Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leistungen zur Altersversorgung aufgrund einer Direktzusage. Leitsätze

Ähnliche Dokumente
BUNDESFINANZHOF. EStG 9 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 21 Abs. 2, 52 Abs. 21 Satz 2. Urteil vom 12. Oktober 2005 IX R 28/04

3. Abschn. 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1999 enthält keine Wertfestsetzung einer obersten Finanzbehörde eines Landes i.s. des 8 Abs. 2 Satz 8 EStG.

Leitsätze. Tatbestand

Keine regelmäßige Arbeitsstätte bei vorübergehender Abordnung oder Versetzung

Werbungskostenabzug bei nur teilweiser Weiterverwendung eines Darlehens für neuen Immobilienkauf

2. Eine vom Kind als Arbeitnehmer aufgesuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt keine regelmäßige Arbeitsstätte dar.

Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes bei Kapitalerträgen aus Darlehen zwischen Ehegatten bei finanzieller

beurteilen (Änderung der Rechtsprechung; Anschluss an die

Zuordnung von Darlehenszinsen als Werbungskosten bei gleichzeitiger Finanzierung eigengenutzter und vermieteter Wohnungen

Kurzleitsatz: Ermittlung des Erhöhungsbetrags nach 8 Abs. 2 Satz 3 EStG; Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte; Pendler; Erhöhungsbetrag

EStG 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 GewStG 2 Abs. 1, 3 Nrn. 6 und 20 AO 67 Abs. 1 und 2 GG Art. 3 Abs. 1

EStG 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c, Satz 2, 63 Abs. 1 Satz 2. Urteil vom 23. Februar 2006 III R 8/05, III R 46/05

Geschäftsanteil: Veräußerungsverlust erst nach Wirksamkeit der Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils

Die Vereinnahmung eines Reugeldes für den Rücktritt vom Kaufvertrag über ein Grundstück des Privatvermögens ist nicht steuerbar.

Gründe. BFH v III R 74/05

BUNDESFINANZHOF Urteil vom , VI R 11/11

BUNDESFINANZHOF. EStG 24 Nr. 1 Buchst. a, 34 Abs. 2 Nr. 2. Urteil vom 13. August 2003 XI R 18/02


BUNDESFINANZHOF. EStG 3 Nr. 16. Urteil vom 27. April 2001 VI R 2/98. Vorinstanz: Thüringer FG (EFG 1997, 596)

Finanzgericht München

DNotI. Dokumentnummer: 2r27_07 letzte Aktualisierung: BFH, II R 27/07. ErbStG 9 Abs. 1

UStG Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 8, Art. 6 Abs. 5 UStG Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1

BUNDESFINANZHOF. UStG Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG Abs. 5 Nr. 4 Richtlinie 77/388/EWG Art. 27 Abs. 5 UStDV , 38

BFH, Urteil vom I R 98/93 - BStBl II 1995, 419. KStG Abs. 3 S 2, EStG 6a. Rechtszug vorgehend FG München K 4190/90

BFH v , VIII R 18/09 Wertpapiere als gewillkürtes Betriebsvermögen einer freiberuflichen Praxis. Tatbestand

BUNDESFINANZHOF. EStG Abs. 1 Nr. 6 Satz 2. Urteil vom 12. Oktober 2005 VIII R 87/03

Mehraufwendungen für eine notwendige Begleitperson auf einer Urlaubsreise von Körperbehinderten als außergewöhnliche Belastung

Gesellschafter: Nichtgeltendmachen eines Aufwendungsersatzanspruchs in der Krise als darlehensähnliche Kreditierung

Bundesfinanzhof Urt. v , Az.: VIII R 9/11

Geschäftsanteil: Erhöhung der Anschaffungskosten einer GmbH- Beteiligung durch verlorenes Sanierungsdarlehen

Paragraphenkette: AO (1977) 42, EStG 9 Abs. 1 S. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1. Entscheidungsform: Datum:

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL. in dem Rechtsstreit

zurück zur Übersicht Vermittlungstätigkeit gesetzlicher Krankenversicherungen für private Zusatzversicherungsverträge als Betrieb gewerblicher Art

Bundesfinanzhof Urt. v , Az.: V R 49/00

UStG Nr. 14 Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c SGB V 20, 92, 124 Abs. 2

Bundesverfassungsgericht

Weitere Informationen zu Rückstellungen für Archivierung auf pfund.de

Die Versorgung nach dem Sächsischen Beamtenversorgungsgesetz Teil III Hinterbliebenenversorgung

Streitig ist, ob die Übernahme von Steuerberatungskosten im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung zu Arbeitslohn führt.

