Stellungnahme. des. Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands. zum

Ähnliche Dokumente
Stellungnahme. des. Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands. zur

Stellungnahme des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands

Stationäre Hospize für Erwachsene, stationäre Hospize für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie Palliativstationen in Deutschland

Palliative Versorgung in Deutschland was haben wir was brauchen wir.?

Grundsätze der Kinder- und Jugendhospizarbeit


eßlich ihrer Koordination insbesondere zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle

Handreichung des DHPV

Das neue Hospiz- und Palliativgesetz, ein Beitrag zur würdevollen Versorgung am Ende des Lebens. Till Hiddemann Bundesministerium für Gesundheit

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin Schwerkranke Menschen und Angehörige im Mittelpunkt. deutsche gesellschaft für palliativmedizin

Würde des Menschen im letzten Lebensabschnitt Palliativ- u. Hospiz-Versorgung sichern

Erhebung. Umgang mit den aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland geflüchteten Menschen

Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

Projekt Palliative Versorgung, Betreuung und Pflege im KWP

Palliative Basisversorgung

Dem Sterben Leben geben - Hospizarbeit im Landkreis Böblingen

Projektsteckbrief. Palliative Praxis - Bildungsprojekt für Heime der Marienhaus GmbH

Hospizbewegung. Norbert Heyman Katholischer Krankenhausseelsorger

Thema kompakt Hospizarbeit und Palliativversorgung

Sterbebegleitung in der stationären Altenhilfe

Richtlinie. des Gemeinsamen Bundesausschusses. zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung

Versorgung schwerstkranker Schmerzpatienten

Hospizarbeit und palliative Versorgung in Bayern - Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf

Kooperationsvereinbarung PalliativNetz Darmstadt (PaNDa)

25. Dresdner Pflegestammtisch

Stellungnahme des Sozialverband VdK e.v. Rheinland-Pfalz. zum Entwurf des. Landesgesetzes zur Weiterentwicklung der Beratungs- und

Erfassung von Lebensqualität bei Demenz Die Perspektive des MDK

Deutscher Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) legt Studienergebnisse über die Hospizarbeit in Deutschland vor:

Qualitätsnetzwerk tsnetzwerk Geriatrie Das Modell Geriatrisches Zentrum

Kooperationsvereinbarung. zwischen dem ambulanten Hospiz. und. (SAPV-Team)

Stellungnahme. zum Gesetzentwurf. der Bundesregierung für ein. Hospiz- und Palliativgesetz (HPG)

Die Pflegereform 2015 Eine Übersicht

GUTE PFLEGE. Darauf kommt es an. Ein Überblick

Schwerpunkt: Ambulante Hospizarbeit nach 39a Absatz 2 SGB V

Manifest. zur. Palliativversorgung in evangelischen Krankenhäusern

Zwischen Theorie und Praxis

Richtlinie. des Gemeinsamen Bundesausschusses. zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung

Continentale will Palliativversorgung nicht zahlen

Kommentierung der Trägerorganisationen der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland

Was bleibt? Nachhaltige Palliative Kultur im Alten- und Pflegeheim

Leben und Sterben in Würde

Spezialisierte Ambulante PalliativVersorgung (SAPV)

Leben und Sterben in Würde

Die Würde des Menschen ist unantastbar Eine Herausforderung moderner Palliativmedizin

Geschäftsführer der Caritas-Altenhilfe für die Region Konstanz 3

Wissen kompakt Hospizarbeit und Palliativversorgung

Sterben im Heim Stiefkind der Hospizlandschaft?

Altenhilfe und Hospiz zwei Welten?

Care-Team. Vernetzte ambulante palliativ/hospizliche Versorgung. in Erlangen und Umgebung 21 Monate

Sterben und Tod kein Tabu mehr - Die Bevölkerung fordert eine intensivere Auseinandersetzung mit diesen Themen

Gesetzentwurf zum Wohn-, Teilhabe und Pflegegesetz (WTPG) im öffentlichen Dialog. Häufig gestellte Fragen - FAQ

Allgemeine und spezialisierte ambulante Palliativversorgung Die Rolle der Hospizvereine

Christliches Hospiz Haus Geborgenheit Neustadt / Südharz

Palliative Care Kompetenzzentrum. Palliative Care Kompetenzzentrum. Akutspital Psychiatrie Geriatrie Palliative Care

Die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen. Einflussmöglichkeiten der Aufsichtsbehörde

Was bringt das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung?

