Auswirkungen von Schadstoffen auf die menschliche Gesundheit Feinstaub & Stickoxide Prof. Dr. med. Thomas Eikmann Institut für Hygiene und Umweltmedizin Hessisches Zentrum für Klinische Umweltmedizin Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Justus-Liebig-Universität Giessen
Humantoxikologische Bedeutung von Partikeln Lungengängigkeit von Aerosolen Abscheidegrad >50% bei Nasenschleimhäute + Rachen >10µm Kehlkopf 4,7-5,8µm Luftröhre + Hauptbronchien 3,3-4,7µm Sekundäre + terminale Bronchien 1,1-3,3µm Alveolen < 1,1µm
Depositionswahrscheinlichkeit von Partikeln im Atemtrakt (Bake, UBA 2007)
Belastung durch Stäube am Arbeitsplatz
Wirkungen von Stäuben auf den Menschen und Pferde (Einbrodt 1967)
Wirkmechanismus bei Silikose
Silikose die klassische Erkrankung der Lunge durch Stäube
Gesundheitliche Risiken durch Stäube und Fasern am Arbeitsplatz Individuell direkt zuordenbares Risiko Spezifische Erkrankungen (z.b. Silikose, Asbestose) Abhängigkeit von der Art der Stäube und Fasern
Belastung der Bevölkerung durch Feinstäube
Statistische Assoziationen vs. Erkrankung einer Person Die Belastung durch Feinstäube kann nicht auf die Erkrankung einzelner Personen bezogen werden! Es bestehen statistische Zusammenhänge (Assoziationen), die keine ursächliche Erklärungen geben können.
Epidemiologische Erkenntnisse zur Wirkung von Partikeln - Langzeiteffekte Basisstudien: Harvard Six Cities Studie, American Cancer Society (ACS) Studie, Adventist Health Study of Smog (AHSMOG), Veterans Administration Cohort Mortalitätsstudie (VA), Niederländische Verkehrs-Kohortenstudie (NL) & Dublin Interventionsstudie (DI). Gesamtbewertung der Studienergebnisse: Substanzielle Evidenz für eine positive Assoziation zwischen Langzeitexposition gegenüber feinen Partikeln und der Gesamtmortalität, der kardiopulmonalen Mortalität und der Lungenkrebsmortalität.
Langzeiteffekte von Partikeln auf die Gesamtmortalität, Herz-Kreislauf-Mortalität und Lungenkrebsmortalität (VDI-DIN DIN 2003)
Kurzzeiteffekte von Partikeln Epidemiologische Studien (WHO 1996)
Risikobewertung auf der Basis epidemiologischer Untersuchungen
Verkürzung der Lebenserwartung (Harvesting) durch Langzeit- und Kurzzeit-Exposition Insgesamt scheint die chronische Exposition gegenüber PM (Jahre bis Jahrzehnte) mit einer deutlichen Verkürzung der Lebenserwartung verbunden zu sein. Nach Wichmann (2005): 10 Monate. Unsicherheit in der Bewertung des Ausmaßes der Effekte durch Übertragung von Kurzzeitbeobachtungen auf Langzeitwirkungen.
Wirkung von Ultrafeinen Partikeln (UP) I Hypothese: Ultrafeine Partikel (UP) sind verant- wortlich für die epidemiologische Assoziation zwischen Partikeln und Gesundheitseffekten. Potenzielle Mechanismen: -> UP haben viel höhere Partikelanzahl und größere Oberfläche als Träger für adsorbierte Komponenten. -> 50% der UP gelangen in die Alveolarregion und werden dort deponiert.
Wirkung von Ultrafeinen Partikeln (UP) II Potenzielle Mechanismen: -> Die große Oberfläche der UP in den epithelialen Regionen führt zu großflächigen Reaktionen. -> Schutz des Lungengewebes durch Makrophagen ist durch UP beeinträchtigt. -> Nach der Deposition dringen UP schneller in das interstitielle Lungengewebe ein. -> UP können in entfernte Organe (Leber & Herz) transportiert werden und somit systemisch wirken.
