Chemie. Das Basiswissen der Chemie. Bearbeitet von Ulrich Müller Charles E. Mortimer

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Chemie Das Basiswissen der Chemie Bearbeitet von Ulrich Müller Charles E. Mortimer 10., überarb. Aufl. 2010. Taschenbuch. 800 S. Paperback ISBN 978 3 13 484310 1 Format (B x L): 19 x 23 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Vorklinische Medizin: Grundlagenfächer > Physik, Chemie, Biologie für Mediziner Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

5 Energieumsatz bei chemischen Reaktionen 5 Zusammenfassung Bei chemischen Prozessen wird Energie aufgenommen oder abgegeben. Die Thermochemie befasst sich mit den Energiebeträgen, die als Wärme umgesetzt werden. Die Wärmekapazität eines Körpers ist die benötigte Wärmemenge, um den Körper um 1 C zu erwärmen. Der Wärmeumsatz einer chemischen Reaktion wird mit Hilfe eines Kalorimeters bestimmt. Dabei wird aus der Temperaturänderung des Kalorimeters und seines Inhalts sowie aus deren Wärmekapazitäten die umgesetzte Wärmemenge berechnet. In jedem Stoff steckt eine bestimmte innere Energie. Die Differenz der inneren Energien von Produkten und Reaktanden einer chemischen Reaktion ist die Reaktionsenergie U.Wird die Reaktion bei konstantem Druck p durchgeführt (offenes Reaktionsgefäß) und tritt bei der Reaktion eine Volumenänderung V der Stoffe ein, dann wird gegen den Atmosphärendruck die Volumenarbeit p V geleistet; dies ist bei der Bildung oder dem Verbrauch eines Gases der Fall. Die Reaktionsenthalpie ist definiert als H = U + p V, sie gibt den als Wärme beobachtbaren Anteil der Reaktionsenergie an. Wenn bei der Reaktion Wärme freigesetzt wird, spricht man von einer exothermen Reaktion, H ist dann negativ.bei einer endothermen Reaktion wird Wärme aufgenommen, H ist positiv. Eine thermochemische Gleichung besteht aus einer Reaktionsgleichung und der Angabe des zugehörigen H-Werts. Rechnungen damit erfolgen wie bei stöchiometrischen Rechnungen. Die H-Werte können durch kalorimetrische Messung bestimmt werden. Nach dem Satz von Hess ist der Wert von H unabhängig davon, ob eine Reaktion in einem oder mehreren Schritten abläuft. Mit Hilfe von Standard-Bildungsenthalpien Hf 0 kann die Reaktionsenthalpie einer Reaktion mit der Gleichung H 0 = H 0 f (Produkte) H 0 f (Reaktanden) berechnet werden. Mit mittleren Bindungsenergien kann der H-Wert einer Reaktion abgeschätzt werden; H ergibt sich als Summe aller H-Werte für die Energie, die zum Aufbrechen der Bindungen der Reaktanden benötigt wird, und der H-Werte für die Energie, die bei der Bildung neuer Bindungen in den Produkten frei wird. Übersicht 5.1 Energiemaße 46 5.2 Temperatur und Wärme 47 5.3 Kalorimetrie 47 5.4 Reaktionsenergie und Reaktionsenthalpie 48 5.5 Der Satz von Hess 51 5.6 Bildungsenthalpien 52 5.7 Bindungsenergien 54 Übungsaufgaben 57 Schlüsselworte (s. Glossar) Energie Wärme Thermochemie Temperatur Spezifische Wärme Joule Kalorie Wärmekapazität Kalorimeter Reaktionsenergie Innere Energie Enthalpie Reaktionsenthalpie Volumenarbeit Endotherme Reaktion Exotherme Reaktion Gesetz der konstanten Wärmesummen (Satz von Hess) Bildungsenthalpie Standard-Bildungsenthalpie Dissoziationsenergie Bindungsenergie mittlere Bindungsenergie

46 5 Energieumsatz bei chemischen Reaktionen Im Verlaufe einer chemischen Reaktion wird von den beteiligten Stoffen Energie freigesetzt oder aufgenommen, zu jeder Stoffumsetzung gehört auch eine Energieumsetzung. Berechnungen mit den fraglichen Energiebeträgen sind ebenso von Bedeutung wie die Berechnungen der umgesetzten Stoffmassen. Die freigesetzte oder aufgenommene Energie kann in verschiedenen Formen in Erscheinung treten: als Licht, als elektrische Energie, als mechanische Energie und vor allem als Wärme. Unter Thermochemie versteht man die Untersuchung der Wärmemengen, die bei chemischen Prozessen umgesetzt werden. 