SYMPOSIUM. Maßregelvollzug und Zivilgesellschaft

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Transkript:

SYMPOSIUM Maßregelvollzug und Zivilgesellschaft Ein neuer Blick auf Sicherheit und Therapie 23. März 2016 Klingenmünster, Pfalzklinikum 1

Zivilgesellschaft und Maßregelvollzug im Wandel Vortrag beim Symposium des Pfalzklinikums am 23. März 2017 Dr. med. Eva Biebinger Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Schwerpunkt: Forensische Psychiatrie Chefärztin - Unterbringungsleiterin Klinik für Forensische Psychiatrie im Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie 2

Rückblick: 1968er Bewegung und Psychiatrie-Enquete Liberale und radikale Tendenzen in der Gesellschaft beeinflussen Psychiatrie und Maßregelvollzug: 1970 1975 Die Psychiatrie-Enquete zeichnet ein düsteres Bild der Lage in Psychiatrie und Maßregelvollzug: 1980 3

Rückblick: 1968er Bewegung und Psychiatrie-Enquete 1978 Eine radikale Reform in Italien führt zur Schließung der großen psychiatrischen Kliniken: Die Reaktion auf Forderungen der Enquete ist in Deutschland sehr verhalten: 1980 4

Rückblick: Mühsamer Fortschritt in den 1980er Jahren 1980 Die Zustände in der Psychiatrie geben weiterhin Grund zur Klage: 1990 5

Rückblick: Debatte um Sexualstraftäter - die 1990er Jahre 1990 Brutale Sexualmorde sorgen für Schlagzeilen: 1998 6

Rückblick: Debatte um Sexualstraftäter - die 1990er Jahre 1998 Reform und Verschärfung des Sexualstrafrechts: 2001 und Kanzler Schröders Kommentar: 7

Rückblick: Ab 2012 Der Fall Mollath 2012 Heftige öffentliche Debatte in den Medien zum Fall Mollath: 2015 2016 2. Psychiatrie-Reform in Italien: Schließung forensischer Kliniken Novellierung der Gesetze zu Maßregelvollzug und Unterbringung 8

Rückblick: Ab 2012 Der Fall Mollath und die Folgen Öffentliche Debatte über: Steigende Zahl der Untergebrachten Unverhältnismäßig lange Unterbringungszeiten Undurchsichtiges Gutachterwesen Medikamentöse Zwangsbehandlung Novellierung der für die Unterbringung psychisch kranker Straftäter relevanten Gesetze. Betonung der Patientenrechte und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. 9

Rückblick: Die Entwicklung in Zahlen Maßregelvollzug nach 63,64 StGB Vergleichszahlen Jahr Psychiatrisches Krankenhaus 63 Entziehungsanstalt 64 Strafvollzugsanstalt Sicherungsverwahrung Psychiatrie (aufgest. Betten) 1970 4222 179 36209 718 117596 1975 3494 183 34271 337 115922 1980 2593 632 42027 208 108904 1985 2472 990 48212 190 94624 1990 2489 1160 39178 182 70570 1995 2902 1373 46516 183 63807 2000 4098 1774 60798 219 54802 2005 5640 2473 63533 340 53021* 2010 6569 3021 60693 524 53061** 2011 6620 3354 2012 6750 3526 2013 6652 3819 2014 6540 3822 2015 52412 529 55450 *=2004 Untergebrachte: Früheres Bundesgebiet einschl. Berlin-West, ab 1996 einschl. Gesamt-Berlin Strafgefangene, Sicherungsverwahrte und allg. Psychiatrie: 1970-1990 Früheres Bundesgebiet einschl. Berlin-West, ab 1995 Deutschland Quelle: Statistisches Bundesamt **=2008 10

Rückblick: Die Entwicklung in Zahlen 11

Rückblick: Die Entwicklung in Zahlen Untergebrachte: Maßregelvollzug nach 63,64 StGB 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2011 2012 2013 2014 Psychiatrisches Krankenhaus 63 Entziehungsanstalt 64 12

