Aus dem Klinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Unfallchirurgische Abteilung Direktor: Prof. Dr. med. Friedrich F.



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Transkript:

Aus dem Klinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Unfallchirurgische Abteilung Direktor: Prof. Dr. med. Friedrich F. Hennig Ergebnisse von Knieendoprothesen (Oberflächenersatz) mit zweizeitiger seitendifferenter Operationstechnik am gleichen Patienten: konventionelle Implantation versus CT-freier navigierter Operation. Eine retrospektive Studie. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegt von Eckhard Frank aus Stuttgart

Gedruckt mit Erlaubnis der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Dekan: Referent: Koreferent: Prof. Dr. J. Schüttler Priv.-Doz. Dr. K. Gelse Prof. Dr. F. F. Hennig Tag der mündlichen Prüfung: 25. Januar 2011

Meiner verstorbenen Mutter Elsbeth Frank

Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 1 Hintergrund und Ziele 1 Methoden 1 Ergebnisse 1 Schlussfolgerung 2 Summary 3 Methods 3 Results 3 Conclusion 4 2. Einleitung 5 2.1 Kniegelenksersatz 5 2.1.1 Geschichte des Kniegelenksersatzes 6 2.1.2 Modelltypen des Kniegelenksersatzes 7 2.1.2.1 Monokondylärer (unikompartimentaler) Gelenkersatz 7 2.1.2.2 Gekoppelte Totalendoprothese 8 2.1.2.3 Oberflächenersatz 9 2.1.2.4 Patellaersatz 9 2.1.3 Anforderungen an die Implantationstechnik 11 2.2 Computerassistierte orthopädische Chirurgie (CAOS) 12 2.2.1 Geschichte der computerassistierten Chirurgie 12 2.2.2 Modelltypen der computerassistierten orthopädischen Chirurgie (CAOS) 14 2.2.2.1 Roboter 14 2.2.2.2 CT-basierte Navigation 15 2.2.2.3 CT-freie Navigation 16 3. Material und Methoden 17 3.1 Patientenkollektiv 17 3.2 Klinische Scores 19 3.2.1 Insall-Knie-Score 19

3.2.2 Insall-Funktions-Score 20 3.3 Klinische Untersuchungen 20 3.3.1 Bewegungsumfang 20 3.3.2 Stabilität 21 3.4 Radiologische Parameter 21 3.4.1 Bestimmung der postoperativen Beinachse 21 3.4.2 Passgenauigkeit der Implantate 24 3.4.2.1 Flexionsstellung der Femurkomponente 24 3.4.2.2 Dorsalneigung des Tibiaplateau 24 3.4.3 Größenauswahl der Implantate (Prothesenüberstand) 25 3.5 Subjektive Patienteneinschätzungen 26 3.5.1 Zufriedenheit 26 3.5.2 Schmerzempfinden 26 3.6 Operationstechniken 26 3.6.1 Konventionelle Technik 26 3.6.2 Navigierte Technik 27 3.7 Statistik 30 4. Ergebnisse 32 4.1 Patientenkollektiv 32 4.2 Klinische Scores 32 4.2.1 Insall-Knie-Score 32 4.2.2 Insall-Funktions-Score 34 4.3 Klinische Untersuchungen 37 4.3.1 Bewegungsumfang 37 4.3.1.1 Maximale Flexion 37 4.3.1.2 Streckdefizit 39 4.3.2 Stabilität 40 4.4 Radiologische Auswertungen 43 4.4.1 Beinachse 43 4.4.2 Passgenauigkeit 46 4.4.2.1 Flexionsstellung Femurkomponente (Femurschild) 46 4.4.2.2 Dorsalneigung Tibiaplateau 49 4.4.2.3 Prothesenüberstand 51 4.5 Subjektive Einschätzungen 52

4.5.1 Zufriedenheit 52 4.5.2 Schmerzempfinden 55 5. Diskussion 58 5.1 Patientenauswahl 58 5.2 Klinische Scores 59 5.2.1 Insall-Knie-Score 59 5.2.2 Insall-Funktions-Score 59 5.3 Klinische Untersuchungen 60 5.3.1 Bewegungsumfang 60 5.3.1.1 Maximale Beugung 60 5.3.1.2 Streckdefizit 60 5.3.2 Stabilität 61 5.4 Radiologische Untersuchungen 62 5.4.1 Beinachse 62 5.4.2 Passgenauigkeit der einzelnen Implantate 63 5.4.2.1 Flexionsstellung Femurkomponente (Femurschild) 63 5.4.2.2 Dorsalneigung Tibiaplateau 64 5.4.2.3 Prothesenüberstand 65 5.5 Subjektive Beurteilung 65 5.5.1 Zufriedenheit 65 5.5.2 Schmerz 66 5.6 Schlussfolgerung 67 6. Literaturverzeichnis 68 7. Abkürzungsverzeichnis 80 8. Danksagung 81 9. Lebenslauf 82

1 1. Zusammenfassung Hintergrund und Ziele Die Patienten, die einen künstlichen Kniegelenkersatz benötigen, werden seit Jahren immer jünger. Aufgrund der Weiterentwicklung der Prothesendesigns, durch die eine Anpassung der individuellen Indikation ermöglicht werden kann, sind die Standzeiten der Endoprothesen deutlich erhöht worden. Eine weitere Entwicklung ist das computergestützte Operieren. Die Vermutung ist, dass dadurch eine Optimierung der Prothesenpassgenauigkeit sowie der symmetrischen Weichteilbalancierung erfolgt und die Achsabweichungen reduziert werden können. In der vorliegenden Arbeit werden Ergebnisse konventioneller und CT-freier navigierter Implantationstechnik bei Knieendoprothesen, die zweizeitig und seitendifferent am gleichen Patienten durchgeführt wurden, untersucht und mit anderen Studien verglichen. Methoden Wir haben Patienten anhand von standardisierten Scores, klinischen, radiologischen und subjektiven Kriterien untersucht. Vorraussetzung war, dass die Patienten an beiden Kniegelenken einerseits in konventioneller und andererseits in navigationsgestützter Technik endoprothetisch versorgt worden waren, um auch einen Vergleich der Methoden innerhalb eines Patienten ziehen zu können. Ergebnisse Wir konnten mit unserer Arbeit zeigen, dass die Navigation, im Vergleich mit der konventionellen Operationstechnik, zu einer signifikant genaueren Implantationsausrichtung des Femurschildes und tendenziell einer genaueren Beinachse sowie Ausrichtung des Tibiaplateaus mit weniger Ausreißern führen kann.

2 Die für die Langzeitprognose wichtige seitliche Bandstabilität wird durch die Navigation ebenfalls signifikant ausgewogener ausgerichtet. Dagegen zeigt sich bei der Auswertung der Ergebnisse eine tendenziell bessere Beweglichkeit bei den konventionell operierten Prothesen. Der Insall-Knie-Score erbringt sogar signifikant höhere Werte. Bei der subjektiven Beurteilung des Operationsergebnisses finden sich zwar keine gravierenden Unterschiede, die Patienten beurteilen die konventionell operierten Prothesen im Bereich Zufriedenheit und aktuellem Schmerz tendenziell etwas höher, was sich aber statistisch nicht belegen lässt. Schlussfolgerung Insgesamt konnten wir zeigen, dass die Navigation eine tendenzielle Verbesserung der radiologischen Passgenauigkeit sowie eine ausgewogenere Bandstabilität erbringt. Die Ergebnisse der konventionellen Implantationstechnik erbringt bessere Ergebnisse im Bereich der subjektiven Einschätzung und der Beweglichkeit. Die Patienten beurteilen die Seite mit Kniegelenksersatz, die konventionell operiert wurde, tendenziell etwas besser, was möglicherweise dadurch bedingt ist, dass die Operation länger zurückliegt.

