Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien. BRAZIL Market Report. Photovoltaic Energy Market. Working Paper 2013. Claudia Domel, M. A.



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Transkript:

Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien BRAZIL Market Report Photovoltaic Energy Market Working Paper 2013 Claudia Domel, M. A. Paul Schmitz

WORKING PAPER Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien Paul Schmitz M. A. 2013 Fraunhofer MOEZ Leipzig Betreuung am Fraunhofer MOEZ: Claudia Domel Das Papier basiert auf einer Studie von Paul Schmitz, die am Fraunhofer MOEZ auf Grundlage eines dreimonatigen Institutionenpraktikums im Wirtschaftsreferat der Deutschen Botschaft in Sofia entstanden ist. Link zum Datensatz in der Datenbank Fraunhofer-Publica: http://publica.fraunhofer.de/dokumente/n-259459.html urn:nbn:de:0011-n-2594591

Резюме Настоящата работа разглежда организацията и регулирането на пазара на електроенергия в България. С оглед на създалото се положение в българската енергетика през последните години, както и на масовите протести от началото на 2013 година, акцент е поставен върху проблемите на ценообразуването, които се анализират от гледна точка на потребителите и на енергийните предприятия. Българските потребители заплащат най-ниска цена за елекстроенегрия в Европейския съюз, която обаче, изразена в покупателна сила, е сред най-високите в общността. Същевременно някои от енергийните предприятия дори на настоящото ценово равнище са принудени да продават на регулирания пазар ток на загуба, което прави по-нататъшното сваляне на цените икономически неустойчиво. Това се отнася и за електроенергията от възобновяеми източници, чието производство преживя бум през последните 1-2 години и за чиито свръхразходи все още не е намерен адекватен механизъм на компенсиране. При такива обстоятелства като най-надеждно решение се очертава количественото приспособяване, тъй като ценовото в посока надолу не е възможно. Правителството би могло да насочи усилията си към насърчаване на подобряването на енергийната ефективност при потребителите на електроенергия. Abstract This working paper examines the organisation and regulation of the electricity market in Bulgaria. With regard to the state of the Bulgarian energy sector and the mass protests in the beginning of 2013 the study focuses on the problems of price formation from the view point of consumers as well as electricity companies. Bulgarian consumers pay the lowest power price in the European Union. Expressed in terms of purchasing power parities however, it s one of the highest. At the same time, some of the power companies are forced to sell electricity at sub-cost prices on the regulated part of the market, even at today s price level. This makes further price cuts economically unsustainable. This refers also to renewable energy production which was booming during the last 1 to 2 years and for whose high cost still no proper compensation mechanism could be established. In these circumstances, the most reasonable solution seems to be quantitative adaption, since price cuts don t seem to be feasible. The Bulgarian government could direct their resources into measures for the improvement of energy efficiency among electricity consumers. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 2 43

Inhalt 1 Einleitung... 5 2 Mikroökonomisches Modell der Regulierung natürlicher Monopole... 7 3 Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes... 11 3.1 Institutioneller Rahmen... 11 3.2 Zugang für Drittanbieter... 12 3.3 Entflechtung vertikal integrierter Energieunternehmen... 12 3.4 Preisregulierung... 13 3.4.1 Kapitalrendite... 15 3.4.2 Anreizregulierung... 15 4 Querschnitt durch den bulgarischen Elektrizitätsmarkt... 18 4.1 Makroökonomische Rahmenbedingungen... 18 4.2 Hintergrund: Der EU-Binnenmarkt für Gas und Strom... 18 4.3 Marktstruktur... 19 4.3.1 Marktmodell... 19 4.3.2 Stromerzeugung... 20 4.3.3 Handel... 21 4.3.4 Übertragung... 23 4.3.5 Verteilung... 24 4.3.6 Versorgung... 25 5 Zusammensetzung des regulierten Strompreises... 26 5.1 Analysen der Europäischer Kommission und der Weltbank... 30 5.2 Fallstudie: Verteilung der Kosten aus der Förderung erneuerbarer Energien... 31 6 Die Proteste gegen die Stromversorger vom Februar 2013... 34 7 Fazit und wirtschaftspolitischer Ausblick... 37 8 Literaturverzeichnis... 39 Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 3 43

Abbildungsverzeichnis Abb. 01: Monopol und natürliches Monopol... 8 Abb. 02: Gesetzlicher Regulierungsrahmen... 16 Abb. 03: Elektrizitätsmarkt in Bulgarien... 20 Abb. 04: Marktanteile in der Stromerzeugung, in Prozent... 21 Abb. 05: Stromhandelssaldo Bulgariens 2005-2012, in GWh... 22 Abb. 06: Stromhandelssaldo Bulgariens nach Ländern, in GWh... 22 Abb. 07: Bulgariens Stromübertragungsnetz... 23 Abb. 08: Stromversorger in Bulgarien... 24 Abb. 09: Geldfluss beim Strompreis... 26 Abb. 10: Zusammensetzung des Strompreises von ČEZ, in Prozent... 27 Abb. 11: Erzeugerquoten für den Energiemix, in Prozent... 28 Abb. 12: Einnahmen der NEK, nach Preisbildungsmechanismus, in Prozent... 28 Abb. 13: Rückwirkende Einnahmenabschöpfung durch Netzzutrittsgebühren... 31 Abb. 14: Strompreise in /kwh und KKS/kWh in Bulgarien und der Eurozone... 35 Abkürzungsverzeichnis Abb. ACER DKEVR DV EE EK ENTSO-E ESO EU GWh ISO ITO kwh MWh NEK OU RoR TWh vgl. Abbildung Agentur zur Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden (Agency for the Cooperation of Energy Regulators) Staatliche Kommission zur Energie- und Wasserregulierung (Dăržavna komisija za energijno i vodno regulirane) Amtsblatt (Dăržaven vestnik) Erneuerbare Energiequellen Europäische Kommission Europäisches Netzwerk der Übertragungsnetzbetreiber für Strom (European Network of Transmission System Operators Electricity) Elektrizitätssystembetreiber (Elektroenergien sistemen operator) Europäische Union Gigawattstunde Unabhängiger Systembetreiber (independent system operator) Unabhängiger Netzbetreiber (independent transmission operator) Kilowattstunde Megawattstunde Nationale Elektrizitätsgesellschaft (Nacionalna električeska kompanija) Eigentumsentflechtung (ownership unbundling) Kapitalrendite (rate of return) Terawattstunde vergleiche Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 4 43

