(Anspruch auf Kindergeld bei Auslandsstudium des Kindes - Beibehaltung des Wohnsitzes im Inland)

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Transkript:

FG München, Urteil v. 13.03.2014 5 K 3450/12 Titel: (Anspruch auf Kindergeld bei Auslandsstudium des Kindes - Beibehaltung des Wohnsitzes im Inland) Normenketten: 8 AO 63 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009 63 Abs 1 S 3 EStG 2009 EStG VZ 2012 9 AO Orientierungsätze: 1. Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland (hier: Türkei) begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen. Dabei kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu (vgl. BFH-Rechtsprechung); es kommt nicht darauf an, warum ein Inlandsaufenthalt unterblieben ist. 2. Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubszwecken, Berufszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht "zwischenzeitliches Wohnen" in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht dazu aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. 3. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besagt grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird. 4. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. beim BFH: V B 45/14). 5. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde als unzulässig verworfen (BFH-Beschluss vom 5.8.2014 V B 45/14, nicht dokumentiert). Schlagworte: Absicht, Anspruch, Ausbildung, Ausland, Beibehaltung, Beruf, Besuch, Dauer, Eltern, Familie, Frist, Gewöhnlicher Aufenthalt, Haushalt, Inland, Kind, Kindergeld, Leben, Mittelpunkt, Rückkehr, Stichtag, Studium, Türkei, Urlaub, Vorübergehend, Wohn, Wohnsitz, Wohnung, Zeitraum Fundstellen: BeckRS 2014, 95668 IStR 2015, 179 LSK 2015, 090218 Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Tatbestand 1

I. Der verheiratete Kläger stammt aus der Türkei, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und hat drei Töchter, A., geb. 1987, B., geb. 1992, und C., geb. 1994. 2 Der Kläger mietete zusammen mit seiner Ehefrau am 16. Dezember 2010 eine 65,39 qm große Dreizimmerwohnung in X-Stadt (Anmerkung des Dokumentars: Inland). 3 Im September 2011 immatrikulierte sich B. für ein Theologiestudium mit dem Schwerpunkt Internationale Theologie an der Universität in Y-Stadt (Anmerkung des Dokumentars: Türkei). B. besitzt ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft. 4 Der Kläger teilte der damals noch zuständigen Familienkasse. (Familienkasse) am 5. Dezember 2011 mit, dass seine Tochter B. zwar im Moment in Y-Stadt studiere, B. aber beabsichtige, ihr Studium in X-Stadt fortzusetzen. Seine Tochter komme alle zwei Monate nach Deutschland. Der Kläger legte seinem Schreiben eine Studienbescheinigung der Universität vom 16. September 2011 für B. bei. 5 Mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 setzte die Familienkasse u.a. Kindergeld für B. ab September 2011 in Höhe von 190 monatlich fest. 6 Mit Bescheid vom 8. März 2012 änderte die Familienkasse gemäß 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Festsetzung des Kindergelds für B. mit Wirkung ab April 2012 von monatlich 184 auf monatlich 12,78, da B. ihren Wohnsitz in der Türkei habe. Da der Kläger eine beitragspflichtige Beschäftigung ausübe, bestehe ein Anspruch auf Kindergeld nach dem deutschtürkischen Abkommen. Die Höhe des Kindergeldes für ein zweites Kind betrage nach diesem Abkommen 12,78 monatlich. 7 Den dagegen eingelegten Einspruch vom 13. März 2012 wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012 als unbegründet zurück. 8 Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage und begehrt unter Aufhebung sowohl des Bescheids vom 8. März 2012 als auch der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012, ihm ab April 2012 für seine Tochter B. weiter Kindergeld von monatlich 184 zu gewähren. Seine Tochter habe ihren Wohnsitz nach wie vor bei ihren Eltern. Sie halte sich nur vorübergehend zu Studienzwecken in der Türkei auf. B. habe ihren Wohnsitz im Inland nicht aufgegeben. Das Studium verlange die Anwesenheit in der Türkei auch in den Semesterferien, z.b. zur Erledigung von Hausarbeiten. Für B. handele es sich um eine Heimreise. Dies bedeute, dass sie nicht lediglich ihre Eltern besuche. 9 Der Semesterablauf von B. stelle sich wie folgt dar: 10 WS 2011/2012 19. September 2011 bis 7. Januar 2012 Ferien 8. Januar 2012 bis 12. Februar 2012 SS 2012 13. Februar 2012 bis 10. Juni 2012 11. Juni 2012 bis 16. September 2012 WS 2012/2013 17. September 2012 bis 20. Januar 2013 21. Januar 2013 bis 10. Februar 2013 SS 2013 11. Februar 2013 bis 21. Juni 2013 22. Juni 2013 bis WS 17. September 2013 16. September 2013