FG Münster 9. Senat Urteil vom AZ. 9 K 4626/01 K,G,F

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Vorinstanz: FG Köln vom 26. Oktober K 2682/02 (EFG 2005, 1773) Gründe

Ertragsteuerliche Folgen eines ausländischen "Spin-off" für den inländischen Privatanleger

Finanzgericht München.

a) Ihre Altersversorgung richtet sich nach der am gültigen Ruhegeldzusage Ihrer bisherigen Arbeitgeberin H, Mitglied der B-Gruppe.

Finanzgericht München

Leseprobe zu. Bestellfax 0221 / Weitere Informationen unter

FINANZGERICHT HAMBURG

DNotI. Dokumentnummer: 10r46_01 letzte Aktualisierung:

Reichweite des Anscheinsbeweises beim Alleingeschäftsführer einer GmbH

J U N I W I N H E L L E R R E C H T S A N W Ä L T E. Umsatzsteuerbefreiung für ambulante Pflegedienste

Geschäftsführer: Entfernungszuschlag nur für die tatsächlich mit dem Dienstwagen gefahrene Teilstrecke und Führung eines Fahrtenbuchs

FINANZGERICHT DES LANDES BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Leitsätze. Tatbestand

Finanzgericht Köln, 10. Senat Urteil vom Aktenzeichen 10 K 3712/04

Wer ist zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen

Liquidation: Realisierung eines Veräußerungsverlusts durch Ausfall eines Darlehens bei Rangrücktrittserklärung

Mitgliederdepesche Finanzgericht München, Urteil vom , Az. 10 K 2984/07

Bundesfinanzhof Urt. v , Az.: VIII R 86/98

Rechtsmittelbelehrung. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben ( 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung). Gründe

BUNDESFINANZHOF. BFH-Urteil vom , I R 220/82. Vorinstanz: FG des Saarlandes. EStG Abs. 4.

1 Aus der Rechtsprechung

Finanzgericht Münster, 11 K 1276/13 E

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL. Verkündet am: 3. Februar 2011 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Keine Klagebefugnis eines früheren Berufssoldaten gegen seine Nichtheranziehung zu Wehrübungen

Aufhebung des Urteils des SG Reutlingen vom S 3 KR 476/05 -

BFH: Wertpapiere im Betriebsvermögen eines Arztes? Urteil vom VIII R 1/08

Informationen zur Altersteilzeit

Tenor. Tatbestand. FG München, Urteil v K 3859/07

Tenor. Tatbestand. FG München, Beschluss v V 1110/14

Mitteilung. für das Kalenderjahr. Grund für die Mitteilung:

Im Namen des Volkes U R T E I L. In dem Rechtsstreit. gesonderter Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen

OFD Frankfurt am Main 22. ESt-Kartei Karte 13. Rdvfg. vom S 2255 A - 23 St 218 II/1600

Neuregelung der Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen durch das Alterseinkünftegesetz

J A N UA R Ausschüttungen von US-Trusts unterliegen der deutschen Schenkungsteuerpflicht. BFH, Urteil vom , Az. II R 45/10.

Prof. Dr. Ludewig + Sozien

Vorinstanz: FG Berlin vom 18. März K 7516/01 (EFG 2003, 887)

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Einkommensteuer-Info Februar 2015

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Bundesfinanzhof Urt. v , Az.: VII R 59/02

FINANZGERICHT MÜNSTER IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Beschränkte Steuerpflicht in Deutschland

Bundesfinanzhof, Urteil vom VIII R 47/01. Gründe

BFH Urteil vom VIII R 10/09 (veröffentlicht am )

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 28. April B 2 U 10/03 R - wie folgt entschieden:

Titel: (Verfassungsmäßigkeit der Ungleichbesteuerung gesetzlicher und privater Renten sowie des Zehnjahreszeitraums der sog.