5.1 Energiemaße F=m a 1N =1kg m/s 2 W=F s 1J=1N m=1kg m 2 /s 2 E kin = W = 1 2 mv 2 James Joule *1818 Salford bei Manchester 1889 Sale bei Manchester Henry Roscoe. The Life &Experiences of Sir Henry Enfield Roscoe (Macmillan: London and New York), p. 120 Wenn auf einen Körper mit Masse m eine Kraft F ausgeübt wird, so wird er in Bewegung gesetzt und beschleunigt. Die Beschleunigung a ist die Geschwindigkeitszunahme pro Zeiteinheit. Nach dem Newton-Gesetz sind Kraft und Beschleunigung einander proportional. Die Beschleunigung wird in m/s 2 gemessen. Die SI-Einheit der Kraft ist das Newton (abgekürzt N). 1Newton ist die Kraft, mit der die Masse m =1kg mit a =1m/s 2 beschleunigt wird. Beim Beschleunigen des Körpers wird Arbeit geleistet. Die Arbeit W ist definiert als das Produkt der wirkenden Kraft mal der Weglänge s,die vom Körper aufgrund der Krafteinwirkung zurückgelegt wird. Im internationalen Einheitensystem ist die Einheit für die Arbeit das Joule (abgekürzt J). 1Joule ist die Arbeit, die bei der Ausübung einer Kraft F =1Nüber eine Wegstrecke von s = 1m geleistet wird. Energie ist die Fähigkeit, Arbeit zu leisten. Energie kann in unterschiedlichen Formen auftreten, zum Beispiel als Bewegungsenergie (kinetische Energie), elektrische Energie, Wärme(-energie) oder chemische Energie. Nachdem ein Körper der Masse m auf die Geschwindigkeit v beschleunigt wurde und dabei die Arbeit W aufgewandt wurde, verfügt der Körper über kinetische Energie;mit der kinetischen Energie kann wieder Arbeit geleistet werden, wenn der Körper gegen eine Kraft wirkt und dabei seine Geschwindigkeit verliert, d. h. verzögert wird (Verzögerung = negative Beschleunigung). Die dabei geleistete Arbeit ist genauso groß wie die Arbeit, die beim anfänglichen Beschleunigen des Körpers geleistet wurde. Die im bewegten Körper steckende kinetische Energie entspricht genau dem Betrag dieser Arbeit. Die kinetische Energie E kin steht mit der Masse m und der Geschwindigkeit v in Beziehung. Energie kann von einer Form in eine andere umgewandelt werden, sie kann aber nie erzeugt oder vernichtet werden. Auf diesen Satz der Erhaltung der Energie (Erster Hauptsatz der Thermodynamik) kommen wir im Kapitel 21 (S. 341) zurück. Auch bei der Umwandlung von mechanischer Energie in Wärmeenergie, zum Beispiel wenn ein bewegter Körper gegen eine Wand prallt und seine kinetische Energie in Wärme umgewandelt wird, wird aus einer bestimmten Energiemenge immer eine definierte Menge an Wärme erhalten; dies wurde von James Joule entdeckt. Das Maß für die Energie entspricht dem Betrag der Arbeit, die damit geleistet werden kann; 1 Joule ist die Einheit für die Energie, unabhängig von der Form, in der sie auftritt.

5.3 Kalorimetrie 47 5.2 Temperatur und Wärme Wärme ist eine Form von Energie, die in jedem Körper in unterschiedlicher Menge enthalten sein kann. Zwischen zwei Körpern, die in Kontakt miteinander sind, fließt Wärme von einem zum anderen, wenn die Temperaturen der Körper verschieden sind. Die Temperatur ist ein Maß dafür, in welcher Richtung der Wärmefluss erfolgt. Als Einheit zur Temperaturmessung verwenden wir neben dem Grad Celsius ( C) das Kelvin (Symbol K); beide unterscheiden sich durch die Wahl des Nullpunktes, während die Einheiten selbst gleich groß sind. Die Temperatur in K ist gleich der Temperatur in C nach Addition des Wertes 273,15. Die spezifische Wärme einer Substanz ist die Wärmemenge, die benötigt wird, um 1g der Substanz um 1 C zuerwärmen. Für lange Zeit diente die spezifische Wärme des Wassers als Maßeinheit für die Wärmeenergie: die Kalorie (cal) war definiert als die Wärmemenge, die zum Erwärmen von 1g Wasser nötig ist. Es gibt mehrere Umrechnungsfaktoren von Kalorien auf Joule. Obwohl deshalb nicht eindeutig ist, was gemeint ist, werden Energieangaben oft immer noch in Kalorien gemacht. 