Ambulante Hospiz- und Palliativzentren

Vereinbarkeit von Familie und Beruf TIPPS UND INFORMATIONEN. Bildelement: Altenpflege. Betreuung / Pflege von Angehörigen.

Was ist Hospiz- und Palliativversorgung?

PFLEGE DEINE ZUKUNF T!

Leitbild. der Diakonie Sozialstation. Büchen - Lauenburg

Curriculum. für die Schulung von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen* der ambulanten Kinderhospizdienste. Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München

i n Inhaltsverzeichnis

Palliativversorgung in Ulm unter besonderer Berücksichtigung der spezialisierten. Stephanie Rapp

Das Hospiz im Haus Hörn. Leben bis zuletzt. Informationen für unsere Gäste und ihre Angehörigen

zu Punkt 13 der 952. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2016

Palliativmedizin in der ambulanten Versorgung

Pflegepolitische Reformen der Bundesregierung Auswirkung auf die Profession Osnabrück,

Hinweise und Empfehlungen des DHPV. zur Umsetzung der gesetzlichen Neuregelungen zur Finanzierung der ambulanten und stationären Hospizarbeit

Wie möchten die Menschen sterben. Welche Probleme ergeben sich daraus? Dr.med. Regula Schmitt Tila Stiftung, Bern

Kontaktstelle PflegeEngagement Marzahn-Hellersdorf

Fragen: Was bedeutet... Dauerhaft zu Hause leben. Bedingungen einer sicheren und koordinierten ambulanten Palliativ- Versorgung

Palliativ Care Netz Nord

Pflege und Betreuung von Menschen mit einer Behinderung im Alter «Was uns betrifft»

Modelle vernetzter Palliativversorgung. Standortbestimmung Möglichkeiten Gefahren

Palliative Care in der Schweiz. Christina Affentranger Weber Dipl. Gerontologin MAS/FH

Palliativmedizin. Eine Herausforderung für unser Gesundheitssystem. Stephanie Rapp Allgemeinmedizin Palliativmedizin

Leben Abschied Tod Trost Trauer Leben

Hospizkultur und Palliative Care. in stationären Altenhilfeeinrichtungen Stuttgart

Möglichkeiten der palliativmedizinischen und hospizlichen Versorgung

PFLEGE- LEISTUNGEN Ab 1. JANUAR 2017

Kurzbeschreibung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV)


Starttermine: Krefeld , Viersen , Herne , Köln:

Die Pflegebedürftigkeit wird durch ein Begutachtungsverfahren überprüft. Dabei sind sechs Bereiche entscheidend:

046 Bedürfnisse in der letzten Lebensphase: Wenn nichts mehr zu machen ist...

Antea Care Patientenverfügung

Inhalt. Nummer 30, September Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, Vorwort 01

Status Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz

Als Betreuungskraft in der Altenpflege

Ambulante Palliativmedizinische Versorgung in Westfalen-Lippe René Podehl

Hospiz und Palliativpflege im stationären Bereich

Bundestag beschließt das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz

Stellungnahme. der Deutschen Krankenhausgesellschaft. zum Referentenentwurf eines

Malteser Hospizdienste St. Christophorus Dortmund

Pflegegeld. Pflegepersonen. Höhe des Pflegegeldes ( 37 SGB XI )

Redeskizze Kardinal-Höffner-Kreis 7. Mai Leben bis zuletzt Sterben in Würde

Beratungsstellen für ältere Menschen und ihre Angehörigen in München

Transkript:

Geschäftsstelle Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.v. Aachener Str. 5 10713 Berlin Stellungnahme des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands zum Referentenentwurf für ein Fünftes Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch Leistungsausweitung für Pflegebedürftige, Pflegevorsorgefonds Sie erreichen uns unter: Telefon 030 / 8200758-0 Telefax 030 / 8200758-13 info@dhpv.de www.dhpv.de Geschäftsführender Vorstand: Prof. Dr. Winfried Hardinghaus (Komm. Vorsitzender) Susanne Kränzle Prof. Dr. Ulrich Bonk Berlin 28. April 2014 Amtsgericht Berlin: VR 27851 B Gemeinnützigkeit anerkannt durch das Finanzamt Berlin Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft Konto 834 00 00 BLZ 370 205 00 IBAN: DE 4337 0205 0000 0834 0000 BIC: BFSWDE33XXX