Pulmonale Toxizität von Ultrafeinen Partikeln (UP) Im Tierversuch Nachweis von bronchialer Entzündung mit neutrophilen Granulozyten: Aufgrund des oxidativen Stresses durch reaktive Sauerstoffspezies Entstehung einer Entzündungsreaktion. Beeinflussung der Stärke des oxidativen Stresses durch (große) Oberfläche sowie Zusammensetzung der Partikel. Krug, N.: Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft 2005
Kardiovaskuläre Toxizität von Ultrafeinen Partikeln (UP) (Krug, N.: Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft 2005)
Neuronale Toxizität von Ultrafeinen Partikeln (UP) Nachweis von radioaktiv markierten Ultrafeinen Partikeln im Gehirn von Versuchstieren. Translokation von Partikeln über den Riechnerv oder retrograd über Nervus trigeminus bzw. Nervus vagus. Möglicherweise kann eine chronische Belastung mit Ultrafeinen Partikeln degenerative Erkrankungen des ZNS fördern. (Krug, N.: Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft 2005)
Arteriosklerose & Straßenverkehr (Heinz Nixdorf Recall Studie; Hoffmann et al. 2007) Seit 2000 Untersuchung von Risikofaktoren für Herz- Kreislauf-Erkrankungen in Mülheim, Essen und Bochum: Ermittlung der Arteriosklerose durch Elektronenstrahl- Computertomographie (EBCT). Verglichen mit Studienteilnehmern, die mehr als 200 m entfernt von einer Autobahn oder Bundesstraße wohnen, ist die Chance eine starke Arteriosklerose zu haben, erhöht um > 63 % für diejenigen, die innerhalb 50 m wohnen, > 34 % für diejenigen, die innerhalb 51 100 m wohnen und > 8 % für diejenigen, die innerhalb von 101 200 m wohnen.
Mittelohr-Entzündung & Straßenverkehr (Braun et al. Environmental Health Perspectives 114, 1414-1418, 1418, 2006) Vermuteter Wirkmechanismus: Höhere Luftschadstoffbelastung verursacht in den Atemwegen (unspezifische) Entzündungen. Dadurch Einschränkung der Funktion der Flimmerhärchen in den oberen Atemwegen. Verminderung des Abtransports der inhalierten Partikel. Dies ist ein schon lange bekanntes Risiko für Atemwegsinfekte und damit auch für akute Mittelohrentzündungen.
Mittelohr-Entzündung & Straßenverkehr (Braun et al. Environmental Health Perspectives 114, 1414-1418, 1418, 2006) Zwei Prospektive epidemiologische Studien von 4.150 niederländischen und 670 bayerischen Kindern. Für jedes Kind Festlegung der individuellen Exposition PM 2,5 und Stickoxide NO x. In beiden Studien zeigten sich eindeutige Zusammenhänge zwischen Otitis media und verkehrsabhängigen Luftschadstoffen. Risikoerhöhung um 13 % - 24 % bei Zunahme der Feinstaubbelastung um 3 µg/m³. Risikoerhöhung um 14 % bei Anstieg von NO 2 um 10 µg/m³.
Wirkungen von Luftreinhaltemaßnahmen I (Künzli 2006) Die Scarpol-Forschungsgruppe hat bei mehr als 10.000 zwischen 1991 und 2001 untersuchten Kindern festgestellt, dass die Häufigkeit von Hustenperioden in der Schweiz parallel zu den Veränderungen der Luftverschmutzung verläuft. In den Ortschaften [in der Schweiz], in denen sich die Luftqualität verbesserte, hat auch der Husten abgenommen.
Wirkungen von Luftreinhaltemaßnahmen II (Künzli 2006) In einer Langzeitstudie in Südkalifornien hatten viele Kinder den Wohnort gewechselt. Wer an einen Ort mit besserer Luftqualität umzog, erlebte eine prompte Verbesserung der Lungenentwicklung. Wer hingegen in eine Gegend mit schlechterer Luftqualität umsiedelte, reagierte mit einer eingeschränkten Lungenentwicklung.
Wirkungen von Luftreinhaltemaßnahmen III (Künzli 2006) Bei Erwachsenen nimmt die Lungenqualität mit dem Alter stetig ab. Die Sapaldia-Studie Studie [in der Schweiz] zeigt nun, dass sich dieser Alterungsprozess dort verlangsamt, wo sich die Luftqualität in den letzten zehn Jahren verbessert hat. In Dublin wurde 1990 die Verbrennung von Kohle verboten. Die Luftverschmutzung hat sich sofort und nachhaltig verbessert. Ebenso prompt gingen die Todesfallraten zurück.
Allgemeiner Wirkungscharakter von NO 2 Starke Reizwirkung im Respirations- trakt. Wegen geringer Wasserlöslichkeit Wirkung in tieferen Regionen des Atemtrakts. Hauptwirkort: tracheobronchialer und alveolarer Bereich.
Schadwirkungen von NO 2 im Alveolarbereich (Tierexperimentelle Ergebnisse) I Funktionelle und morphologische Schädigung der Alveolar- makrophagen. Lipidperoxidation Auslösung von Entzündungen mit Infiltration von eosinophilen Zellen und polymorphkernigen Neutrophilen; Proteinfreisetzung in die Lungenflüssigkeit.