3 Summary The age of patients who need knee replacement is decreasing within the last years. Due to the improvement of endoprosthesis designs, which enables a better adaption to the individual indication, the durability of knee endoprosthesis has been increased significantly. Another development is the computer-assisted surgery. It has been presumed that it optimizes the accurate fitting of knee endoprosthesis and the symmetrical ligament-balancing and therefore the deviation of the correct leg axis can be reduced to a minimum. Results of conventional and CT-free navigation in knee prosthesis implantation, which have been implanted to the same patient, are compared in this study and with the results of other studies. Methods Regarding to standardised scores, clinical, radiological and subjective criteria patients were examined in this study. The precondition was that the patients have undergone a implantation of conventional and CT-free navigation in knee prosthesis in order to compare the results of both techniques in one individual. Results We could verify in this study that the navigated technique, compared to the conventional technique shows significant better results of the alignment of the femur component and slight better results of the leg axis and alignment of the tibial component. The ligament-balancing which is very important for the long-term-results has also been improved significantly by the navigated technique. On the contrary the results show a slight better movability of knees implanted by the conventional technique. The Insall-Knee-Score even turns out to be significantly higher. The subjective judgement of the patients after having undergone the surgery does not show any significant differences, but the patients slightly estimate

4 the knee endoprosthesis implanted by conventional technique better, which yet does not show any significant statistical results. Conclusion Overall we could show that the navigation of the knee endoprosthesis generates a slight improvement of radiological accurate fitting and a better ligament-balancing. The conventional technique shows better results referring to the subjective estimation of the patients and the movability, which however may be an effect of the earlier surgery in conventional technique.

5 2. Einleitung Die Patienten, die einen künstlichen Kniegelenksersatz benötigen, werden seit Jahren immer jünger. Um die Standzeiten der Implantate zu verbessern, wurden zum einen die Prothesendesigns und zum anderen die Operationstechniken weiterentwickelt. Ein entscheidender Faktor war die Einführung der computergestützten Operationstechnik, wobei sich hier die CT-freie navigierte Technik am häufigsten durchgesetzt hat. Viele Studien lassen vermuten, dass dadurch eine Optimierung der Prothesenpassgenauigkeit sowie der symmetrischen Weichteilbalancierung erfolgt und die Achsabweichungen reduziert werden können. In der vorliegenden Arbeit werden Ergebnisse konventioneller und CT-freier navigierter Implantationstechnik bei Knieendoprothesen (Oberflächenersatz), die zweizeitig und seitendifferent am gleichen Patienten durchgeführt wurden, untersucht und mit anderen Studien verglichen. 2.1 Kniegelenksersatz Die Implantation einer Kniegelenksendoprothese gehört heute zu den Standardoperationen in der Orthopädie und Traumatologie. Die Auswahl der Prothesen reicht von der unikondylären Schlittenprothese über den Oberflächenersatz bis hin zur achsgeführten Prothese, wodurch auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten eingegangen werden kann. 1997 hat sich die Anzahl der implantierten Kniegelenke in Deutschland innerhalb von 10 Jahren von ca. 14.000 auf ca. 70.000 verfünffacht (36), 2003 waren es sogar ca. 90.000 allein in Deutschland (62). Durch die Verbesserung des Implantatdesigns sowie der Instrumentarien zur Implantation einerseits und durch die immer häufiger angewendete computerassistierte Chirurgie andererseits, werden zuverlässig gute Resultate der Implantationen ermöglicht (58). In der Literatur werden Überlebensraten zwischen 80% und 95% nach 10 Jahren angegeben (1, 24).

6 Sehr entscheidende Faktoren sind dabei die individuelle Indikationsstellung und Prothesenauswahl. Ein Gelenkersatz ist indiziert, wenn eine Gelenkzerstörung vorliegt, die den Patienten in seiner Lebensqualität erheblich beeinträchtigt und die durch konservative oder gelenkerhaltende operative Maßnahmen nicht zu beherrschen ist (39, 58). Die Altersverteilung zeigte 1996 schon, dass jeder 5. Patient unter 60 Jahre war (25). Verschiedenste Ursachen kommen für eine Gelenkzerstörung in Frage: Arthrose (z.b. idiopathisch, posttraumatisch), entzündliche rheumatische Erkrankungen (z.b. rheumatoide Arthritis), Osteonekrosen, hämophile Arthropathien, Morbus Paget, pigmentierte villonoduläre Synovialitis und neurogene Arthropathien (25, 58). 2.1.1 Geschichte des Kniegelenksersatzes Vor mehr als 100 Jahren wurde der erste überlieferte Kniegelenkersatz beschrieben. Themistokles Gluck implantierte bei einem Patienten mit Kniegelenkstuberkulose eine Scharnierprothese aus Elfenbein und verankerte sie im Knochen mit einem Gemisch aus Colophonium und Gips. Dieser erste Versuch misslang. Anstatt die Bemühungen zu fördern, verwies ihn sein damaliger Chef der Klinik (36). Erst in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Methode erneut aufgegriffen. Aus den damals entworfenen achsgekoppelten monoaxialen (achstragenden) Scharnierprothesen von Waldius und Shiers (60) und später den ungekoppelten monoaxialen Prothesen (Typ Geomedic, Polycentric) entstand die heutige Endoprothetik (10, 31). Der klinische Einsatz dieser Prothesen war durch die hohe Lockerungsrate und Abriebproblematik stark eingeschränkt und verhalf der Kniegelenksendoprothetik zu einem eher schlechten Ruf. Erste akzeptable Ergebnisse mit den Scharnierprothesen konnten in den 70er-Jahren erreicht werden, als die Prothesen von lasttragenden auf nicht

7 tragende Achsen mit großflächiger Kontaktfläche und Polyethylenlauffläche (Blauth-Knie) umgestellt wurden (36). Diese Maßnahme reduzierte die früheren Abriebprobleme erheblich. Der Nachteil dieser Prothesen war der immense Knochenverlust bei der Verankerung und eine relativ hohe Infektrate, die bis zu 20 % betrug (2, 6, 16, 25). Mitte der 70er-Jahre wurde zunehmend der Oberflächenersatz bevorzugt und weiter entwickelt. Hierbei handelte es sich um nicht gekoppelte bzw. halb gekoppelte, achsfreie Endoprothesen, die der Anatomie und dem Rollgleitverhalten des Kniegelenkes entsprachen. Dies führte zu einer Reduzierung der Krafteinwirkung auf die Prothesenverankerung. Aus diesem System entstand die unikondyläre Schlittenprothese, durch die nur ein einzelnes Gelenkkompartiment ersetzt werden konnte (36). 2.1.2 Modelltypen des Kniegelenksersatzes Bei den heutzutage verwendeten Prothesentypen wird unterschieden zwischen einem Oberflächenersatz und gekoppelten Implantaten. Beim Oberflächenersatz wird unterschieden zwischen monokondylären/ unikondylären Modellen, die nur das laterale oder mediale Gelenkkompartiment ersetzen, und bikondylären Modellen, die mediales und laterales Kompartiment ersetzen. Die gekoppelten Modelle werden in starre oder biologische Implantate unterteilt. 2.1.2.1 Monokondylärer (unikompartimentaler) Gelenkersatz Schlittenprothesen werden eingesetzt, wenn nur ein Gelenkkompartiment (medial/lateral) einen Verschleiß aufweist (Abb.1 und Abb.2), wobei fast nur das mediale Kompartiment ersetzt wird. Voraussetzung für die Indikation ist eine stabile Seitenbandführung sowie ein intaktes hinteres Kreuzband. Da ein Achsausgleich bei dieser Methode nur in geringem Maße möglich ist,

