ERA-Seminar 7.-8. Mai 2012 Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Mutterschaftsurlaub, Elternurlaub, usw. Else Leona McClimans Rechtsanwältin mcclimans@advokatfroland.no Anwaltskanzlei Frøland & Co, Lillestrøm, Was ist unter der EU-Agenda zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verstehen? Politische Agenda - Vereinbarkeitsfördernde Maßnahmen : Maßnahmen zur unmittelbaren Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben: Kinderbetreuung Urlaubsmöglichkeiten Flexible Arbeitszeitregelungen Finanzielle Leistungen und Zuschläge zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern 1
Politische Agenda der EU zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie Mehr Beschäftigung: die Lissabon-Strategie 2000-2010 und die Strategie Europa 2020 Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Maßnahmenpaket der Kommission: Worklife Balance Package (KOM(2008)635), Schlussfolgerungen des Rates: Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben im Kontext des demographischen Wandels, Juni 2011 Rechtlicher Rahmen für Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern / zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von - Schwangerschaft - Elternurlaub - Betreuung von Kindern/pflegebedürftigen Senioren Schlüsselthemen: - Kündigungsschutz - Schutz von Arbeitnehmerrechten: Urlaubsregelungen und flexible Arbeitszeitregelungen 2
Überblick über den Rechtsrahmen Gemeinschaftsgesetzgebung Gleichstellung von Frauen und Männern Schwangere, Wöchnerinnen, Stillzeiten und Mutterschaftsurlaub Elternurlaub und Freistellung aufgrund von Höherer Gewalt Selbständige Rechtsrahmen AEUV, Art.19 und 157 Richtlinie 2006/54/EG Chancengleichheit (Neufassung) - ersetzt die Richtlinien 75/117/EWG, 76/207 EWG (2002/73/EG), 86/378/EWG, 97/80/EWG EU Charta der Grundrechte, Art. 33 Richtlinie 2010/18/EU Richtlinie über den Elternurlaub - hebt ab 08.12.2012 Richtlinie 96/34/EG auf Richtlinie 2010/41/EU Elternurlaub für Selbständige (hebt ab 5. August 2012 Richtlinie 86/613 EWG auf, siehe KOM(2008) 636 endg. 3.10.2009) Richtlinie 92/85/EWG Richtlinie über den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen (siehe KOM (2008) 637 endg. 3.10.2008) 3
EU Charta der Grundrechte, Art. 33 (1) Der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie wird gewährleistet. (2) Um Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu können, hat jede Person das Recht auf Schutz vor Entlassung aus einem mit der Mutterschaft zusammenhängenden Grund sowie den Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub und auf einen Elternurlaub nach der Geburt oder der Adoption eines Kindes. - Kodifizierung bestehender Ansprüche (keine neuen Rechte) - Überlässt die Auslegung dem EuGH Elternurlaub RL 2010/18/EU - Mindestanforderungen für Elternurlaub - ein individuelles Recht (Art. 2, Abs. 1) - Urlaub: mindestens vier Monate (Geburt oder Adoption) (Art. 2, Abs. 2) - Ein Teil des Urlaubs mindestens einer von vier Monaten ist nicht übertragbar (Art. 2, Abs. 2), Modalitäten werden gesetzlich/tarifvertraglich geregelt. Dieser Monat geht verloren, wenn nur ein Elternteil Elternurlaub nimmt. - Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Rn. 2, Abs. 1), C-232/09 Dita Danosa - Alle Vertragstypen: Teilzeit, Zeitarbeit, usw. 4
Elternurlaub RL 2010/18/EU (Fortsetzung) Voraussetzungen und Modalitäten für die Inanspruchnahme werden in den Mitgliedstaaten geregelt (Art. 3, Abs. 1), aber: - Anspruchsvoraussetzung höchstens 1 Jahr Beschäftigung/ Betriebszugehörigkeit (b), - Regeln Bedingungen, unter denen der Arbeitgeber die Gewährung des Elternurlaubs verschieben kann: berechtigte betriebliche Gründe (c) Legen Fristen für Anfang und Ende des Elternurlaubs fest (Art. 3, Abs. 2) - C-116/06 Kiiski Änderung der Urlaubsdauer Elternurlaub RL 2010/18/EU Fortsetzung - Bei Überschneidung von Mutterschafts- und Elternurlaub, Recht auf Verschiebung des Elternurlaubs, siehe C-519/03 Luxemburg - Zwillinge: Elternurlaub wird nicht für jedes Kind bzw. pro Kind gewährt, aber die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen ergreifen, die diese Situation berücksichtigen, siehe C 149/10 Chatzi 5
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen: Recht auf verkürzte Arbeitszeiten und Freistellung RL 2010/18, Art. 6 und 7 - reduzierte Arbeit = reduzierte Rente C-537/07 Gómez-Límon - Kündigungsabfindung bei Teilzeitbeschäftigten wie bei Vollzeitbeschäftigten C-116/2008 Meerts Fragen bezüglich Sozialversicherung und Einkommen werden von Mitgliedstaaten/Sozialpartnern geprüft und geregelt (RL 2010/18/EU Art. 5, Abs. 5) Kündigungsschutz Verbot von Kündigung aufgrund des Geschlechts (RL 2006/54 Art. 14, Abs.1c)) ab Schwangerschaftsbeginn RL 92/85, Art. 10, Abs.1) bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs (RL 2010, Art. 4, Abs. 4) Einer Arbeitnehmerin kann jedoch in dieser Zeit in Ausnahmefällen, die nicht mit der Schwangerschaft oder dem Urlaub im Zusammenhang stehen dürfen, gemäß einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten gekündigt werden. Bei Entlassung während Schwangerschaft/Urlaub muss der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführen. (RL 92/85, Art.10, Abs. 2) 6
Kündigungsschutz (Fortsetzung) - Einer Zeitarbeitskraft darf nicht gekündigt werden, weil sie ihren Arbeitgeber nicht über ihre Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt hat. - C-109/00 Tele-Danmark - Leiharbeitnehmerin als Ersatz - C-32/93 Webb - Während des geschützten Zeitraumes darf keine Kündigung vorbereitet werden. - C-460/06 Paquay - Phasen der künstlichen Befruchtung erfasst durch RL 76/207 (jetzt RL 2006/54), C-306/05 Sabine Mayr - schwangerschaftsbedingte Erkrankungen abgedeckt - C-394/98 Brown - Definition von Arbeitnehmerin : umfasst Vorstandsmitglieder - C-232/09 Dita Danosa Arbeitnehmerrechte Recht auf Rückkehr Elternurlaub und Höhere Gewalt Die Beschäftigten haben nach einer Urlaubsphase einen Anspruch auf ihren früheren oder einen gleichwertigen oder ähnlichen Arbeitsplatz, RL 2010/18 Art. 5, Abs. 1, RL 2006/54 Art. 15 Höhere Gewalt: Fehlen wegen dringender familiärer Gründe bei Krankheit oder Unfall. 7
Arbeitnehmerrechte erworbene Rechte Erworbene Rechte bleiben bis zum Ende des Elternurlaubs erhalten; RL 2010/18 Art. 5, Abs. 2. Beschäftigte haben nach Rückkehr das Recht auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten; das umfasst auch Lohnzahlungen; RL 2006/54 Art. 16 und AEUV Art. 157 - C-284/02 Ursula Sass - C-136/95 Thibault Beschäftigte haben im Urlaub das Recht auf Fortsetzung ihrer Anwartschaften in der Sozialversicherung, - C- 356/03 Elisabeth Mayer Selbständige (RL 2010/41) Mutterschaftsurlaub: Leistungen, die eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit von mindestens 14 Wochen ermöglichen Zahlungen mindestens gleich hoch wie Krankengeld mit möglicher Obergrenze Zeitweilige Vertretung möglich Begriffe, Umsetzung, usw. 8
Sanktionen und Rechtsbehelfe Sanktionen bei Verstößen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein - C-460/06 Paquay, Frage 2 Teil 2 Anforderungen: - Zugang zu Gerichtsverfahren, RL 2006/54 Art. 17, - tatsächliche und wirksame Entschädigung, Art. 18, - Verfahrensregeln - Grundsatz der Gleichwertigkeit C-63/08 Pontin Beweislast, Art. 19, siehe Abs. 4(a) Rechtsprechung des EuGH Gleichstellung von Mann und Frau: - Schutz von Frauen und Männern im Familienleben und am Arbeitsplatz C-1/95 Gerster - Anpassung der Arbeitsbedingungen an familiäre Verpflichtungen. C-243/95 Stapleton & Hill - Was geschieht bei Diskriminierung von Männern aufgrund von Elternurlaub/Kinderbetreuung? - Unterscheidung zwischen Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub C-519/03 Luxemburg - Gleiche Aufteilung von Rechten zwischen Mutter und Vater C-184/83 Hofmann, C-476/99 Lommers, C-366/99 Griesmar - Leistungen nur an weibliche Beschäftigte, C-218/98 Abdoulaye - Anspruch des Vaters auf Stillzeit, C-104/09 Roca Álvarez 9
Schlussbemerkungen - Wie lassen sich der Schutz von Müttern und von Vätern innerhalb des Rechtsrahmens zum Schutz der Gleichstellung von Frauen und Männern und zum Schutz von Frauen kombinieren? Unterschiedliche Rechtsgrundlagen im Vertrag machen einen integrierten Ansatz schwierig. - Eine gerechtere Verteilung von häuslichen Arbeiten und familiären Aufgaben zwischen beiden Geschlechtern ist noch Zukunftsmusik. - Ein Rechtsrahmen zum Schutz und zur Nicht-Diskriminierung besteht zwar, aber er muss durch die Praxis noch gestärkt werden. Der EuGH spielt beim Schutz vor unmittelbarer Diskriminierung eine wichtige Rolle. - Nationale Umsetzung hinkt in der Realität noch hinterher. 10