1cal = 4,184 J(thermochemische Kalorie =Wärmekapazität von 1g Wasser bei 17 C an Luft unter Atmosphärendruck) 1cal =4,1858 J(Wasser bei 15 C) 1 cal = 4,1819 J(Wasser bei 20 C) 1cal = 4,1868 J(internationale Kalorie) 5 5.3 Kalorimetrie Die Wärmekapazität C eines Körpers mit der Masse m ist die Wärmemenge, die benötigt wird, um die Temperatur des Körpers um 1 C zu erhöhen. Sie ist das Produkt aus der spezifischen Wärme mal der Masse. Um einen Körper von der Temperatur T 1 auf die Temperatur T 2 zu erwärmen, ist die Wärmemenge Q erforderlich: Q = C (T 2 T 1 ) Q = C (T 2 T 1 ) Beispiel 5.1 Wasser hat bei 20 C eine spezifische Wärme von 4,18J g 1 K 1.Die Wärmekapazität von 125g Wasser beträgt: C =125 g 4,18J g 1 K 1 =523 J/K Um 125 g Wasser von 20,0 C (293,15 K)auf 25,0 C (298,15 K)zu erwärmen, benötigt man die Wärmemenge: Q =523 J K 1 (25,0 20,0) K=2,61 10 3 J=2,61kJ Ein Kalorimeter dient zum Messen der Wärmemengen, die bei chemischen Reaktionen freigesetzt oder aufgenommen werden. Ein Bombenkalorimeter ( 5.1) wird verwendet, um die bei Verbrennungsprozessen freigesetzte Wärme zu messen. Die Messung wird folgendermaßen durchgeführt: 1. Eine sorgfältig abgewogene Menge der Probe wird in die Bombe eingebracht, die dann mit Sauerstoff unter Druck gefüllt und geschlossen wird. 2. Die Bombe wird in einer abgewogenen Menge Wasser versenkt, das sich in einem gegen Wärmeaustausch isolierten Gefäß befindet. Durch Rühren wird für eine gleichmäßige Temperatur des Wassers im ganzen Gefäß gesorgt. 3. Die Anfangstemperatur T 1 wird gemessen. 5.1 Ein Bombenkalorimeter

48 5 Energieumsatz bei chemischen Reaktionen 4. Durch elektrische Zündung wird die Verbrennungsreaktion ausgelöst. 5. Die freigesetzte Wärme sorgt für eine Erhöhung der Temperatur auf den Endwert T 2. 6. Sowohl das Wasser als auch das Kalorimeter nehmen Wärme auf. Die Wärmekapazität des Wassers kann aus der Masse des Wassers berechnet werden. Diejenige des Geräts wird experimentell ermittelt, indem die Temperaturerhöhung nach Zufuhr einer bekannten Wärmemenge (z. B. durch elektrische Beheizung) gemessen wird. Die Wärmekapazität ergibt sich als Summe beider Werte: C gesamt = C Wasser + C Gerät 7. Die beim Experiment freigesetzte Wärme Q wird aus der gemessenen Temperaturerhöhung berechnet: Beispiel 5.2 Q = C gesamt (T 2 T 1 ) In einem Bombenkalorimeter wird Traubenzucker (C 6 H 12 O 6 )verbrannt: C 6 H 12 O 6 (s) +6O 2 (g) 6CO 2 (g) +6H 2 O(B) Das Kalorimeter habe eine Wärmekapazität von C Gerät =2,21kJ/K, und es sei mit 1,20 kg Wasser gefüllt. Die Anfangstemperatur sei T 1 =19,00 C; nach Verbrennung von 3,00 gtraubenzucker steigt die Temperatur auf T 2 = 25,50 C. Welche Wärme wird bei der Verbrennung von 1mol Traubenzucker frei? Berechnung der Wärmekapazität des Kalorimeters: C gesamt =1,20 kg 4,18kJ kg 1 K 1 +2,21kJ K 1 =7,23 kj K 1 Berechnung der Wärmemenge: Q = C gesamt (T 2 T 1 )=7,23 kj K 1 6,50 K=47,0 kj Diese Wärmemenge wird bei der Verbrennung von 3,00 g Traubenzucker abgegeben. Mit M (Traubenzucker) =180 g mol 1 gilt: Q =47,0kJ 180g mol 1 3,00 g =2,82 10 3 kj/mol 5.4 Reaktionsenergie und Reaktionsenthalpie 5.2 Ein Gas, das bei einer chemischen Reaktion entsteht, leistet mechanische Arbeit gegen die Außenatmosphäre, erkennbar am Herausdrücken eines Kolbens. Auch wenn der Kolben fehlt (offenes Gefäß), wird die gleiche Arbeit geleistet (Außenluft wird verdrängt). Wenn in einem geschlossenen Gefäß eine Reaktion abläuft, bei der ein Gas entsteht (oder mehr Gas entsteht als verbraucht wird), so wird der Druck innerhalb des Gefäßes ansteigen. Wenn das Gefäß ein Zylinder ist, der mit einem beweglichen Kolben verschlossen ist, dann wird durch den Druckanstieg der Kolben in Bewegung gesetzt, es wird mechanische Arbeit geleistet. Die Kraft, gegen welche die Arbeit geleistet wird, ist durch den von außen gegen den Kolben wirkenden Atmosphärendruck p bedingt ( 5.2). Der Kolben kommt zum Stillstand, wenn durch die Volumenvergrößerung im Inneren des Zylinders der Druck auf den gleichen Wert p wie der Außendruck gesunken ist.