8 stellt eine Achsabweichung von 15-20 Grad ein Kontraindikation dar (39, 58). Bei einer Haltbarkeit von 80 % nach 9 Jahren (11), ist der monokondyläre Gelenkersatz häufig eine Übergangslösung bis zum vollständigen Gelenkersatz. Durch den bei der Primärimplantation entstandenen einseitigen Knochenschaden ist die Versorgung mit einer Totalendoprothese nicht unproblematisch. Aus diesem Grund sollte bei jungen und aktiven Patienten die Indikation kritisch gesehen werden. Eine Alternative ist die Korrekturosteotomie, die hervorragende Ergebnisse erzielt und jegliche operative Rückzugsmöglichkeit bietet (3, 39). 2.1.2.2 Gekoppelte Totalendoprothese Die ersten gekoppelten bikondylären Prothesen waren Scharniergelenke, bei denen die tibiale und femorale Komponente durch ein in die Prothese integriertes Gelenksystem verbunden waren. Die Kraftübertragung lief über das Scharniergelenk, was unphysiologisch ist und zu hohen Lockerungsraten führte. Neuere Modelle arbeiten dagegen mit einem Lastübertragungssystem, das über die Gelenkflächen arbeitet. Zusätzlich erlauben die meisten Implantate eine Rotationsbewegung zwischen Ober- und Unterschenkel (Rotationsknieendoprothese). Diese Modelle werden bei ausgeprägten ligamentären Instabilitäten und Achsabweichungen von >20-25 Grad eingesetzt, da hier eine stabile Weichteilführung nicht möglich ist. (39, 58). Nachteilig ist der große Knochenverlust bei Implantation und Verankerung im Knochen, sowie im Vergleich mit dem Oberflächenersatz vermehrt Patellaprobleme auftreten. Die Infektionsrate wird in der Literatur von 2% bis zu 23% angegeben, was im Vergleich sehr hoch ist. (36). Die Überlebensrate der Rotationsknieendoprothese liegt nach 10 Jahren bei ca. 90% (1).

9 2.1.2.3 Oberflächenersatz Die ungekoppelten Totalendoprothesen bilden heute die größte Gruppe unter den implantierten bikondylären Prothesen (Abb.1 und Abb.2). Unterschieden werden zementfreie, zementierte und Hybridmodelle (Femur zementfrei, Tibia zementiert). Bezüglich des Polyethyleninlays unterscheidet man zwischen festen und beweglichen (Mobile bearings) Modellen, die zusätzlich Bewegungen (Rotations-, Gleitbewegungen oder kombinierte Verschiebungen) zwischen Inlay und Plateau ermöglichen. Ziel soll eine möglichst physiologische Gelenkkinematik sein. Biomechanische Studien haben einen Vorteil bei physiologischer Gelenkkinematik und niedrigerem Polyethylenabrieb ergeben, klinisch sind aber positive Langzeitresultate noch abzuwarten (1). Wichtigste Voraussetzung für einen Oberflächenersatz ist ein intakter Kapsel-Bandapparat, leichte Achsabweichungen können operativ ausgeglichen werden. Teilgekoppelte Modelle sind z. B. posterior oder interkondylär stabilisierende Prothesen. Diese finden ihren Einsatz bei hinterer (insuffizientes hinteres Kreuzband) oder seitlicher Instabilität (insuffizienter seitlicher Bandapparat) bei ansonsten intaktem Bandapparat. Dadurch wird das Weggleiten des Tibiakopfes zu verhindert (39, 58). 2.1.2.4 Patellaersatz Wird zusätzlich die Oberfläche der Patella ersetzt, spricht man von einem trikompartimentalen Gelenkersatz. Zu dieser Thematik gibt es keine einheitliche Meinung. Viele Kliniken bevorzugen Glättung der Patellarückfläche oder die Patelladenervierung (36). Für einen primären Ersatz sprechen eine deutliche Destruktion und eine präoperatives femoro-patellares Schmerzsyndrom (39).

10 Abb.1: bikondylärer Oberflächenersatz (PFC-Knieendoprothese), unikondyläre Schlittenprothese und gekoppelte Rotationsknieendoprothese (von links nach rechts) Abb.2: bikondylärer Oberflächenersatz (PFC-Knieendoprothese), unikondyläre Schlittenprothese und Rotationsknieendoprothese seitlich (von links nach rechts)

11 2.1.3 Anforderungen an die Implantationstechnik Um das Problem der Prothesenlockerung zu minimieren, müssen verschiedene Faktoren bei der Implantation berücksichtigt werden. Die korrekte Beinausrichtung bzw. die mechanische Achsausrichtung ist von allergrößter Bedeutung, um erfolgreiche Langzeitergebnisse zu erzielen. Eine Abweichung von mehr als 3 Grad valgus/varus wird als prognostisch ungünstig erachtet (55, 66). Vorrausetzung hierfür ist einerseits eine exakte knöcherne Resektion und damit optimale Ausrichtung der Implantate, andererseits eine präzise Balancierung der Weichteile (62, 64). Die symmetrische Spannung der Kollateralbänder sollte dabei in Streckung und Beugung überprüft werden (71). Abweichungen von der mechanischen Achsausrichtung, der Rotationsausrichtung und der korrekten Weichteilbalance führen zu Überbelastung und Abrieb der Polyethylenoberfläche sowie zur Lockerung des Implantates (22, 42, 72). Für ein Implantatversagen kommen verschiedene Ursachen in Frage. Das schwedische Knieendoprothesenregister erfasste eine Revisionsrate von 8% über einen Zeitraum von 10 Jahren (1988-1997) (72). Die aseptische Prothesenlockerung war mit 44% die häufigste Revisionsursache, gefolgt von Systemwechseln (z. B. unikondylär auf bikondylär) mit 14%. Mechanische Ursachen (Materialermüdung, Fertigungsfehler) und Infektionen sind mit 12% bzw. 9% seltener zu beobachten. Als weitere Ursachen für eine Revision werden Patellaprobleme mit 6% und Instabilitäten mit 5% angegeben (72, 65). In unserer Klinik lag 2005 die Komplikationsrate nach Implantation einer Kniegelenksendoprothese, die durch eine Infektion verursacht wurde, bei 0,7%.