Einleitung 1 Einleitung Im Mittelpunkt dieser Studie stehen die Probleme im bulgarischen Energiesektor, die die Entwicklung eines effizienten Marktes für Strom behindern, der gleichsam das Interesse der Verbraucher und das der Stromanbieter berücksichtigen würde. Zentral ist die Frage der Strompreisbildung. Nicht zuletzt das am 24. Januar 2013 durch die Europäische Kommission gegen Bulgarien eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren und die Massenproteste gegen hohe Strompreise Anfang 2013 lassen Zweifel an der Markteffizienz aufkommen. Die bulgarischen Energiegesetze seien zwar mit den beiden EU-Richtlinien zum Energiebinnenmarkt harmonisiert worden, einige Verordnungen seien allerdings noch nicht erlassen und umgesetzt worden, etwa im Hinblick auf die Entflechtung der Netze, die Stärkung der Unabhängigkeit und der Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörde sowie besser funktionierende Endkundenmärkte im Interesse der Verbraucher (vgl. EK 2013). Neben der ökonomischen wurde im Februar 2013 auch die enorme politische und soziale Bedeutung der Strompreisbildung für Bulgarien deutlich. In ganz Bulgarien protestierten Menschen gegen Stromrechnungen, die sie kaum bezahlen konnten. 1 Die zunächst gegen die drei im Lande tätigen Stromversorger gerichteten Demonstrationen weiteten sich aus, nahmen an Intensität zu und führten am 20. Februar 2013 letztendlich zum Rücktritt der bulgarischen Regierung von Premierminister Bojko Borisov und zur Einsetzung einer Übergangsregierung unter der Führung des ehemaligen Diplomaten Marin Rajkov. Die ursprünglich für September 2013 angesetzte Parlamentswahl wurde auf den 12. Mai 2013 vorgezogen. Dieser Abriss der Ereignisse aus dem Frühjahr 2013 lässt die Vermutung zu, dass dem Strompreis in Bulgarien eine brotpreisähnliche Bedeutung zukommt. 2 Die vorliegende Studie beginnt mit einem Exkurs in die mikroökonomische Theorie der Regulierung natürlicher Monopole, der eine systematische Erfassung und Einordnung der einzelnen Teile der insgesamt sehr komplexen Wertschöpfungs- und Preisbildungskette auf dem Markt für Elektrizität ermöglichen soll. Da die Regulierungsbehörde auf diesem Markt eine zentrale Rolle spielt, wird im Anschluss auf einzelne Aspekte ihrer Tätigkeit eingegangen. Dabei wird der Preisregulierung die meiste Aufmerksamkeit geschenkt. Dies ist der Allokationsfunktion der Preise für den Markt insgesamt geschuldet. Ein Überblick über die Marktteilnehmer und, wo möglich, deren Marktanteile liefert die faktische Grundlage für die darauffolgende Analyse der Strompreisbildung und der damit im Zusammenhang stehenden Regulierungsprobleme. Im abschließenden Fazit wird versucht, die Eingangsfrage der Markteffizienz und der Strompreisbildung in Bulgarien zu beantworten. Grundlagen zur Monopolregulierung finden sich bei KRUSE (1985) und KAHN (1988). Das dafür wichtige Pareto-Prinzip beschreibt MATHUR (1991). HELM et al. (1989) und GENOUD et al. (2004) wenden diese Prinzipien auf die Energiemärkte an. Zu den wichtigsten Abhandlungen zum bulgarischen Energiemarkt zählen die Studien des Center for the Study of Democracy (CSD) und GANEVs (2008) Übersicht des Elektrizitätsmarktes. Tiefgreifende Einblicke in die Vorgänge in der bulgarischen Energetik liefert eine Marktstudie der Wirtschaftsberatung NERA, die die bulgarische Regierung zur Einschätzung der Rentabilität des KKW-Projektes Belene bei der 1 Der bulgarische Strom für Haushaltskunden ist in absoluten Preisen EU-weit am niedrigsten, vgl. Kapitel 4. 2 Im Laufe der Demonstrationen gegen die Regierung kam es in einigen Städten Bulgariens sogar zur Selbstverbrennung mit Todesfolge durch Demonstranten. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 5 43

Einleitung britischen Investmentbank HSBC bestellt hatte und die auf der Website Balkanleaks.eu veröffentlicht wurde. Eine umfassende Untersuchung der Strommarktliberalisierung und deren Auswirkung in ganz Südosteuropa unternahm HITZEROTH (2012). Neben der verfügbaren Fachliteratur flossen Gespräche mit Experten wie z. B. der Vorsitzenden der bulgarischen Regulierungsbehörde DKEVR im März 2013, Evgenija Charitonova, dem Vorstandsvorsitzenden der bulgarischen Windenergievereinigung BGWEA, Sebastian Nöthlichs, Kalina Trifonova aus dem Vorstand von EVN Bulgaria, dem Geschäftsführer des Windenergieerzeugers WPD Bulgaria, Christoslav Pavlov, Todor Galev vom CSD und Prof. Atanas Tasev vom Bulgarischen Energieforum in diese Praktikumsarbeit ein. Für die Datenrecherche wurde auf Eurostat, den IWF, die Vereinigung der europäischen Regulierungsbehörden ACER, das europäische Netzwerk der Netzbetreiber ENTSO-E, den bulgarischen Regulator DKEVR sowie die Jahresberichte von Unternehmen wie NEK oder EVN zurückgegriffen. Zur Wiedergabe bulgarischer Eigennamen wurde sofern sie im Deutschen nicht geläufig sind die wissenschaftliche Transliteration entsprechend DIN 1460 verwendet. Nach der ersten Fassung dieser Studie veröffentlichten die Weltbank (2013) und die Europäische Kommission (2013) ihre Analysen und Handlungsempfehlungen, die sie im April 2013 auf Einladung der bulgarischen Regierung bezüglich des Energiesektors erarbeitet hatten. Deren Befunde decken sich im Wesentlichen mit den Ergebnissen des vorliegenden Papiers, enthalten mitunter jedoch weiterreichende Empfehlungen bezüglich Marktdesign und Energieeffizienz. In Kapitel 5 werden die für diese Studie wesentlichen Befunde vorgestellt. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 6 43

