FEM-Modellbildung und -Berechnung von Kehlnähten

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Transkript:

FEM-Modellbildung und -Berechnung von Kehlnähten 1. Problemstellung und Lösungskonzept Die wesentliche Schwierigkeit bei der Berechnung einer Kehlnaht ist die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Geometrie (Abb. 1) und des idealisierten FEM-Modells. Abbildung 1: Schliffbild einer Kehlnaht (Quelle: www.zll-werkstoffpruefung.de/images/ fullscreen/kehlnaht_bemasst_800.jpg) Lösungskonzept: Die Spannungsauswertung des FEM-Modells soll verifizierbare Ergebnisse liefern, die ggf. durch Messungen überprüft werden können. Hinweise: Kehlnähte sind wirtschaftlich und werden ohne besondere Vorbereitung hergestellt, haben jedoch stark ausgepräge Kerbwirkung. Insbesondere bei häufig veränderlichen Lasten besteht die Gefahr der Materialermüdung. Die minimale rechnerische Dicke einer "FEM-Kehlnaht" wird bei a=3 mm (analog Maß 7,49 mm in Abb. 1) festgelegt. Im Übrigen wird hier auf eine Untersuchung einer Kehlnahtwurzel verzichtet, denn diese ist aus heutiger Sicht bestenfalls nach bruchmechanischen Konzepten erfassbar. 1.1 Typ der berechneten Spannung In einem reellen Bauteil sowie in einem FEM-Volumenmodell existieren grundsätzlich Normalspannungen und Schubspannungen. Die Normalspannungen haben entweder positive (Zugspannungen) oder negative (Druckspannungen) Vorzeichen. In der Praxis können mittels Dehnungsmessstreifen (DMS, Abb. 2) Formänderungen an der Oberfläche des Bauteils gemessen werden. Damit ist die experimentelle Bestimmung der Zug- bzw. Druckspannungen möglich.

Abbildung 2: Dehnungsmessstreifen (Quelle: www.esensors.net/dms.png) Daraus folgt, dass im geeigneten FEM-Modell primär Normalspannungen unter Beachtung der Richtung und des Vorzeichens ausgewertet werden. Die Auswertung der Schubspannung erfolgt sekundär. 1.2 Ort der berechneten Spannung Wenn ein DMS direkt am Übergang einer Kehlnaht aufgeklebt wird, dann beträgt der Abstand von dem Nahtübergang "W" (Abb. 3) zum Mittelpunkt des Messgitters mindestens 3 bis 5 mm, also etwa 4 mm als Durchschnittswert. Abbildung 3: Spannungen am Nahtübergang "W" (Quelle: FKM-Richtlinie, RECHNERISCHER FESTIGKEITSNACHWEIS FÜR MASCHINENBAUTEILE, 6., überarbeitete Ausgabe 2012) Hinweis: Die FKM-Richtlinie verwendet 3 Spannungskonzepte: Kerbspannungskonzept, Strukturspannungskonzept sowie Nennspannungskonzept. Die Berechnung der Kerbspannungen ist aus mehreren Gründen unpraktikabel. Zum einen ist die Spannung nicht messbar, zum anderen ist die FEM-Genauigkeit stark software- und anwenderabhängig. Die Anwendung einer Strukturspannung ist noch kritischer, denn diese exisitiert gar nicht, sondern ist eine fiktive Größe, die extrapoliert wird. Die Nennspannungen gewonnen. werden üblicherweise analytisch oder aus Balkenmodellen

g 2. FEM-Modell am Beispiel "T-Stoß" Die Ermüdungsfestigkeit der Kehlnähte ist weitgehend unabhängig von der Stahlsorte. Damit hat die statische Festigkeit der Stahlwerkstoffe keinen Einfluss auf die "Schwingfestigkeit" der Kehlnähte. Als Basis für die Bewertung der Kehlnähte wird folglich stets der Baustahl S235 zugrunde gelegt. 2.1 FEM-Erstanalyse Für eine überschlägige Erstkontrolle wird der Stahlbau als Einzelteil modelliert und anstatt der Kehlnähte eine einfache Rundungsform (Abb. 4) angenommen: a 5 Beispiel "T-Stoß" (Abb. 4) R a 2 R = 7.071 Als Ergebnis wird die Vergleichsspannung nach v. Mises geplottet. Mittels der Legendenskalierung werden alle Bereiche >30 N/mm² (Abb. 4) identifiziert. Abbildung 4: Farbplot der Vergleichsspannung als Filter für die kritischen Bereiche Hinweis: In der Fachliteratur sind häufig Auswertungen von "Strukturspannungen" direkt am Radiusübergang (Abb. 4) zu finden, d.h. ohne übliche Extrapolation wie im folgenden Beispiel (Abb. 5).

Abbildung 5: Extrapolation der Strukturspannung (nach Dr.-Ing. Peter Knödel, Quelle: www.peterknoedel.de) 2.2 FEM-Endanalyse Das FEM-Modell wird im nächsten Schritt erweitert, hierbei werden die als kritisch ermittelten Bereiche detailliert (Abb. 6): Abbildung 6: Detailliertes FEM-Modell mit Auswertelinien W1 und W2 Anstatt der üblichen "Radaj-Kerbe" R1 (FKM-Richtlinie) wird hier "konservativ" mit R0,5 mm (Abb. 6) verrundet, um geometrische Singularitäten auszuschließen. Hinweis: FKM-Richtlinie (6., überarbeitete Ausgabe 2012, Seite 180) gibt für "dünne" Bleche unter 5 mm Blechstärke auch R0,05 [!] mm an.

2.3 Spannungsauswertung Die FEM-Berechnung erfolgt zwecks Qualitätskontrolle mit einem Konvergenznachweis. Pro Messlinie (Nahtübergang W1 bzw. W2 in der Abb. 6) werden folgende Spannungen ausgewertet: Normalspannung QUER (quer zur Kehlnaht) Schubspannung MAX Die graphische Plotausgabe der Spannungen wird approximiert, falls notwendig. 3. Beispiel eines Nachweises für die Linie W1, Normalspannung QUER Die Normalspannung der Linie W1 quer zur Kehlnaht wird graphisch geplottet (Abb. 7). Die Normalspannung QUER ist positiv und erreicht etwa 44,5 N/mm². Die im Beispiel aufgebrachte, vorwiegend schwellend wirkende, Last beinhaltet bereits einen Anwendungsfaktor, auf der anderen Seite ist kein Dickenbeiwert zu berücksichtigen (maximale Blechdicke im Beispiel ist 10 mm). Abbildung 7: Hauptspannung QUER an der Linie W1 (nicht approximiert) Bei der berechneten Normalspannung QUER W1 (Maximum bei +44,5 N/mm²) sind sowohl die Richtung als auch der Ort des Maximums (für DMS) bekannt. Hinweis: FKM-Richtlinie ist für die Auswertung bei dieser Vorgehensweise nicht vorgesehen. Aufgrund der Tatsache, dass die vorgestellte Berechnung Spannungswerte stets unterhalb der Strukturspannung nach FKM liefert (Abb. 3), kommt hier lediglich die Auswertung gegen Nennspannungen in Betracht.