12 2.2 Computerassistierte orthopädische Chirurgie (CAOS) Navigation und computerassistierte Chirurgie haben in den vergangenen Jahren mehr und mehr Einzug in die orthopädische und traumatologische Chirurgie gehalten. Der Anteil an navigationsunterstützten Implantationen lag bereits 2003 weltweit bei 1-2 %, in Deutschland jedoch deutlich höher (66). 2.2.1 Geschichte der computerassistierten Chirurgie Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik im Operationssaal wurde seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend vorangetrieben. Durch fortschreitende Kenntnisse in der Anatomie und deren Umsetzung in die Praxis, versuchte man durch Hilfsmittel den Schaden auf das umgebende Gewebe zu minimieren. Dies wollte man durch eine präoperative Planung und eine möglichst genaue intraoperative Umsetzung erreichen. Eine Vorreiterrolle spielte die Neurochirurgie. Als erste beschrieben Clarke und Horsley 1906 die Anwendung eines stereotaktischen Apparates (15), mit dessen Hilfe Zielregionen im Gehirn erreicht werden konnten, deren Lage zuvor auf einem anatomischen Atlas markiert worden waren. Dieses Prinzip wird heutzutage noch in ähnlicher Form bei stereotaktischen Rahmensystemen in der Neurochirurgie angewendet. Schlondorff entwickelte 1974 eines der ersten Navigationsmodelle. Durch eine radiographische Skala wurde zwischen den Zähnen des Patienten und einem Röntgengerät die genaue Distanz zwischen verschiedenen anatomischen Punkten bestimmt (67). Watanabe veröffentlichte kurz darauf einen der ersten Neuronavigatoren, der anhand eines präoperativen Computertomogramms (CT) oder eines Kernspintomogramms (NMR) durch einen Sensor anatomische Punkte abtasten konnte (76).

13 Das erste Robotermodell wurde 1980 für neurochirurgische Operationen entwickelt. Verschiedene Roboter, wie z.b. der PUMA, wurden an die stereotaktischen Eingriffe angepasst, um eine höhere Genauigkeit bei der Entnahme von erkranktem Gewebe zu erzielen (20). In die orthopädische Chirurgie gelangte die computerassistierte Chirurgie ebenfalls über die Neurochirurgie. Ein Team der Oklahoma State University veröffentlichte Anfang der 80er Jahre ein Modell für die roboterassistierte Wirbelsäulenchirurgie (69), Nolte entwickelte Anfang der 90er Jahre ein Modell für interaktive Navigation der chirurgischen Instrumente (19, 54), beide Modelle sollten eine genauere Positionierung der Pedikelschrauben erreichen. Im weiteren Verlauf wurden Möglichkeiten erkannt, die sich ebenfalls weiterentwickelnde Computertechnik zu nutzen. Zunächst erreichte man durch die Erstellung dreidimensionaler Rekonstruktionen der CT-Bilder ein genaues anatomisches Modell. Diese Modelle wurden für die Planung und Durchführung knöcherner Resektionen (12, 26, 53), später für die Planung und Durchführung von Hüft- (51, 52, 77) und Kniegelenksendoprothesen (7, 23, 63, 75) verwendet. Aufgrund dieser Erfahrungen versuchte man anschließend durch die Entwicklung roboterassistierter und navigations-gestützter Modelle eine möglichst hohe Passgenauigkeit und geringe knöcherne Zerstörung zu erreichen. In den letzten zwei Jahrzehnten entwickelte sich die Bildqualität und somit auch die computerassistierte orthopädische Chirurgie rasant weiter.

14 2.2.2 Modelltypen der computerassistierten orthopädischen Chirurgie (CAOS) Heutzutage unterscheidet man zwei Klassen von Apparaten, aktive und passive. Zu den aktiven Systemen wird der Roboter gezählt, der einen Teilschritt einer Operation autonom und ohne Interaktion des Arztes ausführt (8, 30). Zu den passiven Systemen werden die chirurgischen Freihandnavigationssysteme gezählt. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass der Arzt konventionelle Instrumente führt, deren Lage in Form von Positionskoordinaten im Raum vermessen und anschließend visualisiert auf einem Monitor dargestellt werden. (18, 40, 54): Dies kann über zwei verschiedene Systeme geschehen: aktive und passive. Aktiv bedeutet, es sitzen auf den Instrumenten Infrarotlicht ausstrahlende Dioden, deren Lichtblitze von Kameras registriert und auf dem Monitor visualisiert werden. Nachteilig ist dabei die Kabelversorgung der Dioden an den Instrumenten. Passiv bedeutet, auf Kameras aufsitzende Dioden senden Infrarotlicht aus, das von Reflektoren auf den Instrumenten an die Kameras reflektiert wird. 2.2.2.1 Roboter 1992 wurde das erste aktive Roboter-System für die Implantation einer Hüftendoprothese (Robodoc) von Mittelstadt und Paul vorgestellt. Dieses System wurde unter der Annahme eingesetzt, dass durch genaueres Fräsen des Femurschaftes durch einen Roboter eine genauere Passgenauigkeit, dadurch ein besseres Einwachsen der zementfreien Prothese und somit eine längere Haltbarkeit erreicht werden könnte (49). Für die Anwendung benötigte man präoperativ ein CT des Femurschaftes, dieses wurde anschließend auf einen speziellen Computer (Orthodoc) aufgespielt. Die Prothesengröße und genaue Lage konnte somit präoperativ

15 anhand eines virtuellen Modells erstellt werden. Intraoperativ wurde die entsprechende Extremität am Roboter befestigt, definierte Oberflächenpunkte mittels Sensoren (Digitizer) abgetastet und mit dem präoperativ erstellten CT abgeglichen. Der Fräsvorgang des Femurschaftes wurde anschließend unter ständigem Abgleich vom Roboter selbständig durchgeführt (57). Die Hüftpfannenimplantation wurde in konventioneller Technik durchgeführt. Dieses System wurde später ebenfalls bei der Kniegelenksendoprothetik eingesetzt (45). Ein ähnliches System, Computer Assisted Surgical Planning and Robotics (CASPAR), erschien 1997 auf dem Markt (68). Im weiteren Verlauf wurden halb-aktive Robotersysteme entwickelt, wobei hier der Operateur den Fräsarm des Roboters unter ständigem Abgleich der Referenzgrenzen mit dem präoperativen CT führte. Negativ wirken sich dabei die praeoperative Strahlenbelastung durch die CT-Untersuchung und die fehlende Möglichkeit der intraoperativen kinematischen Analyse aus. Es können weiterhin Abgleichfehler mit der praeoperativen Planung während der Operation entstehen (17, 27). 2.2.2.2 CT-basierte Navigation Bei diesem passiven System wird präoperativ eine Computertomographie des Operationsgebietes erstellt. Nach der Übertragung auf den Computer werden die knöchernen Strukturen herausgerechnet und so ein dreidimensionales Bild rekonstruiert. Anhand dieses Modells kann die Prothese geplant und virtuell implantiert, eine virtuelle Bewegungsprüfung durchgeführt und dadurch die Bandstabilität überprüft werden. Durch die Navigation wird die intraoperative Ausrichtung der Instrumente mit der gewünschten und präoperativ geplanten Positionierung abgeglichen. Nach Durchführung der Resektion erfolgt die Implantation der Prothese (33).

