5 Elektronenübergänge im Festkörper

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Transkript:

5 Elektronenübergänge im Festkörper 5.1 Übersicht und Lernziele Übersicht Die Bindung in einem Molekül erfolgt durch gemeinsame Elektronenpaare, die jeweils zwei Atomen angehören (Atombindung, Elektronenpaarbindung). In Festkörpern, die aus sehr vielen Atomen entstanden sind, werden die Atome auf eine kompliziertere Art zusammengehalten: Alle Bindungselektronen gehören praktisch zu allen Atomen. Dabei bilden diese Elektronen weit ausgedehnte Kristallorbitale, die sich in ihrer Energie nur minimal unterscheiden (Elektronengas-Modell). Kristallorbitale mit ähnlicher Energie werden zu Bändern zusammengefasst. Durch Lichtabsorption geht ein Elektron von einem energiearmen Band in ein energiereiches Band über. Je nachdem, wie nahe die Energien verschiedener Bänder beieinander liegen, absorbiert der Festkörper bei Anregung mehr oder weniger Energie. Ob ein Pigment seine Farbigkeit diesem Mechanismus verdankt, lässt sich überprüfen, indem die Farbe einer Lösung des Stoffs mit der Pigmentfarbe verglichen wird. Da diese Farbigkeit nur im Festkörper auftritt, muss seine Lösung auf alle Fälle eine andere Farbe aufweisen. Allerdings ist dieser Nachweis oft nicht möglich, da sich viele Festkörper in kaum einem Lösemittel lösen. Die meisten Weisspigmente sind deshalb weiss, weil ihre Bänder weit auseinanderliegen und die Elektronenanregung mit ultravioletter Strahlung stattfindet. Die schwarzen Pigmente hingegen, mit nahe beieinanderliegenden Bändern, absorbieren den gesamten sichtbaren Bereich. Bunte Pigmente, welche ihre Farbigkeit Band-Band-Übergängen verdanken, absorbieren einen recht grossen Bereich des sichtbaren Spektrums. Lernziele 1. Sie kennen das Bändermodell zur Beschreibung der Bindung in Festkörpern. 2. Sie sind mit den Begriffen Valenzband, Leitungsband und Bandlücke vertraut. 3. Sie verstehen, auf welche Weise Pigmente Licht absorbieren. 4. Sie kennen ein Pigment, das aufgrund von Elektronenübergängen zwischen Bändern farbig ist. 50

5.2 Die chemische Bindung in Festkörpern Im Modul Quantenchemie und chemische Bindung wurde aufgezeigt, wie sich Atomorbitale (AO) bei der Bildung von Molekülen zu Molekülorbitalen (MO) überlagern. Kurz zur Repetition: Nach dem Orbital-Modell entsteht eine chemische Bindung durch die Überlagerung von zwei Einelektronenwellenfunktionen (Orbitale). Dabei bilden sich zwei neue Wellenfunktionen, von denen die energieärmere bindend, die energiereichere antibindend ist. Im Grundzustand wird die bindende Funktion mit zwei Elektronen besetzt dies entspricht einem bindenden Elektronenpaar, da sich zwei Elektronen zwischen den beiden Atomkernen befinden (vgl. Abschnitt 2.4 im Modul Quantenchemie und chemische Bindung ). Abb. 5.1 Energiediagramm zur Bildung eines Wasserstoff-Moleküls aus zwei Wasserstoff-Atomen Nehmen mehr als zwei Atome an der Bildung eines Moleküls teil, so steigt die Anzahl der Atomorbitale, aus denen Molekülorbitale gebildet werden. Ihre Anzahl ist immer gleich gross wie die der Atomorbitale, die an der Bildung der Molekülorbitale beteiligt sind. Die Energiedifferenzen zwischen den Orbitalen werden immer kleiner, je mehr Orbitale beteiligt sind (Abb. 5.2). Die Interferenz zwischen Elektronenwellen ist auch in einem Festkörper für die Bindung verantwortlich. Der einzige Unterschied zwischen einem Molekül und einem Festkörper besteht darin, dass im Molekül eine kleine Anzahl Atome und damit eine kleine Zahl von Atomorbitalen eine ebenso kleine Zahl von Molekülorbitalen bildet. In einem Festkörper liegen sehr viele Atome im gleichen Kristall vor, bei grösseren, sichtbaren Kristallen sind es in der Grössenordnung 10 23 Atome. Wenn sich ihre Atomorbitale zu Kristallorbitalen zusammenlagern, entstehen 10 23 Kristallorbitale. 51

