Handout zu Gödel: Die Unvollständigkeitssätze

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Transkript:

Handout zu Gödel: Die Unvollständigkeitssätze Juanfernando Angel-Ramelli, Christine Schär, Katja Wolff December 4, 2014 Contents 1 Einleitung 1 1.1 Gödels Theoreme (1931).............................. 1 1.2 Wichtigste Folgen der Sätze............................ 2 2 Vorbereitung für die Unvollständigkeitssätze 2 2.1 Wiederholung ein paar wichtiger Definitionen.................. 2 2.2 Zwei Versionen des ersten Unvollständigkeitssatzes............... 2 2.3 Gödelisierung.................................... 3 2.4 Definition von Primitiv-Rekursiven Funktionen................. 3 2.5 Arithmetische Repräsentierbarkeit........................ 4 3 Die Unvollständigkeitssätze 4 3.1 Der Erste Unvollständigkeitssatz......................... 4 3.1.1 Voraussetzungen für den Beweis..................... 5 3.1.2 Beweis des ersten Unvollständigkeitssatzes................ 5 3.1.3 Rossers Beitrag............................... 7 3.2 Der zweite Unvollständigkeitssatz......................... 7 4 Missverständnisse 7 4.1 Missverständniss 1................................. 7 4.2 Missverständniss 2................................. 7 4.3 Missverständniss 3................................. 8 4.4 Missverständniss 4................................. 8 4.5 Missverständniss 5................................. 8 1 Einleitung 1.1 Gödels Theoreme (1931) Ich bin innerhalb des Kalküls unbeweisbar. Erstes Theorem 1

Wahrheit und Beweisbarkeit kommen in einem genug ausdrucksstarken, korrekten formalen System nicht in Einklang. Das heisst das System ist unvollständig. Es existieren also Aussagen welche im System wahr sind, jedoch innerhalb des Systems nicht beweisbar. Zweites Theorem Das zweite Theorem folgt aus dem ersten Theorem. Es besagt, dass kein formales System mit hinreichender Ausdrucksstärke seine Widerspruchsfreiheit beweisen kann. 1.2 Wichtigste Folgen der Sätze Folgen der Sätze Das Hilbertprogramm kann nicht umgesetzt werden (Widerspruchsfreiheit der Mathematik beweisen). Die Grenzen der Mathematik werden sichtbar Die Sätze erlauben tiefe Einblicke ins System des mathematischen Schliessens 2 Vorbereitung für die Unvollständigkeitssätze 2.1 Wiederholung ein paar wichtiger Definitionen Widerspruchsfrei: Negationsvollständig: Korrekt: Vollständig: Aus ϕ folgt stets ϕ Aus ϕ folgt stets ϕ Aus ϕ folgt stets = ϕ Aus = ϕ folgt stets ϕ 2.2 Zwei Versionen des ersten Unvollständigkeitssatzes Erster Unvollständigkeitssatz (semantisch) Jedes korrekte formale System, das stark genug ist, um die Peano- Arithmetik zu formalisieren, ist unvollständig. Erster Unvollständigkeitssatz (syntaktisch) Jedes widerspruchsfreie formale System, das stark genug ist, um die Peano-Arithmetik zu formalisieren, ist negationsunvollständig. 2

In der Literatur existieren beide Versionen. Der Beweis der semantische Version ist sehr viel kürzer. Außerdem folgt die semantische Version direkt aus der syntaktischen. Im Folgenden werden wir uns mit der syntaktischen Version beschäftigen. 2.3 Gödelisierung Um selbstbezügliche Sätze wie Ich bin innerhalb des Kalküls unbeweisbar bilden zu können, müssen Formeln arithmetisiert werden d.h. für jede Formel muss eine eindeutige natürliche Zahl berechnet werden können, welche die Formel repräsentiert. Dies nennt sich Gödelisierung und die gebildete natürliche Zahl heißt Gödelnummer. Die Gödelisierung muss außerdem garantieren, dass für jede natürliche Zahl geprüft werden kann, ob diese eine gültige Formel darstellt. Wir benutzen die folgende Gödelisierung für die Peano-Arithmetik für die Beispielformel 0 + 0 = 0. Wir benutzen die Potenzen von Primzahlen. Für jedes Zeichen in der Formel wird die nächsthöhere Primzahl verwendet, die mit der dem Zeichen zugeordneten Zahl potentiert wird: Eine Folge von Formeln (ein formaler Beweis) wird wie folgt Gödelisiert: ϕ 1, ϕ 2, ϕ 3,... := π ϕ 1 1 π ϕ 2 2 π ϕ 3 3... 2.4 Definition von Primitiv-Rekursiven Funktionen Folgende Funktionen sind primitiv rekursiv: Die Nullfunktion z(n) := 0 Die Nachfolgerfunktion s(n) := n + 1 Die Projektionen p n i (x 1,..., x n ) := x i Sind g : N k N und h 1...h k : N n N primitiv rekursiv, dann ist es auch f(x 1,..., x n ) = g(h 1 (x 1,..., x n ),..., h n (x 1,..., x n )) Sind g : N n N und h : N n+2 N primitiv rekursiv, dann ist es auch f(m, x 1,..., x n ) mit: f(0, x 1,..., x n ) = g(x 1,..., x n ) f(m + 1, x 1,..., x n ) = h(f(m, x 1,..., x n ), m, x 1,..., x n ) 3

