Eine Doppelaxt von Neuwittenbek, Kr. Rendsburg-Eckernförde



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457 Eine Doppelaxt von Neuwittenbek, Kr. Rendsburg-Eckernförde Christoph Rinne Zusammenfassung In Neuwittenbek, Kr. Rendsburg-Eckernförde wurde 2011 eine vollständig erhaltene Doppelaxt aus Basalt des Typs D II 4 nach Zápotocký (1992) gefunden. Das Stück konnte aufgrund des fehlenden Fundkontextes nur durch einen typologischen Vergleich in die Phase MN I III datiert werden. Bei einem guten Vergleichsfund vom Gräberfeld Walternienburg im Mittelelb-Saale-Gebiet deutet sich eine etwas engere Datierung in die Zeit von 3.300 3.000 cal BC an. Der Verbreitungsschwerpunkt dieses für die südliche TBK Nordgruppe charakteristischen Typs liegt auf der Jütischen Halbinsel. Es wird daher angenommen, dass sich über diesen Axttyp Austauschbeziehungen verfolgen lassen. Abstract In Neuwittenbek, district of Rendsburg-Eckernförde, a fully preserved double axe of basalt, type D II 4 after Zápotocký (1992), was found in 2011. The artefact, due to the lack of context, could only be dated by a typological comparison to the MN phase I III. A burial find from Walternienburg in the Mittelelbe-Saale region gives a good comparison, here the dating can be narrowed down to to the time between 3.300 3.000 cal BC. The focus of the distribution of this type, characteristic for the southern part of the TBK North Group, is on the Jutland peninsula. It can therefore be assumed that with this axe type exchange processes can be traced. Fundumstände und Beschreibung Im November 2011 wird bei Neuwittenbek, Kr. Rendsburg-Eckernförde (WGS 84: 54.3626, 10.0034) in Nachbarschaft zu einer Ausgrabung des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein eine vollständig erhaltene Axt gefunden. Die Fundstelle liegt 1,5 km südwestlich des Ortskernes von Neuwittenbek, nördlich der Kreisstraße 90, in einer teils leicht feuchten Senke bei etwa 8 m über NN, zwischen zwei deutlichen Erhebungen von 15 und 19 m über NN. Neben dem lokalen Relief entsprechen auch der Boden und das Ausgangsgestein aus Gechiebelehm und mergel den typischen Charakteristika der Geestlandschaft (Abb. 1). Die Axt ist aus Basalt gefertigt und weist eine maximale Länge von 12,2 cm bei einer maximale Breite von 4,1 cm auf. Die Breitseiten sind deutlich konkav ausgearbeitet, wobei das Profil zur Schneide sanft und zum Nacken steil ansteigt (Abb. 2 a, b). Dennoch ist auch der Nacken, wie die Schneide, im Profil nicht scharf abgesetzt, sondern geht sanft in die Breitseite über. Im Profil der Schmalseite ist die Abflachung der Breitseite im Bereich des Schaftloches gut zu erkennen. Das Schaftloch selbst läuft sanduhrförmig zur Mitte zusammen, die Bohrung ist demnach nicht vollendet. Leichte Absplitterungen an der Schneide sind daher, obwohl sie nicht scharfkantig sind, der nachfolgenden Liegezeit zuzuschreiben und nicht als Gebrauchsspuren zu werten. Der Form und den aus den Maßen abzuleitenden Indices (Tab. 1) nach ist die Axt den Doppeläxten und hier dem Typ D II zuzuweisen (Zápotocký 1992, 121 ff.). Dabei fällt die Zuweisung nach dem entscheidenden Kk-Index von 15, der Konkavität der Breitseite, in den Übergang zum Typ D I. Wei- In: M. Hinz/ J. Müller (Hrsg.), Siedlung, Grabenwerk, Großsteingrab. Studien zu Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt der Trichterbechergruppen im nördlichen Mitteleuropa. Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung 2 (Bonn 2012) 457 462. Rinne_Axt.indd 457 03.09.12 18:59