2 Mikroökonomisches Modell der Regulierung natürlicher Monopole Mikroökonomisches Modell der Regulierung natürlicher Monopole Bevor sich ein freier Markt für elektrische Energie entwickeln konnte, funktionierte die Stromversorgung, ähnlich wie Post und Telekommunikation sowie die Eisenbahn als ein staatliches Monopol und wurde auch in Marktwirtschaften von einem vertikal integrierten öffentlichen Unternehmen 3 angeboten. Dieses vereinte Erzeugung als Transformation von Primärenergie in Elektrizität, Übertragung als Transport von Hochspannungselektrizität zum nächsten Umspannwerk, Verteilung als Anpassung des Stroms auf Niedrigspannungsniveau für die Endverbraucher sowie Versorgung als Verkauf von Strom auf den Endkundenmärkten. Die Stromversorgung war im Monopol häufig Bestandteil der Stromverteilung (vgl. GENOUD/FINGER 2004: 30). Die seit 1996 in der Europäischen Union verfolgte schrittweise Marktöffnung auf mitgliedsstaatlicher Ebene und die Schaffung eines europaweiten Binnenmarktes für Strom basiert auf der Essential-Facilities-Theorie: In Brief, access to a facility is essential when refusal would exclude all or most competitors from the market (LANG 1994: 475-476). Danach soll das Monopol nur auf die wenigen Segmente der Wertschöpfungskette begrenzt werden, auf denen der Wettbewerb volkswirtschaftlich entweder nicht sinnvoll oder nicht möglich ist: As transmission networks are natural monopolies, they must be subject to regulation (EU 2011). Nach dieser Theorie hat der Betreiber von Übertragungs- und Verteilernetzen für Strom eine Alleinstellung auf dem Markt, da in der Regel die Kosten des Baus weiterer Stromnetze deren Nutzen übersteigen. Damit der Eigentümer dieser Infrastruktur nicht die vor- und nachgelagerten Märkte (Stromerzeugung und Handel bzw. Stromversorgung der Verbraucher) beherrschen kann, muss eine Regulierungsbehörde sicherstellen, dass Drittanbieter zu fairen Bedingungen ihr Gut oder ihre Dienstleistung auf dem Markt für elektrische Energie positionieren können (vgl. OECD 1996: 10-13). Wettbewerb kann also nur in den Marktsegmenten Erzeugung, Handel und Vertrieb elektrischer Energie entstehen (vgl. HRIVNÁK/KRIŽANOVÁ 2006). Um dort Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, muss eine Regulierung der Energiemärkte also hauptsächlich die Entflechtung vertikal integrierter Stromversorger, die Gewährleistung diskriminierungsfreien Zugangs zum Übertragungs- und Verteilungsnetz für Drittanbieter und die kostenbasierte Ermittlung und Festlegung der Netzentgelte für die Netzbetreiber sicherstellen. Die Richtlinie 2009/72/EG aus dem neuesten Legislativpaket zum Binnenmarkt für Stromenergie schreibt in Art. 9, Art. 13, Art. 14, Art. 17, Art. 18, Art. 19 bis zum 2. März 2012 die Entflechtung der Stromübertragung, in Art. 26 die Entflechtung der Stromverteilung und in Art. 31 die Entflechtung der Rechnungslegung in vertikal integrierten Energieunternehmen vor. Innerhalb der Unternehmen dürfen demnach nicht ein und dieselben Personen sowohl Übertragungs- bzw. Verteiler- als auch Erzeugungs- und Vertriebsfunktionen ausüben. Ein Exkurs in die mikroökonomische Theorie soll das Verständnis für die wirtschaftspolitischen Instrumente zur Regulierung monopolistischer Märkte schärfen. Wie im linken Preis-Mengen-Diagramm von Abb. 01 erkennbar, führt ein Monopol zu gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsverlusten in Höhe des Dreiecks zwischen dem Cournot-Punkt, dem Schnittpunkt von Grenzertragskurve R und Grenzkostenkurve K und dem Schnittpunkt von Grenzkostenkurve K und Nachfragekurve. Es kommt zu 3 Ein vertikal integriertes Energieunternehmen vereint in sich die Tätigkeiten Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Versorgung mit bzw. von Strom. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 7 43

Marktversagen, weil das Monopol auf dem gegebenen Markt eine erstbeste Lösung im Sinne des Pareto-Optimums verhindert (vgl. MUNGER 2000: 241). Eine solche erstbeste Lösung würde sich bei vollständigem Wettbewerb im Polypol mit einer zum Gleichgewichtspreis angebotenen Gleichgewichtsmenge im Schnittpunkt von K mit der Nachfragekurve einstellen (vgl. linkes Diagramm in Abb. 01), und deren Nichtvorhandensein kann einen Grund für staatliches Eingreifen in den Markt darstellen. Im Bereich der Stromversorgung führen jedoch nicht reguläre, sondern natürliche Monopole (vgl. rechtes Diagramm in Abb. 01) zu Marktkonzentration bei einem, meistens staatlichen, Anbieter. Natürliche Monopole stellen eine Form von Marktversagen dar, da Wettbewerb, wie oben erwähnt, in manchen Märkten mehr volkswirtschaftliche Kosten als Nutzen impliziert (vgl. HELM et al. 1989: 2). Mikroökonomisches Modell der Regulierung natürlicher Monopole Abb. 01: Monopol und natürliches Monopol Quelle: Schnabl 2012. Aufgrund von Skaleneffekten in der Produktion sinken bei steigender Angebotsmenge q die durchschnittlichen Kosten K/q (vgl. rechtes Diagramm von Abb. 01). Außerdem sind für den Elektrizitätsbereich Unteilbarkeiten charakteristisch. Sie implizieren, dass sich der Betrieb erst ab einer bestimmten Ausbringungsmenge lohnt. Diese Unteilbarkeiten sind im Fall der Übertragung und Verteilung von Strom technischer Natur, da Änderungen der Netzkapazität nur in großen Intervallen möglich sind und mit hohen Kosten verbunden sind. Die Unteilbarkeiten erhöhen die Markteintrittskosten für neue Anbieter. Unter Anwendung des Subadditivitätsprinzips übersteigen die Gesamtkosten der Erzeugung von Teilmengen an Strom durch verschiedene kleinere Anbieter die Kosten der Stromerzeugung durch einen monopolistischen Anbieter. Der Effekt ist durch hohe Fixkosten bedingt, z. B. für den Bau von Stromleitungen und Transformatorstationen, deren Anteil an den Durchschnittskosten K/q mit Erhöhung der Produktionsmenge q immer geringer wird. Diese hohen Fixkosten als Hindernis für neue Anbieter werden als natürliche Eintrittshürde bezeichnet, weil ihnen Irreversibilitäten in der Kostenstruktur (ebd.) zugrunde liegen, welche auf der mangelnden Mobilität spezifischer Produktionsfaktoren beruhen, z.b. der hier relevanten leitungsgebundenen Infrastruktur (KRUSE 1985: 12). Diese Kosten werden deswegen als irreversibel bezeichnet, weil sie für den Markteintritt unerlässlich sind, beim Rückzug des Anbieters vom Markt aber größtenteils unwiederbringlich abgeschrieben werden müssen. Sie werden auch als verlorene Kosten oder engl. sunk costs bezeichnet. Ein neuer Anbieter würde folglich nur in den Markt eintreten, wenn er die irreversiblen Kosten durch Gewinne ausgleichen könnte (vgl. SUTTON 1991: 8-9). Man betrachte den Fall, der Monopolist A würde das Gut zum Monopolpreis p 2 am Markt anbieten (vgl. Cournot-Punkt im rechten Diagramm von Abb. 01) und ein neuer und effizienter Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 8 43