2013/2014 11 In folgenden Zeiträumen sei B. bei ihren Eltern gewesen: 13. Januar 2012 bis 8. Februar 2012 (Flugbuchungsbestätigung/Rechnung) 21. Dezember 2012 bis 24. Dezember 2012 (Flugbuchungsbestätigung) 21. Januar 2013 bis 16. Februar 2013 (Flugbuchungsbestätigung) 26. Juni 2013 bis 14. August 2013 (Flugbuchungsbestätigungen) 12 Der Kläger trägt unter Vorlage eines Auszugs seines Mietvertrages ferner vor, dass seine Wohnung von seiner Ehefrau, ihm und derzeit von zwei seiner drei Kindern, B. und C., bewohnt werde. In Y-Stadt lebe B. mit verschiedenen Studentinnen zusammen. Voraussetzung des von B. gewählten Studiengangs sei der Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife. Ein in der Türkei abgelegter Schulabschluss sei für diesen Studiengang nicht ausreichend. Sämtliche Kommilitonen B.s hätten ihren Schulabschluss im Ausland getätigt. Das Studienfach sei somit einzigartig. Nach Abschluss ihres Studiums werde B. einen Beruf im Inland ausüben. Anderes anzunehmen, sei abwegig, da B. in Deutschland aufgewachsen sei. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass auch andere Studenten an der Hochschule in der Türkei studierten, für die Kindergeld gewährt würde. 13 Aufgrund des Beschlusses des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit (Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 14 ff., Nr. 1 der Anlage 2) ist seit 1. Mai 2013 die Familienkasse (die Beklagte) für den Streitfall zuständig. 14 Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 8. März 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012 aufzuheben. 15 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 16 Aufgrund der angegebenen Flugdaten halte sich B. entgegen den Angaben im Verwaltungsverfahren nicht alle zwei Monate im Inland auf. B. habe sich im Entscheidungszeitraum überwiegend in der Türkei aufgehalten. Die Wohnung des Klägers in X-Stadt sei für eine Familie mit drei erwachsenen Kindern nicht ausreichend groß. Den kurzzeitigen Aufenthalten in X-Stadt komme lediglich Besuchscharakter zu. 17 Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2012, die Kindergeldakte, insbesondere die Studienbescheinigungen der Universität vom 16. September 2011 und vom 20. März 2012, die Aufklärungsanordnung vom 9. April 2013 und vom 3. Dezember 2013, die im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. März 2014 Bezug genommen. Entscheidungsgründe 18 II. 1. Der während des Klageverfahrens durch den Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit vom 18. April 2013 Nr. 21/2013 gemäß 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes (Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) eingetretene Zuständigkeitswechsel führt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. z.b. BFH-Urteil vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, oder BFH-Beschluss vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.A.).

19 2. Die zulässige Klage ist unbegründet. 20 2.1. Der Kläger hat nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass B. im Streitzeitraum (April 2012 bis Oktober 2012) noch einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland inne hatte. 21 Nach 62 Abs. 1 Nr. 1 i.v.m. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat derjenige, der im Inland über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt, einen Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kinder, die ebenfalls im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innehaben. Die Türkei zählt nicht zu den in 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten. 22 Der BFH hat bereits mehrfach in rechtsgrundsätzlicher Weise entschieden, dass die Anknüpfung der Kindergeldberechtigung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in 63 Abs. 1 Satz 3 EStG als weitere Ausprägung des Territorialitätsprinzips nicht sachwidrig ist und daher nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2013 III B 24/13, juris, m.w.n.). 23 Die Feststellungslast zum Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland als tatbestandliche Voraussetzung für einen Kindergeldanspruch liegt beim Kindergeldberechtigten (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294). 24 a) Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach 8 der Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. 25 aa) Melderechtliche Normen sowie bürgerlich-rechtliche Vorschriften zur Begründung, Beibehaltung und Aufgabe eines Wohnsitzes sind für die Auslegung dieser Vorschriften nicht maßgeblich (vgl. z.b. BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BStBl II 1996, 2). 26 Die Begründung eines Wohnsitzes erfolgt durch tatsächliches Handeln, der bloße Wille des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht entscheidend. Von ausschlaggebender Bedeutung ist vielmehr die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse, d.h. der objektive Zustand. Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht, nach dem Begründung, Beibehaltung und Aufgabe des Wohnsitzes rechtsgeschäftliche Willenserklärungen darstellen ( 7, 8 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), genügt deshalb für den Bereich des Steuerrechts ein natürlicher Wille, den auch ein Geschäftsunfähiger haben kann; auf den Willen des gesetzlichen Vertreters kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteile vom 7. April 2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351, und vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887). 27 Der Wohnsitzbegriff i. S. von 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken oder ein Aufenthalt, der nur Besuchscharakter hat, reichen nicht aus. Außer dem Innehaben einer Wohnung setzt der Wohnsitzbegriff zunächst Umstände voraus, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung durch den Inhaber beibehalten und als solche