Schadwirkungen von NO 2 im Alveolarbereich (Tierexperimentelle Ergebnisse) II Histopathologisch nachweisbare Veränderungen des Atemtraktes, insbesondere nach längerer Einwirkung, wie kompensatorische Zellproliferation, fibrotische und zum Teil auch emphysemartige Veränderungen. Beeinträchtigung der Lungen- funktion (z.b. Erniedrigung der Vitalkapazität und der Compliance). Erhöhte Infektanfälligkeit.
Gleichzeitige Belastung der Bevölkerung: Feinstaub, Stickstoffdioxid (plus weitere Luftschadstoffe), Biologische Aerosole und Lärm
Schützen Umweltzonen unsere Gesundheit oder sind sie unwirksam? (Wichmann 2008) Diskussion geprägt durch gemessene Feinstaub-Konzentrationen, nicht durch Wirkungsaspekte. Verbrennungspartikel bilden den besonders schädlichen Anteil am gemessenen Feinstaub (PM 10 bzw. PM 2,5 ). Diesel-PKW und Diesel-LKW liefern zum Background zusammen einen Beitrag von ca. 3 µg/m³ (PM 10 bzw. PM ). PM 2,5 ). Dieser relativ kleine Anteil ist toxikologisch besonders relevant, seine Reduktion daher vorrangig.
Direkter Zusammenhang zwischen Schad- stoffbelastung durch den Straßenverkehr und Gesundheitsrisiken der Anwohner I (Wichmann 2008) Sterblichkeit in den Niederlanden: Das Wohnen an stark befahrenen Straßen ist mit einer 95%igen Erhöhung der kardiopulmonalen Sterblichkeit assoziiert. Sterblichkeit im Ruhrgebiet: Innerhalb 50 m zu einer stark befahrenen Straße 70% höhere kardiopulmonale Sterblichkeit. Lungenkrankheiten im Ruhrgebiet: Höhere Häufigkeit von COPD (chronisch obstruktive Atemwegserkrankung) von 80% im 100 m-abstand zu stark befahrenen Straßen. Lungenfunktionseinschränkungen bei Asthmatikern in London: Signifikante Einschränkungen der Lungenfunktion.
Direkter Zusammenhang zwischen Schad- stoffbelastung durch den Straßenverkehr und Gesundheitsrisiken der Anwohner II (Wichmann 2008) Verkalkung der Haargefäße im Ruhrgebiet: Veränderungen bei Personen weniger als 50 m von stark befahrener Straße entfernt um 69% häufiger. Herzinfarkt in Augsburg: 2,9 fach höheres Risiko für Auslösung von Herzinfarkten eine Stunde nach Aufenthalt in Verkehrsmitteln. Mittelohrentzündungen bei Kleinkindern in Deutschland & Niederlanden: Signifikanter Anstieg der Erkrankungs- häufigkeit mit höherer Exposition gegenüber PM 2,5 und NO 2. Vermindertes Geburtsgewicht in München: Deutliche Assoziation zwischen Geburtsgewicht und Dieselruß- Belastung.
Positive gesundheitliche Effekte zeitweiser Verkehrsbeschränkungen & City-Maut (Wichmann 2008) Verkehrsbeschränkung bei der Olympiade 1996 in Atlanta: Zeitweiser Rückgang bei bestehendem Asthma (keine eindeutige Zuordnung zu einem Schadstoff). Verkehrsbeschränkung bei den Asien-Spielen 2002 in Korea: Vorübergehendes Absinken der Krankenhaus- aufnahmen für Kinder mit Asthma um 27%. City-Maut in London seit 2003: Verringerung des Straßenverkehrs um 18% -> Reduktion der Feinstaub- Belastung um 12%. City-Maut in Stockholm seit 2007: Verkehrsbelastung sank um bis zu 25%, Reduktion des Feinstaubs um 13%.
Schützen Umweltzonen unsere Gesundheit oder sind sie unwirksam? (Wichmann 2008) Feinstaub aus den Abgasen des Kfz-Verkehrs (insbesondere aus Diesel-PKWs) ist toxikologisch relevanter als Feinstaub aus anderen Quellen. Beweis: Abstand der Wohnung zum Straßenverkehr sehr gutes Maß für die Expositionsstärke. Positive Auswirkungen von verkehrsreduzierenden Maßnahmen direkt nachweisbar. Durch Umweltzonen deutliche Reduktion des Kfz- Verkehrs: inhalierte Dosis des gesundheitsrelevanten Feinstaubs sinkt dadurch stärker als die gemessene Feinstaubkonzentration. Gleichzeitige Reduktion von NO 2 und Lärm.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit