des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) zu dem BASt Forschungsbericht zu Nährstoffeinträgen

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Bewertung Umwelt, Technik und Nachhaltigkeit des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) zu dem BASt Forschungsbericht zu Nährstoffeinträgen Dokumenten Nr. D 0626 I Einleitung In der deutschen Industrie bestehen bei Genehmigungsverfahren für Vorhaben große Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf Critical Loads. Betroffen sind alle Industrievorhaben und Infrastrukturprojekte in der Nähe von Naturschutzgebieten. Critical Loads beschreiben Stoffeinträge, bei deren Unterschreitung langfristig keine signifikant schädlichen Effekte an Ökosystemen zu erwarten sind. Sie geben an, welche Menge bspw. an Stickstoff pro Fläche und Zeitraum in einem Ökosystem deponiert werden kann. So liegt der Critical Load (CL) für Stickstoffeinträge in Flachland-Mähwiesen beispielsweise bei 20-30 kg pro Hektar und Jahr nach der sog. Berner Liste der UNECE. Für die ebenfalls praxisrelevanten Säureeinträge gibt es keine vergleichbare Zusammenstellung von CL; diese sind für jeden Lebensraumtyp in einem Natura-2000-Gebiet konkret zu ermitteln. Datum 15. Januar 2014 1 von 19 Es existieren unterschiedliche Veröffentlichungen und Vollzugshinweise auf nationaler und europäischer Ebene zu Critical Loads, eine allgemein anerkannte Methodenkonvention zum Umgang mit derartigen stofflichen Einträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung gibt es bislang nicht. Um Rechtssicherheit für die Industrie zu schaffen, sollte nach Ansicht des BDI für stoffliche Einträge im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unter Beteiligung der Wirtschaft eine bundeseinheitliche und rechtsverbindliche Methodik zur Ermittlung und Anwendung von belastbaren Bewertungsmaßstäben festgelegt werden. Viele Critical Loads sind in Deutschland durch Vorbelastung bereits großflächig und deutlich überschritten, ein Abbau der Belastung und ein zukünftiges Unterschreiten der Critical Loads sind daher faktisch ausgeschlossen. Hieraus ergeben sich für die Zulassung von Projekten große Schwierigkeiten, da zu schützende Lebensräume zukünftig gegen jede Zusatzbelastung gesperrt sein könnten. Critical Loads sind vorsorglich definiert. Im Zweifel werden worst-case Annahmen angesetzt. Daher muss es in der Verwaltungspraxis Ausnahmemöglichkeiten und handhabbare Maßstäbe in Form von Bagatellschwellen und Abschneidekriterien geben. Auch das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass es nicht erforderlich ist, ein Nullrisiko zu gewährleisten. Es sieht beispielsweise eine Bagatellfallbetrachtung als sinnvoll an. Die deutsche Industrie fordert daher die rechtsverbindliche Festlegung eines vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums und einer Bagatellschwelle. Bundesverband der Deutschen Industrie e.v. Mitgliedsverband BUSINESSEUROPE Telekontakte T: +493020281582 F: +493020282582 Internet www.bdi.eu E-Mail C.Schiffer@bdi.eu

Es ist zwingend notwendig, ein Abschneidekriterium, welches sich nur auf das konkrete Vorhaben bezieht, einzuführen. Werden 0,3 (-0,6) kg ha/a Stickstoffeintrag ausgehend von dem Vorhaben nicht überschritten, kann dieses ohne weitergehende FFH-Untersuchung genehmigt werden. Auch für Säureeinträge muss ein Abschneidekriterium festgelegt werden (30 Säureäquivalente). 2 von 19 In zukünftige Regelungen zu Critical Loads müssen auch Bagatellschwellen für Stickstoff- und Säureeinträge eingeführt werden. Hiernach ist ein Vorhaben trotz Überschreitung des Critical Load durch die Vorbelastung zulässig, wenn die Zusatzbelastung durch das beantragte neue Vorhaben 3% des Critical Load-Wertes unterschreitet. Die Bagatellschwelle bezieht sich nicht auf das einzelne Vorhaben, sondern auf das ganze FFH-Gebiet. Aus Sicht der deutsche Industrie ist es besonders kritisch, wenn bei der Prüfung, ob die Bagatellschwelle überschritten wird, kumulativ die Auswirkungen anderer Projekte zu berücksichtigen sind.

II. Bewertung zu dem im Auftrag der BASt erstellten Forschungsbericht Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope, Endbericht November 2012 (nachfolgend Forschungsbericht ) 3 von 19 Dem Forschungsbericht lassen sich trotz seines Bezuges auf straßenverkehrsbedingte Nährstoffeinträge eine Reihe verallgemeinerungsfähiger Aussagen entnehmen, die für Methodik und Inhalt einer FFH- Verträglichkeitsuntersuchung anderer Verursacher von Nährstoffeinträgen von Bedeutung sind und auf deren Prüfung übertragen werden können. Es werden auch kritische Fragen gestellt und erkennbar der Versuch unternommen, zu handhabbaren und praxistauglichen Kriterien zu gelangen. Eine 1:1-Übertragung der Ergebnisse des Forschungsberichts auf die Beurteilung industrieller Nährstoffeinträge ist jedoch zum einen aufgrund der teilweise unterschiedlichen Ausgangsbedingungen nicht oder nur eingeschränkt möglich. Insbesondere aufgrund der wesentlich größeren Reichweite industrieller Immissionen durch die regelmäßig im Vergleich zu Straßen höhere Quellhöhe und wegen der größeren Bedeutung von Säureeinträgen bei industriellen Vorhaben ist eine Weiterentwicklung notwendig. Zum anderen werden nicht alle Fragen ausdiskutiert und eine abschließende Empfehlung gegeben. Im Folgenden wird ein Überblick über die wesentlichen Aussagen des Forschungsberichts gegeben und bewertet (I.). Im Anschluss werden Ziele und Forderungen für eine Betrachtung industrieller Immissionen zusammengefasst (II.). 1. Bestätigung des Konzepts der CL zur Anwendung in Genehmigungsverfahren (FFH- Verträglichkeitsuntersuchungen) Unter Rückgriff auf eine umfangreiche Würdigung der aktuellen Rechtsprechung und des aktuellen Meinungsstandes in der Wissenschaft wird das Konzept der CL als geeignetes Beurteilungskriterium bei FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen angesehen. Es bestünden wesentliche Übereinstimmungen mit dem Prüfungsziel von FFH-Untersuchungen (Abstellen auf eine wissenschaftlich hergeleitete, naturschutzfachliche Belastungsgrenze, die die Stabilität des Ökosystems gewährleistet; Berücksichtigung langfristiger Effekte von Nährstoffeinträgen durch das CL-Konzept, was dem FFH- Vorsorgeprinzip Rechnung trage, S. 172 f.). Bewertung: In Deutschland werden bereits durch die Vorbelastung viele CL großflächig und deutlich überschritten. Geht man von gleichbleibenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnissen in Europa aus, kann ein Abbau dieser Hintergrundbelastung und ein zukünftiges flächenhaftes Unterschreiten der CL faktisch ausgeschlossen werden. Bei Zugrundelegung des Konzepts der CL in Genehmigungsverfahren werden der Prüfung also Zielvorstellungen