operierender Unternehmer B bietet das Gut billiger an als der Monopolist A, z. B. zu seinen Durchschnittskosten (vgl. Schnittpunkt der Durchschnittskostenkurve K/q 2 mit der Nachfragekurve in Abb. 01). Um den Konkurrenten B vom Markt zu verdrängen, könnte der Monopolist A das Gut kurzfristig zum Preis p 1 anbieten, der zwar seine Grenzkosten (Kurve K 1 ) deckt, durch den ihm aber ein Verlust pro Einheit in Höhe des Abstandes zwischen Durchschnitts- und Grenzkostenkurve entsteht. Nachdem A seine Monopolstellung gegen B verteidigt hat, würde der Preis langfristig wieder auf p 2 steigen. Bezogen auf die Übertragung und Verteilung elektrischer Energie entsteht deshalb ein natürliches Monopol, weil es volkswirtschaftlich nicht sinnvoll und zu teuer wäre, würde jeder neue Anbieter auf dem Markt sein eigenes Übertragungs- und Verteilungsnetz aufbauen. Gleichzeitig kann die marktbeherrschende Stellung des Monopols zu überhöhten Preisen führen und der fehlende Wettbewerb wenig Anreize zur Kostensenkung bieten (vgl. MUNGER 2000: 242). Mikroökonomisches Modell der Regulierung natürlicher Monopole Ein weiterer Grund für die Regulierung natürlicher Monopole ist die Gefahr diskriminierenden oder wettbewerbsverzerrenden Verhaltens, z. B. durch Quersubventionierung innerhalb vertikal integrierter Unternehmen. Diese würde Drittanbieter in der Stromversorgung vom Markt verdrängen und das Monopol des Stromverteilers auf die nachgelagerten Märkte ausdehnen. Würde in der Sofioter Region das neue Unternehmen XY Strom anbieten, so könnte der regionale Stromverteiler ČEZ Razpredelenie diesem Drittanbieter ein höheres Netzentgelt abverlangen als dem konzerneigenen Stromversorger ČEZ Elektro. Im diskriminierenden Preiskampf mit ČEZ Elektro könnte XY seinen Strom nicht konkurrenzfähig anbieten und würde mittel- bis langfristig vom Markt verdrängt. 4 Neben der Entflechtung vertikal integrierter Unternehmen muss deshalb der kostenbasierten Regulierung der Nutzungsentgelte für die Übertragungs- und Verteilungsnetze große Bedeutung beigemessen werden (vgl. MUNGER 2000: 242). Unter Rückgriff auf das rechte Diagramm aus Abb. 01 würde die gesellschaftlich optimale Allokation der Menge q 1 des Gutes, für die der Anbieter den Preis p 1 einnimmt, für diesen nur unter Hinnahme massiver Verluste zu realisieren sein (vgl. unit loss ), da die Durchschnittskosten über den Grenzkosten liegen. Die angemessene Regulierung des Entgeltes muss also neben der Berücksichtigung von Kosten auch unternehmerische Anreize setzen und dem Netzbetreiber Gewinne ermöglichen, die dieser in die Instandhaltung und den Ausbau der Übertragungs- bzw. Verteilungsnetze investieren kann. Folglich müsste sich das Entgelt zwischen p 2 und den Durchschnittskosten K/q 1 einpendeln. Außer der Beförderung von Wettbewerb soll per Regulierung des Marktes für elektrische Energie auch eine effizientere Leistungserbringung erreicht werden. Wie dies über die Begrenzung der Netznutzungsentgelte erzielt werden kann, wird in Abschnitt 3.4. gezeigt. Des Weiteren muss der Regulator Versorgungssicherheit und Zuverlässigkeit (Universaldienstverpflichtung), ständiges Monitoring und Transparenz gewährleisten. Gegen eine Marktregulierung einzuwenden wäre, dass sich die Energieunternehmen über Einflussnahme auf die Regulierungsbehörde eher Rent-Seeking- und Rent- Defending-Aktivitäten als effizienzsteigernden Investitionen widmen würden. Auch steigen die Verwaltungskosten seitens des Regulators infolge des Mehraufwands durch die neuen Schnittstellen, die die Entflechtung geschaffen hat. Letzten Endes kann dies zu Staatsversagen dadurch führen, dass Regierungen Hindernisse für Marktprozesse 4 In Bulgarien herrscht momentan kein Wettbewerb im Versorgungssegment, vgl. Pkt. 4.3.6. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 9 43

entweder selbst schaffen oder darin scheitern, sie abzubauen. Solche Hindernisse können Steuern, Subventionen oder Regulierungen sein, welche potenziell Preis- und Wettbewerbsverzerrungen verursachen können (vgl. MUNGER 2000: 242). Mikroökonomisches Modell der Regulierung natürlicher Monopole Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 10 43

3 Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes Die EU-Integration bedingt, dass die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörde immer auch vor dem Hintergrund des übergeordneten Ziels der größtmöglichen Marktöffnung und damit der Rahmenbedingungen für den letztendlich angestrebten EU-Binnenmarkt für Elektrizität formuliert und verfolgt werden. Der Energiebinnenmarkt soll Erzeugern, Händlern, Versorgern und Konsumenten eine effiziente Allokation des Gutes Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen ermöglichen. 3.1 Institutioneller Rahmen Das grundlegende Gesetz in der bulgarischen Energiewirtschaft ist das Gesetz über die Energetik (Zakon za energetikata, DV 23/2013). Die Übertragung und Transformation sowie die Verteilung des Stroms, welche aufgrund ihrer leitungsgebundenen Infrastruktur natürliche Monopole darstellen (vgl. Kapitel 2), sind laut den Artikeln 86 und 88 dieses Gesetzes Dienstleistungen von öffentlichem Interesse. Für deren Regulierung ist die Staatliche Kommission für Energie- und Wasserregulierung (Dăržavna komisija za energijno i vodno regulirane, DKEVR) zuständig. Das Gesetz bestimmt die Aufgaben und Vollmachten der Kommission und setzt die Rahmenbedingungen für den Energiesektor insgesamt. Die Regulierungskommission DKEVR wurde per Beschluss des Ministerrats Nr. 181 vom 10.09.1999 (DV, Nr. 84/1999) im Einklang mit Artikel 10 des Gesetzes über die Energetik gegründet und als unabhängiges, fachliches Staatsorgan beim Ministerrat angesiedelt. Dieses Gesetz bevollmächtigt die DKEVR zur Setzung des rechtlichen und regulatorischen Rahmens, zur Lizenzierung, Regulierung der Preise, Ausübung der Kontrollfunktion, Entwicklung der Märkte für Strom und Erdgas und Annahme von Beschwerden sowie zur Kommunikation mit den Verbrauchern. Gemäß Artikel 23 des Gesetzes über die Energetik muss die Regulierungskommission - Einschränkungen oder Verzerrungen des Wettbewerbs auf dem Energiemarkt verhindern, - für ein Interessengleichgewicht zwischen Energieunternehmen und Verbrauchern sorgen, - ebenso zwischen verschiedenen Kategorien von Energieunternehmen und verschiedenen Verbrauchergruppen und Anreizen für effizientes Wirtschaften der Energieunternehmen sowie zur Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Energiemarktes schaffen. Laut dem ehemaligen Wirtschaftsminister Trajčo Trajkov sind die tatsächlichen Ziele der DKEVR momentan jedoch niedrige Strompreise für die Haushalte und die Rettung des angeschlagenen staatlichen Energieriesen Nacionalna električeska kompanija EAD (Nationale Elektrizitätsgesellschaft AG, NEK) (vgl. PEEVA 2013). Die Regulierungsperiode für die Strompreise beginnt in Bulgarien am 1. Juli eines Jahres und endet am 30. Juni des Folgejahres. Ein Audit der regulierten Unternehmen wird durch die DKEVR in fünfjährigen Abständen durchgeführt. Nach Aufflammen der landesweiten Proteste gegen die Monopole der Stromversorger (vgl. Kapitel 6) wurde eine umfassende Untersuchung der Preisbildungskette im Elektrizitätsbereich verlangt, in die sich auch das Ministerium für Wirtschaft, Energetik und Tourismus (Ministerstvo na ikonomikata, energetikata i turizma, MIET) sowie der Generalstaatsanwalt Cacarov einschalteten. Sogar die Europäische Kommission sicherte Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 11 43