Rückblick: Die Entwicklung in Zahlen Massiver Anstieg der nach 63 StGB Untergebrachten von 1990 bis 2012 Erklärungsversuche: Tendenz in der Rechtsprechung zu mehr Unterbringung? Häufigere Straffälligkeit psychisch Kranker? Verschiebung von Patienten aus der allgemeinen Psychiatrie? Einfluss der unterschiedlichen Finanzierung (Krankenkasse vs. Steuermittel)? Steigendes Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft? 13

Zivilgesellschaft und Maßregelvollzug Öffentliche Debatte Zivilgesellschaft Gesellschaftliche Tendenzen Negative Ereignisse Einzelfälle Gesetzgebung und Rechtsprechung Maßregelvollzug (Psychiatrie) 14

Herausforderungen: die aktuelle Situation im MRV 3 Fälle aus der klinischen Praxis: Fall 1 Fall 2 Fall 3 Was geschieht mit schuldunfähigen Straftätern mit geringem Gefährdungspotential? Entlassungen ohne tragfähige Übergangslösungen erhöhen das Rückfallrisiko nach langer Unterbringung. Stärkung der Patientenrechte auf Kosten der Therapie- Motivation? 15

Fall 1: Wachsende Ansprüche an Toleranz und Integrationsfähigkeit der Zivilgesellschaft Greser und Lenz 16

Herausforderungen: die aktuelle Situation im MRV Herr X: Mehrfach untergebracht und auf Bewährung frei, begeht erneut Straftaten Prozess wegen Sachbeschädigung u.a. endet mit Freispruch Unterbringung wäre nicht verhältnismäßig Schuldunfähig wegen psychischer Erkrankung 17

Herausforderungen: die aktuelle Situation im MRV Der Maßregelvollzug kann nicht in allen Lebensbereichen der Reparaturbetrieb sein, befand der Vorsitzende Richter 18

Herausforderungen: die aktuelle Situation im MRV Vorbereitung der Gesellschaft auf die Risikoverlagerung im Bereich mittlerer Kriminalität. Von der Gesellschaft wird ein höheres Maß an Toleranz erwartet und die Bereitschaft zur Integration psychisch kranker Menschen mit forensischer Vorgeschichte. Forensische Kliniken müssen durch Transparenz und mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit Ängste abbauen und das Verständnis für Betroffene fördern. 19

Aktivitäten der Klinik für Forensische Psychiatrie Klingenmünster im Bereich Öffentlichkeitsarbeit Seit 15 Jahren Nachbarschaftsforum Dialog und Sicherheit Gründung eines zugehörigen Beirates im Nov. 2015 Einbeziehung von Angehörigen in Form von Paar- und Familiengesprächen Dialog mit Vertretern der Vereine Psychiatrieerfahrener Interviews in Presse, Rundfunk und TV

Fall 2: Therapeutische Ansprüche und Sicherheitsdenken führen zu langer Aufenthaltsdauer der Patienten Lucky Comics 21

Herausforderungen: die aktuelle Situation im MRV Herr Z: 15 Jahre Unterbringung im Maßregelvollzug wegen Raub; Anmeldung bei einer Einrichtung zur Dauererprobung Erledigung der Maßregel gemäß 63 StGB aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Verlegung in die JVA zur Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe Gerichtliche Auflage: Nachsorge durch die Forensisch- Psychiatrische Ambulanz des Pfalzklinikums 22 Abbruch der Therapie und Flucht, dann in die JVA

Herausforderungen: die aktuelle Situation im MRV Hohe therapeutische Ansprüche und ausgeprägtes Sicherheitsdenken führten zu langer Aufenthaltsdauer der Patienten. Die Maßregel dient nicht der Heilung, sondern der Resozialisierung und der Verhinderung von Straftaten. Die fehlende Erprobung in einer betreuten Wohnform und ein nicht vorhandener sozialer Empfangsraum gefährdet den Therapieerfolg und erhöht das Rückfallrisiko erheblich. Steigende Anforderungen an die Hilfesysteme Akut-, Gemeinde- und ambulante forensische Psychiatrie aufgrund nicht ausreichend stabilisierter Patienten. 23