zugrundegelegt, die in Europa faktisch nicht erreichbar sind. Dies ist mit dem auch im Habitatschutzrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. 4 von 19 Forderung: Bei Überschreiten der CL bereits durch die Vorbelastung ist zu klären, ob diese Überschreitung tatsächlich einen negativen Einfluss auf den Erhaltungszustand der empfindlichen Lebensraumtypen hat. Angaben hierzu müssen bereits in den Standarddatenbögen enthalten sein, die im Zuge der Meldung der FFH-Gebiete erstellt wurden. Diese Datenerhebung ist Aufgabe der zuständigen staatlichen Stellen, da es um die Erfassung und Bewertung von Vorbelastungsdaten zu den FFH-Gebieten geht. Diese ist ebenso wie die Grundlagenforschung nicht Sache einzelner Vorhabensträger und auch völlig unabhängig von einem konkreten neuen Projekteinfluss. Nationale Angaben im Rahmen der europäischen Berichterstattung sind für die Durchführung von FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen öffentlich und auswertbar zu machen. Es ist aus BDI Sicht problematisch, wenn flächendeckende Überschreitungen der CL in dieser Berichterstattung und in der nachfolgenden Managementplanung für das FFH-Gebiet nicht aufgegriffen werden, andererseits mit dieser Begründung eine faktische Zulassungssperre für neue Vorhaben entwickelt wird. 2. Aussagegehalt des CL-Konzeptes bei FFH- Verträglichkeitsuntersuchungen Aus einer Unterschreitung von CL wird abgeleitet, dass erhebliche Beeinträchtigungen von FFH-Erhaltungszielen ausgeschlossen werden können. Bei einer Überschreitung von CL kann dies nicht ausgeschlossen werden, mit der Folge, dass eine weitergehende Prüfung erfolgen muss. In diesem Zusammenhang wird umfangreich die aktuelle Rechtsprechung zitiert. Danach ist bei Überschreiten eines maßgeblichen CL grundsätzlich jede weitere Zusatzbelastung relevant und erheblich. Es seien aber auch Fallgestaltungen vorstellbar, in denen Hintergrundbelastungen oberhalb der CL zum Verschwinden hochempfindlicher, lebensraumtypischer Arten geführt haben, der Lebensraum sich aufgrund des verbliebenen, die Vorbelastung dauerhaft verkraftenden Artenspektrums aber immer noch in einem günstigen Erhaltungszustand befindet. Kann sich daran auch durch eine projektbedingte Zusatzbelastung nichts ändern, so ist die Zusatzbelastung mit dem Erhaltungsziel ausnahmsweise verträglich. Die Rechtsprechung habe die konkrete Definition derartiger Fallgestaltungen der naturschutzfachlichen Beurteilung überlassen.

Bewertung: 5 von 19 Die Möglichkeit solcher Fallgestaltungen wird im Forschungsbericht jedenfalls für Lebensraumtypen mit einem CL unter 10 kg/n ha*a mittelbar bestätigt. Im Hinblick auf die seit Jahrzehnten höhere Vorbelastung sei ein Erreichen entsprechender Ziele unrealistisch (S. 330). Es erfolgt jedoch keine Empfehlung, wie in der Praxis mit solchen Fallgestaltungen umzugehen ist. Letztlich wird eine Einzelfallprüfung erforderlich sein, der Forschungsbericht beschäftigt sich jedoch nur mit generellen Empfehlungen für die Mehrzahl der Fälle. Aus hiesiger Sicht wird eine solche Konstellation jedoch nicht selten auftreten. Forderung: Für die Ermittlung von (häufig vorstellbaren) Fallgestaltungen, in denen die Vorbelastung bereits zum Verschwinden hochempfindlicher Arten ohne Verschlechterung des Erhaltungszustandes geführt hat, muss ein methodisches Vorgehen entwickelt werden. Es müssen in absehbaren Zeiträumen realistisch erreichbare Ziele definiert werden; nur diese können tauglicher Maßstab einer FFH-Verträglichkeitsuntersuchung sein. Um realistisch erreichbare Ziele definieren zu können, müssen die aktuellen Belastungssituationen ermittelt und dieser Situation angepasste Erhaltungs- und Entwicklungsziele definiert werden. Dies ist originäre Aufgabe der zuständigen staatlichen Stellen. 3. Empirische oder modellierte CL? Hierzu wird zunächst die Rechtsprechung wiedergegeben, nach der keiner der genannten grundlegenden CL-Typen zu bevorzugen oder abzulehnen sei. Der Forschungsbericht entscheidet sich für eine Konkretisierung der empirischen CL der Berner Liste durch Modellierung von CL, und zwar durch Anwendung des sog. BERN- Modells (S. 186 f.) Dieses Modell wird angewandt von dem Gutachterbüro Öko-Data, Strausberg. Dieses Büro wurde als Vertreter für Deutschland in dem National Focal Centre des ICP Modelling & Mapping benannt (S. 171/172, 184). Im Rahmen des Forschungsberichts wird das BERN-Modell verknüpft mit einer sogenannten einfachen (statischen) Massenbilanz- Methode (SMB). Mit diesem Ansatz wird ermittelt, welches das natürliche Gleichgewicht des Stoffkreislaufes ist, als Voraussetzung für einen stabilen, günstigen Erhaltungszustand. Es werden also Einund Austragsberechnungen von Schadstoffen für ein Ökosystem vorgenommen. Grundannahme hierbei ist, dass die langfristigen Stoffeinträge gerade noch so hoch sein dürfen, wie diesen ökosysteminterne Prozesse gegenüberstehen, die die Einträge puffern, speichern, aufnehmen bzw. in unbedenklicher Größe aus dem System heraustragen können.