458 Christoph Rinne Tab. 1 Maße und Indices zur Doppelaxt nach Zápotocký (1992, 13 ff.) Breite 4,1 cm Länge 12,2 cm B/L-Index 34 L2/L-Index 38 Kk-Index 15 Q-Index 98 tere Merkmale, so vor allem der sehr hohe Querschnitt des Axtkörpers(Q-Index 98), weisen zur Untergruppe D I A und die Schmalseitenansicht zur Variante 3 (Typ D I A-3). Hingegen wird der nicht zu differenzierende Übergang des Nackens in den Axtkörpers für den Typ D II besonders herausgestellt und auch die Profilierung der Seitenansicht entspricht mehr einer Variante des Typ D II (D II 4). Eher für diesen Typ spricht auch die asymmetrische Konkavität zu Nacken und Schneide, die bei dem vorgenannten Typ D I A-3 nicht im gleichen Maße charakteristisch ist (Zápotocký 1992, 122, 123 Tab. 39, 124). Der Form der Axt als Ergebnis eines ganzheitlichen Gestaltungskonzeptes wird gegenüber einem im Grenzbereich liegenden Index der Vorzug gegeben und die Axt insgesamt damit dem Typ D II-4 zugewiesen (nach Zápotocký 1992, 124 f.). Aufgrund der metrischen und typologischen Analyse konzentriert sich die Suche nach konkreten Vergleichsobjekten auf die Gruppe D II Zápotocký (1992, 332 ff., Fundliste 4, Taf. 105 ff.). Datierung Die Datierung des Artefaktes kann aufgrund der Fundumstände ausschließlich anhand des typologischen Vergleichs erfolgen. Entsprechend der metrischen Analyse werden dafür vorrangig die Funde vom Typen D II und nur ergänzend auch jene vom Typ D I A-3 aus dem Katalog von Zápotocký herangezogen (1992, 332 ff., Fundliste 4). Innerhalb der mit 78 vollständigen Stücken sehr umfangreichen Gruppe der Doppeläxte von Typ D II 4 im Katalog von Zápotocký (1992, 124) weisen 16 Stück eine größere Ähnlichkeit mit dem Neufund von Neuwittenbek auf. Es sind dies die Katalog-Nr.: 14, 20, 84, 90, 91, 95, 111, 116, 163, 156, 163, 168, 185, 209, 218, 274 (Zápotocký 1992, Fundliste 4, 332 ff.). Das subjektiv beste Vergleichsstück stellt die Doppelaxt vom Gräberfeld in Walternienburg (Sachsen-Anhalt) dar. Sie ist mit etwa 1,5 cm etwas länger und weist bei einer größeren Breite von 5,2 cm eine geringere Höhe im Querschnitt von 3 cm auf (Maße nach Niklasson 1925, Taf. VIII 1 b). Die gemeinsame Abbildung suggeriert einen Zusammenfund oder gar Grabkontext, der in Abb. 1. Lage des Fundplatzes auf der Digitalen Topografische Karte 1:5000 (DTK5). Rinne_Axt.indd 458 03.09.12 18:59

Eine Doppelaxt von Neuwittenbek, Kr. Rendsburg-Eckernförde 459 a b Abb. 2. Die Doppelaxt von Neuwittenbek, Kr. Rendsburg-Eckernförde. M. 2:3. a Zeichnung Susanne Beyer. b Foto Sara Jagiolla. den Publikationen zum Gräberfeld von Walternienburg nicht genannt wird (Reuss 1907; Götze 1911). Die dezidierte Erstpublikation von Niklasson gibt über die gemeinsame Abbildung hinaus, die Fundortangabe Walternienburg und die typologische Einordnung des abgebildeten Gefäßes in seine Stufe Walternienburg II leider keine Informationen (Niklasson 1925, 10, Taf. VIII 1). In