genutzt werden soll. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne besteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz. Die gesetzliche Regelung geht dahin, aus äußeren objektiven Tatsachen Schlüsse auf das zukünftige tatsächliche Verhalten einer Person zu ziehen. Es handelt sich deshalb um eine Prognoseentscheidung. 28 Ein solcher Umstand, der auf die Beibehaltung und Benutzung schließen lässt, ist die voraussichtliche Nutzungsdauer. Als Anhaltspunkt für die Beibehaltung und Nutzung ist regelmäßig auf die Sechsmonatsfrist des 9 Satz 2 AO zurückzugreifen, da in dieser Frist zum Ausdruck kommt, ab welcher Zeitdauer ein Aufenthalt nicht mehr nur vorübergehend ist. Dies ist auch für 8 AO maßgebend, weil eine nur vorübergehende Nutzung einer Wohnung keinen Wohnsitz begründet. 29 Das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten oder benutzt wird, schließt nicht aus, dass die Wohnung vorübergehend nicht benutzt wird. Periodische Auslandsaufenthalte stellen das Innehaben eines Wohnsitzes auch dann nicht in Frage, wenn sie sich über einen Zeitraum von etlichen Jahren erstrecken. 30 Im Einzelfall können auch zwei Wohnsitze nebeneinander bestehen (vgl. auch 19 Abs. 1 Satz 2 AO), wenn nach den äußeren Umständen der Lebensmittelpunkt zeitlich und örtlich zwei Wohnungen in verschiedenen Orten zuzuordnen ist und so zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse gebildet worden sind (vgl. BFH in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, m.w.n., und BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2011 III B 24/10, BFH/NV 2012, 917). 31 Die Rechtsgrundsätze, nach denen zu entscheiden ist, ob ein Kind, das sich zum Zweck des Studiums längerfristig im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält, hat der BFH bereits mehrfach dargelegt. Kinder, die sich zum Zwecke des Studiums für mehrere Jahre ins Ausland begeben, behalten ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn sie diese in ausbildungsfreien Zeiten nutzen. Dabei kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu. Eine Aufenthaltsdauer von jährlich fünf Monaten in der Wohnung der Eltern genügt jedenfalls, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten, sie ist dafür aber nicht stets erforderlich. Soweit die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das im Ausland studierende Kind von der Dauer der Inlandsaufenthalte abhängt, sind Zeiträume außer Betracht zu lassen, in denen sich das Kind vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums ausschließlich im Inland aufhält. Daher könnte z.b. für ein Kind, das sein langjähriges Auslandsstudium im November beginnt, das Kindergeld für den Monat Dezember mangels eines inländischen Wohnsitzes versagt werden, obwohl es sich in den vorangegangenen elf Monaten des Kalenderjahres ausschließlich im Inland aufgehalten hat; kehrt ein Kind z.b. nach Abschluss eines mehrjährigen Auslandsstudiums im Februar auf Dauer nach Deutschland zurück, so genügt dies nicht zur Begründung des Kindergeldanspruchs für den Monat Januar. Maßgeblich sind vielmehr nur die Dauer und die Häufigkeit der Inlandsaufenthalte während der Zeiträume, in denen das Kind im Ausland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. 32 Eine vorübergehende räumliche Trennung vom Wohnort steht der Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht entgegen. Allein die mit einer Unterbringung in einer studentischen Wohngemeinschaft verbundene räumliche Trennung von den Eltern bedingt keine Auflösung der familiären Bindungen und bringt keine Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse an den Ort des Studiums mit sich. Am Studienort oder in der Nähe des Studienortes in einem möblierten Zimmer oder Studentenheim wohnende Studenten behalten ihren Wohnsitz bei den Eltern, soweit durch die auswärtige Unterbringung ihre Bindung zum