Das BERN-Modell besteht unter anderem aus einer sehr umfangreichen Datenbank über Vegetationsbestände in Deutschland, die Aussagen zu allen FFH-Lebensraumtypen und den dadurch repräsentierten Pflanzengesellschaften liefern sollen. Im BERN-Modell werden Belastbarkeitsschwellen (Critical Limits) für Pflanzengesellschaften und Pflanzenarten ermittelt, die in das SMB-Modell zur Bestimmung der CL eingestellt werden. 6 von 19 Öko-Data ist in der Lage, das BERN-Modell anstelle der SMB- Methode mit einem dynamischen Modellansatz (DECOMP.DE) zu ergänzen, mit dem Veränderungen der Vegetation in Abhängigkeit von sich ändernden abiotischen Standortfaktoren nachvollzogen bzw. prognostiziert werden können. Mithilfe eines solchen dynamischen Modellansatzes können signifikante Veränderungen des ökosysteminternen Stoffkreislaufes durch massive Stoffeinträge in der Vergangenheit berücksichtigt werden. Ziel des Modellansatzes ist die Wiederherstellung eines ausgewogenen, stabilen Gleichgewichts. Der Nachteil dieses Modellansatzes bestehe darin, dass er zum einen sehr aufwändig ist, zum anderen darin, dass dieses Modell nicht öffentlich zugänglich ist und somit ein Anspruch auf Nachvollziehbarkeit nicht erfüllt werden kann. Im Forschungsbericht wird daher das BERN-Modell nur mit der einfachen Massenbilanz-Methode (SMB) verknüpft. Als Vorteil wird beschrieben, dass die Anwendung des Modells einfacher und auch für andere Fachplaner möglich sein sollte. Dieser Modellansatz sei zudem für jeden nachvollziehbar und in der Fachwelt fände diese Vorgehensweise breite Anerkennung. Nachteil sei, dass die in Deutschland verbreiteten massiven Stoffeinträge in der Vergangenheit im Modell nicht berücksichtigt werden können. Bei dem Ansatz des Forschungsberichts wäre dies auch nicht möglich, da bundesweit konkretisierte CL für alle FFH-Lebensraumtypen zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Berücksichtigung von regional sehr unterschiedlichen Einträgen in der Vergangenheit wäre ein nicht zu leistender Aufwand. Um dem Nachteil zu begegnen, dass derartige Stoffeinträge in der Vergangenheit unberücksichtigt bleiben, erfolgte eine Validierung durch Anwendung des dynamischen Modellansatzes DECOMP.DE (S. 292f.). Es zeigte sich, dass bei Anwendung des BERN/SMB- Modells tendenziell etwas niedrigere CL resultierten, diese somit eher auf der sicheren liegen. Allerdings stehe ein breiter wissenschaftlicher Konsens über die Validität der ermittelten Modellergebnisse noch aus. Im Rahmen der Anwendung des BERN-Modells werden zahlreiche Annahmen zu kritischen Belastbarkeitsschwellen (Critical Limits) begründet dargelegt (S. 233f.)

Bewertung: 7 von 19 Dem Vorwurf, die empirischen CL der Berner Liste seien zu pauschal, passten nicht auf die regionalen Verhältnisse in Deutschland und seien insgesamt zu streng, wird durch Modellierung konkreter CL teilweise begegnet. Der Forderung nach Berücksichtigung lokaler Besonderheiten, insbesondere durch Erfassung von höheren Einträgen in der Vergangenheit, wird nicht nachgekommen. Durch den Abgleich mit ausgewählten CL-Berechnungen mit dem dynamischen Modellansatz DECOMP.DE versucht man, dieses Defizit zu kompensieren. Ein breiter wissenschaftlicher Konsens darüber stehe aber noch aus. Forderung: Es muss dokumentiert werden, dass die getroffenen Annahmen und Rechenergebnisse zur Ermittlung von CL auch für industrielle Projekte auf ausreichend sicherer liegen und den von der Rechtsprechung geforderten bestmöglichen wissenschaftlichen Erkenntnisstand darstellen. Eventuelle Besonderheiten der für industrielle Projekte relevanteren Säureeinträge sind zu berücksichtigen. Um Planungs- und Rechtssicherheit zu gewinnen, sollte dies in einer Fachkonvention festgelegt werden. 4. Bestimmung von Abschneidekriterien und Bagatellschwellen (S. 325 f.) Für die praktische Prüfung bei FFH-Untersuchungen wird im Forschungsbericht wie in anderen Empfehlungen (LANUV NRW) ein zweistufiges Vorgehen empfohlen: - Zur Ermittlung eines Untersuchungsgebiets wird auf ein Abschneidekriterium abgestellt. D.h., nur FFH-Gebiete, die mit Stoffeinträgen über diesem Abschneidekriterium beaufschlagt werden, sind näher zu betrachten. Wenn also eine Anlage mehr als 0,3 kg N/ha*a Stickstoff in der Nähe eines FFH-Gebietes emittiert, erfolgt eine nähere Prüfung. - Bei Überschreitung des CL bereits durch die Vorbelastung werden Zusatzbelastungen dann als unerheblich angesehen, wenn sie unterhalb einer Bagatellschwelle liegen, die bei 3 % des CL angesetzt wird. a) Abschneidekriterium für Stickstoff Der Forschungsbericht hält ein Abschneidekriterium für erforderlich, um schon aus praktischen Gründen in einer Ausbreitungsrechnung einen Untersuchungs- bzw. Betrachtungsraum abgrenzen zu können. Bedeutung habe ein solches Abschneidekriterium insbesondere bei größeren Abständen zwischen Vorhaben und FFH-Gebiet, um eine eindeutige Aussage zur Irrelevanz treffen zu können, ohne das FFH-Gebiet oder die exakte Größenordnung von Depositions-

