Sterbehilfe und das Vertrauen zum Hausarzt



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Transkript:

Aktuelle forsa-umfrage November 2003 Vorurteile auf dem Prüfstand Sterbehilfe und das Vertrauen zum Hausarzt Die wichtigsten Ergebnisse: 1. Lediglich 12 Prozent der Bundesbürger meinen, dass sie das Vertrauen zu ihren Hausarzt verlieren würden, wenn sie wüssten, dass dieser schon einmal bei einem unheilbar kranken Patienten Beihilfe zum Suizid geleistet hat. Die große Mehrheit der Bevölkerung (84 Prozent) sagt: Wenn mein Hausarzt einem unheilbar kranken Patienten bei der Selbsttötung hilft, würde ich das Vertrauen zu ihm nicht verlieren. 2. Auch bei der aktiven direkten Sterbehilfe sieht nur eine Minderheit (20 Prozent) das Vertrauen zu ihrem Hausarzt erschüttert. Knapp drei Viertel der Bevölkerung (74 Prozent) sagt: Ich würde das Vertrauen zu meinem Hausarzt nicht verlieren, wenn ich wüsste, dass er bei einem unheilbar kranken Patienten die verbotene aktive direkte Sterbehilfe geleistet hat. Die Ergebnisse basieren auf einer Umfrage durch das renommierte Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag der DGHS. Befragt wurden 1 002 Personen im Erhebungszeitraum 13. und 14. November 2003. Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) Lange Gasse 2-4 86152 Augsburg Telefon 08 21/50 23 50 Telefax 08 21/5 02 35 55 E-Mail: info@dghs.de Internet: www.dghs.de Diese Umfrage-Daten sind urheberrechtlich geschützt. Das Copyright sowohl für die Print-Dokumentationen als auch für die Internet-Versionen aller DGHS-Umfragen liegt bei der DGHS. Die Verwendung und Verbreitung der Daten ist nur mit ausdrücklicher Nennung der DGHS als Auftraggeber gestattet!

- 2 - Ausgangspunkt Die gemeinwohlorientierte DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR HUMANES STERBEN (DGHS) setzt sich ein für die Verbesserung der Bedingungen für Sterbende und Schwerstkranke, für einen Ausbau der Hilfen und die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende. Seit 1987 lässt sie immer wieder repräsentative Meinungsumfragen zu ihrem Themenkreis durchführen. Im Focus der hier vorgestellten Kurzumfrage steht das Vertrauen zum Hausarzt im Kontext von Sterbehilfe. Immer wieder wird von Ärzte-Funktionären betont: Die Beihilfe zum Suizid auch im Fall eines unheilbar schwerstkranken Patienten sei ausnahmslos unethisch und unärztlich. Ärzteverbände lehnen diese Art der Sterbehilfe deshalb seit Jahren kategorisch ab. Die DGHS ist hingegen der Meinung, dass es Grenzfälle gibt, die eine Erwägung der Hilfe zur Selbsttötung rechtfertigt. So kann es vorkommen, dass ein unheilbar Kranker nach gründlicher Information über alle Möglichkeiten, sein Leiden im Sterben zu lindern, zu dem reiflich überlegten Entschluss kommt, seinen Sterbeprozess abkürzen zu wollen. Wenn der Sterbewunsch eines solchen Patienten auf einer frei verantwortlichen, informierten und ernstlichen Entscheidung beruht und andere Mittel der Leidensminderung wie insbesondere palliative Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen oder vom Patienten abgelehnt werden, sollte dieser nach Meinung der DGHS legale Hilfe zu einer humanen Selbsttötung erhalten dürfen. Die rechtliche Lage Grundsätzlich ist die Beihilfe zur Selbsttötung straffrei, wie die frühere Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin betonte. Die Situation in der Praxis ist aber wesentlich komplizierter. Zwar kennt das Strafgesetzbuch den Tatbestand einer Beihilfe zur Selbsttötung nicht da die Haupttat nicht strafbar ist, kann es auch die Beihilfe dazu nicht sein. Gleichwohl unterliegen nahestehende Personen (z.b. Ehegatten, Angehörige) und vor allem Ärzte einer besonderen Fürsorgepflicht. Diese so genannte Garantenstellung fordert, dass diese Personenkreise schützend eingreifen müssen, wenn der Patient in eine Situation kommt, in der er sich selbst nicht mehr helfen kann, beispielsweise dann, wenn er das Bewusstsein verliert. Tritt diese Situation ein, sind die Garanten verpflichtet, Hilfestellung zum Überleben des Patienten zu leisten (oder Hilfe zu holen) und zwar auch dann, wenn der Patient vorher unübersehbar deutlich gemacht hat, dass er sein Leben freiwillig beenden möchte. Geschieht dies nicht, kann der Helfer strafrechtlich belangt werden bis hin zum Totschlag ( 212 StGB) durch Unterlassung. Die Garantenpflicht ist es derzeit auch, die letztlich die Sterbebegleitung eines schwerkranken Suizidwilligen verhindert: Der Wunsch eines Ehegatten oder Angehörigen, bis zum Schluss dabei bleiben zu wollen, ist zwar mehr als verständlich. Man kann aber nicht guten Gewissens dazu raten, denn wenn der Patient bewusstlos wird und der Angehörige nicht helfend eingreift, setzt sich der Angehörige dem Risiko einer Strafverfolgung aus. Das Strafrecht kennt weitere Bestimmungen, die zum Eingreifen in tatsächlichen oder vermeintlichen Notsituationen verpflichten. Paragraph 323 c StGB stammt aus der Zeit des National-Sozialismus und behandelt die Unterlassene Hilfeleistung : Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Um-...