5.4 Reaktionsenergie und Reaktionsenthalpie 49 Der Querschnitt des Kolbens habe eine Fläche A. Die von außen auf den Kolben wirkende Kraft beträgt dann F = A p Wenn der Kolben um eine Wegstrecke s nach außen geschoben wird, erhöht sich das Volumen im Zylinder um 5 V = V 2 V 1 = A s (V 1 =Anfangs-, V 2 =Endvolumen) Die geleistete Arbeit beträgt W = F s = A p s = V p Sie wird Volumenarbeit genannt. Die gleiche Volumenarbeit wird auch geleistet, wenn die Reaktion in einem offenen Gefäß abläuft; das entstehende Gas leistet Arbeit, indem es gegen den Druck der Außenatmosphäre wirkt und die umgebende Luft verdrängt ( 5.2). Bei einer Reaktion, die im geschlossenen Gefäß abläuft, zum Beispiel in einem Bombenkalorimeter, wird keine mechanische Arbeit geleistet. Die gesamte bei der Reaktion freigesetzte Energie kann als Wärmeenergie anfallen. Diese Gesamtenergie nennen wir Reaktionsenergie. Jeder Stoff hat in sich Energie in irgendeiner Form gespeichert, wir nennen sie die innere Energie U. Die Summe der inneren Energien der Reaktanden sei U 1,die der Produkte U 2.Die Reaktionsenergie U ist deren Differenz. Die meisten chemischen Reaktionen werden in offenen Gefäßen durchgeführt. Wenn dabei Volumenarbeit geleistet wird, kann diese nicht mehr als Wärmeenergie anfallen, d. h. freigesetzte Reaktionsenergie teilt sich auf Volumenarbeit und einen restlichen, als Wärme erhältlichen Energieanteil auf. Diesen restlichen Anteil nennen wir Reaktionsenthalpie (Reaktionswärme, Wärmetönung); sie wird mit dem Symbol H bezeichnet. Reaktionen, bei denen Wärme freigesetzt wird, heißen exotherme Reaktionen, für sie hat H ein negatives Vorzeichen. Endotherme Reaktionen benötigen die Zufuhr von Wärme, H hat positives Vorzeichen. Man beachte bei der nebenstehenden Definitionsgleichung für die Reaktionsenthalpie die Definition für die Vorzeichen! U 1 und V 1 sind die innere Energie bzw. das Volumen vor der Reaktion, U 2 und V 2 nach der Reaktion. Wenn U 1 > U 2,sohaben die Produkte eine geringere innere Energie; in diesem Fall wird Energie an die Umgebung abgegeben und U = U 2 U 1 ist negativ. Wenn V 1 < V 2,soist das Volumen nach der Reaktion größer, eswird mechanische Arbeit geleistet, und W = p V = p (V 2 V 1 )ist positiv. Wenn zu einem negativen U-Wert ein positiver W-Wert addiert wird, ist der resultierende H-Wert weniger negativ als U, d.h.die abgegebene Reaktionswärme ist weniger als die Reaktionsenergie. Reaktionsenergie U = U 2 U 1 U positiv: Energie wird aufgenommen U negativ: Energie wird abgegeben Reaktionsenthalpie H = U + p V H negativ: Wärmeenergie wird abgegeben H positiv: Wärmeenergie wird aufgenommen Beispiel 5.3 Bei der Reaktion H 2 SO 4 (B) +CaCO 3 (s) CaSO 4 (s) +H 2 O(B)+CO 2 (g) wird das Gas CO 2 entwickelt. 1mol CO 2 beansprucht bei 25 C und einem Atmosphärendruck von p = 101kPa ein Volumen von 24,5 L/mol. Wegen

50 5 Energieumsatz bei chemischen Reaktionen der Volumenvergrößerung von V =24,5 L/mol wird folgende Volumenarbeit geleistet: p V =101 10 3 N m 2 24,5 10 3 1 m 3 mol =2,5 10 3 J/mol =2,5 kj/mol Die Reaktionsenergie beträgt U = 96,1kJ/mol, das negative Vorzeichen zeigt uns die Abgabe von Energie an. Als Wärmeenergie erhält man nur die Reaktionsenthalpie mit dem kleineren Betrag H = U + p V =( 96,1 +2,5) kj/mol = 93,6 kj/mol griechisch: en =darin thalpos =Wärme Genauso wie die Reaktionsenergie U als Differenz der inneren Energien von Produkten und Reaktanden zu verstehen ist, kann man die Reaktionsenthalpie H als Differenz von Enthalpien oder Wärmeinhalten H 2 und H 1 der Produkte bzw. Reaktanden auffassen: H = H 2 H 1 5.3 Enthalpie-Diagramm für eine exotherme Reaktion Bei einer exothermen Reaktion haben die Produkte einen geringeren Wärmeinhalt als die Reaktanden ( 5.3), bei einer endothermen Reaktion ist es umgekehrt ( 5.4). Die Enthalpien chemischer Substanzen hängen von der Temperatur, dem Druck und dem Aggregatzustand ab. Durch Konvention werden die für chemische Reaktionen angegebenen H-Werte auf Bedingungen bei 25 C und Norm-Atmosphärendruck (101,3 kpa) bezogen; abweichende Bedingungen müssen spezifiziert werden. Thermochemische Angaben müssen sich auf eine bestimmte Reaktionsgleichung beziehen. Der Wert für H wird neben die Reaktionsgleichung geschrieben und bezieht sich auf die in der Gleichung aufgeführten Stoffmengen in Mol. Die Molzahlen dürfen auch Bruchzahlen sein. Wenn 1mol H 2 mit einem halben mol O 2 unter Bildung von Wasser reagiert, wird die Wärmemenge von 286 kj freigesetzt: H 2 (g) + 1 2 O 2 (g) H 2 O(B) H = 286 kj/mol 5.4 