beiträgen anderer Vorhaben im Einzelnen untersuchen zu müssen. Als fachliches Kriterium zu Bestimmung dieses Abschneidekriteriums wird die messtechnische Nachweis- bzw. Bestimmungsgrenze für Stickstoffeinträge herangezogen. Unter Berücksichtigung konservativer Annahmen wird ein Abschneidekriterium von 0,3 kg N/ha*a als richtig und belastbar angesehen. 8 von 19 Es wird darauf eingegangen, dass das LANUV NRW zwar einen ähnlichen Ansatz für die Herleitung eines Abschneidekriteriums verfolgt (Aspekt der Messunsicherheit) und daraus ebenfalls ein Abschneidekriterium von 0,3 kg N/ha*a ableitet, jedoch aus der Größenordnung der 3 %-Bagatellschwelle für den niedrigsten in NRW vorkommenden CL (4 kg N/ha*a) letztlich ein Abschneidekriterium von 0,1 kg N/ha*a wählt und damit spürbar strenger ist (3% entsprechen in diesem Fall schon 0,12 kg, sodass die Bagatellschwelle praktisch mit dem Abschneidekriterium zusammenfällt (S. 139)). Dennoch werden die 0,3 kg N/ha*a im Forschungsbericht als konservativ abgeschätzte Nachweisschwelle angesehen. Zu den von NRW angeführten, besonders niedrigen CL für einzelne Lebensraumtypen (beispielsweise bestimmte Hochmoore) wird im Forschungsbericht an anderer Stelle zutreffend darauf hingewiesen, dass entsprechend niedrige CL in Deutschland mit sehr wenigen Ausnahmen bereits seit Jahrzehnten überschritten sind und unter den gegebenen Umständen in absehbaren Zeiträumen nicht erreicht werden können (S. 330). Vegetationsveränderungen, die bei Grundbelastungen von über 10 kg auftreten, seien somit in den allermeisten Regionen in Deutschland entweder längst eingetreten oder - bei realistischer Betrachtung - auch zukünftig nicht vermeidbar. Es wird daher Anlass gesehen, sorgfältig zu prüfen, ob ein Schutzziel von unter 10 kg N/ha*a fachlich überhaupt angemessen ist. Bewertung: - Über ein Abschneidekriterium im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Untersuchungsgebietes besteht weitgehend fachlich Konsens, nur die Höhe dieses Kriteriums ist umstritten. ns der Umweltverbände wird ein solches Kriterium grundsätzlich abgelehnt. - Der strengere Ansatz des LANUV NRW erscheint nicht konsequent, da das Abschneidekriterium zwar über die Grenze des physikalisch verlässlich Bestimmbaren hergeleitet, aber dann doch auf ein nur rechnerisch ermittelbares Maß hin verschärft wird (0,1 kg N/ha*a). Der Einwand, dass sonst Abschneidekriterium und Bagatellschwelle bei höchstempfindlichen Lebensraumtypen zusammenfallen können, überzeugt nicht, da diese Lebensräume vergleichsweise selten sind und eine derart strenge Vorgehensweise dann nicht für die Mehrzahl der Fälle gerecht-

fertigt sein kann. Zudem sind derart niedrige CL faktisch nicht erreichbar und können daher auch kein taugliches Erheblichkeitskriterium darstellen. 9 von 19 Forderungen: Es ist zu fordern, dass das im Forschungsbericht nachvollziehbar hergeleitete Abschneidekriterium von 0,3 kg N/ha*a im Sinne einer Fachkonvention festgeschrieben wird. Der strengere Ansatz des LANUV NRW erscheint nicht konsequent, da das Abschneidekriterium zwar über die Grenze des physikalisch verläßlich Bestimmbaren hergeleitet, aber dann doch auf ein nur rechnerisch ermittelbares Maß hin verschärft wird (0,1 kg N/ha*a). Der Einwand, dass sonst Abschneidekriterium und Bagatellschwelle bei höchstempfindlichen Lebensraumtypen zusammenfallen können, überzeugt nicht, da diese Lebensräume vergleichsweise selten sind und eine derarte strenge Vorgehensweise dann nicht für die Mehrzahl der Fälle gerechtfertigt sein kann. Zudem sind derart niedrige CL faktisch nicht erreichbar und können daher auch kein taugliches Erheblichkeitskriterium darstellen. b) Bagatellschwelle von 3 % des CL Da in weiten Teilen Deutschlands die CL bereits durch die Vorbelastung überschritten sind, stellt sich die Frage, ob zusätzliche Einträge überhaupt noch toleriert werden können. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und im Sinne einer zumindest teilweise fachlich begründeten Konvention unterstützt der Forschungsbericht die Auffassung, dass erhebliche Beeinträchtigungen durch Stickstoffeintrag erst bei Überschreiten dieser Schwelle auftreten können. Diese Schwelle markiert die empirisch nachweisbare Wirkungsschwelle. Der vorgeschlagene 3 %-Wert liegt unterhalb des Bereiches von nachweisbaren Effekten. Auch das LANUV NRW vertritt die 3 %-Bagatellschwelle. Im Forschungsbericht wird allerdings für weniger empfindliche Lebensraumtypen auch eine Bagatellschwelle bis zu 5 % des CL vertreten. Bewertung: Hinsichtlich einer Bagatellschwelle von 3 % des CL (bei Überschreitung des CL bereits durch die Vorbelastung) zeichnet sich ein weitgehender fachlicher Konsens ab. Die Umweltverbände lehnen die Bagatellschwelle ab.

Forderungen: 10 von 19 Hinsichtlich der Festlegung einer Bagatellschwelle von 3 % des CL ist zu fordern, dass ebenfalls eine Anpassung an die im Forschungsbericht empfohlene Spannbreite von 3-5 % erfolgt. Das wie vorstehend beschriebene Abschneidekriterium und eine Bagatellschwelle sind auch für Säureeinträge zu bestimmen. Säureeinträge sind für industrielle Vorhaben noch relevanter als Stickstoffeinträge. Entsprechend der Empfehlung des LANUV NRW wird hier ein Abschneidekriterium von 30 Säureäquivalenten und eine Bagatellschwelle von ebenfalls 3 % des CL vorgeschlagen. c) Beleg der Unerheblichkeit im Einzelfall bei Überschreitung von CL und Bagatellenschwelle Im Forschungsbericht wird ausdrücklich nicht ausgeschlossen, bei einer Überschreitung von CL und Bagatellschwelle im Einzelfall den Nachweis einer Unerheblichkeit höherer Einträge anzutreten. Es wird jedoch kein konkreter Weg bzw. keine Methodik aufgezeigt, mit der dies erfolgen kann. Bewertung: - Sämtliche Methodikempfehlungen beschränken sich auf die Anwendung des Konzeptes der CL im Rahmen der Vorprüfung. Die eigentliche (vertiefte) FFH-Verträglichkeitsuntersuchung bleibt so ohne methodische Struktur und praxistaugliche Kriterien. - In der Praxis ist ein bunter Strauß verschiedener CL für Stickstoff zu erwarten. Es kann zunächst auf die Sammlung empirischer CL der Berner Liste zurückgegriffen werden. In einzelnen Bundesländern, zum Beispiel NRW, wurden für die vorkommenden FFH-Lebensraumtypen zwischenzeitlich eigene CL ermittelt. Weiterhin unternimmt es der Forschungsbericht, für die im Bundesgebiet vorkommenden Lebensraumtypen CL zu modellieren. Schließlich wird regelmäßig das Gutachterbüro Öko- Data anlässlich konkreter Planungs- und Genehmigungsverfahren mit der Modellierung gebietsspezifischer CL beauftragt und kann hierbei gegebenenfalls weitergehend als zum Forschungsbericht lokale Besonderheiten bei den CL berücksichtigen. Forderungen: Es bleibt zu fordern, dass eine rechtlich belastbare Methodik aufgezeigt wird, mit der im Einzelfall bei Überschreitung von CL und Bagatellschwellen die Unerheblichkeit höherer Einträge belegt werden kann.