Leitsätze. Tatbestand

Geburtengeld unterliegt nicht der Einkommensteuer

Ihr Finanzamt informiert

Landesverwaltungsamt Berlin

HESSISCHES FINANZGERICHT

Finanzgericht München

BUNDESFINANZHOF Urteil vom , X R 62/09

Finanzgericht München

Finanzgericht Köln. Aktenzeichen: 1 K 1518/02. Urteil des Senats vom

INFOBLATT. zum Alterseinkünftegesetz

BFH Urteil vom AZ. I R 21/03 vorgehend: FG München, Außensenate Augsburg EFG, 2002, 941. Leitsatz

SOZIALGERICHT BREMEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Transkript:

BUNDESFINANZHOF BFH-Urteil vom 7.2.2013, VI R 12/11 Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leistungen zur Altersversorgung aufgrund einer Direktzusage. Leitsätze Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es nicht, Leistungen zur Altersversorgung aufgrund einer Direktzusage bereits vor dem Erreichen der in 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG vorgesehenen Altersgrenzen als Versorgungsbezüge anzusehen. Tatbestand I. Streitig ist, ob aufgrund einer Direktzusage gewährte Leistungen wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes bereits vor dem Erreichen der in 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgesehenen Altersgrenze als steuerrechtlich begünstigte Versorgungsbezüge anzusehen sind. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger vollendete im Streitjahr 2007 das 60. Lebensjahr. Er bezog seit dem 1. Oktober 2007 unter anderem eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Leistungen zur Altersversorgung aufgrund einer Direktzusage seiner ehemaligen Arbeitgeberin. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einnahmen aus der Direktzusage der Einkommensteuer und zog hiervon den Arbeitnehmer-Pauschbetrag ab. Daraufhin beantragten die Kläger, die Steuerfestsetzung für das Jahr 2007 zu ändern und einen Versorgungsfreibetrag, einen Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sowie einen Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 102 EUR zu berücksichtigen. Da die Gewährung dieser Abzugsbeträge bei beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen nicht von dem Erreichen eines bestimmten Alters abhängig sei, stünden den Beziehern von Leistungen aus einer betrieblichen Direktzusage in verfassungskonformer Auslegung des 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG die steuerlichen Vergünstigungen für Versorgungsbezüge ebenfalls unabhängig von dem Erreichen eines Mindestalters zu. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe den Gesetzgeber wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes zu einer steuerrechtlichen Gleichbehandlung sämtlicher Alterseinkünfte verpflichtet. Das FA lehnte diesen Änderungsantrag ab. Der gegen die Ablehnung dieses Antrags gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 869 veröffentlichten Gründen ab.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Verfassungsrechts. Sie beantragen sinngemäß, das Urteil des FG sowie den Ablehnungsbescheid vom 15. Dezember 2008 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 9. Februar 2009 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2007 dahingehend zu ändern, dass ein Versorgungsfreibetrag in Höhe von 2.760 EUR, ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in Höhe von 828 EUR und ein Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 102 EUR berücksichtigt werden, hilfsweise, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und dem BVerfG die Frage der Vereinbarkeit des 19 Abs. 2 Satz 2 EStG in der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG vorzulegen. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Entscheidungsgründe II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen ( 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger aufgrund der Direktzusage bezogenen Leistungen keine Versorgungsbezüge darstellen und auch von Verfassungs wegen nicht als solche zu behandeln sind. 1. Nach 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG gelten Bezüge und Vorteile aus früheren privatrechtlichen Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat. Von diesen Versorgungsbezügen bleiben gemäß 19 Abs. 2 Satz 1 EStG ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei. Werden keine höheren Werbungskosten nachgewiesen, ist bei der Ermittlung der Einkünfte von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit für Werbungskosten ein Pauschbetrag von 102 EUR abzuziehen, soweit es sich um Versorgungsbezüge i.s. des 19 Abs. 2 EStG handelt ( 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG). Werden keine Versorgungsbezüge gewährt, ist von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 EUR in Abzug zu bringen ( 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG). 2. Die aufgrund der privatrechtlichen Direktzusage vom Kläger bezogenen Leistungen gelten nicht nach 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG als Versorgungsbezüge. Denn der nicht schwerbehinderte Kläger vollendete im Streitjahr 2007 noch nicht das 63. Lebensjahr. Mithin war für die Leistungen aufgrund der Direktzusage weder ein Versorgungsfreibetrag noch ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag zu berücksichtigen. Da höhere Werbungskosten nicht nachgewiesen wurden, war insoweit der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG abzuziehen. - 2 -