Bulgarien die Entsendung eigener Experten aus der Generaldirektion Energie zu (vgl. MIET 2013). Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes 3.2 Zugang für Drittanbieter Im natürlichen Monopol verhindert die beherrschende Stellung des Monopolisten den Marktzugang für Drittanbieter. Um wirksamen Wettbewerb zu erreichen, muss der Übertragungsnetz- bzw. der Verteilernetzbetreiber jedem Stromversorgungsunternehmen diskriminierungsfreien Zugang zum Netz ermöglichen (vgl. EU 2011). Der Drittanbieterzugang kann also als Grundvoraussetzung für die Entstehung von Wettbewerb und damit für einen funktionierenden Markt für Elektrizität betrachtet werden: The conditions of access to the networks are regulated by national regulatory authorities. Transmission networks must furthermore apply regulated tariffs so as to avoid any abuse of dominance, and they must comply with specific rules on unbundling (ebd.). Gleichzeitig kann der Zugang für Dritte aber ohne die Entflechtung vertikal integrierter Energiekonzerne und ohne die Netzentgeltregulierung durch eine autorisierte und unabhängige Behörde nicht gewährleistet werden. 5 Im Durchschnitt dauerte es im Jahr 2011 zwischen 43 und 93 Tagen, bis ein neuer Erzeuger an das Übertragungs- oder Verteilungsnetz angeschlossen werden konnte. Gesetzlich sind jedoch höchstens 30 Tage vorgeschrieben. Die Diskrepanz ist der Tatsache geschuldet, dass das rasante Anwachsen der Erzeugungskapazitäten in Bulgarien seit 2010, hauptsächlich aus erneuerbaren Energiequellen, auf eine beschränkte Netzkapazität trifft (vgl. DKEVR 2012a: 22). 3.3 Entflechtung vertikal integrierter Energieunternehmen Nachdem im Kapitel 2 dargestellt wurde, warum das Wirtschaften der Übertragungsnetzbetreiber aus Sicht der Befürworter eines EU-Binnenmarktes für Strom reguliert werden muss, geht es im Folgenden um die Frage, welche Rolle dabei die Entflechtung vertikal integrierter Energieunternehmen spielt. Der Exkurs in die Mikroökonomik zeigte, dass in monopolistischen Märkten wie dem Elektrizitätsmarkt die marktbeherrschende Konzentration eines vertikal integrierten Unternehmens zur Verdrängung von Konkurrenten führen kann, die über keine eigene Netzinfrastruktur verfügen. Durch die Entflechtung vertikal integrierter Unternehmen sollen die unternehmerischen Interessen in Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Versorgung wirksam voneinander getrennt werden. Das dritte Legislativpaket bietet drei Modelle zur Entflechtung vertikal integrierter Energieunternehmen an (vgl. Richtlinie 2009/72/EG, Art. 13-17). Den Mitgliedsstaaten steht die Wahl des Modells frei. Deren Regulierungsbehörde muss das gewählte nationale Modell der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorlegen. Die nachhaltigste Form der Trennung ist die der vollständigen Eigentumsentflechtung (engl. ownership unbundling, OU), bei der das vertikal integrierte Unternehmen sein Stromübertragungsnetz an einen von diesem frei zu wählenden unabhängigen 5 In Bulgarien ist der Zugang für Drittanbieter durch das Gesetz über die Energetik (DV 23/2013) in den Artikeln 81, 109, 113 und 118 geregelt. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 12 43

Netzbetreiber veräußert, in welchem es über keine Mehrheitsbeteiligung verfügt und keine Aufsichtsratspositionen bekleidet. In Deutschland und Spanien sind vertikal integrierte Unternehmen wir E.ON, Vattenfall und Endesa diesem Modell gefolgt (vgl. EU 2011). Die zweite Möglichkeit sieht die Benennung eines unabhängigen Netzbetreibers (engl. independent system operator, ISO) vor, dessen Aufgaben der Betrieb und die Wartung des Netzes sind. Die Eigentumsrechte am Netz selbst hält jedoch weiterhin der Mutterkonzern. Dieser muss auch die vom unabhängigen Netzbetreiber beschlossenen Investitionen tätigen, sofern die Regulierungsbehörde sie genehmigt hat. Nach einem dritten Modell wird die Netzinfrastruktur an einen rechtlich, buchhalterisch und personell vom vertikal integrierten Unternehmen unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber (engl. independent transmission operator, ITO) übertragen. Dieser unabhängige Übertragungsnetzbetreiber ist eine Tochtergesellschaft des Mutterkonzerns. Aufgrund des Verbleibs des unabhängigen Übertragungsnetzbetreibers, der die Infrastruktur besitzt, innerhalb des Energiekonzerns steigt jedoch der Kontrollaufwand seitens der Regulierungsbehörde und somit auch die entsprechende Belastung des Staatshaushaltes. Denn der Regulator muss sicherstellen, dass die Managementebene des Übertragungsnetzbetreibers Geschäftsentscheidungen trifft, die nicht unter dem Einfluss des Managements des Mutterkonzerns stehen. Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes Bulgarien hat das ITO-Modell gewählt, dessen Umsetzung sich zwar verzögert, bis Juni 2013 aber Fakt sein soll. Der Grund für die Verzögerung sind ausstehende Forderungen seitens diverser Kreditinstitute gegenüber der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft NEK. Diese hatte bei den Kreditgebern als Sicherheit u. a. ihre Netzinfrastruktur hinterlegt, die nun an den unabhängigen Netzbetreiber Elektroenergien sistemen operator EAD (Elektrizitätssystembetreiber AG, ESO), eine Tochtergesellschaft der NEK übertragen werden soll. Die hohen Schulden des öffentlichen Energieunternehmens NEK 6 werden deswegen wahrscheinlich teilweise ESO zugeschlagen. Der neue Netzbetreiber ESO solle anteilig für die Schulden von NEK aufkommen, weil er zwar regulierte, jedoch regelmäßige Einnahmen aus Entgelten für die Stromübertragung und den Netzanschluss verbuchen kann (vgl. NIKOLOVA 2013a). Die Befugnisse des bulgarischen Regulators DKEVR umfassen - Sanktionen gegen den Netzbetreiber wegen Diskriminierung zugunsten des vertikal integrierten Unternehmens, - Beobachtung die Kommunikation zwischen Netzbetreiber und dem vertikal integrierten Unternehmen - Schlichtung bei Konflikten zwischen Netzbetreiber und vertikal integriertem Unternehmen, - Einsicht in Informationen und Unterlagen zu kommerziellen und finanziellen Beziehungen einschl. Krediten zwischen Netzbetreiber und vertikal integriertem Unternehmen und - Genehmigung des 10-Jahresplans des Betreibers zum Netzausbau (vgl. DKEVR 2012a: 31). 3.4 Preisregulierung Die Entgelte sind der Kernpunkt der Regulierung und für die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs von Drittanbietern zum Übertragungs- und Verteilernetz und damit für das Funktionieren des Energiemarktes essentiell. Die Preisregulierung versteht sich als ein Maßnahmenpaket zur Beschränkung von Preisen, 6 Schätzungen zufolge ca. 250 Mio. Euro. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 13 43