der Erscheinung gleichfalls ähnlich scheint ein Fund von Päwesin (Brandenburg), diese Axt ist nach den Maßen (L: 17,3; B: 6) jedoch wesentlich größer (Zápotocký 1992, 336, Fundliste 4.84, Taf. 106.12). Bei diesem Exemplar liegt der Querschnittindex mit 82 deutlich über dem Walternienburger Exemplar (53), aber auch noch unter dem recht hohen Wert von 98 des Neuwittenbeker Fundes. Eine dezente Aufwölbung der Breitseite zwischen Schaftloch und Schneide stellt ein weiteres verbindendes Detail dar, wobei dieses beim Fund von Päwesin etwas ausgeprägter erscheint. Die übrigen vorgenannten Vergleichsfunde unterscheiden sich deutlich stärker vom Neuwittenbeker Exemplar, dies betrifft vor allem das Profil der Schmalseite, die Konkavität (Kk-Index) und den Querschnitt (Q-Index). Von keinem der zum Vergleich herangezogenen Doppeläxte liegt ein gesicherter Fundkontext vor. Lediglich der lose Fundzusammenhang mit dem zweigliedrigen Gefäß vom Walternienburger Gräberfeld bietet einen indirekten Datierungshinweis. Nach Maßstab der Tafel ist es mindestens 17 cm hoch, klar zweigliedrig und mit mindestens vier horizontalen Bändern aus einem tief eingestochenen Winkelstich versehen, die alternierend als Winkelstapel und netzartig ausgeführt sind (Abb. 3). Die Gefäßform ist der Stufe Walternienburg II nach Niklasson zuzuweisen, für die zudem kräftig eingestochenen Verzierungen charakteristisch sind (Niklasson 1925, 148). Auch aufgrund dieser Verzierung ist die enge Beziehung und mögliche Genese des Walternienburger Keramikstiles aus der Tiefstichkeramik zu erschließen (vgl. Lüth 1988 a, 27; Lüth 1988 b, 74; Beier 1991, 183 ff.). In Form und Verzierung lassen sich z. B. zahlreiche Gefäße aus dem Gräberfeld von Tangermünde anschließen (Preuss 1954, Taf. II.2,6, II.c, IV,8), so dass der von Zápotocký aufgrund der Verbreitung herausgestellte nordische Schwerpunkt der D II-Äxte (Zápotocký 1992, 120) auch in dieser vagen Vergesellschaftung von Walternienburg deutlich wird. Vergleichbaren Verzierungen und der charakteristischen Zweigliedrigkeit begegnet man überwiegend im frühen Abschnitt der mitteldeutschen Kollektivgräber der Bernburger Kultur, Rinne_Axt.indd 459 03.09.12 18:59

460 Christoph Rinne Verbreitung Abb. 3. Gefäß und Doppelaxt aus Walternienburg (nach Niklasson 1925, Taf. 8). Gruppe 1 nach D. W. Müller (1994, 139 ff., Abb. 53). Dies passt auch zu den Ergebnisseneiner Korrespondenzanalyse von salzmündischen, walternienburgischen und bernburgischen Inventaren (J. Müller 2001, 184 ff, Abb. 81, 82). Damit ist der chronologische Rahmen für das Walternienburger Exemplar etwas enger gefasst als die von Zápotocký für die gesamte Gruppe der D II Äxte vorgenommene Einordnung in die Perioden MN I III der Trichterbecherkultur(Zápotocký 1992, 205, Abb. 56, 207). Absolutchronologisch würde sich durch die Parallelisierung der TRB-MES IV mit dem MN I eine Datierung in das letzte Drittel des vierten Jahrtausends v. Chr. ergeben (J. Müller u. a. 2012, 2, Abb. 1). Ob dies auf das hier vorgestellte Fundstück übertragbar ist, muss allerdings offen bleiben. a b Die Verbreitung der Doppeläxte von Typ D II zeigt einen deutlichen Schwerpunkt in der südlichen Hälfte der Jütischen Halbinsel (Abb. 4). Das