VERZICHTBARKEIT DER MENSCHENWÜRDE? Alexander Hevelke

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Transkript:

VERZICHTBARKEIT DER MENSCHENWÜRDE? Alexander Hevelke

leer Würdebegriff ist zu heterogen und nicht konsensfähig. 2

leer Würdebegriff ist zu heterogen und nicht konsensfähig. Würde als bedeutsam klingende, aber inhaltlich leere Floskel, die immer dann herangezogen wird, wenn es für eine als evident empfundene intuitive Ablehnungshaltung an guten Gründen fehlt. Zusammenfassung Birnbacher: Würde als inhaltlich unterbestimmter conversation stopper. 3

leer Würdebegriff ist zu heterogen und nicht konsensfähig. Wenn von Würde die Rede ist, ist im Grunde meist etwas Anderes gemeint, und es ist weniger missverständlich und präziser, sich direkt auf dieses Andere zu beziehen. Beispiele: Menschenrechte statt Menschenwürde. (Hoerster) Prinziple of respect for autonomy statt Menschenwürde. (Macklin) 4

leer Würdebegriff ist zu heterogen und nicht konsensfähig. Einwand: Große Einigkeit zu paradigmatischen Beispielen einer Würdeverletzungen: Verbot von Folter, Prangerstrafen etc. Der Ausdruck der Würdeverletzung scheint dabei etwas eigenes zu bezeichnen. Der Würdebegriff scheint weder leer noch völlig zu sein. Varianten 1&2 der Verzichtbarkeitsthese sind wenig überzeugend. 5

leer Würdebegriff ist zu heterogen und nicht konsensfähig. Problem Viele konkurrierende Würdebegriffe, eine vorherrschende Meinung fehlt. Grundüberlegungen zu unterschiedliche, Konsensfähigkeit fragwürdig. Resultat Würdebasierte Argumentation verlieren an Überzeugungskraft. Verwendung eines spezifischen Menschenwürdebegriffes verlagert die Diskussion von der eigentlichen Frage weg hin zu einer Auseinandersetzung über eine angemessene Verwendung des Würdebegriffes. (Borchers) 6

leer Würdebegriff ist zu heterogen und nicht konsensfähig. Einwände: Kein Grund für Verzichtbarkeit Mangelnder Konsensfähigkeit gilt auch für die Verzichtbarkeitsthese. Dissens über die genaue Bedeutung gibt es auch bei vielen anderen zentralen Begriffen der Ethik. (z.b. Gerechtigkeit, Rechte, Freiheit) Ein existenzielles Problem ist das nur, wenn der Beliebigkeit keine Grenzen gesetzt werden kann. (Schaber) 7

leer Würdebegriff ist zu heterogen und nicht konsensfähig. Fazit Verzicht auf den Würdebegriff nicht sinnvoll Trotzdem ein erstzunehmendes Problem: Die Verwendung des Würdebegriff ist extrem uneinheitlich. o Würdebasierte Argumentation verlieren erheblich an Überzeugungskraft. o Die Verwendung des Würdebegriffes führt damit auch leicht zu einer Verlagerung des Diskussionsschwerpunktes. 8

LÖSUNGSANSATZ: GLEICHZEITIGE ANERKENNUNG VON DREI BEDEUTUNGEN VON MENSCHENWÜRDE Synonym für den intrinsischen und unveräußerlichen Wert des Menschen. Instrumentalisierungsverbot (Ausschluss von instrumentellen Rechtfertigungen gravierender Rechtsverletzungen) Spezifisches Recht, dass etwa beim Pranger verletzt wird. Diese Würdebegriffe beschreiben verwandtes, aber im Kern unterschiedliches. Es ist schwer, alle Aspekte der Würde in einem Konzept zu vereinen. Alle drei Stoßrichtungen sind in sich sinnvoll, etabliert und ethisch relevant. => Diskussionen, welche davon das richtige Verständnis des Würdebegriffes darstellt, sind damit wenig erfolgsversprechend. Mangelnde konzeptuelle Trennung kann zu Missverständnissen führen. 9

LÖSUNGSANSATZ: GLEICHZEITIGE ANERKENNUNG VON DREI BEDEUTUNGEN VON MENSCHENWÜRDE Synonym für den intrinsischen und unveräußerlichen Wert des Menschen. Instrumentalisierungsverbot (Ausschluss von instrumentellen Rechtfertigungen gravierender Rechtsverletzungen) Spezifisches Recht, dass etwa beim Pranger verletzt wird. Kein entweder - oder auf dieser Ebene. Zusätzliche Bedeutungen/Stoßrichtungen denkbar, aber begründungsbedürftig. (Bezug zum Würdebegriff, normative Relevanz, etc.) 10

LÖSUNGSANSATZ: GLEICHZEITIGE ANERKENNUNG VON DREI BEDEUTUNGEN VON MENSCHENWÜRDE Synonym für den intrinsischen und unveräußerlichen Wert des Menschen. Instrumentalisierungsverbot (Ausschluss von instrumentellen Rechtfertigungen gravierender Rechtsverletzungen) Spezifisches Recht, dass Recht, etwa dass beim etwa Pranger beim Pranger verletzt wird. verletzt wird. Fragen innerhalb der einzelnen Stoßrichtung. Beispiel: Worin besteht das Recht, dass etwa beim Pranger verletzt wird? Recht auf normativen Autorität über den eigenen Körper (Schaber) Recht auf Schutz vor objektiven Demütigungen (Margalit) Beide wären medizinethisch relevant, aber in sehr unterschiedlicher Hinsicht. Welche Interpretation der Würde ist hier die Richtige? 11

LÖSUNGSANSATZ: GLEICHZEITIGE ANERKENNUNG VON DREI BEDEUTUNGEN VON MENSCHENWÜRDE Synonym für den intrinsischen und unveräußerlichen Wert des Menschen. Instrumentalisierungsverbot (Ausschluss von instrumentellen Rechtfertigungen gravierender Rechtsverletzungen) Spezifisches Recht, dass etwa beim Pranger verletzt wird. Grundlage der Überlegungen und Methodik sind soweit kompatibel, dass einer fruchtbaren Diskussion nichts im Wege steht. Analyse der Art und Weise, wie der Würdebegriff verwendet wird, wenn wir Folter, Prangerstrafen etc. als Würdeverletzung bezeichnen. Dissens ist hier kein prinzipielles Problem => Diskussionsbedarf 12

VERZICHTBARKEIT DER MENSCHENWÜRDE? FAZIT Verneinung der Verzichtbarkeitsthese. Fehlende Konsensfähigkeit spezifischer Würdebegriffe in der Tat problematisch. Vorschlag: o Gleichzeitige Anerkennung von mindestens drei grundsätzlichen Stoßrichtungen von Würde. o Beschränkung der Debatte über die einzig richtige Verwendung des Würdebegriffes auf Diskussionen innerhalb der einzelnen Stoßrichtung. 13