Einleitung Der vorliegende Referentenentwurf für ein Fünftes SGB XI-Änderungsgesetz hat zum Ziel, die Sicherung der Pflege, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen, zu gewährleisten. Insbesondere für Menschen mit Demenz sollen weitere Leistungsausweitungen erfolgen, um deren Lebensqualität im ambulanten und stationären Bereich zu sichern. Gleichfalls sollen für Angehörige und Nahestehende, die die Pflege und/oder Betreuung übernehmen, die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf sowie das pflegerische Umfeld gestärkt werden. Auch soll die Qualität der pflegerischen Versorgung auf hohem Niveau sichergestellt werden. Empfehlungen des vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzten Expertenbeirates zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes sollen umgesetzt und schließlich die Finanzierung der Pflege unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung zukünftig sichergestellt werden. Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) begrüßt grundsätzlich die angestrebte Pflegereform. Im Folgenden wird im Wesentlichen zu grundsätzlichen Fragestellungen, die sich aus der anstehenden Pflegereform ergeben, aus hospizlich-palliativer Perspektive Stellung genommen. Schwerstkranke und Sterbende müssen in der Pflegereform berücksichtigt werden Unstrittig ist, dass die Pflege dringend inhaltlich, bezüglich ihrer finanziellen Rahmenbedingungen sowie hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz weiterentwickelt werden muss. Die im DHPV organisierten Mitgliedseinrichtungen und Mitgliedsorganisationen arbeiten für schwerstkranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige und Nahestehende. Aus unserem Selbstverständnis und unserer inhaltlich-konzeptionellen Expertise heraus kann die Sorge um gepflegte und begleitete Menschen nur im Sinne von Multiprofessionalität unter Einbeziehung ehrenamtlicher MitarbeiterInnen sowie unter Berücksichtigung der physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse der Betroffenen (Total Pain) gelingen. 2

Im vorliegenden Referentenentwurf erkennen wir keine Bezugnahme auf die Tatsache, dass pflegerische Versorgung im o. g. umfänglichen Sinne auch die Pflege schwerstkranker und sterbender Menschen sowie deren Angehörige und Nahestehende beinhaltet. Gleichfalls wird auf die häufig dringend notwendige hospizlich-palliative Versorgung im Entwurf kein Bezug genommen. Wenn die hospizlich-palliative Perspektive keinerlei Berücksichtigung findet, werden ein Großteil der Pflegebedürftigen, aber auch deren Angehörige und Nahestehende sowie die Pflegenden und Betreuenden nicht gänzlich erfasst, zumal in einer vulnerablen Situation wie der des Sterbens eines Menschen. Wir empfehlen, die Zielsetzung der Pflegereform um diese Perspektive zu erweitern. Pflege inhaltlich-konzeptionell weiterentwickeln Den hospizlich-palliativen Ansatz im Qualitätsmanagement berücksichtigen Stationäre Pflege Die deutliche Zunahme der Lebenserwartung hat dazu geführt, dass BewohnerInnen meist erst im hohen Alter, mit fortgeschrittener Multimorbidität und/oder Demenz in die stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommen werden. Aus diesem Grund benötigen die BewohnerInnen daher häufig nicht erst am Lebensende, sondern über einen viel längeren Zeitraum, häufig mit Beginn des Heimeinzuges, hospizlich-palliative Pflege und Begleitung. Die Pflege und Begleitung sollte in dem Umfeld geleistet werden, in dem die Menschen leben nach Möglichkeit und auf Wunsch bis zum Lebensende. Das bedeutet, dass sich die Pflegeheime im hospizlich-palliativen Sinne weiterentwickeln und dabei sinnvolle Bildungs-, Reflexions- und Supervisionsangebote (z. B. 40-stündiges Curriculum Palliative Praxis der Robert Bosch Stiftung oder 160-stündige Zusatzqualifikation Palliative Care ), verzahnt mit Organisationsentwicklungsprozessen im Sinne der sich verändernden Zielgruppen realisieren müssen. Ergänzend dazu ist eine Kooperation mit ambulanten Hospiz- und Palliativdiensten sowie spezialisierten Diensten (z. B. SAPV- Leistungserbringern) sinnvoll und notwendig, um eine umfassende Versorgung und Begleitung der Betroffenen zu ermöglichen. Dies muss in der Pflegereform Berücksichtigung finden. 3

