, zum Beispiel in Folge von Umwandlungen in Eigentumswohnungen, oder die Vernachlässigung und Verwahrlosung der Wohnungen und Häuser verhindern. 19

Preiswertes Bauen bedeutet noch lange nicht preiswertes Wohnen. Ob ein Investor gesunkene Baukosten in Form von niedrigeren Mieten an die Mieter weitergibt, ist höchst fraglich. Aber: Bezahlbares Bauen ist die Voraussetzung dafür, dass sich ein Investor auch für niedrigere Mieten entscheiden kann. Neben beschleunigten Baugenehmigungsverfahren, Erteilung der Baugenehmigungen mit Fristen, vereinfachten Standards im Baurecht, Vereinheitlichung der Länderbauordnungen, Flexibilisierung der Stellplatzverordnung usw. muss auch über eine niedrigere Grunderwerbssteuer nachgedacht werden. Noch wichtiger: Steuerschlupflöcher müssen geschlossen werden. Finanzmarktorientierte Unternehmen umgehen im Zuge von Wohnungsverkäufen und käufen die Grunderwerbssteuer durch so genannte Share-Deals. Dabei werden die Geschäftsanteile an Objektgesellschaften, die Immobilien besitzen verkauft. Werden nicht mehr als 94,9 % der Anteile übertragen, fällt keine Grunderwerbssteuer an. 20

Subjektförderung verbessern Wohngeld: Automatische Erhöhung alle zwei Jahre Zum 1. Januar 2016: Änderung des Wohngeldgesetzes und Wohngelderhöhung Zahl der Wohngeldempfänger schwankend: 500.000 bis 850.000 Haushalte, zum großen Teil Rentnerhaushalte Nach derzeitiger Rechtslage werden die Höhe und die Wirkung des Wohngeldes alle zwei Jahre überprüft. Das reicht nicht aus. Stattdessen müssen die Wohngeldleistungen automatisch alle zwei Jahre an die allgemeine Preisentwicklung angepasst werden. Die Einführung eines Klimawohngeldes ist überfällig. Das bedeutet, für modernisierte Wohnungen muss ein höherer Wohngeldzuschuss gewährt werden. 21

Subjektförderung verbessern Angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung Die Angemessenheit der Bestandsmieten muss sich an den mittleren Werten der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren. Die Beweislast für die Höhe der Kosten muss bei der zuständigen Behörde liegen. Für Mieten nach Modernisierungen muss ein Modernisierungszuschlag zugerechnet werden. Bei der Anmietung einer Wohnung ist ein Neu- oder Wiedervermietungszuschlag zu gewähren. Bei den zu übernehmenden Heizkosten ist von den tatsächlichen Heizkosten auszugehen, es sei denn, dem Mieter wird ein unwirtschaftliches Verhalten nachgewiesen. Stromkosten sollen wie Heizkosten behandelt werden und nicht über den ALG II - Regelsatz abgedeckt bleiben. 22

Bezahlbare Mieten im Wohnungsbestand Mietpreisbremse Vergleichsmiete Mieterhöhungen nach Modernisierungen Kündigungsschutz stärken Wohnungsverlust verhindern 23

Mietpreisbremse nachbessern Die Mietpreisbremse funktioniert nicht und muss dringend nachgebessert werden. Notwendig sind eine bundesweit geltende Regelung, die Streichung von Ausnahmetatbeständen und wirkungsvolle Sanktionen für Vermieter, die sich nicht an das Gesetz halten. Unerlässlich sind auf jeden Fall folgende Korrekturen: Beim Abschluss des Mietvertrages muss der Vermieter nachprüfbare Angaben zu Ausnahmetatbeständen, wie Vormiete oder Modernisierung, ggf. zur Höhe und Berechnung eines Möblierungszuschlages, machen, wenn die von ihm geforderte Miete die Mietpreisbremsen-Obergrenze überschreitet. Der Vermieter muss verpflichtet werden, den Mietanteil, der die Obergrenze der Mietpreisbremsen-Regelung überschreitet, von Beginn des Mietverhältnisses an zurückzuzahlen. 24

5 Wirtschaftsstrafgesetz reformieren Über 5 Wirtschaftsstrafgesetz wird eine Art Mietwucher sanktioniert. Der Vermieter, der Mieten fordert, die mehr als 20 % über der Vergleichsmiete liegen, und dabei ein geringes Angebot an Mietwohnungen in der Stadt ausnutzt, kann mit einer Geldbuße belegt werden. In der Praxis funktioniert die Vorschrift nicht. Der Mieter kann in aller Regel nicht nachweisen, dass der Vermieter ein geringes Angebot ausnutzt und ihn quasi bewusst über den Tisch zieht. Deshalb muss 5 Wirtschaftsstrafgesetz so reformiert werden, dass er wieder angewandt werden kann. 25

