Regelwidriges Verhalten von Pedelecund Fahrradfahrern Dr. Katja Schleinitz Technische Universität Chemnitz Symposium "Mehr Radverkehr aber sicher!"
Basis Daten der Pedelec Naturalistic Cycling Study = passive Beobachtung von natürlichem Fahrverhalten Anzahl: 90 Teilnehmer Fahrradtyp: 31 Fahrrad 49 Pedelec25 10 Pedelec45 Alter: M = 52 Jahre (SD = 17,2), 16 Jahre bis 83 Jahre Geschlecht: 33 57 Box mit Kameras Batterie Radsensoren
Fahrradfahrer mit Helm fahren schneller als ohne Helm. ODER AUCH Welcher Zusammenhang besteht zwischen Helmnutzung, Fahrtlänge und Geschwindigkeit?
Helmtragequote und Fahrradtyp 85 Datensätze (Alters und Geschlechterverteilung ähnlich zur Gesamtstichprobe) Helm Kein Helm Total Helmtragequote N N N % Fahrrad 634 864 1498 43 Pedelec25 1268 650 1918 66 * p =,013 Pedelec45 262 33 295 89 Total 2164 1547 3711 58 Insgesamt vergleichsweise hohe Helmtragequote bei den Teilnehmern beobachtet. Signifikant höhere Helmtragequote bei den Pedelec25 Fahrer im Vergleich zu den Fahrradfahrern.
Helmnutzung und Fahrtlänge bzw. Geschwindigkeit Fahrtlänge Geschwindigkeit Durchschnittliche Fahrtlänge in km 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 Mit Helm Ohne Helm Durchschnittliche Geschwindigkeit in km/h 18,0 16,0 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 Mit Helm Ohne Helm Bei Fahrten mit Helm wurden längere Strecken zurückgelegt, als bei Fahrten ohne Helm. Bei Fahrten mit Helm wurden höhere Geschwindigkeiten erreicht, als bei Fahrten ohne Helm
Zusammenhang von Helmnutzung, Fahrtlänge und Geschwindigkeit Prädiktor β p Alter.484 <.001 Fahrtlänge.392 <.001 Geschlecht.207 <.001 Fahrradtyp.088 <.001 Helmnutzung.080 <.001 N = 3,417, R 2 adj. =. 439, p = <.001 β = standardisierter Regressionskoeffizient, p = Signifikanzwert Alle Faktoren tragen signifikant zur Vorhersage der Geschwindigkeit bei. Alter der Fahrer hat die größte Vorhersagekraft für die Fahrtgeschwindigkeit, gefolgt von Fahrtlänge. Helmnutzung spielt nur eine untergeordnete Rolle für die Vorhersage der Fahrtgeschwindigkeit.
Fahrradfahrer fahren ständig über Rot. ODER AUCH Gibt es Unterschiede zwischen den Fahrradtypen bezogen auf die Rotlichtverstöße? Wie lassen sich Rotlichtverstöße charakterisieren?
Rotlichtverstöße Anzahl 88 Datensätze (Alters und Geschlechterverteilung ähnlich zur Gesamtstichprobe) Insgesamt 7.969 Rotampelsituationen kodiert, davon: 1.335 Rotübertritte, 6.230 Situationen ohne Verstoß, 404 Wechsel der Infrastruktur zur Umgehung des Rotlichts Rotlichtverstoßquote: 17% Umgehungsquote: 5% 25,0 17,1 17,4 15,2 Mittlere Rotlichtverstoßquote in % 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 Fahrrad Pedelec25 Pedelec45 Die Fahrradtypen unterschieden sich nicht signifikant in ihrer Rotlichtverstoßquote.
Rotlichtverstöße Verhaltensweisen Mittlerer Anteil der Rotlichtverstöße in % 0 20 40 60 80 Ampel schaltet auf Gelb/Rot um, kurz bevor der Radfahrer, der nicht mehr sinnvoll bremsen kann, passiert Ampel schaltet auf Gelb/Rot um, bevor der Radfahrer, der sinnvoll bremsen könnte, passiert Ampel steht auf Rot, Radfahrer fährt ohne bremsen oder stoppen durch Ampel steht auf Rot, Radfahrer stoppt und fährt nach Prüfung der Verkehrslage durch Ampel steht auf Rot, querender Verkehr hat kein Grün mehr, Radfahrer fährt unter Vorwegnahme des Grüns los Ampel steht auf Rot aber mit Grünpfeil, Radfahrer fährt ohne bremsen oder stoppen durch 0,7 1,7 0,4 9,4 18,0 69,8 Am häufigsten zu beobachten war ein Überfahren eines Rotlichts ohne bremsen oder stoppen. Auch Rotlichtverstöße, bei denen der Teilnehmer zunächst an der Ampel stoppte, um die Kreuzung in der Folge dann doch bei Rotlicht zu überqueren, konnten wiederholt beobachtet werden.
Vergleich Rotlichtverstöße und Infrastrukturwechsel Rotampelsituationen Umgehung Infrastrukturwechsel zur Rotlichtverstöße N N % N % Gesamt Verstöße 7969 1335 17 404 5 Fahrtrichtung Geradeaus 6749 991 15 278 4 Rechts 532 253 48 83 16 Links 688 91 13 43 6 In mehr als 20% aller Situationen wurde Verstoß begangen, um ein Anhalten bei Rot zu vermeiden. Infrastrukturwechsel fanden am häufigsten von der Fahrbahn auf den Gehweg statt (in knapp 80% der Fälle). Beim Rechtsabbiegen (Gesamtverstoßquote mehr als 60%) fand ein Nichtbeachten des Rotlichtes sogar häufiger als regelkonformes Verhalten statt.