Es ist auf fachlicher Ebene im Sinne einer Fachkonvention eine Abstimmung über den richtigen CL herbeizuführen. Abweichungen auf Bundes- oder Landesebene dürfen nicht zulasten eines einzelnen Vorhabenträgers gehen, der sonst im Zweifel den jeweils strengeren Wert oder den Wert der ihm näheren Zulassungsbehörde wird anwenden müssen. Eine Erleichterung für die Planungspraxis ist zudem nur zu erwarten, wenn auf die Ermittlung von CL in jedem Einzelfall eines Planungs- oder Genehmigungsverfahrens zukünftig verzichtet werden kann. Auch dies ist im Sinne einer Fachkonvention festzuschreiben. 11 von 19 5. Ermittlung der Vorbelastung Wie nach anderen Empfehlungen auch, wird es im Forschungsbericht als ausreichend und richtig angesehen, die Vorbelastung durch Stickstoff aus dem entsprechenden Datensatz des Umweltbundesamtes zu entnehmen. Dieser ist frei verfügbar und bildet die Situation derzeit bis zum Jahr 2007 ab. Die Belastung wird aus allen erfassten Quellen ermittelt und gemittelt für ein Raster von 1 km² angegeben. Dies bedeute nach Auffassung der Forschungsnehmer, dass nahe an FFH-Gebieten gelegene starke Stickstoffquellen unter Umständen nicht entsprechend ihrer tatsächlichen (Punkt-)Belastung abgebildet werden. Der Forschungsbericht empfiehlt daher, starke Quellen im unmittelbaren Nahbereich gesondert zu ermitteln und in der Vorbelastung zu berücksichtigen. Bewertung: Die Ermittlung einer über die Belastungsangabe des Umweltbundesamtes gegebenenfalls hinausgehenden punktuellen Vorbelastung durch starke Emittenten im Nahbereich eines FFH-Gebiets ist nicht Sache einzelner Vorhabenträger, sondern Grunddatenerhebung in der Verantwortung der zuständigen staatlichen Stellen. Ein Vorhabenträger kann und muss nur die ihm allgemein zugänglichen, öffentlichen Quellen (Datensatz des Umweltbundesamtes) auswerten. Forderung: Es ist im Sinne einer Fachkonvention festzuschreiben, dass die Ermittlung der Vorbelastung auf der Grundlage des jeweils aktuellen Datensatzes des Umweltbundesamtes in Planungs- und Genehmigungsverfahren durch den Antragsteller ausreichend ist. Eine weitergehende Berücksichtigung gegebenenfalls vorhandener naher Quellen an einem FFH-Gebiet ist Aufgabe der zuständigen staatlichen Stellen; soweit dies nicht erfolgt, kann der Antragsteller im Genehmigungsverfahren davon ausgehen, dass keine weitergehenden Belastungen zu berücksichtigen sind.

6. Rechenmodalitäten zur Bestimmung der Deposition 12 von 19 Wesentlicher Faktor bei der Bestimmung der Deposition (Eintragshöhe) ist die Geschwindigkeit, die für den Niederschlag von Partikeln auf die Oberfläche zu Grunde gelegt wird. Je nach Beschaffenheit der Oberfläche (Wasserfläche, Wiese oder Acker, Wald) werden diese Partikel in unterschiedlicher Stärke aus der Luft ausgekämmt. Je rauer die Fläche (Wald), umso mehr Partikel werden ausgekämmt. In einer VDI - Norm (3782, Blatt 5) sind für jeden Oberflächenzustand und nach Stoffen unterschieden verschiedene Depositionsgeschwindigkeiten festgelegt. Der Forschungsbericht nimmt eine weiter differenzierte und realitätsnähere Bestimmung dieser Depositionsgeschwindigkeiten vor (S. 123). Bewertung: Dieser Ansatz ist grundsätzlich zu begrüßen. In der Praxis wird hier insbesondere im Hinblick auf die Deposition in Waldgebieten zu sehr konservativen Ansätzen geraten (LANUV NRW), die dann zwar auf der sicheren liegen mögen, aber zu einer weiteren Entfernung von den reellen Einträgen führen. Forderung: Es ist zu fordern, dass bei der Ausbreitungsrechnung den realen Verhältnissen möglichst entsprechende Annahmen getroffen werden, über diese Annahmen baldmöglichst fachlicher Konsens erzielt wird und eine Festlegung im Sinne einer Fachkonvention erfolgt. Dies gilt insbesondere für die anzulegende Depositionsgeschwindigkeit. Konservativ hergeleitete Annahmen, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben, sind unverhältnismäßig. 7. Kumulative Betrachtung anderer Pläne und Projekte Eine kumulative Betrachtung der Auswirkungen anderer Pläne und Projekte ist in der FFH-Richtlinie bzw. 34 BNatSchG vorgegeben. Nicht abschließend geklärt ist jedoch, inwieweit die Bildung eines Abschneidekriteriums und einer Bagatellschwelle hiermit in Einklang zu bringen ist, d.h., ob gegebenenfalls auf die kumulative Betrachtung anderer Pläne und Projekte verzichtet werden kann, wenn das beantragte Vorhaben für sich genommen diese Grenzen nicht übersteigt. Weiterhin ist nicht abschließend geklärt, welche anderen Pläne und Projekte und wie sie ggf. in die Betrachtung einzubeziehen sind. Dies stellt einen der Hauptkonfliktpunkte in der gegenwärtigen Diskussion dar. Im Forschungsbericht werden diese Fragen angerissen und diskutiert, jedoch, soweit erkennbar, keine abschließende Empfehlung gegeben.

