Zustellung eines Widerspruchsbescheids mittels Übergabeeinschreiben

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Transkript:

VGH München, Urteil v. 04.06.2013 12 B 13.183 Titel: Zustellung eines Widerspruchsbescheids mittels Übergabeeinschreiben Normenketten: VwGO 73 Abs. 3, 74 Abs. 1 S. 1 VwZG 4, 8 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO VwGO 73 Abs. 3 60 Abs. 1 VwGO 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO VwGO 73 Abs. 3 60 Abs. 1 VwGO Leitsatz: 1. Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Widerspruchsbescheids mittels Übergabeeinschreiben nicht nachweisen, kann der Lauf der Klagefrist frühestens nach Heilung des Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des Bescheids beginnen. (amtlicher Leitsatz) Orientierungsätze: Formgerechte Zustellung eines Widerspruchsbescheids mittels Übergabeeinschreiben Heilung eines Zustellungsmangels durch tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks Beginn des Laufs der Klagefrist Leitsatz: Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Widerspruchsbescheids mittels Übergabeeinschreiben nicht nachweisen, kann der Lauf der Klagefrist frühestens nach Heilung des Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des Bescheids beginnen. Schlagworte: Verwaltungszustellung, Übergabenschreiben, Zustellung, Widerspruchsbescheid, Übergabeeinschreiben, Klagefrist, Zustellungsmangel, Heilung Vorinstanz: VG Augsburg Urteil vom 31.07.20123 K 11.1817 Fundstellen: NVwZ-RR 2013, 789 LSK 2013, 340569 Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Juli 2012 wird, soweit es die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2011 zum Gegenstand hat, aufgehoben und die Streitsache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht Augsburg zurückverwiesen. II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen den Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag. Für die seiner Tochter gewährte Hilfe für junge Volljährige in Form der Vollzeitpflege verpflichtete ihn der Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 2011 zur Zahlung von monatlich 785 EUR ab dem 9. Januar 2010, nachdem für die Jugendhilfemaßnahme bereits zuvor mit Bescheid vom 6. August 2009 ein Kostenbeitrag in Höhe von 635 EUR monatlich ab dem 1. Juli 2009 festgesetzt worden war. Gegen den Bescheid vom 1. Juni 2011 erhob der Kläger am 2. Juli 2011 Widerspruch. 2 Diesen Widerspruch wies die Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2011 zurück. Die Widerspruchsakte beinhaltet neben dem Bescheid selbst zusätzlich eine Fotokopie von dessen erster Seite (Bl. 9 der Widerspruchsakte), die einen Stempelaufdruck vers.: 04. Nov. 2011 und ein kreisförmiges Handzeichen trägt, ferner (Bl. 10 der Widerspruchsakte) eine (vergrößerte) Fotokopie eines Zustellnachweises bei Einschreibebriefen, der den Kläger als Empfänger, den Widerspruchsbescheid als zuzustellendes Schriftstück und Übergabeeinschreiben als Art der Sendung bezeichnet. Das Feld Einlieferungsbeleg weist ebenfalls den Stempelaufdruck vers.: 04. Nov. 2011, allerdings ohne Handzeichen auf. Eine Sendungsnummer der Deutschen Post AG in Form eines Klebeetiketts enthält das Feld Einlieferungsbeleg - anders als bei den in der gleichen Akte abgelegten vorausgegangenen Widerspruchsverfahren des Klägers (Widerspruch vom 30. August 2009 und vom 25. September 2008) - nicht. 3 Mit beim Verwaltungsgericht am 12. Dezember 2011 eingegangenen, auf den 4. Dezember 2012 datierten Schriftsatz erhob der Kläger gegen den Kostenbeitragsbescheid vom 1. Juni 2011 sinngemäß Anfechtungsklage. Nach richterlichem Hinweis auf deren mögliche Verfristung wies das Verwaltungsgericht diese mit Urteil vom 31. Juli 2012 wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig ab. Der Widerspruchsbescheid vom 4. November 2011 gelte nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG am 7. November 2011 als zugestellt. Die einmonatige Klagefrist des 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO sei daher am Mittwoch, den 7. Dezember 2011 abgelaufen gewesen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach 60 Abs. 1 VwGO könne dem Kläger nicht gewährt werden. Sie setze voraus, dass jemand ohne Verschulden gehindert gewesen sei, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Anhaltspunkte dafür, dass Wiedereinsetzungsgründe im vorliegenden Fall vorlägen, habe der Kläger weder vorgetragen noch seien sie sonst ersichtlich. 4 Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 (Az. 12 ZB 12.2324) hat der Senat die Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen den Bescheid vom 1. Juni 2011 richtet, wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne von 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen. 5 Zur Begründung der zugelassenen Berufung trägt der Bevollmächtigte des Klägers unter Bezugnahme auf den Zulassungsbeschluss des Senats vor, dass die Annahme der Verfristung der Klage unzutreffend sei. Im Übrigen sei der angegriffene Kostenbeitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids als rechtswidrig aufzuheben. Er beantragt sinngemäß, 6 das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Juli 2011, soweit es den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2011 zum Gegenstand hat,