Vergleich Rotlichtverstöße und Infrastrukturwechsel Rotampelsituationen Rotlichtverstöße Infrastrukturwechsel zur Umgehung N N % N % Kreuzungstyp vierarmig 2380 302 13 189 8 T Kreuzung ( von Seite kommend ) 535 66 12 87 16 T Kreuzung ( von unten kommend ) 387 127 33 50 13 Ampel auf Straße ohne Einmündung 263 55 21 54 21 Kreuzende Radinfrastruktur 3139 533 17 11 0,4 Kreuzender Gehweg 1213 243 20 6 0,5 Höchsten Rotlichtverstoßquote an T Kreuzungen bei einer Annäherung an die Kreuzung von unten gefunden und Ampeln an Straßen ohne Einmündungen z.b. reinen Fußgängerampeln. Auffällig: an T Kreuzungen, an die sich die Fahrer von der Seite annäherten, wurde anteilig häufiger die Infrastruktur gewechselt als einen Rotlichtverstoß zu begehen.
Fahrradfahrer nutzen regelwidrig den Gehweg statt der Fahrbahn, weil... ODER AUCH Welche möglichen Motive für die Nutzung des Gehwegs statt der Fahrbahn lassen sich finden?
Gehweg statt Fahrbahn mögliche Motive nach Fahrradtypen 81 Datensätze (Alters und Geschlechterverteilung ähnlich zur Gesamtstichprobe) 1021 Situationen Kodierung von möglichen Motiven der Nutzung des Gehwegs Mittlerer Anteil in % 0 10 20 30 40 50 60 Effizienz Geschwindigkeit aufrechterh. Abkürzen 21,9 50,0 vielbefahrene, schnelle Straße 12,2 Sicherheit Vermeidung Interaktion schlechte Straße 2,6 16,0 Fahrtbeginn/ ende Fahrtbeginn Fahrtende 9,9 8,8 Auf Effizienz ausgerichtete mögliche Motive spielten bei der regelwidrigen Nutzung des Gehwegs die größte Rolle, aber auch Situationen, in denen eher sicherheitsbezogene Motive zu vermuten sind, waren nicht selten.
Fahrradfahrer fahren entgegen der Fahrtrichtung, weil... ODER AUCH Welche möglichen Motive für das Fahren entgegen der Fahrtrichtung lassen sich finden?
Falsche Fahrtrichtung mögliche Motive für Fahren in Gegenrichtung 46 Datensätze (Alters und Geschlechterverteilung, ähnlich zur Gesamtstichprobe) 181 Situationen Kodierung von möglichen Motiven des Fahrens entgegen der Fahrtrichtung Mittlerer Anteil in % 0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 Effizienz Verkürzung Streckenlänge Geschwindigkeit aufrechterhalten 25,4 31,5 ungünstige Infrastrukturgegebenheiten schlechte Fahrbahnverhältnisse nur eine Seite Radinfrastruktur Blockierung der korrekten Seite nicht erreichbar 4,4 19,3 22,1 22,1 Fahrtbeginn/ ende Fahrtbeginn Fahrtende 9,9 12,7 Interaktion mit anderen Vk teilnehmern 3,3 Insgesamt schien das Fahren in der Gegenrichtung am häufigsten bei ungünstigen Infrastrukturgegebenheiten stattzufinden. In knapp einem Drittel der Fälle schien allerdings die Verkürzung der zurückzulegenden Wegstrecke zumindest ein mögliches Motiv für die regelwidrige Nutzung zu sein.
Fazit Helmnutzung Relativ hohe Helmtragequote in der Stichprobe, da freiwillige Teilnahme evtl. Teilnehmer, die besonders auf Sicherheit bedacht sind Pedelec25 Fahrer trugen signifikant häufiger einen Helm als die Fahrradfahrer Helmnutzung nur geringer Zusammenhang zur Geschwindigkeit, andere Faktoren spielen größere Rolle, daher zweifelhaft, dass es durch Nutzung eines Helmes unmittelbar zu Risikokompensation kommt Rotlichtverstöße Keine Unterschiede zwischen den drei Fahrradtypen im Anteil der Rotlichtverstöße Rotlichtverstöße besonders häufig an T Kreuzungen und wenn in der Folge rechts abgebogen wird, es werden also vermeintlich gut überschaubare Situationen ausgewählt Relativ hoher Anteil an Infrastrukturwechseln zur Umgehung des Rotlichtverstoßes Regelwidrige Nutzung des Gehwegs statt der Fahrbahn Als mögliche Motive vor allem Effizienzgründe z.b. Geschwindigkeit aufrechterhalten beobachtet Regelwidriges Fahren entgegen der Fahrtrichtung auf Fahrbahn und Radinfrastruktur Als mögliche Motive vor allem ungünstige Infrastrukturgegebenheiten z.b. schlechte Fahrbahnverhältnisse beobachtet
Forschungskolloquium Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und an meinen Kollegen Dr. Tibor Petzoldt! katja.schleinitz@psychologie.tu chemnitz.de