Jahrestagung der Kinderschutzfachkräfte Duisburg, WENN ELTERN PSYCHISCH KRANK SIND ANFORDERUNGEN AN DIE HILFESYSTEME

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Transkript:

1 WENN ELTERN PSYCHISCH KRANK SIND ANFORDERUNGEN AN DIE HILFESYSTEME 8. Jahrestagung für Kinderschutzfachkräfte 28.11.20.14, Duisburg Gliederung 2 I. Zahlen, Daten und Fakten Psychische Erkrankungen als gesellschaftliche Realität II. III. IV. Wie wirkt sich die Erkrankung auf das Familiensystem aus? Risiko- und Schutzfaktoren Was können Eltern und andere für die Resilienz der Kinder tun? 1

3 I. Zahlen, Daten und Fakten: Psychische Erkrankungen Studien (vgl. bspw. Jacobi 2012) zeigen, dass seit Jahren die Zahl derer steigt, die sich wegen psychischer Störungen krankschreiben oder früh verrenten lassen. 2011 sind 14,1 Prozent aller Krankheitsfälle auf psychische Störungen zurückzuführen 2004 waren es noch 8,3 Prozent.(BKK Gesundheitsreport, 2013) In den letzten 18 Jahren stieg ebenso der Anteil von Personen, die aufgrund seelischer Leiden frühzeitig in Rente gingen, von 14,5 Prozent auf 41,9 Prozent (Deutsche Rentenversicherung Bund: Rentenversicherung in Zeitreihen 2012). 4 I. Zahlen, Daten und Fakten: Psychische Erkrankungen In Deutschland leidet mehr als jeder 4. Erwachsene innerhalb eines Jahres an einer psychischen Erkrankung (Bundestherapeutenkammer 2012). Die Zahl der stationären Krankenhausaufenthalte auf Grund psychischer Erkrankungen steigt in den letzten Jahren stetig an (Krankenhausstatistik 2012). 2

5 I. Zahlen, Daten und Fakten: stationäre Patient(innen) Psychiatrie Quelle: Krankenhausstatistik 2012 6 I. Zahlen, Daten und Fakten: Psychische Erkrankungen Psychische Erkrankungen sind heutzutage weit verbreitet und zählen zu den zentralen Volkserkrankungen. Schätzungen zufolge werden psychische Erkrankungen bis 2030 zusammen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen führende Krankheitsursache in industrialisierten Ländern sein. (vgl. Wittchen 2011) Fazit: Rein statistisch gesehen wird es in unserer Gesellschaft zunehmend normal, verrückt zu sein 3

Aber, 7 diese Daten besagen nicht, dass psychische Erkrankungen generell zugenommen haben, denn eine Zunahme ist wissenschaftlich nicht belegt. Warum steigen die Zahlen dann dennoch? 1. die Abgrenzung des Normalen vom psychisch Auffälligen wandelt sich und ist von gesellschaftlichen/kulturellen Faktoren beeinflusst (Bsp. China) 2. Bei der Weiterentwicklung der Diagnosesysteme (bspw. DSM 5) sind die Störungen erheblich differenzierter (mild, mittel, schwer ) und ausgeweitet (z.b. Trauer) worden. Wann wird seelisches Leiden zur Krankheit) 3. seelische Probleme werden heutzutage besser erkannt und die Diagnosen eher akzeptiert (vgl. Jacobi 2009, Richter et al 2008) I. Zahlen, Daten und Fakten: Psychische Erkrankungen und Elternschaft 8 Familie und Elternschaft haben eine hohen Stellenwert in der Lebensplanung von Menschen Auch psychisch kranke Menschen werden Eltern bzw. Eltern können im Laufe ihrer Elternschaft an einer psychischen Störung erkranken Frage: Wie groß ist die Gruppe von psychisch kranken Eltern? 4

I. Anteil psychisch erkrankter Eltern in der stationären Psychiatrie Studien Anteil der PatientInnen mit minderjährigen Kindern in der stationären Psychiatrie Schone/Wagenblass 2002 19% Lenz 2005 27% Gurny 2007 (Schweiz) 17% Schmutz u.a. 2009 20% Jede(r) 4. bzw. 5. Patient(in) der stationären Psychiatrie hat minderjährige Kinder I. Stationäre Patient(innen) Psychiatrie geschätzter Anteil mit minderjährigen Kindern (Hochrechnung) 10 5

11 I. Elternschaft psychisch erkrankter Menschen Wenn es zunehmend mehr Erwachsene gibt, die eine psychiatrische Diagnose haben, dann wird es auch zunehmend mehr Kinder geben, die ein Elternteil haben, das psychisch krank ist. Es ist davon auszugehen, dass nicht nur die Erwachsenenpsychiatrie, sondern auch die Jugendhilfe es zunehmend mehr mit Familien zu tun haben, in denen ein Elternteil psychisch krank ist. I. Anteil psychisch erkrankter Eltern in der Kinder- und Jugendhilfe (HzE) 12 Eltern mit psychiatrischer Diagnose: ca. 10% aller Eltern im Bereich der HzE (Schone/Wagenblass 2002) Eltern mit psychiatrischer Diagnose bzw. Eltern, bei denen ein Verdacht einer psychiatrischen Erkrankung besteht: 33 % der Eltern in der kollegialen Fallberatung im Bereich der HzE (Schmutz 2009) 6

Elternpopulationen in Psychiatrie und Jugendhilfe 1. Verteilung der PatientInnen in der Psychiatrie (n = 2717) Männer (50%) Frauen (50%) 2. Verteilung der Elternpopulation in der Psychiatrie (n = 306) Männer (30%) Frauen (70%) 3. Verteilung der (psychisch kranken) Elternpopulation im Jugendamt (n = 157) 5% Frauen (95%) Quelle: Schone/Wagenblass 2002 14 Lebensorte der vom JA betreuten Kinder 30,0 26,7 25,0 20,6 20,0 17,0 18,1 15,0 10,0 8,7 5,0 5,1 4,0 0,0 bei beiden leiblichen Eltern alleinerziehender Elternteil Elternteil und neue/r PartnerIn bei anderen Fam.angehörigen Pflegefamilie Heim Sonstiges/keine Angabe Quelle: Schone/Wagenblass 2002 7

Zusammenfassung 15 in 90% der Fällen, in denen das JA aktiv war, war die Mutter erkrankt, in 5% Mutter und Vater und in 5 % der Vater Ein Viertel der vom Jugendamt betreuten Kinder leben bei ihrer psychisch kranken allein erziehenden Mutter Die Lebenssituation dieser Mütter ist oftmals prekär (siehe Beispiel) Fallbeispiel Die 35jährige allein erziehende Anita Himmel lebt mit ihrer Tochter Ronja, 4 Jahre zusammen. Im März erkrankt Anita Himmel an einer Depression, im Juni ist sie für 3 Wochen stationär untergebracht. Seit September macht sie eine Therapie, nimmt daneben aber auch noch regelmäßig Termine beim Sozialpsychiatrischen Dienst wahr. Ronja besucht den Kindergarten. Während des Krankenhaus-aufenthaltes ihrer Mutter war sie bei Bereitschaftspflegeeltern untergebracht. Zu ihrem Vater hat sie unregelmäßig Kontakt. Ihre Großmutter ist schwer krank und kann sich nicht um sie kümmern. Die zuständige Sozialarbeiterin beim Jugendamt hat nach dem stationären Aufenthalt ein Gespräch mit der Mutter geführt. Da sie sich mit der Erziehung des Kindes teilweise überfordert sieht, willigt sie nach langem Zögern ein, dass Ronja alle 2 Wochen das Wochenende zu einer Patenfamilie geht. Anita Himmel fühlt sich überfordert, traut sich aber nicht, das zu erzählen, da sie Angst hat, dass ihr das Jugendamt ihr Kind wegnimmt Prof. Dr. Sabine Wagenblass, Hochschule Bremen, Fakultät 3 Studiengang Soziale Arbeit 8

Netzwerkkarte: Anita Himmel Netzwerk Anita Himmel Netzwerk sozialer Beziehungen eher klein, d. wenig soziale Unterstützungsressourcen im Alltag Unterrepräsentierter Sektor: Freunde und Arbeit Dominierender Sektor: professionelle Beziehungen, aber wenig Kommunikation und Kontakt zwischen den professionellen Helfer/-innen Vermutung: In Krisensituation wenig abgestimmte Hilfen, d.h. die überforderten Familien müssen selbst die Hilfen und HelferInnen koordinieren (Überforderung) Prof. Dr. Sabine Wagenblass, Hochschule Bremen, Fakultät 3 Studiengang Soziale Arbeit 9

19 II. Wie wirkt sich die Erkrankung auf das Familiensystem aus? Familiensysteme sind hoch komplex und eine Veränderung in einem Teil des Systems beeinflusst notwendigerweise das ganze System (Steve de Shazer 1998) Psychische Störungen sind keine singulären Erkrankungen einzelner, sondern sind als familiäre Krisen zu verstehen, die alle Beteiligten herausfordern 20 II. Wie wirkt sich die elterliche Erkrankung auf die Kinder aus? Kinder sind je nach Erkrankung konfrontiert mit: Unberechenbarkeit des Verhaltens und Unkontrollierbarkeit der Situation Wirklichkeitsverlust des erkrankten Elternteils Veränderungen der Persönlichkeit Einschränkung des affektiven Austausches sowie der Fürsorge für die Kinder Beziehungsabbrüchen und Trennungen durch Krankenhauseinweisungen des Elternteils 10

21 II. Wie wirkt sich die elterliche Erkrankung auf die Kinder aus? Unmittelbare Probleme Desorientierung Schuldgefühle sozialer Rückzug Ängste Folgeprobleme Betreuungsdefizite Loyalitätskonflikte Abwertungserlebnisse Parentifizierung (vgl. bspw. Remschmidt/Mattejat 1994) Aber, 22 Die kindliche Belastung durch die Erkrankung ist stets im Einzelfall zu beurteilen, denn vielfältige Faktoren beeinflussen die Lebenssituation des Kindes und jedes Kind erlebt die Belastung anders und reagiert individuell 11