Einnahmen, Profiten, Betriebs- und Kapitalkosten der Netzbetreiber (vgl. KAHN 1988). Diese können sich an verschiedenen Modellen bzw. Methoden orientieren oder eine Mischung dieser anwenden. Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes Man unterscheidet diesbezüglich zwischen kurz- und langfristigen Zielen der Regulierung. So muss der Regulator kurzfristig sicherstellen, dass das regulierte Unternehmen über die notwendigen Einnahmen verfügt, um seine Betriebskosten zu decken und eine Kapitalrendite zu erzielen (vgl. TOMINOV 2008: 286). Die häufigste Form zur Erreichung dieses kurzfristigen Regulierungsziels ist die kostenbasierte Netzentgeltregulierung, bei der die Regulierungsbehörde dem Netzbetreiber bestimmte Kosten sowie eine angemessene Kapitalrendite anerkennt und diese bei der Preisbildung berücksichtigt. Des Weiteren sollen dem Betreiber meistens über die Kapitalrendite Gewinne ermöglicht werden, die er in die Leitungsinfrastruktur reinvestieren soll, um die Netze langfristig betreiben zu können und evtl. steigende Nachfrage oder Auslastung durch neue Kraftwerke decken zu können (ebd.). In dieser Form würde die Preisregulierung den Netzbetreibern aufgrund der garantierten Gewinne wenig Anreize zur Effizienzsteigerung bieten und eine Kostensenkung eher konterkarieren. Deswegen kann sie mit einer Preisdeckelung kombiniert werden. Wird nur ein bestimmter Höchstpreis gezahlt bzw. veranschlagte Kosten nur bis zu einer gewissen Grenze anerkannt, so muss das regulierte Unternehmen effizienter wirtschaften, um seine Kosten auf den vom Regulator bestimmten Zielwert zu senken und seine Gewinnmarge dauerhaft zu verteidigen. Auf einem wettbewerbsfähigen Markt für Strom müssten lediglich die Entgelte für die Nutzung des Übertragungs- und der Verteilernetze sowie die Anschlussgebühr und evtl. eine Netzzugangsgebühr reguliert werden. Da Bulgarien seinen Elektrizitätsmarkt allerdings dem Wettbewerb erst vollständig öffnen muss, werden momentan auch Erzeugung und Versorgung mengen- und preismäßig gesteuert. Dazu gibt der bulgarische Regulator den Stromerzeugern z. B. eine sog. Verfügbarkeit vor, d. h. eine Menge an Strom, die sie als öffentliche Verpflichtung zu regulierten Preisen an die Endversorger verkaufen müssen, welche zur Abnahme verpflichtet sind (vgl. Art. 21, Abs. 1, Pkt. 21, Gesetz über die Energetik). Im Rahmen dieser Pflichtmenge werden die Preise für Verkauf bzw. Weiterverkauf vom Erzeuger über den öffentlichen Lieferanten (NEK) und die Endversorger (ČEZ, EVN und Energo-Pro) bis zum Endverbraucher (Haushaltskunden und KMU, die ans Niedrigspannungsnetz angeschlossen sind) reguliert. Des Weiteren werden die Preise festgelegt, zu denen die Kaltreserve und der Regelstrom geliefert werden. Die Preisregulierung findet statt, bis alle Verbraucher Sonderkundenstatus haben oder die Regulierungsbehörde Wettbewerb auf dem Markt feststellt, so dass die Preise zwischen den Marktteilnehmern frei ausgehandelt werden können. Im Prinzip steuert die DKEVR den Marktöffnungsgrad jedoch selbst, indem sie die Quoten für den regulierten Teil des Marktes festlegt. Das bulgarische Gesetz über die Energetik schreibt für die Preisregulierung eine gerechte Verteilung der durch die Marktöffnung entstehenden, nicht zu erstattenden Kosten (z. B. die von der staatlichen NEK gestellte Leitungsinfrastruktur) sowie der Kosten aus der Erfüllung öffentlicher Pflichten bezüglich der Versorgungssicherheit auf alle Akteure vor. Die Preise müssen außerdem einer gerechten Abwälzung der Kosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen auf die Endverbraucher sowie der Kosten für Systemleistungen wie z. B. Hilfsleistungen, Kaltreserve und Netzverluste, auf die Nutzer des Übertragungs- und Verteilungsnetzes Rechnung tragen. Zur Preisregulierung wendet die bulgarische Staatliche Kommission zur Energie- und Wasserregulierung laut Artikel 4 der Verordnung über die Regulierung der Preise für Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 14 43

elektrische Energie (Naredba za regulirane na cenite na električeska energija, DV 42/2012) die im Folgenden beschriebenen zwei Grundmethoden an. Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes 3.4.1 Kapitalrendite Die Regulationsperiode dauert bei dieser Methode mindestens ein Jahr. Der Bestimmung der Kapitalrendite geht ein Audit der Energieunternehmen voran, der die notwendigen Einnahmen für den Netzbetrieb, die ökonomisch gerechtfertigten voraussichtlichen Ausgaben, einen angemessenen Gewinn sowie die prognostizierte Menge ermittelt. Alle diese Faktoren werden bei der Bestimmung der Kapitalrendite berücksichtigt. Der Audit wird entweder von der DKEVR oder auf Antrag eines Unternehmens eingeleitet. Letzteres ist meistens dann der Fall, wenn prognostizierte und tatsächliche Ausgaben bzw. Gewinne substantiell voneinander abweichen. Bei unvorhersehbaren Umständen, die zu maßgeblichen Änderungen der preisbildenden Elemente führen, können die Preise auch während der laufenden Regulationsperiode geändert werden. Die angemessene Kapitalrendite (rate of return, RoR) für das jeweilige Unternehmen berechnet die Kommission gemäß Artikel 15 der Verordnung nach folgender Formel: RoR = An EK x RoR EK 1 UntSt + An FK x RoR FK 100 wobei: An EK Anteil Eigenkapital; RoR EK Eigenkapitalrendite; UntSt Unternehmenssteuer; An FK Anteil Fremdkapital; RoR FK Fremdkapitalrendite Die Eigenkapitalrendite errechnet sich folgendermaßen: RoR EK = Risikofreie Prämie + (β x Risikoprämie) Eine risikofreie Prämie ist der durchschnittliche Zinssatz auf langfristige risikoarme Wertpapiere wie z. B. 10-jährige bulgarische Staatsanleihen am Sekundärmarkt. Der Beta-Koeffizient drückt das bei einer Investition übernommene Marktrisiko aus, die Risikoprämie die Differenz von erwartetem unsicheren Wert einer Investition und sofortiger sicherer Auszahlung, die für den Investor den gleichen Nutzen hat. 7 Die Fremdkapitalrendite ist der Durchschnitt aller Zinssätze auf Unternehmenskredite, mit Ausnahme des Überziehungszinses (vgl. BGWEA 2012). Den beiden US-amerikanischen Erzeugern AES und ContourGlobal, die die Heizkraftwerke Maritza-Ost I und III betreiben (vgl. Pkt. 3.3.2.), wird keine Kapitalrendite anerkannt, da sie mit der NEK langfristige Abnahmeverträge mit Preisgarantien geschlossen haben (vgl. DKEVR 2012b: 18). Die relativ hohen Preise für diesen Strom werden über die Stromrechnungen unter dem Posten versunkene Kosten auf die Endverbraucher abgewälzt (vgl. DKEVR 2012b: 20). 3.4.2 Anreizregulierung Die Anreizregulierung umfasst eine Regulationsperiode von zwei bis fünf Jahren. Dabei werden zwei Methoden unterschieden die Preisdeckelung und die 7 Den Beta-Koeffizienten und Risikoprämien kann man z. B. auf der Seite der Stern School of Business der Universität New York finden. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 15 43