3. Entgegen der Auffassung der Kläger verstoßen diese Vorschriften nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG; eine Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.v.m. 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht einzuholen. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschluss vom 15. Juli 1998 1 BvR 1554/89, 1 BvR 963/94, 1 BvR 964/94, BVerfGE 98, 365). Er verbietet sowohl ungleiche Belastungen wie auch ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11. Oktober 1988 1 BvR 1239/85, BVerfGE 79, 1). Im Bereich des Steuerrechts begrenzt der allgemeine Gleichheitssatz die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in einer speziell diesem Regelungsgegenstand Rechnung tragenden Weise (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, BGBl I 2008, 2888, m.w.n.). So hat der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Insoweit ist insbesondere für den Einkommensteuergesetzgeber dessen weitgehende Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Gerade bei der Ordnung von Massenerscheinungen gehören Praktikabilität und Einfachheit des Rechts zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs (vgl. BVerfG- Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, BStBl II 1997, 518). Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, m.w.n.). Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BFH/NV 2010, 1767, m.w.n.). Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268, BFH/NV 2010, 1767, m.w.n.). b) Nach diesen Maßstäben widerspricht die steuerliche Behandlung der betrieblichen Zusatzversorgung nach 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG nicht Art. 3 Abs. 1 GG. aa) Anders als die Kläger meinen, benachteiligt 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG nicht generell die im privaten Dienst gewährten Versorgungsbezüge. Denn die aus früheren privatrechtlichen Dienstleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährten Bezüge sind ebenso unabhängig von dem Erreichen einer Altersgrenze nach 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG begünstigt wie solche Erwerbsunfähigkeitsbezüge, die aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften gewährt werden. bb) Bezüge i.s. des 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG und solche aus früheren Dienstverhältnissen i.s. des 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG wegen des Erreichens einer Altersgrenze werden zwar unterschiedlich behandelt, weil bei Letzteren ein Versorgungsfreibetrag erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres oder bei Schwerbehinderten mit Vollendung des 60. Lebensjahres gewährt wird, dagegen 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG keine Altersgrenze vorsieht. Dieser Unterschied ist aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt. - 3 -