23 II. Wie wirkt sich die Erkrankung auf das Familiensystem aus? nicht nur die Kinder leiden ebenso die Partner(innen) und die Paarbeziehung (finanzielle Belastungen, Stress, emotionale Entfremdung, Nicht-Einschätzbarkeit des Verhaltens, usw.) Gefahr einer massiven Beeinträchtigung der Beziehungsund Lebensqualität sowie die erkrankten Elternteile (Sorgen, Scham, Ängste) 24 II. Wie wirkt sich die Erkrankung auf das Familiensystem aus? Desorientierung Trennung Loyalitätskonflikte Überforderung Isolation Sprachlosigkeit Abwertung Ängste Autonomieverlust sozialer Rückzug Schuldgefühle Parentifizierung Sorgen Versagensgefühle Scham Betreuungsdefizit 12

25 II. Wie wirkt sich die Erkrankung auf das Familiensystem aus? Ein Teil der Familien bewältigt diese Krisen mit ihren zur Verfügung stehenden Ressourcen, ein Teil ist mit den Herausforderungen und den vielfältigen Belastungen durch die Erkrankung überfordert. Dort wo diese Unterstützungsressourcen fehlen, sind professionelle Helfersysteme gefordert gemeinsam die Familien zu stärken und zu begleiten, denn ein System alleine kann diese komplexen Bedarfe nicht auffangen. III. Risiko- und Schutzfaktoren 26 Neben belastenden Faktoren wirken aber auch Schutzfaktoren, die die Resilienz der Kinder (Widerstandsfähigkeit) und der Familie fördern. 13

III. Schutzfaktoren 27 Schutzfaktoren des Individuums Schutzfaktoren der Familie Schutzfaktoren des Umfeldes III. Schutzfaktoren des Kindes 28 Sprachliche und motorische Kompetenzen Temperament- bzw. Charaktereigenschaften, die positive Reaktionen hervorrufen (pflegeleicht, freundlich, fröhlich) Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeitsglaube Hobbies Problembewältigungskompetenzen Fähigkeit zu planen Positives Welt- und Menschenbild Quelle: Werner, E. 2008, S. 31 14

29 III. Schutzfaktoren der Familie (Soziale Ressourcen) stabile emotionale Beziehung zu einer Bezugsperson Qualität der Eltern-Kind-Beziehung offenes unterstützendes Erziehungsklima (Regeln, Rituale) familiärer Zusammenhalt (Kohäsion, positive Geschwisterbeziehungen) Modelle positiver Bewältigung Religiösität 30 III. Schutzfaktoren der Umwelt (Soziale Ressourcen) Zuverlässige und vertrauensvolle soziale Beziehungen Integration in peergroups und Vereine positive Erfahrungen in Kita und Schule Erfahrungen und Unterstützung durch LehrerInnen/ErzieherInnen das Erleben von Erfolg und Leistung nicht nur durch gute Schulnoten Schul-/Kitaklima Zugehörigkeitsgefühl 15

31 IV. Was können Eltern und andere für die Resilienz der Kinder tun? Auf die Tatsache, dass Kinder psychisch kranke Eltern haben, haben wir keinen Einfluss, auf die Art und Weise, wie sie diese Situation bewältigen können wir Einfluss nehmen 32 IV. Was können Eltern und andere für die Resilienz der Kinder tun? 1. Krankheit nicht verleugnen und sensibel für die eigene Befindlichkeit sein 2. In stabileren Krankheitsphasen Vorsorge treffen für Akutkrisen (Erstellen eines Krisen- und Notfallplanes) 3. Absicherung der Alltagsstrukturen, um eine Parentifizierung zu verhindern 4. Sicherstellen verlässlicher Bezugs- und Vertrauensperson für das Kind (z.b. Patenschaften) 5. Beratung und Hilfe bei der Erziehung anbieten, aber auch annehmen (Erziehungsberatung, Elternkurse) 16

33 IV. Was können Eltern und andere für die Resilienz der Kinder tun? 6. Mit Kindern über die Erkrankung reden (z.b. Familiengespräche) 7. Kinder mit in den Blick nehmen (z.b. Gruppenangebote, Angebote der Stressbewältigung und Emotionsregulation) 8. Aufbau von Kooperationen der beteiligten Systeme (Erwachsenenpsychiatrie, KJP und Jugendhilfe, aber auch Schule und Kita) 9. Ausbau der Infrastruktur (Ganztagesbetreuung in Kita und Schule) 10. Entstigmatisierung: Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit Statt eines Fazits, ein Zitat am Ende... der Fluss (ist) der Strom des Lebens. Niemand geht sicher am Ufer entlang. Es gibt Gabelungen im Fluss, die zu leichten Strömungen oder in gefährliche Stromschnellen und Strudel führen. Wie wird man, wo immer man sich in dem Fluss befindet,, ein guter Schwimmer? (Aaron Antonovsky 1997) Prof. Dr. Sabine Wagenblass, Hochschule Bremen, Fakultät 3 Studiengang Soziale Arbeit 34 17