reduzierte Fundaufkommen auf dem Dänischen Festland und den dänischen Inseln mag auf die von Zápotocký erwähnte Einschränkung bei der Fund er fassung zurückzuführen sein (Zápotocký 1992, 121). Dennoch ist die Diskrepanz zwischen den Megalithgrabkonzentrationen und der Verteilung der Äxte offensichtlich und illustriert das bereits von Nilius für Mecklenburg benannte geringe Fundaufkommen von Felsgesteingeräten in Megalithgräbern (Nilius 1971, 60). Die beiden herausgestellten Vergleichsfunde von Päwesin und Walternienburg weisen auf eine Verbindung dieser vermutlich frühen Form der jüngeren Doppeläxte ohne Nackenkamm zur Walternienburg-Bernburger Gruppe und der Ostgruppe der Trichterbecherkultur hin. Sie scheinen von Norden aus den Kontakt zu unterstreichen, der zuvor für Walternienburg an dem zweigliedrigen Gefäß bereits herausgestellt werden konnte. Um die im Vorangehenden subjektiv herausgestellten Ähnlichkeiten zu qualifizieren, wurden alle von Zápotocký als relevant herausgestellten Maße an den 49 vollständigen Doppeläxten des Typs D II 4 erfasst. Ziel war eine Hauptkomponentenanalyse (PCA), die neben den subjektiv erfassten Vergleichsfunden einen Grad der Ähnlichkeit für alle Äxte dieser Gruppe ergeben sollte. Das Ergebnis ist mit unterschiedlichen Eingangsparametern stets ähnlich und weist keine weitere Differenzierung innerhalb der Äxte vom Typ D II 4 anhand der erhobenen Maße auf. Die beiden ersten Eigenvektoren erklären 73,6 % der Variabilität, dabei liegen die Längenmaße auf dem ersten Eigenvektor dicht beieinander, der zweiten Eigenvektor trennt die Breite gegen die Höhe und die Konkavität. Die Vergleiche zum Fund von Neuwittenbek verteilen sich gleichmäßig innerhalb des von beiden Vektoren beschriebenen Raumes, die Darstellung der beiden Eigenvektoren im geografischen Raum lässt gleichfalls keine Differenzierung erkennen. Dies unterstreicht die Deutung von Zápotocký, die jeweils neuen Gattungen setzten sich verhältnismäßig schnell über weite Gebiete hinweg durch. Die meisten Typengruppen, so auch die hier vorgestellte Typengruppe D II 4, sind demzufolge typologisch empfindlich (Zápotocký 1992, 204). Der Neufund einer Doppelaxt bei Neuwittenbek, Kr. Rendsburg-Eckernförde, mit einer sehr großen Ähnlichkeit zu einem Vergleichsfund vom eponymen Gräberfeld der Walternienburger Kultur in Sachsen-Anhalt, war der Ausgangspunkt der Rinne_Axt.indd 460 03.09.12 18:59

Eine Doppelaxt von Neuwittenbek, Kr. Rendsburg-Eckernförde 461 Neuwittenbek und Vergleiche Streitaxt DII 4 Streitaxt DII Megalithgrab Neuwittenbek Päwesin Walterniendorf 100 km Abb. 4. Verbreitung der Streitäxte Typ D II (nach Zápotocký 1992) und der Megalithgräber (Fritsch u. a. 2010). Betrachtung. Im Ergebnis ist eine Datierung des Neufundes in die Zeit von 3.300 bis 3.000 cal BC möglich. Der Verbreitungsschwerpunkt der Doppeläxte vom Typ D II liegt auf der Jütischen Halbinsel, es handelt sich somit um ein charakteristisches Artefakt der südlichen TBK Nordgruppe. Es Rinne_Axt.indd 461 ist also offensichtlich möglich, die Austauschbeziehungen des südjütischen Gebietes mit anderen Regionen u. a. durch das Vorkommen dieses Axttyps zu identifizieren. Dies gilt aufgrund des Vorliegens einer Axt dieses Typs im Gräberfeld Walternienburg auch für das Mittelelbe-Saale-Gebiet. 03.09.12 18:59