- 3 - ständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche Gefahr und ohne Verletzung anderer Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Anders als bei der Beihilfe zum Suizid, ist die aktive direkte Sterbehilfe als eigenständiges Delikt im Strafrecht geregelt. Im 216 StGB wird die Tötung auf Verlangen mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht. Als Abgrenzungskriterium zur Suizidbeihilfe gilt in der Rechtsprechung die Frage der Tatherrschaft. Nimmt der Suizident z.b. ein bereit gestelltes tödliches Mittel selbst ein, würde man von Beihilfe zur Selbsttötung sprechen. Hat dagegen der Helfer die Tatherrschaft, indem er dem Patienten aktiv z.b. eine tödliche Spritze verabreicht, würde man von aktiver direkter Sterbehilfe sprechen. (Die anerkannte und auch in Deutschland praktizierte aktive indirekte Sterbehilfe, bei der der früher eintretende Tod des Patienten durch die Gabe von z.b. Morphinen billigend in Kauf genommen aber nicht intendiert wird, bleibt hier unberücksichtigt.) Die Tatsache der Illegalität der aktiven direkten Sterbehilfe verhindert übrigens nicht, dass Patienten mit einschlägigen Wünschen an Ärzte herantreten. In einer Ärztebefragung in Rheinland-Pfalz gaben 40,3 Prozent (oder 171 Mediziner) an, dass sie mindestens einmal von einem Patienten ernsthaft um aktive Maßnahmen (...) zur Lebensbeendigung bei aus Sicht des Patienten untragbarem Leiden gebeten wurden. (Deutsches Ärzteblatt, 30.11.2001). Ärztliches Ethos Sowohl die Garantenstellung als auch die Bestimmungen zur Unterlassenen Hilfeleistung gelten natürlich und in besonderem Maße auch für Ärzte. Sie sind es, die den Patienten über seine Krankheit, deren Verlauf und die Prognosen informieren und Möglichkeiten der Leidenslinderung wie z.b. Palliativmedizin, Schmerztherapie oder Hospizbetreuung anbieten oder vermitteln. Und wenn die Erkrankung so weit fortgeschritten ist, dass das Leiden und der individuell empfundene Würdeverlust des Patienten ein für ihn unerträgliches Ausmaß angenommen haben, sind es wiederum die Mediziner, die den Zugang haben zu den nötigen Mitteln und Medikamenten für ein humanes, schnelles und schmerzfreies Sterben. Sie verfügen über die nötigen Rezeptblöcke, die das Betäubungsmittelgesetz vorschreibt. Zwar bestehen andere Möglichkeiten, das eigene Leben zu beenden, wie z.b. der Sturz von einer Brücke oder der Einsatz eines Autos. Die DGHS lehnt solche Methoden aber als inhuman ab, denn sie könnten nicht nur das Leben anderer, unbeteiligter Menschen gefährden, sondern bergen immer auch das Risiko des Scheiterns. Statt sein Leben zu beenden würde der Sterbewillige möglicherweise mit schweren Dauerschäden aufwachen und den Rest seines Lebens als Pflegefall verbringen (müssen). Ein humanes menschenwürdiges Sterben sollte es dem Patienten ermöglichen, im Kreis seiner Angehörigen Abschied zu nehmen und in den eigenen vier Wänden zu sterben, wenn er dies wünscht. Ärzte sind darüber hinaus aufgrund ihrer Tätigkeit in besonderem Maße dem Erhalt und der Wiederherstellung der Gesundheit ihrer Mitmenschen verpflichtet. Immer wieder wird betont, dass der ärztliche Heilauftrag (Heilen von Krankheiten, Linderung von Leiden) keinesfalls zu vereinbaren sei mit einer Beihilfe zum Suizid. Angeführt wird hier gern der noch aus der Antike stammende so genannte Hippokratische Eid, auch wenn heute kein Mediziner diesen Schwur mehr leistet: Ich schwöre und rufe Apollon den Arzt und Asklepios und Hygieia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen an, dass ich diesen Eid und diesen Vertrag nach meiner Fähigkeit und nach meiner Einsicht erfüllen werde. Die fragliche Passage findet sich im Abschnitt 3, der lautet: Auch werde ich niemandem ein tödliches Mittel geben, auch...