Bewertung: 13 von 19 In der Rechtsprechung ist bislang lediglich geklärt, dass im Hinblick auf ein mögliches Überschreiten der 3 %-Bagatellschwelle andere Pläne und Projekte zu berücksichtigen sind. D. h., auch gemeinsam mit anderen Plänen und Projekten darf ein neues Vorhaben nicht die Bagatellschwelle überschreiten. Nicht abschließend geklärt ist, ob dies auch in Bezug auf das Abschneidekriterium gilt. Diese Frage lag der Rechtsprechung bisher nicht zur Entscheidung vor. Hinsichtlich der Auswahl von Plänen und Projekten ist in der Rechtsprechung geklärt, dass bereits zugelassene, aber noch nicht realisierte und darüber hinaus planungsrechtlich verfestigte Projekte hinsichtlich ihrer kumulativen Auswirkungen zu berücksichtigen sind. Darüber, wann ein Projekt ausreichend planungsrechtlich verfestigt ist (ab Antragstellung oder erst ab Anhörung?) besteht noch ein gewisser Klärungsbedarf. (a) Abschneidekriterium In Bezug auf das Abschneidekriterium kommt eine Berücksichtigung anderer Pläne und Projekte nicht in Betracht. Dies wäre mit dem Wesen und der Herleitung dieses Kriteriums fachlich und rechtlich nicht vereinbar. Das Abschneidekriterium wird mit der Messunsicherheit begründet und beschreibt die Depositionsmenge, die noch fachlich verlässlich ermittelt werden kann. Das Kriterium markiert somit die Grenze, unterhalb derer die Feststellung erheblicher Beeinträchtigungen fachlich nicht mehr ausreichend belastbar und daher unverhältnismäßig wäre. Dies gilt gleichermaßen für die Berücksichtigung anderer Pläne und Projekte. Fachlich und rechtlich belastbar kann ein Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten daher nur festgestellt werden, wenn die Zusatzbelastung des beantragten Vorhabens mindestens die Schwelle des Abschneidekriteriums übersteigt. Erst dann kann eine Prüfung einer wechselseitigen Verstärkung von Wirkungen mit anderen Plänen und Projekten erfolgen. Auch im Hinblick auf die häufig große Reichweite industrieller Immissionen stünde anderenfalls keinerlei praktikables Kriterium zur Verfügung, um den Untersuchungsaufwand auf ein gerade noch machbares und angemessenes Maß zu reduzieren. Es müsste letztlich jedes einzelne Molekül verfolgt und auf eine wechselseitige Verstärkung der mit anderen Plänen und Projekten verbundenen Wirkungen untersucht werden. Ein unmögliches Unterfangen, das vom Recht nicht gefordert ist. (b) 3 %-Bagatellschwelle In Bezug auf die Anwendung der 3 %-Bagatellschwelle ist nicht abschließend geklärt, wie derartige Pläne und Projekte zu ermitteln sind, wer für die Beschaffung ausreichender Daten zur Beurteilung der den von diesen Projekten ausgehenden Immissionen verantwortlich ist und insbesondere, ob auch solche Projekte einzubeziehen

sind, die nach Unterschutzstellung der FFH-Gebiete in Betrieb genommen wurden, oder was richtig wäre, nur solche Projekte, die hinreichend verdichtet geplant oder genehmigt, aber noch nicht realisiert sind. 14 von 19 Das OVG Münster und das LANUV NRW stellen insoweit auf die Veröffentlichung der Liste mit Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung durch die EU-Kommission im Jahr 2004 ab. In dem der Entscheidung zu grunde liegenden Fallgestaltung hatte das OVG Münster jedoch nur über andere Projekte zu befinden, die noch nicht realisiert waren. Teilweise wird in denkbar weitestgehender Weise gefordert, dass auch alle Projekte, die seit dem Jahr 2004 bereits in Betrieb gegangen sind, in eine kumulative Betrachtung einbezogen werden müssen. Es versteht sich von selbst, dass in diesem Fall zahlreiche Projekte Dritter ermittelt und deren Immissionsbeiträge für einzelne FFH-Gebiete nachträglich errechnet werden müssen, mit dem Ergebnis, dass die 3 %-Schwelle häufig deutlich überschritten wird. Geht man weiter von dem Stichjahr 2004 aus, ist ebenso klar, dass die 3 %-Schwelle jedenfalls in den kommenden Jahren durch neue Projekte schon regelmäßig überschritten sein wird; der Topf der 3 %-Schwelle ist entweder bereits voll oder wird es bald sein. Nach der geltenden Prüfmethodik muss dann eine vertiefte FFH- Verträglichkeitsuntersuchung vorgenommen werden. Es ist unklar, wie eine solche vertiefte Prüfung gemeistert werden kann. Denn es muss hierbei im Hinblick auf die unter Umständen erst langfristig eintretenden Schadeffekte solcher Stoffeinträge prognostiziert werden, dass auch in einigen Jahrzehnten sicher nicht mit erheblichen Beeinträchtigungen gerechnet werden muss. Bei einer vertieften Prüfung hat der Vorhabenträger bzw. die Zulassungsbehörde die Beweislast dafür, dass keine Beeinträchtigung auftreten wird. Es liegt auf der Hand, dass eine entsprechende langfristige Zukunftsprognose nur schwer möglich sein wird und ein Antragsteller ggf. allein aufgrund der Beweislastverteilung diesen Nachweis schuldig bleiben muss. In der Praxis wird dies dazu führen, dass man mit einem zusätzlichen Risikomanagement (Monitoring der FFH-Gebiete und Einplanung von Korrekturmaßnahmen, wie zum Beispiel Kalkung der betroffenen Wälder) Vorsorge leisten muss. Dies ist nicht nur kostenintensiv und aufwändig, sondern unter Umständen ebenfalls mit Restzweifeln behaftet. Eine weitergehende Absicherung kann daher gegebenenfalls nur mit Hilfe einer Ausnahmeprüfung gelingen, die aber bei Industrieprojekten im Hinblick auf die Ausnahmevoraussetzung überwiegender öffentlicher Interessen nur in Einzelfällen überhaupt erfolgreich sein würde. Der Forschungsbericht nimmt eine kritische Haltung gegenüber der Forderung ein, bereits realisierte Vorhaben in der kumulativen Betrachtung von Auswirkungen zu berücksichtigen. Dem ist zuzu-