462 Christoph Rinne Literaturverzeichnis Beier 1991: H.-J. Beier, Die megalithischen, submegalithischen und pseudomegalithischen Bauten sowie die Menhire zwischen Ostsee und Thüringer Wald, Beiträge zur Urund Frühgeschichte Mitteleuropas 1 (Hamburg 1991). Fritsch u. a. 2010: B. Fritsch / M. Furholt / M. Hinz / L. Lorenz / H. Nelson / G. Schafferer / S. Schiesberg / K.-G. Sjögren, Dichtezentren und lokale Gruppierungen - Eine Karte zu den Groflsteingräbern Mittel- und Nordeuropas. www.jungsteinsite.de, Artikel vom 20. Oktober 2010. Götze 1911: A. Götze, Das neolithische Gräberfeld von Walternienburg (Kr. Jerichow I), Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder = Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 10, 1911, 139 165. Hinz/ Müller 2012: M. Hinz/ J. Müller (Hrsg.), Siedlung, Grabenwerk, Großsteingrab. Studien zu Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt der Trichterbechergruppen im nördlichen Mitteleuropa. Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung 2 (Bonn 2012). Lüth 1988 a: F. Lüth, Bemerkungen zu stratigraphischen Beobachtungen und ihrer Bedeutung für die mittlere Phase des mitteldeutschen Neolithikums, Archäologisches Korrespondenzblatt 18, 1988, 25 30. Lüth 1988 b: F. Lüth, Der schortewitzer Heidenberg und die Zeitstellung der anhaltischen Megalithgräber, Acta Praehistorica et Archaeologica 20, 1988, 61 74. D. W. Müller 1994: D.W. Müller, Die Bernburger Kultur Mitteldeutschlands im Spiegel ihrer nichtmegalithischen Kollektivgräber, Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 76, 1994, 75 200. J. Müller 2001: J. Müller, Soziochronologische Studien zum Jung- und Spätneolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet (4100 2700 v. Chr.). Eine sozialhistorische Interpretation prähistorischer Quellen, Vorgeschichtliche Forschungen 21 (Rahden/Westf. 2001). J. Müller u. a. 2012: J. Müller/ J.-P. Brozio/ D. Demnick/ H. Dibbern/ B. Fritsch/ M. Furholt/ F. Hage/ M. Hinz/ L. Lorenz/ D. Mischka/ C. Rinne, Periodisierung der Trichterbecher-Gesellschaften. Ein Arbeitsentwurf. In: Hinz/ Müller 2012, 29 33. Niklasson 1925: N. Niklasson, Studien über die Walternienburg- Bernburger Kultur, Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 13, 1925. Nilius 1971: I. Nilius, Das Neolithikum in Mecklenburg zur Zeit und unter besonderer Berücksichtigung der Trichterbecherkultur (Schwerin 1971). Preuß 1954: J. Preuß, Das jungsteinzeitliche Körpergräberfeld von Tangermünde, Kr. Stendal, Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg, Geselschafts- und Sprachwissenschaften 3 H. 2, 1954, 415 482. Reuß 1907: K. Reuß, Neolithische Herdstellen bei Walternienburg, Kr. Jerichow I, Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder = Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 6, 1907, 89 93. Zápotocký 1992: M. Zápotocký, Streitäxte des mitteleuropäischen Äneolithikums, Quellen und Forschungen zur prähistorischen und provinzialrömischen Archäologie 6 (Weinheim 1992). Christoph Rinne Institut für Ur- und Frühgeschichte Christian-Albrechts-Universität Johanna-Mestorf-Straße 2 6 D - 24118 Kiel Rinne_Axt.indd 462 03.09.12 18:59