Elternhaus bestehen bleibt. Dabei sind von der Rechtsprechung Zeiträume von drei bis fünf Jahren als unbedenklich angesehen worden. 33 Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht "zwischenzeitliches Wohnen" in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht dazu aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. Zum einen müssen die objektiven Wohnverhältnisse so geartet sein, dass sie die Möglichkeit eines längeren Wohnens des Kindes in der Wohnung der Eltern bieten. Zum anderen darf die Anwesenheit des Kindes in der elterlichen Wohnung nicht nur Besuchscharakter haben, wie das bei Aufenthalten von jeweils zwei bis drei Wochen pro Jahr der Fall ist. 34 Dient ein Auslandsaufenthalt ausschließlich der Durchführung einer bestimmten Maßnahme (wie z.b. der Schul- oder Berufsausbildung), ist er deshalb von vornherein zeitlich beschränkt, und hat der Betroffene die Absicht, nach dem Abschluss der Maßnahme wieder an den bisherigen Wohnort oder gar in die elterliche Wohnung zurückzukehren, reicht dies allein jedoch nicht dafür aus, um vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besagt grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet wird. Der Inlandswohnsitz wird in solchen Fällen nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung am Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (vgl. BFH in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, BFH-Beschluss vom 28. Januar 2010 III B 33/09, BFH/NV 2010, 829, und BFH-Urteil vom 28. April 2010 III R 52/09, BFHE 229, 270, BStBl II 2010, 1013). 35 bb) Bei der Anwendung dieser Rechtsprechung des BFH ist nicht davon auszugehen, dass B. im Streitzeitraum über einen Wohnsitz bei den Eltern im Inland verfügte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Der Kläger hat keine schlüssigen Angaben gemacht geschweige denn Nachweise beigebracht, die einen gegenteiligen Schluss zuließen. Dies geht zu seinen Lasten. 36 Der ausschließliche Inlandsaufenthalt B.s vor Antritt ihres Studiums in der Türkei kann nicht begründen, dass der inländische Wohnsitz bis zum Ende des Jahres 2011 beibehalten wurde. 37 Aufgrund ihres mehrjährig dauernden Studiums hat B. jedenfalls einen Wohnsitz in Y-Stadt begründet. Trotz Hinweises des Gerichts hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass B. einen Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse in X-Stadt beibehalten hat. 38 Die Familienkasse hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich ist, dass der Studienaufenthalt B.s in der Türkei nur auf einen kurzen Zeitraum begrenzt wäre. Der Wille B.s ins Inland zurückzukehren, besagt nichts darüber, dass B. den Wohnsitz bei ihren Eltern zwischenzeitlich beibehalten hat. B. hat ab September 2011 ein mehrjährig dauerndes Studium der Theologie mit Schwerpunkt Internationale Theologie an der Universität in Y-Stadt aufgenommen. Erst nach Abschluss dieses Studiums kann nach den Angaben des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung der Master im Inland, z.b. an der Universität in Z., erworben werden. 39 Gegen eine Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes B.s spricht ferner, dass sie seit Aufnahme ihres Studiums nicht ihre gesamten ausbildungsfreien Zeiten im Inland verbracht hat. Die ursprünglichen