aaa) Es ist bereits fraglich, ob die hier angegriffenen Regelungen bei Beamten und bei Rentnern der privaten Wirtschaft wesentlich Gleiches i.s. des Art. 3 Abs. 1 GG betreffen. Denn während 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG bei den Beamten die Besteuerung der zur Grundversorgung dienenden Beamtenpensionen betrifft, regelt 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG die Besteuerung der in der Regel zur Basisversorgung hinzutretenden betrieblichen Zusatzversorgung (vgl. zum sog. Drei-Schichten-Modell Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen vom 11. März 2003). bbb) Ungeachtet dessen ist die Besteuerung der betrieblichen Zusatzversorgung als Versorgungsbezüge i.s. des 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erst ab dem Erreichen einer Altersgrenze verfassungsrechtlich gerechtfertigt. (1) Der Versorgungsfreibetrag wurde zur steuerlichen Entlastung von Pensionsempfängern eingeführt. Denn die volle steuerliche Erfassung ihrer Bezüge im Vergleich zu der nur geringfügigen Besteuerung von Sozialversicherungsrenten mit dem Ertragsanteil wurde als unbefriedigend empfunden (zu BTDrucks IV/3189, S. 2). Die zur Minderung dieser Ungleichbehandlung eingeführte Steuervergünstigung gilt nach der gesetzlichen Ausgestaltung des 19 Abs. 2 Satz 2 EStG unabhängig davon, ob die Versorgungsbezüge im öffentlichen oder im privaten Dienst gewährt werden. Der Gesetzgeber stellt jedoch bei Versorgungsbezügen privater Unternehmen typisierend auf das Erreichen eines Mindestalters von 63 Lebensjahren bzw. 60 Lebensjahren bei schwerbehinderten Menschen ab, um zu gewährleisten, dass diese Steuervergünstigung nur für zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienende Bezüge gewährt wird. Gesetzgeberisches Leitbild für dieses Mindestalter ist der Zeitpunkt, zu dem Beamte die Versetzung in den Ruhestand ohne Angabe von Gründen beantragen können ( 52 des Bundesbeamtengesetzes; vgl. zu BTDrucks IV/3189, S. 8, sowie BTDrucks 14/1514, S. 29 f.). Nur wenn dieses Lebensalter erreicht wird, unterstellt das Gesetz, dass die Bezüge und Vorteile der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen. Während sich bei Ruhegehaltsempfängern i.s. des 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG bereits aus dem Gesetz ergibt, dass es sich um Bezüge handelt, die der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen, unterliegen die in der Privatwirtschaft gewährten Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstverhältnissen der freien Vertragsgestaltung. Ohne die im Gesetz genannten Altersgrenzen bedürfte es daher einer eingehenden, mit den Erfordernissen einer Massenverwaltung nicht zu vereinbarenden Prüfung jedes einzelnen Falles, ob es sich tatsächlich um Bezüge des früheren Arbeitgebers handelt, die mit den in 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind. Dieses gesetzgeberische Anliegen, das darauf abzielt, eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung gegenüber anderen Einkünften zu verhindern, ist ein hinreichend gewichtiger Grund, die Vergünstigung des 19 Abs. 2 EStG bei Bezügen aus früheren Dienstverhältnissen der privaten Wirtschaft an eine feste Altersgrenze zu knüpfen. Demgegenüber hat der Gesetzgeber z.b. bei Bezügen aus früheren Dienstverhältnissen der privaten Wirtschaft, die aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit gezahlt werden, zu Recht keine Altersgrenze vorgesehen, weil sich in diesen Fällen die verminderte Erwerbsfähigkeit anhand objektiver, leicht nachprüfbarer Umstände feststellen lässt. (2) Der Gesetzgeber hat dabei auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse die Grenzen zulässiger Typisierung nicht überschritten. Nach dem Vierten Versorgungsbericht der Bundesregierung (BTDrucks 16/12660, S. 63) stieg im Zeitraum 1993 bis 2006 die Zahl der Pensionäre, die die gesetzliche Altersgrenze (von damals 65 Lebensjahren) erreichten, von 13,1 % - 4 -

auf 63 %; im Jahr 2006 waren bereits 86,5 % der Neupensionäre zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand 65 Jahre alt. Die im Gesetz genannte Altersgrenze von 63 Jahren spiegelt daher das Alter, in dem Beamte typischerweise in den Ruhestand gehen, zutreffend wider. Nach den tatsächlichen Verhältnissen in jüngerer Zeit ergibt sich sogar --jedenfalls für den Bereich des Bundes-- ein gegenüber der gesetzlichen Typisierung höheres Eintrittsalter in den Ruhestand. Dieser Beurteilung stehen die Einwendungen der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, aus den Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Finanzen und Steuern, Versorgungsempfänger des öffentlichen Dienstes, Fachserie 14 Reihe 6.1, 106) ergäbe sich ein abweichendes Bild. Danach lag zwar das Durchschnittsalter der Empfänger von Ruhegehalt in den Jahren 1993 bis 2011 bei den Bundesbeamten (ohne Berufssoldaten) zwischen 59,4 und 61,3 Lebensjahren, im Landesbereich zwischen 58,8 und 62,1 Lebensjahren und im kommunalen Bereich zwischen 59,0 und 61,1 Lebensjahren. Da diese Zahlen jedoch auch Empfänger enthalten, die wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ein Ruhegehalt beziehen (Statistisches Bundesamt, a.a.o., S. 96 bis 105), geben sie das Eintrittsalter in den Ruhestand von Beamten aus Altersgründen nicht zutreffend wieder. Denn Renten, die die Privatwirtschaft ihren ehemaligen Arbeitnehmern wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zahlt, sind unabhängig vom Alter des Empfängers ebenfalls begünstigte Versorgungsbezüge i.s. des 19 Abs. 2 EStG. In die Vergleichsbetrachtung, ob Bezieher von Renten aus der Privatwirtschaft wegen Erreichens einer Altersgrenze gegenüber Beamten gleichheitswidrig benachteiligt werden, kann daher auch nur das Eintrittsalter in den Ruhestand derjenigen Beamten einbezogen werden, die aus anderen Gründen als einer verminderten Erwerbsfähigkeit in den Ruhestand getreten sind. - 5 -