16 2.2.2.3 CT-freie Navigation Die CT-freien Navigationssysteme benötigen keine präoperative Bildgebung, sie nutzen die Informationen, die während der Operation gewonnen werden und vergleichen diese mit einem hinterlegten Modell (35, 48, 59). Dadurch können Abgleichfehler zwischen einer präoperativen Planung und den intraoperativ gewonnenen Punkten vermieden werden. Es besteht für den Patienten keine unnötige Strahlenbelastung (41) Die bildfreie Navigation arbeitet im Prinzip eines Oberflächenscanners. Durch das Abtasten der Gelenkoberfläche entstehen über aktive oder passive Systeme rechnergestützt virtuelle und sehr realitätsgenaue Abbildungen der Anatomie. Die Achse wird über das kinematisch erhobene Hüftkopfzentrum und den Sprunggelenksmittelpunkt vermessen. Durch die erhobenen Daten wird ein Kniegelenksmodell erstellt, an dem virtuell die Prothese, Resektionsgrenzen und Rotation festgelegt werden können. Die Operation wird unter ständigem Abgleich der Daten, die durch die speziellen Markerinstrumente erhoben werden, durchgeführt. Während der Operation kann die Kapselbandstabilität dynamisch visualisiert werden, wodurch ein eventuell nötiges Release geplant und anschließend durchgeführt werden kann. Die Prothesen können jederzeit intraoperativ virtuell am Monitor positioniert und gegebenenfalls umgeplant werden (41, 73). Während der gesamten Operation müssen Referenzmarker im Oberund Unterschenkelknochen verweilen, damit das Navigationsgerät zu jeder Zeit das virtuelle Modell abgleichen kann.

17 3. Material und Methoden 3.1 Patientenkollektiv Alle in die Studie eingeschlossenen Patienten, 6 männliche und 21 weibliche (Abb. 3), wurden in der Chirurgischen Klinik II im Klinikum Fürth wegen einer primären Gonarthrose an beiden Kniegelenken im Zeitraum zwischen 1997 und 2005 operiert. Abb. 3: Aufteilung der Patienten nach Geschlecht und Alter; weiblich (rot), männlich (blau) Die letzte Knieoperation musste mindestens 6 Monate zurückliegen (Abb. 4). Es wurde bei allen ein bikondylärer Oberflächenersatz (PFC-Kniesystem, Fa. DePuy, Limbach) implantiert, wobei die tibiale Komponente zementiert und die femorale Komponente nicht zementiert (Hybrid-Technik) eingebracht wurde. Auf einen Retropatellarersatz wurde verzichtet. Der Zeitraum der Nachuntersuchung war von Oktober bis November 2005.

18 Abb. 4: Zeitraum zwischen Implantation und Untersuchung Zur Anwendung kamen zwei verschiedene Operationstechniken; zum einen die konventionelle Zielgerät gestützte, zum anderen die CT-freie navigierte Technik. Diese wurden zweizeitig und seitendifferent am gleichen Patienten durchgeführt. Die Patienten wurden angeschrieben und zur Untersuchung einbestellt. Für diese Studie wurden die Patienten in einem Gespräch zu den unten genannten Themen befragt. Im Anschluss wurde eine körperliche und radiologische Untersuchung durchgeführt. Diese Befunde wurden in standardisierter Form in einem Frage- und Untersuchungsbogen festgehalten. Der Untersuchungsbogen beinhaltete zum einen den Insall-Knie-Score und Insall-Funktions-Score (32), zum anderen wurden ergänzende Fragen zur subjektiven Beurteilung der Knieoperation gestellt sowie radiologische Befunde gesondert erhoben. Für die Auswertung der Ergebnisse wurden einerseits die genannten Scores, andererseits wichtige Einzelparameter gesondert betrachtet. Im Weiteren wurden die Patienten untereinander sowie die Ergebnisse der Operationstechniken miteinander verglichen.

19 3.2 Klinische Scores Um eine möglichst große Vergleichbarkeit mit anderen Studien zu erreichen, wurden in den Erhebungsbogen der Insall-Knie-Score und der Insall- Funktions-Score (32) aufgenommen. Diese überprüfen sowohl subjektive als auch objektive Kriterien zum Funktionszustand des Kniegelenkes und ermöglichen eine exakte statistische Bewertung. 3.2.1 Insall-Knie-Score Im Insall-Knie-Score sind beim Kriterium Schmerzfreiheit maximal 50 Punkte, bei der Stabilität des Kniegelenkes 25 Punkte (1 Punkt für 5 ) zu erreichen (maximal 100 Punkte). Von der ermittelten Punktzahl werden für Beugekontraktur und Streckdefizit bis zu 30 Punkte und für Beinachsenfehlstellung bis zu 20 Punkte abgezogen (Abb.5). Gewichtung der Parameter im Insall-Knie-Score -15 Beugehemmung -15 Streckhemmung -20 Achsfehlstellung Stabilität 25 Beweglichkeit 25 Schmerzen 50-30 -20-10 0 10 20 30 40 50 60 Prozent Abb.5: Gewichtung der Parameter im Insall-Knie-Score

20 3.2.2 Insall-Funktions-Score Im Insall-Funktions-Score werden für die schmerzfrei zu bewältigende Gehstrecke und für das Treppensteigen jeweils 50 Punkte vergeben; davon abgezogen wird die Benutzung von Gehhilfen mit maximal 20 Punkten (Abb.6). Gewichtung Parameter im Insall-Funktions-Score -20 Gehhilfen Gehstrecke 50 Treppensteigen 50-30 -20-10 0 10 20 30 40 50 60 Prozent Abb.6: Gewichtung der Parameter im Insall-Funktions-Score 3.3 Klinische Untersuchungen 3.3.1 Bewegungsumfang Bewegungsumfang, Streckdefizit und Beugekontraktur wurden nach der Neutral-Null-Methode durch ein und den selben erfahrenen Untersucher erhoben und in Winkelgraden gemessen. Das Streckdefizit wurde in 10 - Schritten, die Beugekontraktur in 5 -Schritten unterteilt.

21 3.3.2 Stabilität Die Stabilität im anterioren/posterioren Verlauf wurde klinisch durch die Abweichung von der Neutralposition in Millimeter gemessen, wobei 3 Einteilungen unterschieden wurden (weniger 5 mm, 5-10 mm und über 10 mm). Im medio/lateralen Verlauf wurde die Stabilität in Winkelgraden gemessen, wobei hier 4 Einteilungen unterschieden wurden : < 5, 6-9, 10-14 und > 15 (32). 3.4 Radiologische Parameter Zur Beurteilung der radiologischen Kriterien wurden nachfolgende native Röntgenaufnahmen unter standardisierten Bedingungen in der Radiologischen Klinik im Klinikum Fürth durchgeführt: Ganzbeinstandaufnahmen im anterioren/posterioren (a/p) Strahlengang dienten zur Achsbestimmung sowie der Lagebestimmung der einzelnen Komponenten, seitliche (sagittale) Aufnahmen im Format 20x40 cm zur Messung der Passgenauigkeit der einzelnen Komponenten. 3.4.1 Bestimmung der postoperativen Beinachse An den unteren Extremitäten werden anatomische und mechanische Achsen unterschieden. Die anatomischen Achsen verlaufen durch die jeweiligen diaphysären Zentren von Ober- und Unterschenkel. Die mechanischen Achsen verbinden dahingegen die Mittelpunkte der beteiligten Gelenke. Die mechanische Beinachse in der Frontalebene ist gleichzeitig die Traglinie des Beines (Mikulicz-Linie; Abb. 7a). Sie verläuft vom Hüftkopfzentrum bis zum Zentrum des oberen Sprunggelenkes und bei gerader Beinachse normalerweise durch das Kniegelenkzentrum. Abweichungen dieser Linie nach medial werden Varusfehlstellung, nach lateral Valgusfehlstellung