stimmen. Auch aus Sicht der EU-Kommission sind bereits abgeschlossene (d. h. realisierte) Projekte grundsätzlich nicht in der Kumulationsbetrachtung zu berücksichtigen (Leitfaden der EU- Kommission (NATURA 2000 Gebietsmanagement, Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie, 2000). Derartige Projekte seien nur dann bis zu einem gewissen Grade in die Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen, wenn sie das Gebiet dauerhaft beeinflussen und Anzeichen für eine fortschreitende Beeinträchtigung des Gebiets bestehen (Kap. 4.4.3, S. 37). Dabei kann es sich ersichtlich nur um sehr enge, einschränkende Voraussetzungen handeln. Die Anzeichen für eine fortschreitende Beeinträchtigung des Gebiets sind projektbezogen zu verstehen. Die englische und französische Fassung dieses Leitfadens stellen dies ausreichend klar. Eine durch andere Projekte verursachte Vorbelastungssituation muss also zu einer fortschreitenden Beeinträchtigung des Gebiets führen. Erst dann kommt eine kumulative Berücksichtigung bis zu einem gewissen Grad in Betracht. 15 von 19 Soweit bereits realisierte Vorhaben, wie es häufig der Fall sein wird, bereits in dem Datensatz des Umweltbundesamtes zur Vorbelastung abgebildet sind (derzeit bis zum Jahr 2007), scheidet eine gesonderte kumulative Berücksichtigung dieser Projekte aus, da Sie bereits über die Vorbelastung erfasst sind und eine doppelte Berücksichtigung nicht verlangt werden kann. Mit jeder Fortschreibung des Datensatzes des Umweltbundesamtes ergibt sich somit eine Erledigung der Kumulationsfrage. Aktuell wäre bspw. nur für die ab 2007 bis zur Antragstellung bereits realisierten Vorhaben zu prüfen, ob sie mit Anzeichen für eine fortschreitende Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets verbunden sind, und nur wenn dies der Fall ist, wären sie zusätzlich zu berücksichtigen. Auch dies betrifft wiederum die Grunddatenerhebung in Bezug auf die Vorbelastung und ist daher nicht Sache des einzelnen Vorhabenträgers. Die zuständigen staatlichen Stellen müssen auf einen solchen Sachverhalt im Genehmigungsverfahren hinweisen, anderenfalls kann der Antragsteller davon ausgehen, dass keine weiteren Projekte zu berücksichtigen sind. Forderungen: Es ist im Sinne einer Fachkonvention festzuschreiben, dass bei Anwendung des sogenannten Abschneidekriteriums im Zusammenhang mit der Abgrenzung eines Untersuchungsgebiets keine Berücksichtigung anderer Pläne und Projekte erfolgen muss. Es ist, wenn man der bisherigen Rechtsprechung folgen will, mindestens im Sinne einer Fachkonvention festzuschreiben, dass im Zusammenhang mit der Prüfung der Einhaltung der 3 %-Bagatellen Schwelle durch das beantragte Vorhaben grundsätzlich nur genehmigte oder planerisch verfestigte andere Pläne und Projekte zu berücksichtigen sind, die im Zeit-

punkt der Antragstellung noch nicht realisiert wurden. Ist absehbar, dass bis zur Erteilung der beantragten Genehmigung mit einer Realisierung des anderen Projektes zu rechnen ist, ist auf das voraussichtliche Datum der Genehmigung abzustellen, das nach allgemeinen Regeln maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorhabens ist. Ist also mit einer Realisierung des anderen Projekts bis zur beantragten Genehmigung zu rechnen, ist das andere Projekt in den Antragsunterlagen der Vorbelastung zuzurechnen. 16 von 19 Eine ausnahmsweise Rücksichtigung bereits realisierter anderer Pläne und Projekte kommt in diesem Zusammenhang nur in Betracht, wenn diese Projekte nicht in dem jeweils aktuellen Datensatz des Umweltbundesamtes zur Erfassung der Vorbelastung abgebildet sind und diese Projekte ein FFH- Gebiet dauerhaft beeinflussen sowie Anzeichen für eine fortschreitende Beeinträchtigung dieses Gebietes zeigen. Ein solcher Sachverhalt ist nur ausnahmsweise vorstellbar und muss von den jeweils zuständigen staatlichen Stellen im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens eingebracht werden. Soweit eine kumulative Berücksichtigung anderer Pläne und Projekte erfolgen muss, findet dies ihre Grenze in der Beschaffbarkeit der erforderlichen Grunddaten bei dem anderen Projektträger. Es ist nicht Aufgabe eines Antragstellers für ein neues Vorhaben, umfangreiche Berechnungen hinsichtlich der Auswirkungen anderer Projekte anzustellen und gegebenenfalls auch dort vorliegende Versäumnisse auszuräumen. Da der Prüfvorgang, ob die 3 % -Bagatellschwelle überschritten wird, nach der Rechtsprechung dem Bereich der FFH- Vorprüfung zuzuordnen ist, gelten noch nicht die strengen Beweislastanforderungen einer vertieften FFH- Verträglichkeitsuntersuchung. D. h., der Antragsteller ist noch nicht verpflichtet, den Gegenbeweis für das Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen anzutreten.

III. Zusammenfassung der Forderungen des BDI: 17 von 19 Bei Überschreiten der CL bereits durch die Vorbelastung ist zu klären, ob diese Überschreitung tatsächlich einen negativen Einfluss auf den Erhaltungszustand der empfindlichen Lebensraumtypen hat. Angaben hierzu müssen bereits in den Standarddatenbögen enthalten sein, die im Zuge der Meldung der FFH-Gebiete erstellt wurden. Diese Datenerhebung ist Aufgabe der zuständigen staatlichen Stellen, da es um die Erfassung und Bewertung von Vorbelastungsdaten zu den FFH-Gebiet geht. Diese ist ebenso wie die Grundlagenforschung nicht Sache einzelner Vorhabenträger und auch völlig unabhängig von einem konkreten neuen Projekteinfluss. Nationale Angaben im Rahmen der europäischen Berichterstattung sind für die Durchführung von FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen öffentlich und auswertbar zu machen. Es ist aus BDI Sicht problematisch, wenn flächendeckende Überschreitungen der CL in dieser Berichterstattung und in der nachfolgenden Managementplanung für das FFH-Gebiet nicht aufgegriffen werden, andererseits mit dieser Begründung eine faktische Zulassungssperre für neue Vorhaben entwickelt wird. Für die Ermittlung von (häufig vorstellbarer) Fallgestaltungen, in denen die Vorbelastung bereits zum Verschwinden hochempfindlicher Arten ohne Verschlechterung des Erhaltungszustandes geführt hat, muss ein methodisches Vorgehen entwickelt werden. Es müssen in absehbaren Zeiträumen realistisch erreichbare Ziele definiert werden; nur diese können tauglicher Maßstab einer FFH- Verträglichkeitsuntersuchung sein. Um realistisch erreichbare Ziele definieren zu können, muss die aktuelle Belastungssituationen ermittelt und dieser Situation angepasste Erhaltungs- und Entwicklungsziele definiert werden. Dies ist originäre Aufgabe der zuständigen staatlichen Stellen. Es muss dokumentiert werden, dass die getroffenen Annahmen und Rechenergebnisse zur Ermittlung von CL auch für industrielle Projekte auf ausreichend sicherer liegen und den von der Rechtsprechung geforderten bestmöglichen wissenschaftlichen Erkenntnisstand darstellen. Eventuelle Besonderheiten der für industrielle Projekte relevanteren Säureinträge sind zu berücksichtigen. Um Planungs- und Rechtssicherheit zu gewinnen, sollte dies in einer Fachkonvention festgelegt werden. Es ist zu fordern, dass das im Forschungsbericht nachvollziehbar hergeleitete Abschneidekriterium von 0,3 kg N/ha*a im Sinne einer Fachkonvention festgeschrieben wird. Der strengere Ansatz des LANUV NRW erscheint nicht konsequent, da das Abschneidekriterium zwar über die Grenze des physikalisch verlässlich Bestimmbaren hergeleitet, aber dann doch auf ein nur rechnerisch ermittelbares Maß hin verschärft wird (0,1 kg N/ha*a). Der Einwand, dass sonst Abschneidekriterium und Bagatellschwelle