Enthalpie-Diagramm für eine endotherme Reaktion Der Aggregatzustand aller beteiligten Substanzen muss angegeben werden: (g) für gasförmig, (s) für fest (solidus), (l) für flüssig (liquidus) und (aq) für Lösung in Wasser (aqua). Die Notwendigkeit der Angabe wird durch Vergleich der folgenden Gleichung mit der obigen Gleichung deutlich: H 2 (g) + 1 2 O 2 (g) H 2 O(g) H = 242 kj/mol Wenn das Reaktionsprodukt Wasserdampf anstelle von flüssigem Wasser ist, werden 44 kj pro mol H 2 Oweniger an Wärme frei. Dies entspricht dem Energiebetrag, der notwendig ist, um 1mol H 2 O(l) in 1mol H 2 O(g) bei 25 C und Atmosphärendruck zu überführen. Bei Umkehrung der Formulierung einer Reaktionsgleichung wird das Vorzeichen von H umgekehrt: 1 2 H 2 (g) + 1 2 A 2 (s) HA (g) H =+25,9 kj/mol HA (g) 1 2 H 2 (g) + 1 2 A 2 (s) H = 25,9 kj/mol

5.5 Der Satz von Hess 51 Werden die Koeffizienten der Gleichung mit einem Faktor multipliziert, dann wird auch der Wert von H mit diesem Faktor multipliziert; Multiplikation der letztgenannten Gleichung mit 2 ergibt: 2HA(g) H 2 (g) + A 2 (s) H = 51,8 kj/mol Thermochemische Berechnungen werden in der gleichen Art wie andere stöchiometrische Berechnungen durchgeführt. Sie können gleichermaßen auch mit den Reaktionsenergien U angestellt werden, wenn die Reaktionen im geschlossenen Gefäß, d. h. bei konstantem Volumen durchgeführt werden. Beispiel 5.4 Die Thermitreaktion ist stark exotherm: 2AB(s) +Fe 2 O 3 (s) 2Fe(s) +AB 2 O 3 (s) H = 848 kj/mol Wie viel Wärme wird freigesetzt, wenn 36,0 g Aluminium mit überschüssigem Eisen(III)-oxid (Fe 2 O 3 )reagieren? n (AB) = m(ab) M (AB) = 36,0 g 1 =1,33 mol 27,0 g mol Wenn mit n (AB) =2mol H = 848 kj freigesetzt werden, sind es mit 1,33 mol Aluminium: 1,33 mol ( 848 kj) = 565 kj 2,00 mol 5.5 Der Satz von Hess Grundlage vieler kalorimetrischer Berechnungen ist das Gesetz der konstanten Wärmesummen, das 1840 von Germain H. Hess nach experimentellen Befunden formuliert wurde. Nach dem Hess-Satz ist die Reaktionsenthalpie einer Reaktion konstant, unabhängig davon, ob sie in einem Schritt oder über Zwischenstufen abläuft. Bei der Verbrennung von Graphit entsteht zum Beispiel Kohlendioxid: Konventionen zum Formulieren von thermochemischen Gleichungen: 1. Bei exothermen Reaktionen (Abgabe von Wärmeenergie) ist H negativ. Bei endothermen Reaktionen (Aufnahme von Wärmeenergie) ist H positiv. 2. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich alle H-Werte auf Bedingungen bei 25 C und Normdruck (Atmosphärendruck auf Meereshöhe, d. h. 101,3 kpa oder 1,013bar). 3. Der Aggregatzustand aller Substanzen ist anzugeben. 4. Die Koeffizienten in der Gleichung bezeichnen die Zahl der umgesetzten Mole für jede Substanz, der H-Wert bezieht sich auf diese Stoffmengen. 5. Bei Multiplikation der Koeffizienten mit einem Faktor wird auch der H-Wert mit dem gleichen Faktor multipliziert. 6. Bei Umkehrung der Richtung der Reaktionsgleichung wird das Vorzeichen von H umgekehrt. 7. Die gleichen Regeln gelten auch für Reaktionen bei konstantem Volumen (geschlossenes Gefäß), wobei an die Stelle der Reaktionsenthalpie H die Reaktionsenergie U tritt. 5 C(Graphit) +O 2 (g) CO 2 (g) H = 393,5 kj/mol Der Prozess kann auch in zwei Schritten ablaufen: C(Graphit) + 1 2 O 2 (g) CO (g) H = 110,5 kj/mol CO (g) + 1 2 O 2 (g) CO 2 (g) H = 283,0 kj/mol C(Graphit) +O 2 (g) CO 2 (g) H = 393,5 kj/mol Die Reaktionsenthalpien der beiden Teilschritte addieren sich zur Reaktionsenthalpie der Gesamtreaktion ( 5.5). Durch die Möglichkeit, Reaktionsenthalpien additiv zu behandeln, können die Werte für bestimmte Reaktionen aus den Werten anderer Reaktionen berechnet werden. Zum Beispiel kann Methan (CH 4 )nicht direkt aus Graphit und Wasserstoff hergestellt werden. Die Reaktionsenthalpie für diesen Vorgang kann man aber mit Hilfe folgender Gleichungen berechnen: 5.5 Enthalpie-Diagramm zur Veranschaulichung des Hess-Satzes

52 5 Energieumsatz bei chemischen Reaktionen C(Graphit) +O 2 (g) CO 2 (g) H = 393,5 kj/mol 2H 2 (g) +O 2 (g) 2H 2 O(B) H = 571,8kJ/mol CO 2 (g) +2H 2 O(B) CH 4 (g) +2O 2 (g) H =+890,4 kj/mol C(Graphit) +2H 2 (g) CH 4 (g) H = 74,9 kj/mol Beispiel 5.5 Gegeben seien: 4NH 3 (g) +3O 2 (g) 2N 2 (g) +6H 2 O(B) H = 1531 kj/mol (1) N 2 O(g) +H 2 (g) N 2 (g) +H 2 O(B) H = 367,4 kj/mol (2) H 2 (g) + 1 2O 2 (g) H 2 O(B) H = 285,9 kj/mol (3) Welche Reaktionsenthalpie hat die Reaktion (4)? 2NH 3 (g) +3N 2 O(g) 4N 2 (g) +3H 2 O(B) (4) Gleichung (4) ergibt sich additiv aus: 1 2 [Gleichung (1)] + 3 [Gleichung (2)] 3 [Gleichung (3)]. Mit den gleichen Faktoren sind die H-Werte zu versehen: H = 1 2 1531 3 367,4 +3 285,9 kj/mol = 1010,0 kj/mol 5.6 Bildungsenthalpien Standard-Bedingungen Normdruck = 101,325 kpa Standard-Temperatur, meist 25 C Ein bequemer Weg, Reaktionsenthalpien zu berechnen, geht von tabellierten Werten aus, die wir Standard-Bildungsenthalpien nennen. Die Standard-Bildungsenthalpie ist der H-Wert, der zur Bildung von 1mol reiner Substanz aus den reinen Elementen unter Standard-Bedingungen gehört. Standard-Bedingungen bedeuten: Sowohl die Elemente (Reaktanden) wie die Verbindungen (Produkte) liegen bei Norm-Atmosphärendruck (101,3 kpa = 1,013 bar) und bei einer Standard-Temperatur vor, die in der Regel 25 C(298 K) beträgt. Von den Elementen wird die bei 101,3 kpa und der Standard-Temperatur stabilste Form genommen. Kohlenstoff kommt zum Beispiel als Graphit und als Diamant vor; Graphit ist die stabilste Form, für die Umwandlung Graphit Diamant gilt H 0 =+1,9kJ/mol. Das Symbol H 0 dient allgemein zur Bezeichnung von Reaktionsenthalpien unter Standard-Bedingungen. Hf 0 ist das Symbol für die Standard-Bildungsenthalpie. Soweit Standard-Bildungsenthalpien nicht direkt gemessen werden können, werden sie aus anderen thermochemischen Daten mit Hilfe des Hess-Satzes berechnet. Die im Abschnitt 5.5 (s. oben) aufgeführte Berechnung für die Bildung von Methan aus Graphit und Wasserstoff ist eine solche Berechnung, d. h. der dort ermittelte Wert ist die Standard-Bildungsenthalpie des Methans, Hf 0 = 74,9 kj/mol. Weitere Werte für Hf 0 sind in 5.1 aufgeführt. Standard-Reaktionsenthalpien können allgemein aus den Standard-Bildungsenthalpien der beteiligten Verbindungen berechnet werden. Zum Beispiel kann die Reaktionsenthalpie (25 C; 101,325 kpa) für die Reaktion C 2 H 4 (g) +H 2 (g) C 2 H 6 (g)

5.6 Bildungsenthalpien 53 5.1 Einige Standard-Bildungsenthalpien bei 25 C und 101,3 kpa Verbindung H 0 f /(kj mol 1 ) Verbindung H 0 f /(kj mol 1 ) AgCB (s) 127,0 CS 2 (B) +87,86 AB 2 O 3 (s) 1669,8 Fe 2 O 3 (s) 822,2 BaCO 3 (s) 1218 HBr (g) 36,2 BaO (s) 588,1 HCB (g) 92,30 CaCO 3 (s) 1206,9 HCN (g) +130,5 CaO (s) 635,5 HF (g) 269 Ca(OH) 2 (s) 986,59 HgBr 2 (s) 169 Ca 3 P 2 (s) 504,17 HA(g) +25,9 CF 4 (g) 913,4 HNO 3 (B) 173,2 CH 4 (g) 74,85 H 2 O(g) 241,8 C 2 H 2 (g) +226,7 H 2 O(B) 285,9 C 2 H 4 (g) +52,30 H 2 S(g) 20,2 C 2 H 6 (g) 84,68 MgO (s) 601,83 C 6 H 6 (B) +49,04 NaCB (s) 411,0 CH 3 CB (B) 132 NF 3 (g) 113 H 3 CNH 2 (g) 28 NH 3 (g) 46,19 H 3 COH (g) 201,2 NH 4 NO 3 (s) 365,1 H 3 COH (B) 238,6 NO (g) +90,37 H 5 C 2 OH (B) 277,6 NO 2 (g) +33,8 CO (g) 110,5 PH 3 (g) +9,25 CO 2 (g) 393,5 SO 2 (g) 296,9 COCB 2 (g) 223 ZnO (s) 348,0 5 aus den Standard-Bildungsenthalpien für Ethen, C 2 H 4 (g), und Ethan, C 2 H 6 (g), berechnet werden: 2C(Graphit) +2H 2 (g) C 2 H 4 (g) H 0 f = 52,30 kj/mol 2C(Graphit) +3H 2 (g) C 2 H 6 (g) H 0 f = 84,68 kj/mol Man formuliert die erste dieser Gleichungen in umgekehrter Richtung: C 2 H 4 (g) 2C(Graphit) +2H 2 (g) und addiert sie zur zweiten Gleichung; es bleibt: C 2 H 4 (g) +H 2 (g) C 2 H 6 (g) H 0 = 52,30 kj/mol H 0 = 136,98 kj/mol Der Wert H 0 der Reaktion ist somit nichts anderes als H 0 = H 0 f (C 2 H 6 ) H 0 f(c 2 H 4 ) Allgemein gilt für beliebige Reaktionen: H 0 = H 0 f (Produkte) H 0 f (Reaktanden) Berechnung von Reaktionsenthalpien aus Standard-Bildungsenthalpien 1. Zuerst wird die chemische Reaktionsgleichung formuliert. 2. Man berechne H 0 = H 0 f (Produkte) H 0 f (Reaktanden) Bei der Bildung der Summe wird der H 0 f - Wert jeder Verbindung mit dem zugehörigen Koeffizienten (Zahl der Mole) aus der Reaktionsgleichung multipliziert. Kommen in der Gleichung Elemente in ihrer normalen (stabilen) Form vor, so ist der zugehörige H 0 f -Wert null. Der berechnete H 0 - Wert gilt nur für Standard-Bedingungen. Beispiel 5.6 Welche ist die Reaktionsenthalpie (25 C, 101,3 kpa) der Reaktion 2NH 3 (g) +3CB 2 (g) N 2 (g) +6HCB (g)? Mit den Werten aus 5.1 berechnet man: H 0 f (Produkte) =6 H 0 f(hcb, g) H 0 f (Reaktanden) =2 H 0 f(nh 3,g)