22 genannt. Die anatomische Beinachse dagegen verläuft durch den diaphysären Mittelpunkt von Ober- und Unterschenkel (Abb.7b) (56, 72). Zwischen anatomischer und mechanischer Beinachse am Oberschenkel besteht eine Differenz von 7 Grad, dagegen verlaufen die beiden Achsen im Bereich des Unterschenkels annähernd gleich (72). Die postoperative anatomische Beinachse wurde in dieser Studie anhand einer Ganzbeinstandaufnahme bestimmt. Es wurde eine Linie vom diaphysären Mittelpunkt am Oberschenkel und Unterschekel zum Prothesenmittelpunkt gezogen, der äußere Winkel (Knieaußenwinkel) der beiden Geraden gemessen (femoro-tibialer Achse) und zuzüglich die standardisierten 7 Grad addiert, um eine Vergleichbarkeit mit anderen Studien zu erzielen (Abb.7c). Abb.7a: Ganzbeinstandaufnahme mit Mikulicz-Linie zur Bestimmung der mechanischen Achse

23 Abb.7b: Ganzbeinstandaufnahme mit Linien zur Bestimmung der femoro-tibialen (anatomischen) Achse Abb.7c: Abweichung der mechanischen von der anatomischen Beinachse (schwarz eingezeichneter Winkel), Knieaußenwinkel femoro-tibial (rot eingezeichneter Winkel)

24 3.4.2 Passgenauigkeit der Implantate 3.4.2.1 Flexionsstellung Femurkomponente Die Flexionsstellung des Femurschildes wurde anhand der sagittalen Röntgenaufnahme bestimmt. Es wurde die Lage des Schildes zur Femurachse angezeichnet und durch den Winkel zwischen den Geraden des diaphysären Zentrums des Oberschenkels und der Prothesenbasis gemessen und die Abweichung von 90 Grad in Winkelgraden bestimmt (72). Als Normwert wurden 0 Grad festgelegt (Abb.8). Abb.8: Kniegelenk seitlich mit Linien zur Winkelbestimmung der Femurkomponentenlage 3.4.2.2 Dorsalneigung des Tibiaplateau Die Dorsalneigung des Tibiaplateaus (Slope) wurde ebenfalls anhand der Sagittalaufnahme bestimmt. In diesem Fall wurde die Lage des Plateaus zur Tibiaachse angezeichnet und durch den Winkel zwischen den Geraden des

25 diaphysären Zentrums der Tibia und des Tibiaplateaus gemessen und die Abweichung von 90 Grad in Winkelgraden bestimmt (72). Als physiologisch gelten 3 Grad, bei der Implantation der untersuchten Prothesen wurden 5 Slope als Zielmaß angestrebt. Von verschiedenen Prothesenherstellern wird ein Implantations-Zielmaß sogar zwischen 7-10 empfohlen (36) (Abb.9). Abb.9: Kniegelenk seitlich mit Linien zur Winkelbestimmung der tibialen Komponentenlage 3.4.3 Größenauswahl der Implantate (Prothesenüberstand) Der Überstand der einzelnen Implantatkomponenten zum Knochen kann anhand einer a/p- sowie einer seitlichen Röntgenaufnahme bestimmt werden. Wir beschränkten uns auf die Messung des seitlichen Überstandes des Tibiaplateaus zum Tibiakopf und des seitlichen Überstandes des Femurschildes zu den Femurkondylen anhand einer a/p-ganzbeinstandaufnahme. Die Überstände wurden in Millimeter gemessen.

26 3.5 Subjektive Patienteneinschätzungen 3.5.1 Zufriedenheit Um die subjektive Einschätzung zu erfassen, konnten die Patienten auf einer visuellen Analogskala von 0 (schlechter als vor der Operation; sehr unzufrieden) bis 5 (viel besser als vor der Operation; sehr zufrieden) ihre Zufriedenheit über das Operationsergebnis des jeweiligen Kniegelenkes bewerten. 3.5.2 Schmerzempfinden Die Patienten sollten ebenfalls auf einer visuellen Analogskala von 0 (stärkste Schmerzen) bis 10 (keinen Schmerz) ihr Schmerzempfinden zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung einschätzen. 3.6 Operationstechniken Die Patienten wurden ausschließlich von erfahrenen Operateuren, die die Operation regelmäßig durchführen, versorgt. Hierbei kamen die zwei im folgenden beschriebenen Techniken zum Einsatz. 3.6.1 Konventionelle Technik Standardmäßig wurde ein medialer parapatellarer Zugang gewählt. Nach Eröffnung der Kapsel wurde die Patella nach lateral evertiert, das vordere Kreuzband reseziert, mediales und laterales Seitenband sowie hinteres Kreuzband wurden geschont. Unter Einbeziehung des zugehörigen extramedullären Zielgerätes und der Sägeschablonen ( PFC-Kniesystem, Fa. DePuy, Limbach) wurden anschließend die Gelenkflächen reseziert. Bandstabilität und Beweglichkeit wurden anhand von eingebrachten Probeprothesen getestet. Bei einer Dysbalance wurde auf eine andere Prothesen-

27 größe oder ein höheres Polyethyleninlay umgeplant, bzw ein mediales oder laterales Release durchgeführt. Die femorale Komponente wurde in Pressfit- Technik ohne Zement, die tibiale Komponente mittels Knochenzement (Refobacin-Palacos) eingebracht. Es wurde eine intraartikuläre sowie eine subcutane Redondrainage eingebracht, der Wundverschluß erfolgte durch Kapsel- und Subcutannaht sowie der Hautverschluß mittels Klammergerät. Die Operationsdauer lag bei ca. 60 Minuten, Bolognesi berichtet von 58 Minuten (9). Postoperativ wurden sämtliche Patienten nach radiologischer Kontrolle unter Vollbelastung mit Gehhilfen mobilisiert und nach einem hausinternen Nachbehandlungsschema krankengymnastisch beübt. Die Bewegungsübungen wurden täglich durch den Krankengymnasten und durch eine motorisierte Bewegungsschiene passiv durchgeführt. Der Bewegungsumfang sollte die ersten zwei Wochen zwischen 0 und 60 liegen, da bei forcierterer Beugung die Gefahr der Nahtinsuffizienz der Kapsel besteht. Bis zur sechsten Woche wurde das Bewegungsausmaß auf 90 gesteigert, zusätzlich wurde auf einen gezielten Muskelaufbau geachtet. Jeder Patient absolvierte eine stationäre Anschlußheilbehandlung. 3.6.2 Navigierte Technik Die Navigation wurde mit einem passivem CT-freien System (System Vector Vision, Fa. BrainLAB, München) durchgeführt. Zusätzliche Instrumente waren die entsprechende Software, eine Stereoinfrarotkamera sowie reflektierende Marker sogenannte Rigid bodies als Referenzmarker und zum Oberflächenscannen. Operativer Zugang und Wundverschluß entsprachen denen der konventionellen Technik. Eine relevante Schnittverlängerung im Vergleich zur konventionellen Technik war nicht erforderlich. Nach Eröffnung des Kniegelenkes wurde 1 Schanzschraube zur Aufnahme der Referenzsterne medial

28 an distalem Femur und proximaler Tibia bikortikal verankert. Nach Ausrichtung der Referenzsterne zur Kamera wurde das Hüftkopfzentrum durch rotierende Bewegungen im Hüftgelenk bestimmt. Zur Bestimmung der mechanischen Achse erfolgte die Abtastung des Innen- und Außenknöchels. Anschließend wurden die erforderlichen Flächen an Tibia und Femur mittels eines Referenzmarkers abgefahren. Aus Punkten dieser Flächen errechnete der Computer ein hinterlegtes 3-D-Modell des Kniegelenkes, an dem das System einen Planungsvorschlag bezüglich der Prothesengröße und lage erstellte (Abb.13). Die vorliegende Planung wurde entsprechend den jeweiligen Vorstellungen des Operateurs am Monitor optimiert. Anschließend erfolgte die Resektion, indem der Schnittblock mit der auf dem Bildschirm dargestellten und geplanten Resektionsebene in Deckung gebracht wurde. Nach Resektion der jeweiligen knöchernen Strukturen erfolgte eine Kontrolle der Schnittebenen. Das System unterstützte den Operateur bei den jeweiligen Schritten durch die Darstellung der erzielten Beinachse und der Weichteilspannung durch Angabe der Aufklappbarkeit im Valgus- bzw. Varussinn (Abb.10-12). Die Operationsdauer lag bei ca. 75 Minuten, bei Bolognesi im Mittel 68 Minuten (9). Im Vergleich zur konventionellen Technik dauerte der Eingriff ca. 15 Minuten länger. Abb.10: Ligament balancing bei Navigation in Streckstellung des Kniegelenkes

29 Abb.11: Ligament balancing bei Navigation in Beugestellung des Kniegelenkes Abb.12: Bewegungsanalyse des Kniegelenkes bei Navigation Abb.13: Virtuelle Größenbestimmung der Komponenten bei Navigation

30 3.7 Statistik Die Dateneingabe, die statistische Auswertung und die Erstellung der Grafiken erfolgten mit SPSS (SPSS GmbH Software, München, Deutschland), SAS 9.1.3 und Excel für Windows 2003 (Microsoft, USA). Die Statistische Auswertung wurde mit Hilfe des Institut für Medizininformatik, Biometrie und Epidemiologie (IMBE), Waldstraße 6, 91054 Erlangen, Deutschland, durchgeführt. Die Stichproben für die statistische Auswertung bestehen aus verbundenen Beobachtungen. Die Verbundenheit der Beobachtungen in der Patientengruppe wurde mit Hilfe einer Korrelationsanalyse überprüft, um einen Zusammenhang zwischen linkem und rechtem Knie herzustellen. Um trotz Verbundenheit statistische Tests zum Vergleich der konventionellen und der navigierten Methoden anwenden zu können, wurde die Differenz zwischen den beobachteten Werten des konventionell operierten und des navigiert operierten Knies eines Patienten betrachtet. Verschiedene Grafiken zeigen einen Boxplot (Kastengrafik) für die Differenz des jeweiligen gemessenen Parameters für das linke und rechte (navigierte bzw. konventionelle Technik) Kniegelenk eines jeden Patienten. Die Box entspricht dem Bereich, in dem die mittleren 50% der Daten liegen. Die Differenz beschreibt den Unterschied zwischen den beobachteten Werten des konventionell und des navigiert operierten Kniegelenkes eines jeden Patienten. Die etwas dickere Linie in der Mitte beschreibt den medianen Wert der Differenzen (d.h. 50% der Daten liegen über diesem Wert, 50% darunter). Die obere Linie der Box ist das 75%-Quartil, die untere Linie das 25%-Quartil. Zusätzlich gibt der Boxplot mit dem Ende der gestrichelten Linie oben das Maximum und unten das Minimum an, wenn keine Ausreißer vorhanden sind; ansonsten wird das 95%-Quartil und das 5%-Quartil berechnet. Ist die mediane Differenz knapp über 0, bedeutet dies, dass keine großen Unterschiede zwischen den beiden Gelenken bzw. Operationstechniken

31 vorhanden sind. Befindet sich die Box stärker im negativen Bereich, lässt dies vermuten, dass eine der Operationstechniken besser ist. Ist die Verteilung der mittleren Differenzen nahezu symmetrisch, wird der Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test angewandt. Der Test prüft, ob die Nullhypothese, dass die Differenzen gleich 0 sind, verworfen werden kann. Das Signifikanzniveau wird für alle Tests auf 0.05 festgesetzt, d.h. wenn der p-wert eines Tests diesen Wert unterschreitet kann die Nullhypothese verworfen werden. Für die beiden OP-Techniken würde dies bedeuten, dass es einen Unterschied bezüglich der betrachteten Variable gibt. Ist die Verteilung der Differenzen nicht symmetrisch, wird der Vorzeichen- Test verwendet.

32 4. Ergebnisse 4.1 Patientenkollektiv Insgesamt wurden 27 Patienten im Alter zwischen 57 und 86 Jahren (Mittel 73,4 Jahre) untersucht, davon waren 21 weiblich und 6 männlich. Bei jedem Patienten wurden beide Kniegelenke zweizeitig endoprothetisch versorgt, jeweils mit dem gleichen Prothesenmodell in konventioneller Technik und computergestützt navigiert. Es konnten dadurch die Prothesen einzeln untersucht werden und zwar zum einen in konventioneller Zielgerät gestützter Technik (n = 27) bei einem mittleren Implantationszeitraum von 45,5 Monaten (Min. 6 Monate, Max. 94 Monate), zum anderen in CT-freier navigierter Technik (n = 27) bei einem mittleren Implantationszeitraum von 19,1 Monaten (Min. 6 Monate, Max. 27 Monate). Desweiteren konnte ein Vergleich zwischen den seitendifferenten Operationstechniken am selben Patienten erfolgen. 4.2 Klinische Scores Um Vergleichbarkeit mit anderen Studien zu erlangen und um eine standardisierte Datenerhebung durchführen zu können, verwendeten wir den Insall-Knie-Score und den Insall-Funktions-Score. 4.2.1 Insall-Knie-Score Der Insall-Knie-Score lag im Mittel bei allen bewerteten Prothesen bei 80,0 Punkten (Min. 37; Max. 100).

33 In der vergleichenden Betrachtung fanden sich bei den konventionell durchgeführten Operationen 84,1 Punkte im Mittel (Min 51; Max 100) sowie den navigiert durchgeführten Operationen 75,9 Punkte im Mittel (Min. 37; Max. 100) ( Abb.14). Abb.14: Insall-Knie-Score der 27 Patienten (Konventionell implantierte Prothesen (blau); navigierte Prothesen (rot)) Abb.15: Boxplot für die Differenzen beim Insall-Knie-Score (Erläuterung s. 3.7)

34 Grundlegende Statistikmaße der Differenzen Lage Streuung Mittelwert -7.93 Std.abweichung 18.93 Median -5.00 Varianz 358.46 Modalwert -5.00 Spannweite 83.00 20.00 Tests auf Lageparameter: Mu0=0 Test Statistik p-wert Interquartilsabstand Vorzeichen- Rang S -73.5 Pr >= S 0.03 Abb.16: Ergebnisse des Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test beim Insall-Knie-Score (Erläuterung s. 3.7) Der Test (Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test) führt zu dem Ergebnis, dass die Nullhypothese verworfen werden kann, d.h. dass es einen Unterschied bezüglich des Insall-Knie-Scores bei den beiden OP-Techniken gibt. Zusammen mit der grafischen Analyse konnte gezeigt werden, dass die navigierte OP-Technik zu signifikant schlechteren Ergebnissen bezüglich des Insall-Knie-Scores führt, als die konventionelle Technik (Abb.15-16). 4.2.2 Insall-Funktions-Score Bei diesem Score lag der mittlere Wert bei 88,1 Punkten (Min. 35; Max. 100). In der vergleichenden Betrachtung fanden sich bei den konventionell durchgeführten Operationen 90,9 Punkten im Mittel (Min. 35; Max. 100) sowie den navigiert durchgeführten Operationen 85,4 Punkte im Mittel (Min. 35; Max. 100) (Abb.17).

