Base Erosion and Profit Shifting (BEPS): von formalen Erklärungen zur realpolitischen Umsetzung des G20/OECD-Aktionsplans

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Transkript:

Base Erosion and Profit Shifting (BEPS): von formalen Erklärungen zur realpolitischen Umsetzung des G20/OECD-Aktionsplans Markus Henn Referent für Finanzmärkte, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung WEED Koordinator, Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland Kontakt: markus.henn@weed-online.org 8. Mai 2015, Berlin

2 WEED, BEPS, 8.5.2015 Der G20/OECD-Aktionsplan gegen BEPS 2013 unterstützt von G20, zur Konkretisierung bis Ende 2015 September 2014 erste Zwischenergebnisse für die Hälfte der Aktionspunkte, müssen aber weiter ausgearbeitet werden Zahlreiche Entwürfe für die zweite Hälfte des Plans 2014/2015 erschienen Im Herbst 2015 Veröffentlichung aller Ergebnisse erwartet, die dann beim G20- Gipfel im November in Antalya ggf. abgesegnet werden

3 WEED, BEPS, 8.5.2015 Verrechnungspreise: BEPS setzt Bestehendes fort 1. Trennung Mutterfirma Konzern Tochterfirma Mutterfirma Land A 2. Fremdvergleich Externe Firma Land B OECD gibt Probleme mit Trennungs-/Fremdvergleichsprinzip zu, das den OECD-Standards für Verrechnungspreise zugrunde liegt, hält aber im Ergebnis daran fest und will vor allem Details verbesern, so z.b. im Zwischenergebnis zu immateriellen Gütern oder den Entwürfen zu niedrigwertigen Dienstleistungen, Kostenaufteilungs-Vereinbarungen oder Risiken

Von der Gewinnaufteilung zur Gesamtkonzernsteuer Mutterfirma Land A Konzern Tochterfirma Land B 1. Transaktionen: extra diskutiert, sonst u.a. im Zwischenergebnis zu immateriellen Gütern (kein Konsens!) und für Kostenseite im Entwurf zu Zinsen; in D nachrangig Aufteilung des Gewinns: 2. Gesamtkonzern: schon von G20 abgelehnt; in der EU Vorschlag für Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftssteuer- Bemessungsgrundlage (GKKB) Entscheidend: Welche Faktoren bestimmen Aufteilung? OECD/G20 schlagen welche vor, die Gewinnverschiebung weiterhin ermöglichen (z.b. Risiko); Vorschlag von BEPS Monitoring Group: nur solche wie Umsätze, Angestellte oder physische Vermögenswerte 4 WEED, BEPS, 8.5.2015

5 WEED, BEPS, 8.5.2015 Qualifizierungskonflikte ( hybrid mismatches ) Mutterfirma Land A: Eigenkapital: Dividende, unbesteuert Konzern z.b. Vorzugsaktie (gewinnabhängig, aber kein Stimmrecht) Tochterfirma Land B: Kredit: Zins, abziehbar Zwischenergebnis (2014): OECD schlägt Besteuerung im einen Land vor, wenn das andere gar nicht besteuert, ggf. auch einseitig. EU beschloss Ende 2014 entsprechende Änderung ihrer Mutter- Tochter-Richtlinie für Dividenden, Deutschland schon 2013

Schädliche Praktiken und Missbrauch Schädliche Steuerpraktiken (2014): Begünstigung bestimmter Einnahmen, z.b. Patentbox ; Zwischenergebnis erwägt mehr Transparenz und komplexe Substanz -Regel ( nexus -Ansatz); allerdings kein Konsens, Widerstand v.a. von GB, LUX, NL und ESP; Nov. 2014: Vorschlag von D+GB mit modifiziertem Ansatz: Lage unklar aber alle Boxen schädlich! Missbrauch von Steuerabkommen (2014): z.b. wenn eine Firma das Abkommen eines Landes nutzt, ohne dort wirklich aktiv zu sein; Konsens: entweder Regel gegen Nutzung durch Unbefugte oder Regel gegen Geschäfte, die nur der Steuervermeidung dienen; OECD-Mustervertrag soll auch gegen Nicht-Besteuerung sein 6 WEED, BEPS, 8.5.2015

7 WEED, BEPS, 8.5.2015 Weitere Abwehrmaßnahmen Zwischengesellschaften (2015): Entwurf listet viele Optionen auf; am Ende wohl Widerstand wie bei Patentboxen; Deutschland hat Regeln (Hinzurechnung), aber Problem bei EU-Firmen: Cadbury- Schweppes -Urteil des EuGH (illegal nur völlig künstliche Firmen) Künstliche Vermeidung des Status als Betriebsstätte (2015): in Steuerabkommen nur Betriebsstätte besteuerbar, aber z.b. Lager (Amazon!) nicht dabei; im Entwurf Vorschläge, die Definition zu verändern, damit wirklich nur Hilfstätigkeiten ausgenommen sind; im Zwischenergebnis zur Digitalen Wirtschaft (2014) außerdem Einführung einer digitalen Präsenz erwogen Abzugsbeschränkungen bzw. konzernweite Zuordnungen: z.b. im Entwurf zu Zinszahlungen und anderen finanziellen Zahlungen (2015): in Deutschland schon seit 2008 Zinsschranke Digitale Wirtschaft (2014): Internetsteuer erwogen

8 WEED, BEPS, 8.5.2015 Transparenz Verrechnungspreisdokumentation und länderspezifische Berichte (2014): Behörden sollen drei Berichte bekommen; Veröffentlichung wäre nötig: in EU ab diesem Jahr schon für Banken; EU-Kommission prüft neuen Vorschlag Offenlegung von Steuergestaltungen (2015): zwischen Behörden und Unternehmen; Entwurf bleibt zu eng; Veröffentlichung wäre nötig (zwischen Behörden: eher bei schädliche Steuerpraktiken ) BEPS-Daten für Behörden (2015): sonst alle Maßnahmen gefährdet

9 WEED, BEPS, 8.5.2015 Umsetzung Multilaterales Instrument (2014): Jetzt über 3.000 bilaterale Steuerverträge, was jede Änderung sehr erschwert; Zwischenergebnis zeigt, dass mulitlaterales Akommen wünschenswert und machbar aber wird es kommen? Streitschlichtung (2015): Soll Konflikte zwischen Steuerbehörden besser lösen; könnte ein Risiko für ärmere Länder sein Modifikation des OECD-Musterabkommens: an verschiedenen Stellen angedeutet; bilaterale Abkommen müssten langsam angepasst werden, sofern kein multilaterales Abkommen Nationale Gesetze: Viele BEPS-Vorschläge zielen auf nationale Maßnahmen ab (Zwischengesellschaften, Abwehrregeln gegen Qualifizierungskonflikte u.v.a); darüber hinaus steht die Frage im Raum, ob ein Staat weiter gehen will, z.b. über Quellensteuern

10 WEED, BEPS, 8.5.2015 Ärmere Länder bei BEPS ausgebootet Zentrale Probleme ärmerer Länder übergangen: - Aufteilung der Gewinne zwischen Quellenund Sitzstaaten, z.b. bei Quellensteuern oder bei Betriebsstättendefinition; - Steueranreize, zu denen die ärmeren Staaten gezwungen sind, um Unternehmen anzulocken (u.a. wegen Struktur vieler Steuerabkommen) Halbherzige Beteiligung im Prozess Vereinte Nationen an den Rand gedrängt: Geltende OECD-Standards nicht im Interesse der ärmeren Länder, deshalb alternative Standards der UN, aber OECD hält sich mit BEPS als globaler Standardsetzer

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