Einnahmendeckelung. Für die Preisdeckelung legt die DKEVR die Preise für das Unternehmen im ersten Jahr t 1 der Regulationsperiode fest und gleicht sie in den Folgejahren t 2 n lediglich an. Dazu werden die Betriebskosten anteilsmäßig anerkannt, der Inflationsindex entsprechend seines Wirkungsgrades auf die Unternehmenskosten gewichtet und mit dem Koeffizienten X für Effizienzsteigerungen in der Berechnung berücksichtigt. Bei der Anerkennung von Unternehmenskosten werden Netzverluste in einem bestimmten Rahmen genehmigt. Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes Die Deckelung der Einnahmen funktioniert nach demselben Prinzip: Hinzu kommt lediglich der Koeffizient Z, der absolute Wert der Differenz zwischen prognostizierten und tatsächlichen Kosten z. B. des An- und Verkaufs von Strom. Bei niedrigeren tatsächlichen Kosten des vorherigen Zeitraums t 1 werden die notwendigen Einnahmen für die Folgeperiode t 2 gesenkt. Dasselbe gilt umgekehrt. Die Korrektur um den Koeffizienten Z kommt jedoch nur im Falle von Kostenunterschieden bei An- und Verkauf des Stroms oder signifikanten Änderungen der Kundenzahl zur Anwendung (vgl. Pkt. 5.1.). Bei der Anreizregulierung zieht der Regulator zur Entgeltberechnung außerdem erstmals seit 2010 die Erfüllung bestimmter Zielindikatoren wie z. B. die Qualität des Stroms oder der Dienstleistung (vgl. DKEVR 2012a: 18-19) sowie die Differenz zwischen geplanten und getätigten Investitionen gemäß Artikel 8, Absatz 3 der Preisverordnung heran. Abb. 02: Gesetzlicher Regulierungsrahmen Regulierungsaufgabe Gesetz oder Verordnung Zugang für Drittanbieter Gesetz über die Energetik (DV 23/2013), Art. 81, 109, 113 und 118 Entflechtung vertikal integrierter Stromversorger Gesetz über die Energetik (DV 23/2013), Art. 81 Quotenregulierung Gesetz über die Energetik (DV 23/2013), Art. 21 Preisregulierung Gesetz über die Energetik (DV 23/2013), Art. 30 Verordnung über die Regulierung der Preise für elektrische Energie, Art. 2-4 Regeln für den Handel mit elektrischer Energie Investitionen in die Netzinfrastruktur Gesetz über die Energetik, Art. 86, Abs. 4 Quelle: Eigene Recherchen. Je nach Bereich kommen verschiedene Methoden der Preisregulierung zur Anwendung. Bei der Bewilligung der Netzentgelte für die Stromübertragung auf Hochspannung kann z. B. nicht mit Anreizen zur Effizienzsteigerung reguliert werden, da in Bulgarien nur ein Unternehmen das Hochspannungsnetz betreibt, es also keine vergleichbare Kostenbasis gibt. Dem Netzbetreiber wird stattdessen nach einjährigen Prüfungsintervallen eine angemessene Kapitalrendite ermöglicht (vgl. Pkt. 3.4.1.). Die Kostenbewertung durch die DKEVR berücksichtigt jedoch bestimmte technische Parameter im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Netzbetreibers, die Versorgungssicherheit zu garantieren, z. B. die durchschnittliche Häufigkeit und Dauer Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 16 43

von Stromausfällen nach den Indikator SAIDI, System Average Interruption Duration Index, und SAIFI, System Annual Interruption Frequency Index (vgl. DKEVR 2012a: 19, 23). Die Regulierung des bulgarischen Elektrizitätsmarktes Die Entgeltregulierung der Stromverteilungs- und Stromversorgungsunternehmen arbeitet hingegen mit unternehmerischen Anreizen (vgl. Pkt. 3.4.2.). Dies wird durch den Umstand ermöglicht, dass mehr als ein Unternehmen am Markt tätig ist. Die Unternehmen übermitteln der DKEVR hierzu Vorschläge verschiedener Tarife für jede Verbraucherkategorie und Spannungsstufe. Die Kommission stellt in der ersten Regulierungsperiode die notwendigen Einnahmen der Unternehmen fest und passt sie für die Folgeperioden t 1 n jährlich an. Die negativen Preiskorrekturen für die etwaige Nichterfüllung der Qualitätsindikatoren orientieren sich an der erwarteten Kapitalrendite getätigter Investitionen. So sollen die Stromverteiler dazu angehalten werden, in die Verbesserung der Verteilernetze und damit der Stromqualität zu investieren (vgl. DKEVR 2012a: 22). Bei der Deckelung der notwendigen Einnahmen genehmigte die Kommission den Stromverteilern für die aktuelle Regulierungsperiode technologische Kosten von höchstens 15% bzw. 12% Netzverluste. 8 8 Nach den Massendemonstrationen wurden die maximalen Netzverluste für die drei Stromverteiler auf 12% gesenkt. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 17 43