aufzuheben und die Streitsache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht Augsburg zurückzuverweisen, 7 hilfsweise, 8 das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 31. Juli 2011, soweit es den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2011 zum Gegenstand hat, und den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2011 aufzuheben und den Beklagten zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. 9 Der Beklagte stellt keinen Antrag. Über Art und Weise der Zustellung des Widerspruchsbescheids lägen ihm weder Erkenntnisse noch Nachweise vor. Der Bescheid vom 1. Juni 2011 sei materiell rechtmäßig. 10 Mit Schreiben vom 26. April 2013 teilte die Regierung von Schwaben als zuständige Widerspruchsbehörde mit, dass sie keine weiteren Nachweise vorlegen könne, die die formgerechte Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2011 (gemeint ist: 4. November 2011) im Nachhinein bestätigen könnten. 11 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Behördenund Gerichtsakten verwiesen. Entscheidungsgründe 12 Mit Einverständnis der Beteiligten kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden ( 101 Abs. 2 VwGO). Die Streitsache wird unter entsprechender Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Entscheidung zurückverwiesen, weil die Klage gegen den Bescheid vom 1. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2011 die Klagefrist des 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO wahrt und das Verwaltungsgericht infolge der angenommenen Unzulässigkeit der Klage noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. 13 Nach 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss eine Anfechtungsklage innerhalb eines Monats ab Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Die den Lauf der Klagefrist auslösende Zustellung des Widerspruchsbescheids erfolgt nach 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO - auch wenn dieser von einer Landesbehörde erlassen wird - von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). 4 Abs. 1 VwZG sieht als eine mögliche Form die Zustellung durch einen Postdienstleister in Form eines Übergabeeinschreibens vor. Wählt die Widerspruchsbehörde diese Zustellart, gilt nach 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat nach 4 Abs. 2 Satz 3 VwZG die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen. Den Tag der Aufgabe zur Post hat sie nach 4 Abs. 2 Satz 4 VwZG in den Akten zu vermerken. 14 Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer im Sinne von 2 Abs. 1 VwZG formgerechten Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2011 als Übergabeeinschreiben. Denn der Widerspruchsakte der Regierung von Schwaben lässt sich eine Übermittlung des Widerspruchsbescheids an den Kläger gerade als Übergabeeinschreiben nicht entnehmen. Über weitere Nachweise einer formgerechten Zustellung verfügt die Regierung von Schwaben als zuständige Widerspruchsbehörde nach eigenem Bekunden nicht.