Aktivitäten der Klinik für Forensische Psychiatrie Klingenmünster im Bereich Resozialisierung Runder Tisch in Mainz gegründet: MRV-Kliniken, Eingliederungshilfe, Aufsichtsbehörde und Ministerium. Konzepte für Patienten, bei denen eine Entlassung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ansteht. Projekt Half-Way-House: Von der Einrichtung Betreuen-Fördern-Wohnen des Pfalzklinikums werden 10 zusätzliche Plätze für schwierig zu entlassende Patienten geschaffen.

Fall 3: Stärkung der Patientenrechte auf Kosten der Therapie-Motivation? 25

Herausforderungen: die aktuelle Situation im MRV Herr L: Nach langer Unterbringung Entlassung wg. Verhältnismäßigkeit. Erneute Einweisung wegen Verstoß gegen Bewährungsauflagen. Herr L. zeigt kein Interesse an der Therapie, sondern will stattdessen ein zweites Fernstudium aufnehmen. Aufgrund nicht absehbarer Resozialisierung will die Klinik kein weiteres Studium finanzieren. Beschluss des Landgerichts, dass ein 2. Fernstudium zu bezahlen sei. 26

Herausforderungen: die aktuelle Situation im MRV Gibt es nur Patientenrechte oder gegenüber der Zivilgesellschaft nicht auch Patientenpflichten? Sollte der Patient nicht versuchen, mit Hilfe des klinischtherapeutischen Angebots seine Erkrankung zu bessern? Ist der Einsatz von hoch qualifizierten Fachkräften zu rechtfertigen, wenn ihr Hilfsangebot einfach abgelehnt werden kann? Ist der MRV für therapieunwillige Patienten nur eine wesentlich komfortablere Alternative zur JVA? 27

Aktivitäten der Klinik für Forensische Psychiatrie Klingenmünster Im MRV treffen die Bereiche Rechtsprechung und Medizin aufeinander, was nicht immer konfliktfrei funktioniert. Nicht alles, was dem Recht des Patienten dient, dient auch seinem Wohl. Die Klinik scheut die Auseinandersetzung auf rechtlicher Ebene nicht, wenn dies aus therapeutischer Sicht notwendig erscheint.

Ausblick: Die künftige Entwicklung Das Verhältnis Zivilgesellschaft MRV ist von Kontingenz geprägt. Schon einzelne Ereignisse im MRV können eine gesellschaftliche Debatte mit ungewissem Ausgang auslösen. Die mediale Erregungsgesellschaft verstärkt dieses Phänomen. Eine zuverlässige Prognose über die weitere Entwicklung dieser schwierigen Beziehung ist darum kaum möglich. Der Einfluss der Zivilgesellschaft auf den MRV ist konstanterer Natur. Von einer Tendenz zu immer mehr Liberalität und Offenheit der Gesellschaft wird man aber nicht mit Sicherheit ausgehen können. 29

Ausblick: Die künftige Entwicklung Mittelfristig wird es möglich sein, die Zahl der im MRV Untergebrachten deutlich zu verringern, ohne die Sicherheit der Bevölkerung zu gefährden oder ihre Toleranz zu überfordern Zweite Zweite Psychiatrie-Reform in Italien: Schließung der forensischen Kliniken Psychisch kranke Straftäter werden seit 2015 gemeindepsychiatrisch ambulant, in kleinen Wohngruppen, in psychiatrischen Abteilungen der Gefängnisse betreut. Langfristig ist eine Abschaffung der forensischen Kliniken auch in Deutschland nicht ausgeschlossen. Die Gesetzesnovellierungen weisen bei konsequenter Auslegung durchaus in diese Richtung. 30

Unsere neuen Herausforderungen sind zugleich die neuen Chancen unserer Patienten. Helfen wir ihnen, diese auch zu ergreifen!