35 Abb.17: Insall-Funktions-Score der 27 Patienten (Konventionell implantierte Prothesen (blau); navigierte Prothesen (rot)) Abb.18: Boxplot für die Differenzen beim Insall-Funktions-Score (Erläuterung s. 3.7) In dieser Auswertung liegt der Median bei 0. Hier zeigt sich durch die deutliche Verlagerung des Boxplots in den negativen Bereich (inklusive der

36 zwei Ausreißer) die Tendenz, dass die konventionelle Technik besser abschneidet (Abb.18). Da im Fall des Insall-Funktions-Scores die Verteilung der Differenzen nicht symmetrisch ist, wird der Vorzeichen-Test verwendet (Abb.19). Grundlegende Statistikmaße der Differenzen Lage Streuung Mittelwert -5.56 Std.abweichung 12.58 Median 0.00 Varianz 158.33 Modalwert 0.00 Spannweite 55.00 Interquartilsabstand 10.00 Tests auf Lageparameter: Mu0=0 Test Statistik p-wert Vorzeichen M -2.5 Pr >= M 0.23 Abb.19: Ergebnisse des Vorzeichen Test beim Insall-Funktions-Score (Erläuterung s. 3.7) Der p-wert von 0.23 führt dazu, dass die Nullhypothese nicht verworfen werden kann und somit kein signifikanter Unterschied bezüglich des Insall- Funktions-Scores für die beiden OP-Techniken nachgewiesen werden kann. Die aus der Grafik resultierende Tendenz konnte somit nicht bestätigt werden.

37 4.3 Klinische Untersuchungen 4.3.1 Bewegungsumfang 4.3.1.1 Maximale Flexion Bei der Betrachtung der maximalen Flexion wurde bei den navigiert unterstützten Operationen im Mittel eine Beugung von 109 Grad (Min. 90 ; Max. 130 ) erreicht, bei den konventionellen Operationen eine Beugung von 114 Grad (Min. 85, Max. 125 ) (Abb.20). Abb.20: Maximale Flexion konventionell implantierter Prothesen (blau) und navigierter Prothesen (rot)

38 Abb.21: Boxplot für die Differenzen bei maximaler Flexion der Kniegelenke (Erläuterung s. 3.7) In dieser Auswertung liegt der Median bei ca. -5. Tendenziell zeigen sich ebenfalls minimal bessere Werte bei der konventionellen OP-Technik. Grundlegende Statistikmaße der Differenzen Lage Streuung Mittelwert -5.19 Std.abweichung 13.04 Median -5.00 Varianz 170.16 Modalwert 0.00 Spannweite 55.00 Interquartilsabstand 15.00 Tests auf Lageparameter: Mu0=0 Test Statistik p-wert Vorzeichen M -4 Pr >= M 0.12 Abb.22: Ergebnisse des Vorzeichen Test bei maximaler Flexion der Kniegelenke (Erläuterung s. 3.7)

39 Der Test ergibt einen p-wert von 0.12, was bedeutet, dass die Nullhypothese nicht verworfen werden kann. Es zeigt sich, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen der konventionellen und der navigierten Technik gibt, wenn man ausschließlich die maximale Beugung betrachtet. Im Vergleich zur Grafik konnte auch in diesem Fall die Tendenz statistisch nicht belegt werden. 4.3.1.2 Streckdefizit Bei der Prüfung des Streckdefizites zeigte sich bei den navigierten Prothesen im Mittel ein Defizit von 1,3 Grad (Min. 0 ; Max. 5 ), bei den konventionell eingebrachten Prothesen im Mittel 0,9 Grad (Min. 0 ; Max. 5 ) (Abb.23). Abb.23: Streckdefizit konventionell implantierte Prothesen (blau) und navigierter Prothesen (rot)

40 4.3.2 Stabilität Die mediale und laterale Bandstabilität nach Implantation der Prothesen wurde nicht separat untersucht, sondern die Summe der jeweiligen Abweichung wurde zusammengefasst und prozentual auf die Implantationsart umgerechnet (Abb.24). Abb.24: Medio-laterale Aufklappbarkeit (in 4 Intervallen; < 5, 6-9, 10-14 und > 15 ) konventionell implantierten (blau) und der navigiert implantierten Prothesen (rot) Es zeigte sich, dass die navigierten Prothesen prozentual weniger straff in der seitlichen Bandführung sind als die konventionell implantierten Prothesen. Bei den navigiert unterstützten Implantationen lagen 51,9 % im Abweichungsbereich zwischen 6-9, 33,3 % bis 5 und 14,8% zwischen 10-14. Bei den konventionellen Implantationen lagen 48,1 % im Bereich bis 5 und 51,9 % im Bereich zwischen 6-9 (Abb.25).

41 Abb.25: Prozentualer Anteil konventionell (blau) und navigiert (rot) implantierter Prothesen; medio-laterale Instabilität von < 5, 6-9, 10-14 und > 15 Abb.26: Grafik für Verteilung der Differenzen bei der medio-lateralen Stabilität zwischen konventionell und navigationsgestützt operiertem Kniegelenk (Erläuterung s. 3.7) Die mediale und laterale Bandstabilität wurde in Grad gemessen und dann als die Summe der jeweiligen Abweichung zusammengefasst. Das Ergebnis

42 wurde vier Klassen zugeordnet: < 5, 6-9, 10-14 und >15. Die Differenzen geben somit den Klassenunterschied wieder (Abb.26). Um zu testen, ob die OP-Technik einen Einfluss auf die Stabilität hat, wird der Vorzeichen-Test verwendet. Grundlegende Statistikmaße der Differenzen Lage Streuung Mittelwert 0.30 Std.abweichung 0.61 Median 0.00 Varianz 0.37 Modalwert 0.00 Spannweite 2.00 Interquartilsabstand 1.00 Tests auf Lageparameter: Mu0=0 Test Statistik p-wert Vorzeichen M 4 Pr >= M 0.04 Abb.27: Ergebnis des Vorzeichentest bei medio-lateraler Stabilität (Erläuterung s. 3.7) Die Nullhypothese, dass die Differenzen gleich sind, kann verworfen werden, d.h. es gibt einen Unterschied zwischen den Methoden. Dies bedeutet, dass das Ergebnis bei den navigiert operierten Patienten signifikant besser ist (Abb.27). Eine nicht zu straffe seitliche Bandführung ist gewollt, da dies zu einer größeren Bewegungsflexibilität des Gelenkes führt.