Neue Entwicklungen zum Arbeitnehmerdatenschutz - Folie 1 -
Wer bin ich? Rechtsanwalt Frank Henkel Einzelanwalt aus HH, zugelassen seit 1997 Als Rechtsanwalt spezialisiert auf EDV- / Medienrecht, Datenschutzrecht Externer betrieblicher Datenschutzbeauftragter seit 1999 für verschiedene Unternehmen, Schwerpunkt Finanzbranche Referent für Datenschutzrecht diverser Schulungsträger Bisherige Tätigkeiten: Rechtsabteilung in Immobilienfirma, dort Vorsitzender BR/GBR Veröffentlichungen: Burgartz/Röhrig (Hrsg.), ISM, erschienen im TÜV-Verlag: Beiträge u.a. zum BDSG und Datenschutz bei Telekommunikations- und Internetnutzung im Betrieb - Folie 2 -
Neuregelung zum Beschäftigtendatenschutz Agenda: Der neue 32 BDSG Definition des Beschäftigtenbegriffs Erweiterung des Anwendungsbereichs Verhältnis zu 28 BDSG Konkretisierung der vertraglichen Zweckbestimmung Aufdeckung von Straftaten im Beschäftigungsverhältnis Verhältnis zu bestehenden Betriebsvereinbarungen BAG zum Beweisverwertungsverbot - Folie 3 -
Änderung des BDSG zum 1.9.2009 Neuer 32 BDSG (Text) (1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. (2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet, genutzt oder für die Verarbeitung oder Nutzung in einer solchen Datei erhoben werden. (3) Die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten bleiben unberührt. - Folie 4 -
Beschäftigte sind: 1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2. zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte Neuer 32 BDSG Definition der Beschäftigten in 3 Abs. 11 BDSG (1/2) 3. Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung (Rehabilitandinnen und Rehabilitanden), 4. in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigte, 5. nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz Beschäftigte, 6. arbeitnehmerähnliche Personen (z.b. Heimarbeiter und die ihnen Gleichgestellten), 7. Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist, 8. Beamte, Richter des Bundes, Soldaten sowie Zivildienstleistende. - Folie 5 -
Arbeitnehmerähnliche Personen nach 12a Tarifvertragsgesetz (TVG): Neuer 32 BDSG Definition der Beschäftigten in 3 Abs. 11 BDSG (2/2) Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind (arbeitnehmerähnliche Personen), wenn sie auf Grund von Dienst- oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind, die geschuldeten Leistungen persönlich und im wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen und a) überwiegend für eine Person tätig sind oder b) ihnen von einer Person im Durchschnitt mehr als die Hälfte des Entgelts zusteht, das ihnen für ihre Erwerbstätigkeit insgesamt zusteht; ist dies nicht voraussehbar, so sind für die Berechnung, soweit im Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist, jeweils die letzten sechs Monate, bei kürzerer Dauer der Tätigkeit dieser Zeitraum, maßgebend,( ). Gilt auch bei wirtschaftlicher Abhängigkeit zum Konzern (= eine Person ). Nicht Handelsvertreter im Sinne von 84 Handelsgesetzbuch (vgl. 12a Abs. 4 TVG)! - Folie 6 -
Neuer 32 BDSG Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des BDSG: Nach 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG gilt: Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten muss mittels DV-Anlagen oder in oder aus nicht-automatisierten Dateien erfolgen. 32 Abs. 2 BDSG erweitert für den Beschäftigtendatenschutz den Anwendungsbereich auch auf nicht automatisierte und nicht dateimäßige Erhebungen, Verarbeitungen und Nutzungen. Bsp.: Notizen des Vorgesetzten über das Verhalten von Mitarbeitern, handschriftliche Aufzeichnungen in Bewerbungsgesprächen. Erweiterung des Auskunftsrechts nach 34 BDSG auch auf Notizen? Zweifelhaft, da nach dem Wortlaut der 32 Abs. 2 nur den Anwendungsbereich des 32 Abs. 1 BDSG erweitert, nicht von 34 BDSG. Andererseits: der Mitarbeiter kann ohne Auskunftsrecht die Einhaltung von 32 Abs. 1 BDSG nicht überwachen! Folge: Das Auskunftsrecht bezieht sich daher konsequenterweise auch auf nicht dateimäßige Informationen! Rechtslage aber noch unklar! - Folie 7 -
Verhältnis zu 28 BDSG: Neuer 32 BDSG 32 BDSG als Spezialregelung zu 28 BDSG? Der Gesetzeswortlaut lässt offen, ob die Verarbeitung der Beschäftigtendaten ausschließlich auf der Grundlage des 32 BDSG erfolgen darf. Die Gesetzesbegründung ist zu S. 1 eindeutig: 32 Abs. 1 S. 1 verdrängt lediglich die fast gleichlautende Regelung des 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG. Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist u.a. nach der Interessenabwägungsklausel des 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 möglich (so die Gesetzesbegründung). - Folie 8 -
Zulässigkeit im Rahmen der Abwägungsklausel ( 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2) Die Abwägungsklausel dient als Rechtsgrundlage in Fällen, in denen die Verarbeitung von Beschäftigtendaten nicht für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Voraussetzungen: Neuer 32 BDSG Berechtigtes Interesse der verantwortlichen Stelle: Jedes vernünftige Interesse des Arbeitgebers. Erforderlichkeit: es darf keine zumutbare Alternative zur jeweiligen Datenverwendung geben. kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Betroffenen am Ausschluss der Datenverwendung: Jedes entgegenstehendes Interesse wie berufliche Ehre, wirtschaftliches Interesse etc. - Folie 9 -
Gesetzesbegründung: Neuer 32 BDSG Notwendigkeit der Konkretisierung der Zweckbestimmung? 28 Abs. 1 S. 2 BDSG (Pflicht zur Festlegung der konkreten Verarbeitungszwecke bei Erhebung) wird von 32 BDSG verdrängt! Einer weiteren konkreten Festlegung der Zwecke nach 28 Abs. 1 S. 2 durch den Arbeitgeber bedarf es daher nicht mehr. Beispiel zur Nutzung der Kontonummer des Mitarbeiters: Der Zweck Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses kann eine Verarbeitung zur Überweisung des Gehalts, aber auch zur Aufdeckung von Straftaten bedeuten durch Abgleich mit Kontodaten der Lieferanten. Keine konkreten Zweckbestimmungen demnach mehr in Verfahrensverzeichnissen? Rückschritt für den Datenschutz wäre die Folge! Keine Stütze im Gesetzeswortlaut! Literatur lehnt dies daher ab! - Folie 10 -
Neuer 32 BDSG Aufdeckung von Straftaten nach 32 Abs. 1 S. 2 BDSG Voraussetzungen zur Erhebung, Verarbeitung, Nutzung zur Aufdeckung von Straftaten: tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat im Beschäftigungsverhältnis; Erhebung, Verarbeitung, Nutzung ist für die Aufdeckung erforderlich; keine überwiegende schutzwürdige Interessen des Mitarbeiters am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung, Nutzung, insbesondere wegen Unverhältnismäßigkeit. Tatsächliche Anhaltspunkte müssen dokumentiert werden. - Folie 11 -
Neuer 32 BDSG Abgrenzung zwischen 32 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BDSG Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/13657): Abs. 1 S. 2 regelt die Zulässigkeit von Maßnahmen zur Aufdeckung von Straftaten, die im Beschäftigungsverhältnis begangen wurden (z.b. Diebstahl oder Korruption). Abs. 1 S. 1 regelt auch die Zulässigkeit von Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten und sonstigen Rechtsverstößen (S. 36). Sämtliche Verarbeitungen zu präventiven Zwecken können somit im Rahmen des Erforderlichen über S. 1 gerechtfertigt werden. S. 1 ist auch anwendbar für Verarbeitungen zur Aufdeckung von Ordnungswidrigkeiten oder anderen Verstößen (stets Verletzungen des Arbeitsvertrages). - Folie 12 -
32 Abs. 1 S. 2 BDSG: Auswirkungen auf die Praxis Verarbeitungen oder Nutzungen wie z.b. Screenings, die von vornherein auf die Aufdeckung von Straftaten gerichtet sind, können nach dem Wortlaut nur noch verdachtsabhängig durchgeführt werden. Schwierige Abgrenzung zwischen Aufdeckung von Straftaten und Verhinderung und Aufdeckung anderer Regelverstöße. Beispiele: Protokollierung der Internetzugriffe der Mitarbeiter und (verdachtslose) Stichprobenkontrolle: Was gilt, wenn bei dieser Gelegenheit Straftaten zutage treten? Verdachtsunabhängige Überwachung von Kassenpersonal noch möglich? Verdachtslose Protokollierung von Zugangsdaten in elektronischen Schließanlagen zur Diebstahlsaufklärung erlaubt? Rechtslage streitig! Neuer 32 BDSG - Folie 13 -
Neuer 32 BDSG Abweichungsmöglichkeit in Betriebsvereinbarungen Nach 32 Abs. 3 BDSG bleiben die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen unberührt. Betriebsorgane (Arbeitgeber und BR) sind nach älterer BAG-Rechtsprechung berechtigt, vom Schutzniveau des BDSG im Rahmen des Verhältnismäßigen abzuweichen. Aber: Aufsichtsbehörden und ein Teil der Literatur halten die ältere Rechtsprechung für überholt. Auch der HmbDSB lehnt ein Abweichen vom Schutzniveau des BDSG in Betriebsvereinbarungen ab (Tätigkeitsbericht 2000/2001, S. 193). 4 Abs. 1 BDSG erlaubt eine Verwendung von pb Daten, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt. Betriebsvereinbarungen sind als Rechtsvorschriften insoweit anerkannt. Ein Teil der Literatur (z.b. Däubler) hält ein Abweichen vom Schutzniveau des BDSG im verhältnismäßigen Umfang (vgl. 75 Abs. 2 BetrVG) für zulässig. - Folie 14 -
Neuer 32 BDSG Abweichungsmöglichkeit durch Vorrangnormen Compliance-Vorschriften außerhalb des BDSG können als datenschutzrechtliche Vorrangnormen nach 1 Abs. 3 BDSG das BDSG verdrängen. So 25c Kreditwesengesetz: (1) Institute ( ) haben ( ) im Rahmen ihrer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und des angemessenen Risikomanagements zur Verhinderung von betrügerischen Handlungen zu ihren Lasten interne Grundsätze und angemessene geschäfts- und kundenbezogene Sicherungssysteme zu schaffen und zu aktualisieren und Kontrollen durchzuführen. (2) Kreditinstitute haben angemessene Datenverarbeitungssysteme zu betreiben und zu aktualisieren, mittels derer sie in der Lage sind, Geschäftsbeziehungen und einzelne Transaktionen im Zahlungsverkehr zu erkennen, die auf Grund des öffentlich und im Kreditinstitut verfügbaren Erfahrungswissens über die Methoden der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung und betrügerischer Handlungen zum Nachteil von Instituten als zweifelhaft oder ungewöhnlich anzusehen sind. ( ) Die Kreditinstitute dürfen personenbezogene Daten erheben, verarbeiten und nutzen, soweit dies zur Erfüllung dieser Pflicht erforderlich ist. - Folie 15 -
Folgen von Verstößen gegen 32 BDSG BAG NZA 1998, 307 ff.: BAG zum Beweisverwertungsverbot (1/3) Das von einer Partei rechtswidrig erlangte Beweismittel darf grundsätzlich nicht zu ihren Gunsten verwertet werden. In der gerichtlichen Verwertung von Kenntnissen und Beweismitteln, die unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht erlangt sind, liegt regelmäßig ein erneuter Eingriff in das geschützte Persönlichkeitsrecht. Nur in Ausnahmefällen kann die Abwägung ergeben, dass die Verwertung eines unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht erworbenen Beweismittels zulässig ist. BAG, Urteil vom 27.03.2003 (NZA 2003, 1193 ff.): Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des BR führt nicht zum Beweisverwertungsverbot, wenn der BR der Verwendung des Beweismittels und der Kündigung zustimmt und die Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt ist. - Folie 16 -
Folgen von Verstößen gegen 32 BDSG BAG zum Beweisverwertungsverbot (2/3) Eingeschränkt durch BAG NZA 2008, 1008 ff.: Allein die Verletzung eines Mitbestimmungstatbestands oder die Nichteinhaltung einer Betriebsvereinbarung und deren Verfahrensregelungen können es grundsätzlich nicht rechtfertigen, einen entscheidungserheblichen, unstreitigen Sachvortrag der Parteien nicht zu berücksichtigen und im Ergebnis ein "Sachverhaltsverwertungsverbot" anzuerkennen. Aber: Ausnahmsweise entsteht ein Sachverhaltsverwertungsverbot dann, wenn durch das Verhalten der Beklagten (Anm: des Arbeitgebers) bei der durchgeführten Spähkontrolle Persönlichkeitsrechte der Klägerin erheblich verletzt worden sind. - Folie 17 -
Folgen von Verstößen gegen 32 BDSG BAG zum Beweisverwertungsverbot (3/3) Persönlichkeitsschutz bei Mithören von Telefonaten BAG, Urt. v. 23.4.2009, 6 AZR 189/08 (NZA 2009, 974 ff.): Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners eines Telefongesprächs ist verletzt, wenn der andere einen Dritten durch aktives Handeln zielgerichtet veranlasst, das Telefongespräch heimlich mitzuhören. Aus der rechtswidrigen Erlangung des Beweismittels folgt ein Beweisverwertungsverbot: Der Dritte darf nicht als Zeuge zum Inhalt der Äußerungen des Gesprächspartners vernommen werden, der von dem Mithören keine Kenntnis hat. Konnte ein Dritter zufällig, ohne dass der Beweispflichtige etwas dazu beigetragen hat, den Inhalt des Telefongesprächs mithören, liegt keine rechtswidrige Verletzung des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Gesprächspartners vor. In diesem Fall besteht deshalb auch kein Beweisverwertungsverbot. - Folie 18 -
Zur Vertiefung Diese und andere Themen wie z.b. gesetzlicher Kündigungsschutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten Fragerecht des Arbeitgebers ELENA etc. können vertieft werden auf der Fachtagung vom 16. bis 17. September in Hamburg Arbeitnehmerdatenschutz 2010: Bestandsaufnahme aktuelle Entwicklungen Siehe www.tuevnordakademie.de - Folie 19 -
Kontakt Rechtsanwalt Frank Henkel Wandsbeker Zollstr. 5 22041 Hamburg Tel.: 040 / 68 94 98 510 Fax: 040 / 68 94 98 520 Email: Web: www.henkel-kanzlei.de - Folie 20 -