15 Insbesondere vermag der (lediglich fotokopierte) Zustellnachweis bei Einschreibebriefen die Zustellung des Bescheids vom 4. November 2011 an den Kläger als Übergabeeinschreiben nicht zu belegen. Ihre charakteristische Funktion, den Zeitpunkt der Aufgabe eines Schriftstücks bei einem Erbringer von Postdienstleistungen und den seiner Übergabe an den Adressaten zu dokumentieren, kann eine Einschreibesendung nämlich nur dann erfüllen, wenn der Lauf der Sendung anhand einer bestimmten individuellen Sendungsnummer nachverfolgt werden kann, die Sendung also eingeschrieben ist (zur Relevanz der Sendungsnummer für Einschreibesendungen vgl. BayVGH, B.v.21.6.2007-12 ZB 06.3183 - juris, Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v.28.4.2004-1 A 1721/01 - juris, Rn. 45). Demzufolge macht die Deutsche Post AG als Erbringer von Postdienstleistungen speziell für die Anbringung der Sendungsnummer bei einem Einschreibebrief detaillierte Vorgaben (vgl. Technische Spezifkationen Einschreiben, Stand 04/2011, abrufbar unter http://www.d...de/c...pdf). Im Gegensatz zu den vorausgegangenen Widerspruchsverfahren des Klägers, die ebenfalls jugendhilferechtliche Kostenbeitragsbescheide zum Gegenstand hatten, bei denen das Feld Einlieferungsbeleg im Zustellnachweis bei Einschreibebriefen jeweils mit einer per Klebeetikett angebrachten Sendungsnummer versehen war, fehlt eine derartige Sendungsnummer im Zustellnachweis für den Widerspruchsbescheid vom 4. November 2011. Ohne Kenntnis der Sendungsnummer lässt sich jedoch weder der Zeitpunkt der Aufgabe zur Post noch derjenige der Übergabe an den Kläger als Adressaten nachverfolgen. Demnach mangelt es im vorliegenden Fall an der formgerechten Zustellung des Widerspruchsbescheids als Übergabeeinschreiben, mag die Sendung möglicherweise auch als einfacher Brief zur Post gegeben worden und dem Kläger als Adressaten zugegangen sein. Liegt indes keine Zustellung als Übergabeeinschreiben vor, greift auch die Zugangsfiktion des 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG, auf die sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung gestützt hat, nicht ein. 16 Auch ohne aufgeklebte Sendungsnummer lässt sich dem lediglich mit dem Stempelaufdruck vers.: 04. Nov. 2011 versehenen Zustellnachweis keine Beweisfunktion beilegen. Da die Deutsche Post AG als nach 2 Abs. 2 Satz 1 VwZG beauftragter Postdienstleister bei einer Zustellung mittels Übergabeeinschreiben nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich tätig wird, handelt es sich bei dem Zustellnachweis für Einschreibesendungen ebenso wie bei einem Rückschein im Fall der Zustellung mittels Einschreibens mit Rückschein um eine Privaturkunde im Sinne von 416 ZPO (vgl. Engelhardt/App, VwVG, VwZG, 9. Aufl. 2011, 4 VwZG Rn. 3, 9). Privaturkunden begründen indes nur dann Beweis für eine in ihnen enthaltene Erklärung, wenn sie vom Aussteller unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. 17 Lässt sich - wie hier - die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen, gilt es indes nach 8 VwZG in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Der Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs - so er sich überhaupt feststellen lässt - heilt dabei den Zustellungsmangel, fingiert eine wirksame Zustellung und löst damit den Lauf der Klagefrist nach 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO aus (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, 74 Rn. 10; Dolde/Porsch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 73 Rn. 74; Redeker/von Oertzen, VwGO, 74 Rn. 2; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO 2. Aufl. 2002, 74 Rn. 6). Für den Nachweis des tatsächliche Zugangs eines Dokuments - hier des Widerspruchsbescheids - genügt gegebenenfalls auch eine schlüssige Handlung des Zustellungsempfängers, wie beispielsweise die Erhebung eines Ein- oder Widerspruchs (Engelhardt/App, VwVG, VwZG, 8 VwZG Rn. 2). 18 Aus den dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten ergibt sich, dass sich der Kläger im vorliegenden Fall mit Schreiben vom 11. November 2011 (Bl. 9 der Akte des Verwaltungsgerichts Augsburg) an das Jugendamt des Beklagten gewandt und in seinem Schreiben auf den Widerspruchsbescheid aus Augsburg Bezug genommen hat. Daraus lässt sich ableiten, dass er jedenfalls am 11. November 2011 Kenntnis vom Widerspruchsbescheid vom 4. November 2011 hatte. Demgegenüber

bestehen keinerlei Anhaltspunkte, die einen früheren tatsächlichen Zugang im Sinne von 8 VwZG belegen können. Ausgehend vom 11. November 2011 als Zeitpunkt der (fingierten) Zustellung endete die Monatsfrist zur Klageerhebung damit am Montag, den 12. Dezember 2011. Der an diesem Tag beim Verwaltungsgericht Augsburg eingegangene Klageschriftsatz wahrt daher die Frist des 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO. 19 Demzufolge war das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg, soweit der Kläger es angefochten hatte, aufzuheben und die Streitsache antragsgemäß nach 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Entscheidung zurückzuverweisen. Der Hilfsantrag bedurfte keiner Entscheidung. Die Kostenentscheidung bliebt insoweit der neuerlichen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten. 20 Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.