- 4 - nicht, wenn ich darum gebeten werde, und werde auch niemanden dabei beraten; auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben. Ein Arzt, der einem Patienten Beihilfe zum Suizid leistet, riskiert nicht nur eine mögliche Strafverfolgung, sondern muss i.d.r. auch mit Konsequenzen für seine Berufserlaubnis rechnen. (Interessanter Weise findet sich das Verbot der Suizidhilfe nicht explizit in der (Muster-) Berufsordnung der deutschen Ärztinnen und Ärzte zuletzt geändert vom 103. Deutschen Ärztetag 2000 in Köln. Dort heißt es im 16 Beistand für den Sterbenden dazu lediglich: Der Arzt darf das Leben des Sterbenden nicht aktiv verkürzen, womit offenbar die aktive direkte Sterbehilfe gemeint ist.) Der DGHS ist der Fall eines Krankenhaus-Mediziners bekannt, dem zwar nicht die Zulassung (Approbation) entzogen wurde, der aber von seinem Arbeitgeber mit Degradierung und Zwangsversetzung abgestraft wurde. In der Gesamtschau drohender Sanktionen wird verständlich, wenn Ärzte, die sich den Leiden und dringenden Bitten unheilbarer Patienten nicht verschließen, in jedem Fall ungenannt bleiben wollen. Dass es auch in Deutschland solche Ärzte gibt, die in Hinterzimmern Hilfe zur Selbsttötung und in extremen Fällen auch aktive direkte Sterbehilfe geleistet haben, steht außer Frage. (Vgl. z.b. eine anonyme Ärztebefragung des STERN vom 28.11.1996. 14,5 Prozent jener Krankenhausärzte, die viele Todkranke betreuen, bejahten die Frage: Haben Sie in Ihrer Umgebung schon einmal aktive Sterbehilfe durch Ärzte erlebt? In derselben Umfrage konnten sich 44,3 Prozent dieser befragten Ärztegruppe zudem vorstellen, selbst aus humanitären Gründen aktive Sterbehilfe zu leisten.) Die DGHS setzt sich dafür ein, dass es eine solche Hilfe als Ultima Ratio nicht nur für schwerstkranke Patienten mit Beziehungen gibt, sondern legal und offen auch für jene, die keinen Human- oder Tiermediziner zu ihrem Freundeskreis zählen. Das Vertrauensverhältnis Wenn Ärzte-Funktionäre die Beihilfe zum Suizid oder die aktive direkte Sterbehilfe für Patienten öffentlich ablehnen, tun sie dies meist mit dem Hinweis, dadurch würde das zwischen Arzt und Patient bestehende Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert oder zerstört. Ob die knapp 255.000 berufstätigen Ärztinnen und Ärzte (Stand: 2001) dies auch so sehen, lässt sich aufgrund fehlender Daten derzeit nicht beurteilen. Für sich persönlich aber befürworteten 41 Prozent in einer Ärztebefragung die Haltung, im Falle einer unheilbaren und qualvollen Krankheit das eigene Leben durch Freitod zu verkürzen (Emnid im Auftrag der DGHS, Juni 1998). Dass auch nicht wenige der (potenziellen) Patienten im Eventualfall einer unheilbaren Krankheit diese Option für sich erwägen würden, legen verschiedene frühere Umfragen im Auftrag der DGHS nahe. Doch nicht notwendiger Weise ist ein Arzt die erste Wahl, wenn es um die Lebensbeendigung geht, berichtete die Zeitschrift Reader s Digest im August 2001. Sie hatte über Emnid fragen lassen: Wem würden Sie die Entscheidung, Ihr Leben aktiv zu beenden, am ehesten anvertrauen? Die meisten Befragten nannten zuerst die Angehörigen, erst danach folgten die Mediziner. Diese Umfrage thematisierte auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient mit überraschendem Ergebnis: Dass 96 Prozent derjenigen, die Sterbehilfe guthießen, das Vertrauen zu ihrem Arzt bewahren würden, wenn dieser aktive Sterbehilfe leisten dürfte, war zu erwarten. Bemerkenswert ist aber vor allem, dass 71 Prozent derjenigen, die persönlich die Sterbehilfe ablehnen, auch dann weiterhin zum eigenen Hausarzt gehen würden, wenn sie wüssten, dass dieser (legal) aktive Sterbehilfe leistet....