54 5 Energieumsatz bei chemischen Reaktionen Für CB 2 (g) und N 2 (g) sind die Werte null, da es sich um die Elemente in ihrer stabilsten Form handelt. H 0 =6 H 0 f(hcb, g) 2 H 0 f (NH 3,g) = 6 92,30 2 ( 46,19) kj/mol = 461,4 kj/mol Beispiel 5.7 Welche ist die Standard-Reaktionsenthalpie für die Reaktion Fe 2 O 3 (s) +3CO (g) 2Fe(s) +3CO 2 (g)? H 0 =3 H 0 f(co 2,g) [ H 0 f(fe 2 O 3,s)+3 H 0 f(co, g)] Beispiel 5.8 = 3 393,5 [ 822,2 3 110,5] kj/mol = 26,8 kj/mol Mit Hilfe der Reaktion B 2 H 6 (g) +6H 2 O(B) 2H 3 BO 3 (s) +6H 2 (g) H 0 = 493,4 kj/mol soll die Standard-Bildungsenthalpie für Diboran (B 2 H 6 )berechnet werden. Es gilt: H 0 f (H 3 BO 3,s)= 1088,7 kj/mol H 0 =2 H 0 f(h 3 BO 3,s) 6 H 0 f(h 2 O, B) H 0 f(b 2 H 6,g) 493,4 kj/mol = 2 1088,7 +6 285,9 kj/mol H 0 f (B 2 H 6,g) H 0 f(b 2 H 6,g) = +31,4kJ/mol 5.7 Bindungsenergien Die Atome in Molekülen werden durch chemische Bindungen zusammengehalten (Näheres folgt in Kapitel 7 9). Die Energie, die zum Aufbrechen der Bindung eines zweiatomigen Moleküls benötigt wird, ist die Dissoziationsenergie.Die Energie wird in Kilojoule pro Mol Bindungen angegeben. Die Bindungsstriche in den folgenden Beispielen symbolisieren die chemische Bindung: HĞH(g) 2H(g) H =+435 kj/mol CBĞCB (g) 2CB(g) H =+243 kj/mol HĞCB (g) H(g) +CB(g) H =+431kJ/mol Die vorstehenden H-Werte sind positiv, das Aufbrechen der Bindungen erfordert die Zufuhr von Energie. Die Dissoziation des H 2 -Moleküls erfordert den höchsten Energiebetrag, d.h. im H 2 -Molekül liegt die stärkste der drei aufgeführten Bindungen vor. Werden zwei Atome zu einem Molekül zusammengefügt, so wird der entsprechende Energiebetrag freigesetzt. Mit Hilfe der Werte von Dissoziationsenergien können die Reaktionsenthalpien für manche Reaktionen berechnet werden.

5.7 Bindungsenergien 55 Beispiel 5.9 Berechnung der Reaktionsenthalpie für die Reaktion H 2 (g) +CB 2 (g) 2HCB(g) aus den Dissoziationsenergien der beteiligten Moleküle: HĞH(g) 2H(g) H = 435 kj/mol CBĞCB (g) 2CB(g) H = 243 kj/mol 2H(g) +2CB(g) 2HCB(g) H = 2 431= 862 kj/mol 5 HĞH(g) +CBĞCB(g) 2HĞCB(g) Die Reaktion ist somit exotherm. H = 184kJ/mol Die Betrachtung kann auf mehratomige Moleküle ausgedehnt werden. Bei der vollständigen Dissoziation eines Wasser-Moleküls müssen zwei HĞO- Bindungen aufgebrochen werden: HĞOĞH(g) 2H(g) +O(g) H =926 kj/mol Der H-Betrag bezieht sich auf das Trennen von zwei Mol HĞO-Bindungen. Die Hälfte des Betrags, 463 kj/mol, ist die mittlere Bindungsenergie für eine HĞO-Bindung. Werden die Bindungen nacheinander getrennt, so beobachtet man tatsächlich unterschiedliche Werte: HĞOĞH(g) H(g) +OĞH(g) H =501kJ/mol OĞH(g) H(g) +O(g) H =425 kj/mol Die erste HĞO-Bindung des Wasser-Moleküls erfordert mehr Energie zur Trennung als die zweite. Das Fragment, das nach Abtrennung eines H- Atoms verbleibt, das OĞH-Molekül, ist weniger stabil als das Wasser-Molekül. Die tatsächlichen Energiebeträge für solche Einzelschritte sind für uns weniger wichtig; bei den Rechnungen bedienen wir uns der mittleren Bindungsenergie. Beispiel 5.10 Wie groß ist die Reaktionsenthalpie für die Reaktion 2NH 3 (g) +3CBĞCB(g) N N(g) +6HĞCB(g)? Man betrachtet die aufzuwendenden Energiebeträge, um alle Bindungen aufzubrechen, und stellt sie den Beträgen gegenüber, die bei der Knüpfung der neuen Bindungen frei werden: 2NH 3 (g) 2N(g) +6H(g) H =6 389 = 2334 kj/mol 3CB 2 (g) 6CB(g) H =3 243 = 729 kj/mol 2N(g) N 2 (g) H = 941kJ/mol 6H(g) +6CB(g) 6HCB(g) H =6 ( 431)= 2586 kj/mol 2NH 3 (g) +3CB 2 (g) N 2 (g) +6HCB (g) H = 464 kj/mol Der im Beispiel 5.6 (S. 53) berechnete Wert für die gleiche Reaktion ( 461,4 kj/mol) ist zuverlässiger als der aus den Bindungsenergien abgeleitete Wert.