4 Querschnitt durch den bulgarischen Elektrizitätsmarkt Querschnitt durch den bulgarischen Elektrizitätsmarkt 4.1 Makroökonomische Rahmenbedingungen Der Erholungsprozess der bulgarischen Volkswirtschaft verläuft schrittweise und basiert größtenteils auf der gestiegenen Konsumnachfrage der Haushalte und kaum auf Investitionen oder dem Export. Dies ist auf die angekündigten Erhöhungen des Mindestlohns9 und der Renten zurückzuführen. Auch die Refinanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen werden sich 2013 wegen dem erhöhten Kapitalzufluss verbessern. Die Staatsverschuldung von 17% des BIP (2011) und das für 2012 prognostizierte Haushaltdefizit von nur 0,9% des BIP halfen der bulgarischen Regierung, das Rating BBB stabil von Standard & Poor beizubehalten (vgl. Unicredit 2012). Allerdings führte die strenge Fiskalpolitik auch zum Verlust von Arbeitsplätzen und sie erschwert den Aufschwung (vgl. IWF 2012c). Angesichts des steigenden Anteils notleidender Kredite empfiehlt der Internationale Währungsfonds den Banken eine konservative Kreditvergabe (ebd.). 4.2 Hintergrund: Der EU-Binnenmarkt für Gas und Strom Changes in the management structure of the Bulgarian energy sector are most commonly the result of external pressures. For example, the unbundling of generation, transmission, distribution and supply of gas and electricity seems to be driven by a formal compliance with the directives of the EU s Third Liberalization Package, rather than the logic of national specifics (STEFANOV et al. 2011a: 22). Seit den 1990er Jahren betreibt die Europäische Union eine Restrukturierung der Energiemärkte, auf denen monopolistische Strukturen den Wettbewerb verhinderten. Die Europäische Kommission hat über den Zeitraum von 1996 bis 2009 insgesamt drei Legislativpakete erlassen, welche die Öffnung der mitgliedsstaatlichen Energiemärkte und die Schaffung eines EU-Binnenmarktes für Energie zum Ziel haben. Da die Republik Bulgarien seit dem 1. Januar 2007 Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist, ist die Schaffung eines einheitlichen EU-Binnenmarktes für Gas und Strom maßgeblich für die Entwicklung des bulgarischen Energiesektors. Als EU-Mitgliedsstaat ist Bulgarien zur Umsetzung der diesbezüglichen EU-Gesetzgebung verpflichtet. Seit dem 1. Juli 2007 ist der Markt für Strom in Bulgarien im Einklang mit der Richtlinie 2003/54/EG des zweiten und nach deren Aufhebung mit Art. 33 der Richtlinie 2009/72/EG des dritten Legislativpakets für den Energiebinnenmarkt offiziell vollständig liberalisiert (vgl. DKVER 2012: 4). Davor war es zusammen mit den anderen Balkanstaaten im Oktober 2005 der Energy Community beigetreten, deren übergeordnetes Ziel der Anschluss der Nicht-EU-Länder Südosteuropas an den EU-Binnenmarkt für Energie ist. Durch die Schaffung stabiler regulatorischer Rahmenbedingungen soll zwischen den Vertragsparteien ein einheitlicher Energiemarkt entstehen, um Investitionen in die dortigen Energienetze zu ermöglichen und eine zuverlässige und stabile Energieversorgung als Voraussetzung 9 Der bulgarische Mindestlohn beträgt seit dem 01.01.2013 158,50 (Eurostat). Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 18 43

wirtschaftlicher Entwicklung sicherzustellen (vgl. ECT 2005: Art. 2). Die Überführung des acquis communautaire in die nationalen Gesetzgebungen der Vertragsparteien und dessen Umsetzung sollen diese Rahmenbedingungen schaffen (vgl. ECT 2005: Art. 24). Dieser sieht eine Öffnung des Energiemarktes vor, welcher durch gleichberechtigten Zugang aller Anbieter und somit durch erhöhten Wettbewerb effizienter gestaltet werden soll. Voraussetzung für den gleichberechtigten Zugang aller Marktteilnehmer ist die Entflechtung monopolistischer Energieversorger. Querschnitt durch den bulgarischen Elektrizitätsmarkt 4.3 Marktstruktur 4.3.1 Marktmodell Obwohl sich der bulgarische Markt für elektrische Energie im Einklang mit der Richtlinie 2009/72/EG und dem Gesetz über die Energetik (Zakon za energetikata, DV 23/2013) seit dem 1. Juli 2007 vollständig geöffnet haben müsste (vgl. DKEVR 2012: 4), bleibt er bis auf Weiteres de facto zweigeteilt (vgl. Abb. 03). Der größte Teil des Stroms wird vom öffentlichen Versorger letzter Instanz für das jeweilige Gebiet (ČEZ, EVN oder Energo-Pro) weiterhin zu regulierten Preisen an Tarifkunden 10 geliefert (vgl. NERA 2012: 38). Diesen Strom kauft der öffentliche Lieferant, die NEK, nach einer von der Regulierungsbehörde festgelegten Quote von den Erzeugern (vgl. Art. 21, Abs. 1, Pkt. 17a, Gesetz über die Energetik) und verkauft ihn an die Endversorger oder an die direkt ans Hochspannungsnetz der NEK angeschlossenen Kunden weiter. Solange der Markt noch nicht vollständig geöffnet ist, wird die Stromversorgung teilweise als öffentliche Dienstleistung für Tarifkunden erbracht. Haushaltskunden sowie kleine und mittlere Unternehmen, die noch keinen Stromanbieter auf dem freien Markt gewählt haben, werden dabei als sog. geschützte Verbraucher automatisch von demjenigen Stromversorger beliefert, der das regionale Verteilungsnetz besitzt und somit Versorger letzter Instanz ist. Die regulierten Preise, zu denen diese Versorger letzter Instanz geschützte Verbraucherkategorien mit Strom beliefern, ergeben sich aus dem Mittelwert des gewählten Energiemixes (vgl. DKEVR 2012: 6; vgl. Kapitel 5). Diese Preise sollen angemessen, leicht und eindeutig vergleichbar und transparent und nichtdiskriminierend (Richtlinie 2009/72/EG, Art. 3, Abs. 3) sein. Strom aus erneuerbaren Quellen müssen der öffentliche Lieferant NEK oder die Endversorger ČEZ, EVN und Energo-Pro zu präferentiellen Preisen unbegrenzt aufkaufen. Die Erzeuger speisen ihren erneuerbaren Strom entweder ins Hochspannungsnetz (NEK) oder ins Niedrigspannungsnetz (ČEZ, EVN oder Energo-Pro) ein. Die vom öffentlichen Lieferanten bzw. von den Endversorgern an die Erzeuger gezahlten höheren präferentiellen Preise werden von den Endversorgern in Form einer Zulage Grüne Energie an die Verbraucher weitergegeben. Mit dem Problem der Kostenverteilung und der Preisbildung für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen wird sich die vorliegende Studie in Kapitel 5 noch eingehender auseinandersetzen. Der übrige Strom wird gemäß dem Gesetz über die Energetik zu Preisen gehandelt, welche die Marktteilnehmer frei vereinbaren (vgl. DKEVR 2012: 6). Dieser Markt für elektrische Energie wird in Bulgarien vom Elektroenergiesystembetreiber ESO 10 Tarifkunden sind Stromverbraucher, die noch Strom zu regulierten Preisen beziehen und nicht ihren Anbieter gewählt haben. Fraunhofer MOEZ Working Paper Der Elektrizitätsmarkt in Bulgarien 19 43