- 5 - Fragestellungen Ausgehend von den derzeitig geltenden Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland wurden folgende Fragen gestellt: 1. Würden Sie persönlich das Vertrauen zu Ihrem Hausarzt verlieren, wenn Sie wüssten, dass er schon einmal bei einem unheilbar kranken Patienten Beihilfe zur Selbsttötung geleistet hat, also dem unheilbar Kranken das Mittel zur Selbsttötung zur Verfügung gestellt hat? 2. Und würden Sie persönlich das Vertrauen zu Ihrem Hausarzt verlieren, wenn Sie wüssten, dass er schon einmal bei einem unheilbar kranken Patienten die in Deutschland verbotene aktive direkte Sterbehilfe, also Tötung auf Verlangen, geleistet hat? Ergebnisse und DGHS-Positionen Lediglich 12 Prozent der Bevölkerung würde das Vertrauen zum Hausarzt für den Fall verlieren, dass dieser schon einmal bei einem unheilbar kranken Patienten Beihilfe zur Selbsttötung geleistet hat. Bei der großen Mehrheit der Bundesbürger (84 Prozent) hätte dies jedoch keinen Vertrauensverlust zur Folge. Die Altersgruppe ab 60 Jahren stellt etwas häufiger als die jüngeren einen Vertrauensverlust fest. Keinen Vertrauensverlust im Falle von (haus)ärztlicher Suizidhilfe sieht hingegen die Mehrheit der Christen (evangelische: 83 %, katholische: 81%). Ein tendenziell ähnliches Bild ergibt sich auch bei der Frage nach der aktiven direkten Sterbehilfe: 20 Prozent der Bundesbürger sagen, sie würden das Vertrauen zu ihrem Hausarzt verlieren, wenn sie wüssten, dass dieser schon einmal bei einem unheilbar kranken Patienten aktive direkte Sterbehilfe geleistet hat. Fast drei Viertel (74 Prozent) meinen hingegen, dies würde ihr Vertrauensverhältnis zum Hausarzt nicht erschüttern. Bei der Altersgruppe zwischen 30 und 59 Jahren, den Konfessionslosen sowie den Anhängern der SPD und Grünen hätte dies noch etwas seltener einen Vertrauensverlust zur Folge als beim Bevölkerungsdurchschnitt. Die Ergebnisse der zweiten Frage sind insbesondere auch deshalb bemerkenswert, weil in der Fragestellung darauf hingewiesen wurde, dass aktive direkte Sterbehilfe derzeit in Deutschland verboten ist. Selbst dann also, wenn der Arzt eine illegale Handlung vollzogen hätte, würde die große Mehrheit ihm dennoch vertrauen. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der auch aus DGHS-unabhängigen Umfragen bekannten Haltung der Bevölkerung zur aktiven (direkten) Sterbehilfe. Demnach lehnen die Menschen in Deutschland nämlich keineswegs die Tötung auf Verlangen ab, wie einzelne Politiker dies wider anderen Wissens gelegentlich behaupten. Vielmehr sollte die aktive direkte Sterbehilfe auf seltene Extremfälle, also unheilbar Schwerstkranke, beschränkt bleiben, deren Leiden nicht gemindert werden kann und nur in diesem Fall erlaubt sein, sagten 61 Prozent in der jüngsten Umfrage zum Thema (forsa im Auftrag der DGHS im September 2003). Die Ergebnisse der vorliegenden Umfrage hat die Argumentation der verfassten Ärzteschaft nachhaltig erschüttert. Viele Menschen in Deutschland wissen, dass ein qualvoller Sterbeprozess nicht immer und in jedem Fall durch die derzeit erlaubten Sterbehilfe-Formen (mitmenschliche Sterbebegleitung, Schmerztherapie/Palliativmedizin, passive Sterbehilfe, aktive indirekte Sterbehilfe, terminale Sedierung ) verhindert werden kann. Weitergehende Sterbehilfeformen für seltene Extremfälle, in denen diese Maßnahmen nicht ausreichen für ein wür-...