Modernisierungsmieterhöhungen einschränken Mieterhöhungen nach Modernisierungen sollten ausschließlich im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete erfolgen dürfen. Bei energetischen Modernisierungen könnte sich für eine Übergangszeit die Mieterhöhung am Erfolg, das heißt am Umfang der eingesparten Heizkosten, orientieren. Zumindest aber ist 559 BGB wie folgt zu ändern: Höchstens 6 Prozent der Modernisierungskosten dürfen auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden. Innerhalb eines Zeitraums von 8 Jahren darf die Miete wegen Modernisierungen um nicht mehr als 1,50 Euro pro Quadratmeter steigen oder max. 10 % über der Vergleichsmiete liegen. Ein Härtegrund im Sinne des 559 Abs. 4 BGB liegt vor, wenn die Miete inkl. Betriebskosten nach Modernisierung ein Drittel des Haushaltsnettoeinkommens übersteigen würde. Bei der Ermittlung der Modernisierungskosten sind öffentliche Fördermittel nicht nur zu berücksichtigen, soweit sie bewilligt wurden, sondern auch soweit sie ein entsprechender Antrag unterstellt bewilligt worden wären. 26

Vergleichsmiete: Verbindliche Regelungen und neue Kappungsgrenzen Die ortsübliche Vergleichsmiete, das heißt die Durchschnittsmiete in bestehenden Mietverhältnissen, muss sich aus Vertragsabschlüssen und Mieterhöhungen mindestens der letzten 10 Jahre ergeben. Sie muss rechtssicher festgestellt werden können. Dazu bedarf es flächendeckender Mietspiegel in Deutschland und entsprechender verbindlicher Regelungen. Die Kappungsgrenze soll bundesweit auf 10 Prozent in 3 Jahren bzw. in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf auf 6 Prozent in 3 Jahren festgesetzt werden. 27

Kündigungsschutz stärken Wohnungsverlust vermeiden Wohnen muss bezahlbar, aber auch sicher sein. Zahlungsrückstände eines Mieters, die von einem Transferleistungsträger zu verantworten sind, oder ein sonstiger unverschuldeter Zahlungsrückstand des Mieters dürfen nicht zu einer Kündigung führen. Die Folgen einer fristlosen und einer ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsrückständen sind anzugleichen. Durch Nachzahlung der Miete muss der Mieter auch die ordentliche Kündigung gegenstandslos machen und deren Folgen, das heißt die Räumung, verhindern können. Die Schonfristenregelungen des 569 BGB sind im Rahmen des 573 BGB zu übernehmen. 28

Kündigungsschutz stärken Wohnungsverlust vermeiden 573 Abs. 2, 1. Halbsatz BGB hat sich zu einer Generalklausel bzw. einem Auffangbecken für Kündigungsbegründungen entwickelt. Hier ist das Wort insbesondere zu streichen. Damit ist sichergestellt, dass nur bei einer Vertragsverletzung des Mieters, bei Eigenbedarf oder bei der Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung eine Kündigung in Betracht kommt. 573 Abs. 2 Ziff. 2 BGB (Eigenbedarf): Hier muss klargestellt werden, dass eine dauerhafte Nutzung als Wohnung zu Wohnzwecken erforderlich ist. Gleichzeitig ist der Kreis der Personen, derentwegen Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, einzuschränken. Gesellschafter einer Personen- oder BGB-Gesellschaft (erst recht deren Familienangehörige) dürfen keinen Eigenbedarf geltend machen. Das Kündigungsprivileg Eigenbedarf darf nur für den Vermieter selbst und seine nächsten Familienangehörigen gelten. 29

Kündigungsschutz stärken Wohnungsverlust vermeiden Im Rahmen des 573 BGB muss die Pflicht des Vermieters verankert werden, freistehende Wohnungen im Haus bzw. freistehende Wohnungen im Eigentum des Vermieters vorrangig für den geltend gemachten Eigenbedarf zu nutzen bzw. diese Wohnungen dem gekündigten Mieter als Ersatz anzubieten. Der Vermieter ist zum Nachweis von Ersatzwohnraum verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Pflicht muss die Kündigung unwirksam machen. Mieten soziale Träger, wie Wohlfahrtsverbände oder Kirchen, Wohnungen an, um sie zu sozialen, caritativen oder gemeinnützigen Zwecken weiterzuvermieten, muss auch hier das soziale Wohnraummietrecht mit entsprechenden Mieterschutzvorschriften gelten. 30