bei höchstempfindlichen Lebensraumtypen zusammenfallen können, überzeugt nicht, da diese Lebensräume vergleichsweise selten sind und eine derart strenge Vorgehensweise dann nicht für die Mehrzahl der Fälle gerechtfertigt sein kann. Zudem sind derart niedrige CL faktisch nicht erreichbar und können daher auch kein taugliches Erheblichkeitskriterium darstellen. 18 von 19 Hinsichtlich der Festlegung einer Bagatellschwelle von 3 % des CL ist zu fordern, dass ebenfalls eine Anpassung an die im Forschungsbericht empfohlene Spannbreite von 3-5 % erfolgt. Das wie vorstehend beschriebene Abschneidekriterium und eine Bagatellschwelle sind auch für Säureeinträge zu bestimmen. Säureeinträge sind für industrielle Vorhaben noch relevanter als Stickstoffeinträge. Entsprechend der Empfehlung des LANUV NRW wird hier ein Abschneidekriterium von 30 Säureäquivalenten und eine Bagatellschwelle von ebenfalls 3 % des CL vorgeschlagen. Es bleibt zu fordern, dass eine rechtlich belastbare Methodik aufgezeigt wird, mit der im Einzelfall bei Überschreitung von CL und Bagatellschwellen die Unerheblichkeit höherer Einträge belegt werden kann. Es ist auf fachlicher Ebene im Sinne einer Fachkonvention eine Abstimmung über den richtigen CL herbeizuführen. Abweichungen auf Bundes- oder Landesebene dürfen nicht zulasten eines einzelnen Vorhabensträgers gehen, der sonst im Zweifel den jeweils strengeren Wert oder den Wert der ihm näheren Zulassungsbehörde wird anwenden müssen. Eine Erleichterung für die Planungspraxis ist zudem nur zu erwarten, wenn auf die Ermittlung von CL in jedem Einzelfall eines Planungs- oder Genehmigungsverfahrens zukünftig verzichtet werden kann. Auch dies ist im Sinne einer Fachkonvention festzuschreiben. Es ist im Sinne einer Fachkonvention festzuschreiben, dass die Ermittlung der Vorbelastung auf der Grundlage des jeweils aktuellen Datensatzes des Umweltbundesamtes in Planungs- und Genehmigungsverfahren durch den Antragsteller ausreichend ist. Eine weitergehende Berücksichtigung gegebenenfalls vorhandener naher Quellen an einem FFH-Gebiet ist Aufgabe der zuständigen staatlichen Stellen; soweit dies nicht erfolgt, kann der Antragsteller im Genehmigungsverfahren davon ausgehen, dass keine weitergehenden Belastungen zu berücksichtigen sind. Es ist zu fordern, dass bei der Ausbreitungsrechnung den realen Verhältnissen möglichst entsprechende Annahmen getroffen werden, über diese Annahmen baldmöglichst fachlicher Konsens erzielt wird und eine Festlegung im Sinne einer Fachkonvention erfolgt. Dies gilt insbesondere für die anzulegende Depositionsgeschwindigkeit. Konservativ hergeleitete Annahmen, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben, sind unverhältnismäßig.

Es ist im Sinne einer Fachkonvention festzuschreiben, dass bei Anwendung des sogenannten Abschneidekriteriums im Zusammenhang mit der Abgrenzung eines Untersuchungsgebiets keine Berücksichtigung anderer Pläne und Projekte erfolgen muss. Es ist, wenn man der Rechtsprechung insoweit folgen will, zumindest im Sinne einer Fachkonvention festzuschreiben, dass im Zusammenhang mit der Prüfung der Einhaltung der 3 %-Bagatellschwelle durch das beantragte Vorhaben grundsätzlich nur genehmigte oder planerisch verfestigten andere Pläne und Projekte zu berücksichtigen sind, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht realisiert wurden. Ist absehbar bis zur Erteilung der beantragten Genehmigung mit einer Realisierung des anderen Projektes zu rechnen, ist auf das voraussichtliche Datum der Genehmigung abzustellen, das nach allgemeinen Regeln maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorhabens ist. Ist also mit einer Realisierung des anderen Projektes bis zur beantragten Genehmigung zu rechnen, ist das andere Projekt in den Antragsunterlagen der Vorbelastung zuzurechnen. Eine ausnahmsweise Rücksichtigung bereits realisierter anderer Pläne und Projekte kommt in diesem Zusammenhang nur in Betracht, wenn diese Projekte nicht in dem jeweils aktuellen Datensatz des Umweltbundesamtes zur Erfassung der Vorbelastung abgebildet sind und diese Projekte ein FFH-Gebiet dauerhaft beeinflussen sowie Anzeichen für eine fortschreitende Beeinträchtigung dieses Gebietes zeigen. Ein solcher Sachverhalt ist nur ausnahmsweise vorstellbar und muss von den jeweils zuständigen staatlichen Stellen im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens eingebracht werden. Soweit eine kumulative Berücksichtigung anderer Pläne und Projekte erfolgen muss, findet diese ihre Grenze in der Beschaffbarkeit der erforderlichen Grunddaten bei dem anderen Projektträger. Es ist nicht Aufgabe eines Antragstellers für ein neues Vorhaben, umfangreiche Berechnungen hinsichtlich der Auswirkungen anderer Projekte anzustellen und gegebenenfalls auch dort vorliegende Versäumnisse auszuräumen. Da der Prüfvorgang, ob die 3 % -Bagatellschwelle überschritten wird, nach der Rechtsprechung dem Bereich der FFH-Vorprüfung zuzuordnen ist, gelten noch nicht die strengen Beweislastanforderungen einer vertieften FFH-Verträglichkeitsuntersuchung. D. h., der Antragsteller ist noch nicht verpflichtet, den Gegenbeweis für das Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen anzutreten. 19 von 19