- 6 - devolles, humanes Lebensende, werden von der Bevölkerung mehrheitlich gewünscht. Ärztefunktionäre, Kirchenführer und vor allem die so genannten Volksvertreter, also Politiker, verneinen hingegen jeglichen Gesprächsbedarf und verweigern sich konstant den Forderungen nach einer breiten gesellschaftlichen Diskussion. Die DGHS vertritt einen Sowohl-Als-Auch -Ansatz: Sie setzt sich ein z.b. für einen (dringend nötigen) Ausbau der Schmerztherapie, für menschenwürdige Bedingungen in Alten- und Pflegeheimen und für alle Maßnahmen, die geeignet sind, das Leiden im Sterbeprozess zu reduzieren. Wenn aber ein Schwerstkranker die verfügbaren Hilfen als nicht ausreichend empfindet und in wohlüberlegter informierter Entscheidung zu dem Schluss kommt, dass er seinen Sterbeprozess abkürzen will, soll er dazu legal eine kontrollierte und abgestufte Hilfe erhalten können. Wer den so genannten Sterbetourismus in liberalere Nachbarländer verhindern will, muss sich nach Meinung der DGHS zunächst fragen, welche Bedürfnisse und Wünsche jene Patienten haben, die zum Sterben in die Schweiz fahren. Man darf wohl davon ausgehen, dass die meisten dieser Menschen es vorgezogen hätten, auf die oft beschwerliche Reise zu verzichten und stattdessen lieber in Deutschland im eigenen Bett umgeben von nahestehenden Menschen gestorben wären. Wenn dies derzeit so bei uns nicht möglich ist, liegt das auch an den Verbänden der Ärzteschaft (allen voran die Bundesärztekammer), die sich in ihrer kategorischen Ablehnung der Suizidbeihilfe selbst für einen eng begrenzten Patientenkreis unnachgiebig zeigen. Ihnen wird es künftig schwerer fallen, sich dabei auf das angeblich bedrohte Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu berufen.

Tabelle 1: Vertrauen in den Hausarzt bei Beihilfe zum Suizid Würden Sie persönlich das Vertrauen zu Ihrem Hausarzt verlieren, wenn Sie wüssten, dass er schon einmal bei einem unheilbar kranken Patienten Beihilfe zur Selbsttötung geleistet hat, also dem unheilbar Kranken das Mittel zur Selbsttötung zur Verfügung gestellt hat?*) Ja (%) Nein (%) Insgesamt 12 84 Ost 10 86 West 12 83 Männer 12 82 Frauen 11 85 18- bis 29jährige 9 87 30- bis 44jährige 8 89 45- bis 59jährige 7 87 60 Jahre und älter 17 78 Hauptschule 13 84 Mittlerer Abschluss 8 86 Abitur/Studium 11 85 Evangelisch 12 83 Katholisch 14 81 Konfessionslos 8 89 Anhänger der SPD 10 86 Grüne 9 84 CDU/CSU 12 84 FDP 7 90 *) An 100 % fehlende Angaben: weiß nicht/k.a. Tabelle 2: Vertrauen in den Hausarzt bei aktiver direkter Sterbehilfe Und würden Sie persönlich das Vertrauen zu Ihrem Hausarzt verlieren, wenn Sie wüssten, dass er schon einmal bei einem unheilbar kranken Patienten die in Deutschland verbotene aktive direkte Sterbehilfe, also Tötung auf Verlangen, geleistet hat?*) Ja (%) Nein (%) Insgesamt 20 74 Ost 17 76 West 20 73 Männer 22 72 Frauen 18 76 18- bis 29jährige 22 72 30- bis 44jährige 13 83 45- bis 59jährige 13 79 60 Jahre und älter 22 68 Hauptschule 16 77 mittlerer Abschluss 16 76 Studium/Abitur 20 74 Evangelisch 20 72 Katholisch 23 72 Konfessionslos 13 81 Anhänger der SPD 14 80 Grüne 14 82 CDU/CSU 21 71 FDP 25 75 *) An 100 Prozent fehlende Angaben: weiß nicht/k.a.