56 5 Energieumsatz bei chemischen Reaktionen 5.2 Dissoziationsenergien von zweiatomigen Molekülen und mittlere Bindungsenergien für mehratomige Moleküle im gasförmigen Zustand Bindung Bindungsenergie /(kj mol 1 ) BrĞBr 193 CĞC 347 CğC 619 C C 812 CĞCB 326 CĞF 485 CĞH 414 CĞN 293 CğN 616 C N 879 CĞO 335 CğO 707 CBĞCB 243 FĞF 155 HĞBr 364 HĞCB 431 HĞF 565 HĞH 435 HĞA 297 AĞA 151 NĞCB 201 NĞH 389 NĞN 159 NğN 418 N N 941 OĞCB 205 OĞF 184 OĞH 463 OĞO 138 O 2 494 PĞCB 326 PĞH 318 SĞCB 276 SĞH 339 SĞS 213 Die Stärke einer Bindung in einem Molekül hängt von der Struktur des Gesamtmoleküls ab. Die Bindungsenergie eines bestimmten Bindungstyps in verschiedenen Molekülen, die diese Bindung enthalten, ist nicht die gleiche. Zum Beispiel ist die Bindungsenergie einer HĞO-Bindung im HĞOĞH-Molekül nicht die gleiche wie in einem HĞOĞCl-Molekül. Die in 5.2 angegebenen Werte sind Mittelwerte; H-Werte, die damit berechnet werden, sind Schätzwerte. In manchen Molekülen sind Atome durch Mehrfachbindungen miteinander verknüpft. Je nach Molekül können zwei Stickstoff-Atome zum Beispiel durch eine einfache (NĞN), eine doppelte (NğN) oder eine dreifache (N N) Bindung verbunden sein. Wie man den Werten in 5.2 entnehmen kann, nimmt die Bindungsenergie in der Reihenfolge zu: Einfachbindung < Doppelbindung < Dreifachbindung Beim Umgang mit Bindungsenergien ist zu beachten: Alle hier angegebenen Werte sind nur auf gasförmige Verbindungen anwendbar. Mit mittleren Bindungsenergien berechnete H-Werte sind nur Schätzwerte. In manchen Verbindungen liegen besondere Verhältnisse vor, die eine Anwendung mittlerer Bindungsenergien nicht zulassen.

Übungsaufgaben 57 Übungsaufgaben (Lösungen s. S. 695) Kalorimetrie 5.1 Welche Wärmekapazität haben 325 g Wasser bei 20 C? 5.2 Wie viel Kilojoule Wärme benötigt man, um 1,50 kg Wasser von 22,00 auf 25,00 C zu erwärmen? 5.3 Welche ist die spezifische Wärme von Alkohol, wenn 129J benötigt werden, um 15,0 g von 22,70 auf 26,20 C zu erwärmen? 5.4 Welche ist die spezifische Wärme von Eisen, wenn 186J benötigt werden, um 165g von 23,20 auf 25,70 C zu erwärmen? 5.5 Blei hat eine spezifische Wärme von 0,129 J g 1 K 1. Wie viel Joule benötigt man, um 207 gblei von 22,25 auf 27,65 C zuerwärmen? 5.6 Nickel hat eine spezifische Wärme von 0,444 J g 1 K 1.Wenn 32,3 gnickel 50,0 Jzugeführt werden, welche Temperatur erreicht es, wenn die Anfangstemperatur 23,25 C war? 5.7 1,45 gessigsäure (CH 3 CO 2 H) wurden mit überschüssigem Sauerstoff in einem Bombenkalorimeter verbrannt. Das Kalorimeter selbst hat eine Wärmekapazität von 2,67 kj/k und enthält 0,750 kg Wasser. Es wurde eine Temperaturerhöhung von 24,32 auf 27,95 C beobachtet. Welche Wärmemenge wird bei Verbrennung von 1,00 mol Essigsäure frei? 5.8 Bei der Verbrennung von 2,30 gbenzochinon (C 6 H 4 O 2 ) in einem Bombenkalorimeter wurde eine Temperaturerhöhung von 19,22 auf 27,07 Cbeobachtet. Das Kalorimeter selbst hat eine Wärmekapazität von 3,27 kj/k und enthält 1,00 kg Wasser. Welche Wärmemenge wird bei der Verbrennung von 1,00 mol Benzochinon frei? 5.9 Bei der Verbrennung von Glucose (C 6 H 12 O 6 )wird eine Energie von 2,82 10 3 kj/mol freigesetzt. 1,25 gglucose wurden in einem Kalorimeter verbrannt, das 0,950 kg Wasser enthält, wobei ein Temperaturanstieg von 20,10 nach 23,25 C beobachtet wurde. Welche Wärmekapazität hat das Kalorimeter? Thermochemische Gleichungen 5.10 Bei der Reaktion NH 4 NO 3 (s) N 2 O(g) +2H 2 O(B) U = 127,5kJ/mol wird bei einem Druck p =95,00 kpa 1mol Lachgas (N 2 O) mit einem Volumen von 26,09 Lgebildet. Wie groß ist die Reaktionsenthalpie? 5.11 Wie groß ist die Reaktionsenergie für C(Graphit) + 1 2O 2 (g) CO (g) H 0 = 110,5 kj/mol? Bei den Standardbedingungen nimmt 1mol CO ein um 12,2 Lgrößeres Volumen ein als 1 2 mol Sauerstoff. 5.12 Bei der Verbrennung von 1,000 gbenzol, C 6 H 6 (B), mit O 2 wird CO 2 (g) und H 2 O(B)erhalten, und es wird eine Wärmemenge von 41,84 kj freigesetzt. Formulieren Sie die thermochemische Gleichung für die Verbrennung von einem Mol C 6 H 6 (B). 5.13 Welche Wärmemenge wird freigesetzt, wenn 1,000 g Hydrazin, N 2 H 4 (B), verbrennt? N 2 H 4 (B) +O 2 (g) N 2 (g) +2H 2 O(B) H = 622,4 kj/mol 5.14 Die alkoholische Gärung von Glucose (C 6 H 12 O 6 )verläuft gemäß: C 6 H 12 O 6 (s) 2H 5 C 2 OH (B) +2CO 2 (g) H = 67,0 kj/mol Welche Wärmemenge wird umgesetzt, wenn ein Liter Wein entsteht, der 95,0 galkohol (H 5 C 2 OH) enthält? Ist die Reaktion exo- oder endotherm? 5.15 Die Zersetzung von Natriumazid verläuft nach 2NaN 3 (s) 2Na(s) +3N 2 (g) H =+42,7 kj/mol. Welcher ist der H-Wert, um 1,50 kg N 2 (g) zu erhalten? Muss Wärme zugeführt werden oder wird sie frei? 5