Abb. 5.2 Bildung von Kristallorbitalen im Festkörper 5.3 Bänder Da bindende resp. antibindende Kristallorbitale energetisch sehr nahe beieinanderliegen, fasst man energetisch ähnliche Orbitale zu sogenannten Bändern zusammen. Man spricht von bindenden und antibindenden Bändern. Ein Band ist also nichts anderes als ein Bereich mit vielen Kristallorbitalen ähnlicher Energie. In einem Energiediagramm stellt man Bänder wie folgt dar: Abb. 5.3 Bänder eines Festkörpers im Energiediagramm In einem vollständig besetzten Band sind die Elektronen nicht beweglich. Ist ein Band hingegen nur teilweise besetzt, so können sich die Elektronen darin frei bewegen. Diese Beweglichkeit gilt für den ganzen Kristall, da sich ein Band über den ganzen Festkörper erstreckt. Daher rührt die elektrische Leitfähigkeit von vielen Stoffen, wenn eine elektrische Spannung an den Kristall angelegt wird. 52

Ein vollständig besetztes Band heisst Valenzband, ein unvollständig besetztes ist ein Leitungsband. Den Energieabstand zwischen dem energiereichsten besetzten und dem energieärmsten unbesetzten Band nennt man Bandlücke. Abb. 5.4 Energiediagramm Valenzband, Leitungsband, Bandlücke 5.4 Elektronenübergänge zwischen Bändern Durch Energiezufuhr können Elektronen vom höchsten besetzten (dem Valenzband) in das tiefste unbesetzte Band (das Leitungsband) übergehen. Dabei wird ein relativ grosser Teil des Spektrums absorbiert. Der Grund liegt darin, dass Bänder nichts anderes als Energiebereiche von Kristallorbitalen sind. Wenn also ein Elektron vom oberen Rand des energieärmeren Bands in den unteren Bereich des energiereicheren Bands verschoben wird, ist wenig Energie notwendig eine der Bandlücke entsprechende Energie. Wird hingegen ein Elektron aus den unteren Regionen des energieärmeren Bands in den energiereicheren Teil des oberen Bands verschoben, ist deutlich mehr Energie notwendig. Alle Zwischenstufen treten ebenfalls auf. Abb. 5.5 Mögliche Elektronenübergänge zwischen Bändern 53

Ein Pigment, das aufgrund von Übergängen zwischen Bändern farbig ist, absorbiert Licht der Wellenlänge, die die Energie der Bandlücke aufweist, und einen grossen Teil der kleineren (= energiereicheren) Wellenlängen. 5.5 Cadmiumpigmente und die Grösse der Bandlücke Cadmiumpigmente, CdS x Se 1-x, zeigen je nach dem Verhältnis Schwefel zu Selen andere Farben. Reines Cadmiumsulfid CdS ist gelb, während reines Cadmiumselenid CdSe eine dunkelbraune Farbe aufweist. Die Mischkristalle, welche sowohl Schwefel als auch Selen enthalten, verändern sich mit zunehmendem Selengehalt von gelb über orange nach rot. Die absorbierte Energie wird also mit zunehmendem Selengehalt kleiner, d. h. die Bandlücke wird kleiner, je mehr Selen enthalten ist. Selen steht in der 4. Periode, Schwefel in der 3., das Selenid-Ion ist also grösser als das Sulfid-Ion. Die Abstände zwischen den Teilchen im Festkörper sind folglich bei Cadmiumsulfid am kleinsten, mit zunehmendem Selengehalt des Pigments werden die Teilchenabstände grösser (schwächere Bindung der Bindungselektronen). 5.6 Zusammenfassung - Die Bindung in einem Festkörper ist ähnlich wie die Bindung in Molekülen. - Die Orbitale in einem Festkörper heissen Kristallorbitale. - Man fasst die Orbitale eines bestimmten Energiebereichs als Band zusammen, da eine riesige Zahl von Kristallorbitalen ähnliche Energien aufweist. - Voll besetzte Bänder jedes Kristallorbital ist mit zwei Elektronen besetzt heissen Valenzbänder. - Da in nicht voll besetzten Bändern die Elektronen leicht beweglich und für die elektrische Leitfähigkeit von Materialien verantwortlich sind, bezeichnet man nicht vollständig gefüllte Bänder als Leitungsbänder. - Die Energiedifferenz zwischen dem energiereichsten besetzten und dem energieärmsten unbesetzten Band ist die Bandlücke. - Farbig ist ein Festkörper dann, wenn die Bandlücke einer Energie aus dem sichtbaren Spektrum entspricht. 54

- Beim Übergang von Elektronen aus dem höchsten besetzten in das tiefste unbesetzte Band wird Licht verschiedener Wellenlängen absorbiert. Die längste absorbierte Wellenlänge entspricht energetisch der Bandlücke. 55