Angaben des Klägers im Rechtsbehelfsverfahren, seine Tochter B. habe sich alle zwei Monate im Inland aufgehalten, haben sich aufgrund seiner späteren Angaben und aufgrund der beigebrachten Nachweise im Klageverfahren als unzutreffend erwiesen. Auch nach dem klägerischen Sachvortrag war B. jedenfalls nicht in den Semesterferien vom 11. Juni 2012 bis 16. September 2012 in Deutschland. Eine schlüssige nachweisbare Begründung dafür, erfolgte nicht. Die Nachfrage des Gerichts, welche Hausarbeiten in Semesterferien zu bearbeiten waren, ließ der Kläger unbeantwortet. Selbst dann, wenn ohne jeden Nachweis als wahr unterstellt würde, dass B. teilweise Hausarbeiten oder Klausuren während dieser Semesterferien fertigen musste, ist nicht nachvollziehbar, dass sie in drei Monaten nicht wenigstens zeitweise nach X-Stadt zurückgekehrt ist, wenn doch hier nach dem Vortrag des Klägers ihr Lebensmittelpunkt liegt. Der Vortrag des Klägers, dass B. nur aus finanziellen Gründen nicht nach X-Stadt zurückgekehrt ist, ist nicht entscheidungserheblich. Denn für die Beibehaltung des Wohnsitzes kommt der Dauer der Inlandsaufenthalte erhebliche Bedeutung zu; es kommt nicht darauf an, warum ein Inlandsaufenthalt unterblieben ist. 40 Umstände dafür, dass den Inlandsaufenthalten B.s seit Beginn des Studiums nicht nur Besuchscharakter zukam, hat der Kläger trotz Aufforderung des Gerichts weder vorgetragen noch Nachweise dafür vorgelegt. Insoweit kann dahinstehen, ob die Wohnung des Klägers überhaupt Räumlichkeiten aufweist, die noch für die Unterbringung von zwei erwachsenen Töchtern objektiv als ausreichend zu werten sind. 41 b) B. hatte im Streitzeitraum nicht mehr in Deutschland, sondern in der Türkei ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Sie begründete in Y-Stadt ihren gewöhnlichen Aufenthalt. 42 aa) Nach 9 AO hat jemand dort den gewöhnlichen Aufenthalt, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Dies gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert. 43 Aus dem Wortlaut des Gesetzes ("den" gewöhnlichen Aufenthalt) folgt, dass eine Person nicht gleichzeitig verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, sondern zu einer bestimmten Zeit immer nur einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (vgl. BFH-Urteile vom 9. Februar 1966 I 244/63, BFHE 85, 540, BStBl III 1966, 522; vom 10. August 1983 I R 241/82, BFHE 139, 261, BStBl II 1984, 11). Deshalb wird mit der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts immer der bisherige aufgegeben (Buciek in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, 9 AO Rz. 10, m.w.n.). 44 Verlässt jemand das Inland, so ist entscheidend, ob die Abwesenheit im Inland zu einer Lockerung des Bandes zum Inland führt. Dabei sind für den Fortbestand einer hinreichenden Verbindung umso engere Beziehungen zum Inland notwendig, je länger die tatsächliche Abwesenheit andauert; im Zweifelsfall sind die Abwesenheitszeiten einerseits und die für die Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthalts andererseits sprechenden Umstände untereinander zu gewichten (Buciek in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, 9 AO Rz. 35). Entscheidend ist, ob die Abwesenheit nach den erkennbaren Umständen darauf hindeutet, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich von dem bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort wegverlagert hat. In diesem Zusammenhang sind insbesondere berufliche, familiäre oder gesellschaftliche Bindungen zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 27. April 2005 I R 112/04, BFH/NV 2005, 1756, und vom 22. Juni 2011 I R 26/10, BGH/NV 2011, 2001). 45

bb) B. befindet sich seit September 2011 zwecks Durchführung ihres Studiums mittlerweile schon mehr als zwei Jahre im Ausland und lebt dort mit anderen Studentinnen in einer Wohngemeinschaft. Bereits nach dem Vortrag des Klägers hat sich B. seit Beginn ihres Studiums vom 13. Januar 2012 bis 8. Februar 2012 kurzzeitig im Inland, dann aber nur noch bis 20. Dezember 2012 in Y-Stadt aufgehalten (vgl. BFH in BGH/NV 2011, 2001). Substantiierte Angaben, die zur Prüfung eines Schwerpunktaufenthalts im Inland hätten führen können, sind seitens des Klägers unterblieben. Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass sich B.s Band zum Inland seit Aufnahme des Studiums wesentlich gelockert hat. 46 2.2. Gemäß 70 Abs. 3 EStG können materielle Fehler der letzten Festsetzung durch Neufestsetzung oder durch Aufhebung der Festsetzung beseitigt werden. Neu festgesetzt oder aufgehoben wird mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Neufestsetzung oder der Aufhebung der Festsetzung folgenden Monat. 47 Wegen der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes durch die Aufnahme eines Auslandsstudiums war der Kläger entgegen der Festsetzung von Kindergeld mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 nicht kindergeldberechtigt. Die Familienkasse war danach berechtigt, die Festsetzung von Kindergeld für B. ab April 2012 aufzuheben. 48 Dabei kann dahinstehen, ob die Familienkasse, wie der Kläger behauptet, in vergleichbaren Fällen einen inländischen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt bejaht hat und deshalb die Kindergeldfestsetzung nicht aufgehoben hat. Denn der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gewährt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis. Eine "Gleichheit im Unrecht" gibt es nicht (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2010 III R 3/08, BFH/NV 2010, 1262, m.w.n.). 49 Ebenso kann im Streitfall dahinstehen, dass ein Deutscher, der nicht mehr im Besitz der türkischen Staatsangehörigkeit ist, auch aufgrund des europäisch-türkischen Assoziationsrechts keinen Kindergeldanspruch für seine in der Türkei lebenden Kinder hat, wenn diese nicht mehr über einen inländischen Wohnsitz verfügen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2012 III B 108/12, BFH/NV 2013, 538). Denn das Gericht darf durch seine Entscheidung die Rechtsposition des Klägers im Vergleich zum Zustand vor Klageerhebung nicht verschlechtern (vgl. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung -FGO-, 7. Aufl., 96 Rz. 7, m.w.n.). 50 3. Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO.