BETROFFENENRECHTE UND BETEILIGUNG IN DER JUGEND- HILFE STÄRKEN; OMBUDSCHAFTEN UNTERSTÜTZEN UND FÖRDERN



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FRAKTIONSBESCHLUSS VOM 23.10.2012» JUGENDHILFE BETROFFENENRECHTE UND BETEILIGUNG IN DER JUGEND- HILFE STÄRKEN; OMBUDSCHAFTEN UNTERSTÜTZEN UND FÖRDERN Kinder und Jugendliche sollen sich zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten entwickeln und befähigt werden, für die Einhaltung ihrer Rechte einzutreten. In allen Einrichtungen in denen sie Zeit verbringen, sollen sie sich aktiv beteiligen und bei Bedarf auch Beschwerden können. Darüber hinaus müssen sie die Möglichkeit haben, gegen eine Verletzung ihrer Rechte vorzugehen. Daher bedarf es der Entwicklung und Förderung einer beteiligungsorientierten und beschwerdeoffenen Einrichtungskultur. Davon dürfen auch die öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Jugendamtsverwaltungen nicht ausgenommen sein. Ergänzend zur Einrichtung von Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren und einem konstruktiven Umgang mit Beschwerden sind Ombudschaften wichtige Instrumente zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Ombudschaft dient dem Ziel, strukturelle Machthierarchien und -asymmetrien auszugleichen und eine gerechte Einigung bei Streitfragen zu erreichen. Gerade in der Kinder- und Jugendhilfe besteht zwischen Fachkräften und Klienten oft ein solches strukturelles Ungleichgewicht. Wir wollen daher aufbauend auf den guten Erfahrungen bereits bestehender ombudschaftlicher Strukturen in der Kinder- und Jugendhilfe, die sich in den letzten Jahren gegründet haben, weitere Initiativen etablieren und neue Formen erproben, um so Kindern und ihren Familien die Durchsetzung ihrer Rechte zu erleichtern. KINDER UND JUGENDLICHE IN EINRICHTUNGEN STÄRKEN Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen wie Heimen oder Wohngruppen leben, bedürfen eines besonderen Schutzes, da sie in einer besonderen Abhängigkeit von den Betreuungspersonen leben. Zugleich haben sie selbst und ihre Eltern bzw. Pflegepersonen nur begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten auf den Alltag und die Vorgänge in Einrichtungen. Daher sehen sich diese Jugendlichen oft nicht in der Lage, über bestimmte Missstände und Grenzverletzungen zu sprechen. Auch fehlen in vielen Einrichtungen etablierte Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Unter dem Druck der öffentlichen Debatte über die Misshandlung von Heimkindern in den 50er und 60er Jahren und von Fällen sexualisierter Gewalt in Einrichtungen, sind in vielen Heimen und Wohngruppen in den letzten Jahren Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren eingerichtet worden. Diese Verfahren beruhen auf freiwilligen Entscheidungen der Einrichtungen und Träger.. Auch bundesgesetzlich wurde dieser Impuls zur Einrichtung von Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren im Bundeskinderschutzgesetz aufgenommen. Die Erteilung einer Betriebserlaubnis ist seit Beginn des Jahres 2012 davon abhängig, dass in der Einrichtung geeignete Verfahren zur Beteiligung und Beschwerde vorhanden sind. Doch bislang gilt diese Regelung nur für neu eröffnete Einrichtungen. Die Verpflichtung zur Entwicklung einer beteiligungsorientierten und beschwerdeoffenen Einrichtungskultur darf nicht allein auf neue Einrichtungen beschränkt bleiben. Daher sollte innerhalb des fortlaufenden Aufsichts- und Beratungsprozesses zwischen überörtlichem Träger und Einrichtung eine Überprüfung der vorgelegten Konzeption in der Praxis erfolgen als auch suk-

zessive bestehende Einrichtungen mit bereits erteilter Betriebserlaubnis in diesen Prozess einbezogen werden. Ein weiterer Ansatzpunkt zur perspektivischen Verankerung von Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren ergibt sich aus der neu geschaffenen gesetzlichen Verpflichtung zur Qualitätsentwicklung in der Jugendhilfe. Das SGB VIII verlangt nun explizit Qualitätsmerkmale für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und ihren Schutz vor Gewalt. Unstrittig gehören angemessene Beschwerdeverfahren zu diesen Merkmalen. Der Umgang mit Beschwerden mag für Fachkräfte und Institutionen nicht einfach sein, doch sollten Beschwerden als Chancen verstanden werden, Rückmeldungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern zu bekommen, die ihre Sicht auf das fachliche und organisatorische Geschehen wiederspiegelt. Perspektivisch soll jede Einrichtung ein strukturiertes, transparentes und schriftlich fixiertes Beschwerdemanagement entwickeln und anwenden. Beschwerdestellen für Einrichtungen können sowohl einrichtungsintern als auch -extern angesiedelt sein, beide Varianten können angemessene Formen einer beteiligungsorientierten Einrichtungskultur sein. Zentral sind dabei eine partizipative Grundhaltung aller am Verfahren Beteiligten, insbesondere der Fachkräfte, das Vertrauen in den Ansprechpartner/in bzw. die Unabhängigkeit der Person sowie deren Präsenz für die Ansprache. Für den Erfolg eines Beschwerdesystems ist zudem der alters- und entwicklungsgerechte Zugang der Kinder und Jugendlichen von großer Bedeutung. Kinder und Jugendliche sollten daher gemeinsam mit den Fachkräften und Verantwortlichen Verfahren und Instrumente erarbeiten, erproben und qualifiziert weiterentwickeln. Beteiligungsstrukturen und partizipative Haltung in Einrichtungen sind wesentliche Voraussetzungen dafür, dass Beschwerdeverfahren nicht nur formal existieren, sondern auch genutzt werden. BESCHWERDEMANAGEMENT FÜR DIE VERWALTUNG EINRICHTEN Bislang gibt es bei öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe keinen strukturierten Umgang mit Beschwerden und Kritik. Zwar sind Beschwerdemöglichkeiten im Rahmen von Verwaltungsverfahren möglich, doch diese Wege sind relativ hochschwellig, sie werden nicht bekannt gemacht oder offensiv angeboten, es gibt keine transparenten und einheitlichen Verfahren und es fehlt an systematischer Auswertung im Kontext von Qualitätsentwicklung. Im Sinne einer bürgernahen und effizienzorientierten Verwaltung ist das Fehlen eines strukturierten, transparenten und schriftlich fixierten Beschwerdemanagements wie es für Einrichtungen vorgesehen ist, ein großes Manko. Mit einem klaren Verfahren und festgelegten Zuständigkeiten im Umgang mit Beschwerden oder Verbesserungsvorschlägen könnte die Dienstleistungsqualität optimiert und auch das Verwaltungsimage verbessert werden. Die eingegangenen Rückmeldungen sollten dokumentiert und evaluiert werden, damit auf ihrer Grundlage weitere interne Qualitätsentwicklungsprozesse angestoßen werden.so ist es möglich, Schwachstellen schneller und effektiv zu bearbeiten. Ein solches etabliertes Beschwerdeverfahren würde die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sozialer Dienstleistungen stärken und die sozialstaatliche Ausrichtung auf Selbstbestimmung und Teilhabe konsequent umsetzen. Es könnte zudem das Vertrauen in die Institution stärken, die gerade im Fall der Jugendhilfe auf Kooperation und Beteiligung der Hilfesuchenden angewiesen ist. OMBUDSCHAFT IN DER KINDER- UND JUGENDHILFE ETABLIEREN Die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland ist ein hochentwickeltes professionelles Feld und verfügt über eine gute bundeseinheitliche Gesetzgebung mit flächendeckenden Angeboten und individuellen Rechtsansprüchen auf Hilfe und Unterstützung. Die Erfahrung im Alltag der Jugendhilfe zeigt jedoch, dass Rechte und Ansprüche von jungen Menschen und ihren Familien nicht immer erfüllt werden. Es gibt Auseinandersetzungen um konkrete Leistungserbringung durch die Jugendhilfe, es gibt Kinder und Familien, deren individuelle Rechtsansprüche nicht erfüllt werden und es gibt fachliche Verfehlungen in der Erbringung von Leistungen bis hin zu Verstößen» JUGENDHILFE 2

gegen die Würde der Betroffenen sowohl von Seiten öffentlicher als auch freier Träger. 1 Zudem ist das Verhältnis von Fachkräften und Klienten in der Jugendhilfe durch eine strukturelle Machtasymmetrie gekennzeichnet. Selbstverständlich bestehen rechtliche Mittel des Widerspruchs oder der Klage, doch oft sind die Betroffenen aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage, diesen Rechtsweg zu gehen. Mitunter kennen sie ihre Rechte nicht, können fachliche Entscheidungen nicht beurteilen, sind emotional nicht in der Lage Konflikte auszutragen oder verfügen nicht über die erforderlichen finanziellen Ressourcen um anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. 2 Somit kann anders als in anderen Bereichen der staatlichen Leistungsverwaltung in der Jugendhilfe nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass hilfebedürftige Personen ihre Ansprüche unter Zuhilfenahme der dafür vorgesehenen Mittel des allgemeinen Sozialrechts, des Sozialverwaltungsrechts und des Prozessrechts durchsetzen. 3 Daher könnten Ombudschaften über rechtliche Sachlagen, Einzelansprüche und Optionen aufklären und auch gegenüber dem Jugendamt bzw. Jugendhilfeträger vermitteln. Im Einzelfall können sie zudem organisatorisch bei der Kontaktaufnahme zu einem Rechtsbeistand behilflich sein und die Betroffenen in einem eventuellen Gerichtsverfahren unterstützen. MODELLE VON OMBUDSCHAFT FÖRDERN In der Praxis haben sich seit einigen Jahren unterschiedliche Initiativen gegründet, die Betroffene darin unterstützen, ihre Rechte in der Jugendhilfe durchzusetzen. Dabei stehen im Interesse der Betroffenen außergerichtliche Vermittlungsversuche im Vordergrund. Die Beratung und Unterstützung erfolgt weitgehend durch Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, dies vielfach auf ehrenamtlicher Basis. Zudem gibt es bei der Mehrzahl der Initiativen einen Fonds für Anwaltskosten im Fall gerichtlicher Auseinandersetzungen. Derzeit arbeiten zwölf solche Ombuds- und Beschwerdestellen bundesweit, die zum Teil sehr unterschiedlich organisiert sind. Sie sind entweder als eigenständiger Verein zu diesem Zweck gegründet worden oder werden von einem Wohlfahrtsverband bzw. von einem freien Träger betrieben. Diese Initiativen beraten alle in Fragen der Kinder- und Jugendhilfe und den Schnittstellen zu anderen sozialrechtlichen Themenfeldern. Bei den Konflikten mit öffentlichen Trägern ging es bislang vor allem um die Hilfeplanung und Gewährung von Leistungen, bei Auseinandersetzungen mit freien Trägern eher um die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der Hilfe im Alltag. Die Beratung erfolgt unabhängig von Interessen der öffentlichen und freien Träger und ist regional begrenzt. Nach dem Vorbild bereits bestehender Initiativen können Ombudschaften je nach Ausgestaltung und Anbindung an bestehende Strukturen folgende Aufgaben erfüllen: Information über die Rechtsgrundlagen im allgemeinen und im konkreten Einzelfall Beurteilung des Handels des Jugendamtes oder des Leistungserbringers Vermittlung zwischen unterschiedlichen Auffassungen der am Rechtsverhältnis Beteiligten Schlichtung in Streitfragen Unterstützung der Leistungsberechtigten im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren. 1 Wiesner Rechtsgutachten S: 1 2 Wiesner Rechtsgutachten S. 1 3 Wiesner Rechtsgutachten, S. 6.» JUGENDHILFE 3

Keine der bereits bestehenden Initiativen verfügt über eine gesicherte Dauerfinanzierung, die über Verbandsund Vereinsmittel hinausgeht (Spenden, Mitgliedsbeiträge). Für diese wichtige sozial- und gesellschaftspolitische Aufgabe braucht es jedoch eine Grundfinanzierung der Tätigkeit bzw. eine Möglichkeit zur Förderung des Anwaltskosten-Fonds. Leistungsberechtigte bei der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche zu stärken, beinhaltet neben der Schaffung und Unterhaltung unabhängiger Beratungsstellen, der Stärkung des Wunsch- und Wahlrechts auch die Möglichkeit der rechtlichen Beratung und Prozessbegleitung. NEUE WEGE BEI DEN OMBUDSCHAFTEN GEHEN Da Ombudschaften das grundsätzliche Problem von struktureller Machtungleichheit zwischen Fachkräften und Betroffenen ausgleichen und faire Einigung bei Streitfragen erreichen wollen, stellt sich die Frage, inwiefern Ombudschaft als gesetzliche Aufgabe in der Kinder- und Jugendhilfe verankert werden kann. Ein Rechtsgutachten im Auftrag des Berliner Rechtshilfefonds kommt zu dem Schluss, dass die Anbindung an eine bestehende Institution insbesondere auf kommunaler oder Landesebene die sinnvollste Lösung wäre. Beispielsweise ließe sich eine Anbindung an den örtlichen oder überörtlichen Jugendhilfeausschuss denken, dem die Aufsicht über die Ombudsstelle übertragen werden könnte. Diese Ombudsstelle sollte für Konfliktfragen bei öffentlich-rechtlichen als auch privat-rechtlichen Rechtsverhältnisse verfügbar sein. Eine Koppelung an den Jugendhilfeausschuss, der die Tätigkeit allerdings nicht selbst übernehmen kann, hätte den Vorteil, dass einerseits die fachpolitische Kompetenz verfügbar wäre, dieses Gremium ortbezogen organisiert ist und sowohl öffentliche als auch freie Träger darin organisiert wären. Andererseits könnten die Erfahrungen aus der Arbeit der Ombudsund Beschwerdestelle in die Tätigkeit des Jugendhilfeausschusses einfließen. Mit dieser Konstruktion wären Ombudsstellen außerhalb der Verwaltung des Jugendamtes, aber nicht außerhalb des Jugendamtes angesiedelt (Zweigliedrigkeit des Jugendamtes in Jugendhilfeausschuss und Jugendamt) und es würde ähnlich dem Bürgerbeauftragten auf Landesebene für Transparenz und Öffentlichkeit gesorgt. Durch eine entsprechende Ausgestaltung kann trotz der engen Anbindung an das Jugendamt gewährleistet werden, dass die Ombudsstelle eigenständig und unabhängig tätig sein kann. Zugleich wäre klar, dass damit keine neue Form der Kontrolle kommunaler Selbstverwaltung etabliert würde, die auf kommunalverfassungsrechtliche Bedenken stoßen würde. Zugleich würde diese Stelle durch die Einbindung in die örtliche Struktur der Kinder- und Jugendhilfe über ein hohes Maß an Akzeptanz und auch Autorität verfügen ein wichtiger Faktor im Hinblick auf die Wirksamkeit der Arbeit der Ombudsstelle. Je nach Größe der Jugendamtsbezirke kann auch über gemeinsame Ombudsstellen benachbarter Kommunen nachgedacht werden. Auch überörtliche Ombudsstellen angesiedelt beim Landesjugendamt wären vorstellbar. Hier sollte allerdings die Zuständigkeit und Kompetenz der Stellen klar definiert und abgegrenzt sein. Aufgabe solcher Ombudsstellen wäre es, die Interessen des Leistungsberechtigten im Verfahren vorzutragen und ihre Position zu verdeutlichen, nicht aber gleichzeitig das Verwaltungshandeln rechtlich zu bewerten bzw. dagegen Rechtsmittel einzulegen. Im Verfahren müssten Ombudsstellen jedoch zwingend Verfahrensrechte eingeräumt werden, zumindest jedoch das Recht auf Anhörung. Solche Ombuds- und Beschwerdestellen auf kommunaler Ebene mit Verbindung zum Jugendhilfeausschuss sind bisher nicht erprobt, sollten aber im Rahmen eines Modellprogramms getestet und perspektivisch neben anderen oben genannten Formen obmudschaftlicher Vertretung flächendeckend etabliert werden. Grüne Politik hat zum Ziel, allen Menschen unabhängig von Zuschreibungen nach Alter, Herkunft, körperlicher, intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung, Religion, Geschlecht bzw. sexueller Identität und sozialer Herkunft die freie, gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Ombudschaftliche Interessenvertretung von Betroffenen ist ein Weg, Menschen in Konflikten dabei zu unterstützen, ihre Rechte durchzusetzen und an der Gesellschaft teilzuhaben.» JUGENDHILFE 4

Perspektivisch wollen wir, dass Ombudschaften für die Kinder- und Jugendhilfe flächendeckend etabliert werden. In einem ersten Schritt wollen wir bestehende Strukturen von Ombudschaften stärken, neue Initiativen unterstützen und die modellhafte Einführung von Ombuds- und Beschwerdestellen in ausgewählten Jugendämtern unterschiedlicher Struktur mittels eines Bundesprogramms erproben. Nach einer solchen Modellphase mit begleitender Evaluation kann detailliert ausgelotet werden, in welchem Umfang und mit welchem Leistungsspektrum sowie mit welcher konkreten rechtlichen Einbettung eine regelhafte Einführung von Ombudsstellen flächendeckend umzusetzen wäre. In diesen Prozess muss auch die Ebene der Bundesländer eingebunden werden. Der 2012 geschlossene Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen in Nordrhein- Westfalen bezieht sich positiv auf die Unterstützung und Förderung von unabhängigen Ombudschaften. Diesen Impuls aufnehmend wollen wir in einem Dialog mit den Ländern die Möglichkeiten zur Unterstützung ombudschaftlicher Strukturen ausloten.» JUGENDHILFE 5