Ebenso ist es dringlich, dass sich hospizlich-palliative Aspekte im Qualitätsmanagement der Heime und in den Qualitätsprüfungen des MDK stärker niederschlagen, um dem Anspruch nach Effizienz und Vertrauen in die Belastbarkeit der Ergebnisse von Qualitätsprüfungen Rechnung zu tragen (S. 39). Die Tatsache, dass das Angebot zusätzlicher Betreuungskräfte nach 87b SGB XI prinzipiell auf alle pflegebedürftigen BewohnerInnen ausgeweitet werden soll, ist begrüßenswert. Es ist aus unserer Sicht fraglich, ob die vorgesehene Betreuungsrelation von einer Betreuungskraft für 20 anspruchsberechtigte Personen (S. 39) ausreicht, in Zusammenarbeit mit den hauptamtlich Pflegenden eine individuelle Begleitung und Betreuung der Pflegebedürftigen sicherzustellen, insbesondere dann, wenn die Themen Sterben, Tod und Trauer relevant werden. Es stellt sich zudem eine zentrale Qualifikationsfrage bzgl. zusätzlicher Betreuungskräfte nach 87b SGB XI, aber auch haupt- und ehrenamtlich tätiger MitarbeiterInnen sowie der Kooperationspartner, z. B. ÄrztInnen. Wir empfehlen dringend die Aufnahme von Maßnahmen und Förderungen, mit dem Ziel, inhaltlich-konzeptionelle Anpassungen der Pflegeheime voranzutreiben. Es gibt bereits beispielhafte Initiativen, die auf regionaler Ebene (z. B. in Berlin, Hamburg oder Jena) aber auch bundesweit tätig sind und auch geeignet sind, diesen Anspruch nachhaltig umzusetzen. Ambulante Pflege Auch die ambulante Pflege bedarf einer inhaltlich-konzeptionellen Weiterentwicklung und besseren Ressourcenausstattung. Schwerstkranke und sterbende Menschen bleiben immer länger im häuslichen Umfeld, wie es ein Ziel des vorliegenden Referentenentwurfs ist und von uns begrüßt wird. Hauptamtlich Pflegende versorgen daher verstärkt Menschen, die eine hospizlich-palliative Versorgung benötigen. Insbesondere der palliativpflegerische Bedarf kann nicht allein durch SAPV-Leistungserbringer gedeckt werden. Vielmehr muss eine hospizlich-palliative Kompetenz in der Fläche im Sinne der Allgemeinen Palliativersorgung (AAPV) eingeführt und umgesetzt werden. Ergänzend ist die Vernetzung mit unterschiedlichen Angeboten, 4

z. B. Hospiz- oder Demenzbesuchsdienste notwendig, aber auch eine hospizlich-palliative Kompetenzstärkung ausreichend vorhandener Pflegekräfte durch entsprechend ausgerichtete Ausbildungs-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Reflexions- und Supervisionsmöglichkeiten. Alltags- und PflegebegleiterInnen können eine sinnvolle Ergänzung zur organisatorischen Entlastung in der häuslichen Versorgung darstellen. Gerade PflegebegleiterInnen übernehmen nach dem vorliegenden Referentenentwurf eine zentrale, vermittelnde Rolle (S. 36). Umso dringender erscheint es, auch diese Personengruppe in ihrer fachlich ambitionierten und herausragenden Aufgabe entsprechend zu qualifizieren, damit eine stabilisierende und fördernde Wirkung für die auf Pflege angewiesenen Menschen überhaupt eintreten kann. Pflegebedürftigkeitsbegriff erweitern Wir setzen uns für die zeitnahe Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Sinne der sich verändernden Zielgruppen pflegerischer Versorgung und deren Bedürfnisse ein. 5