2.5 Arithmetische Repräsentierbarkeit Wir wollen nun über Eigenschaften von Zahlen innerhalb des formalen Systems sprechen. Beispiel: x ist eine gerade Zahl wird eindeutig durch die Menge der geraden Zahlen beschrieben: ϕ(x) = ( z x = z 2) Relationen werden durch eine Formel ϕ semantisch repräsentiert: (x 1,..., x n ) R = ϕ( x 1,..., x n ) (x 1,..., x n ) R = ϕ( x 1,..., x n ) Funktionen werden durch eine Formel ϕ semantisch repräsentiert: f(x 1,..., x n ) = y = ϕ( x 1,..., x n ), ȳ f(x 1,..., x n ) = y = ϕ( x 1,..., x n, ȳ) Problem: Die Funktion pow(x, y) kann repräsentiert werden durch u 0... u y (Ψ 0 (x, u 0 )... Ψ y (x, u y ) z = u y ) Dies ist keine gültige Formel im formalen System, da sie eine variable Anzahl von Existenzquantoren aufweist. Lösung: Gödels arithmetisch repräsentierbare β Funktion codiert eine endliche Folge von natürlichen Zahlen in nur zwei natürlichen Zahlen: Satz: Für jede endliche Zahlenfolge a 0,..., a n existieren b und c mit: a i = β(b, c, i) = bmod(1 + c (i + 1)) Überlegungen kann nun der folgende Satz be- Auf der Grundlage der vorangegangenen wiesen werden: Satz: Jede primitiv-rekursive Relation R(x 1,..., x n ) ist innerhalb der Peano-Arithmetik semantisch und syntaktisch repräsentierbar. 3 Die Unvollständigkeitssätze 3.1 Der Erste Unvollständigkeitssatz Den ersten Gödelschen Unvollständigkeitssatz kann man auf zwei Arten formulieren. Syntaktische Formulierung ist stärker. Die 4

Semantische Variante: Jedes korrekte formale System, welches stark genug ist, die Peano-Arithmetik zu formalisieren, ist unvollständig. Insbesondere impliziert das die Existenz einer Aussage ϕ mit der folgenden Eigenschaft: ϕ ϕ. Syntaktische Variante: Jedes widerspruchsfreie formale System, welches stark genug ist, die Peano-Arithmetik zu formalisieren, ist negationsunvollständig. Dies impliziert wiederum die Existenz einer Formel ϕ, so dass ϕ ϕ. 3.1.1 Voraussetzungen für den Beweis Für die Beweisführung brauchen wir folgende Punkte: Injektive Abbildung der Syntax auf N. Die zu einer Formel gehörige natürliche Zahl heisst ihre Gödelnummer. Primitiv rekursive Funktionen und Relationen sind in der Peano-Arithmetik syntaktisch repräsentierbar. 3.1.2 Beweis des ersten Unvollständigkeitssatzes Erster Schritt: Sei ϕ i (ξ) die Formel einer freien Variable mit Gödelnummer i. Definiere folgende Relation: Gdl(x, y) : x ist die Gödelnummer vom Beweis von ϕ y (ȳ) D.h.: ϕ y (ȳ) x, so dass x ϕ y (ȳ) beweist Gdl(x, y) Zweiter Schritt: In seiner Arbeit beweist Gödel die folgende Aussage: Gdl(x, y) ist eine primitiv-rekursive Relation. Gdl(x, y) ist also innerhalb der Peano-Arithmetik syntaktisch repräsentierbar. Konkret bedeutet das folgendes: { ψ Gdl ( x, ȳ) x beweist ϕ y (ȳ) ψ Gdl ( x, ȳ) s.d. ψ Gdl ( x, ȳ) x beweist ϕ y (ȳ) nicht Dritter Schritt: Wir wollen eine unentscheidbare Aussage konstruieren. Hierzu betrachten wir die folgende Formel: ϕ g (ȳ) := x ψ Gdl ( x, ȳ). 5

Beweis, dass φ g (ḡ) unentscheidbar ist. (I) Es gelte ϕ g (ḡ): = m N, s.d. m einen Beweis für ϕ g (ḡ) codiert. = Gdl(m, g) = ψ Gdl ( m, ḡ) Aber andererseits gilt: ϕ g (ḡ) x ψ Gdl ( x, ḡ) = Insbesondere ψ Gdl ( m, ḡ) = Widerspruch! Anders formuliert: Wenn ϕ g (ḡ) gilt, so lassen sich ψ Gdl ( m, ḡ) und ψ Gdl ( m, ḡ) herleiten, also ist dann die Peano-Arithmetik widersprüchlich. (II) Es gelte ϕ g (ḡ): ϕ g (ḡ) x ψ Gdl ( x, ḡ) = xψ Gdl ( x, ḡ) Andererseits wissen wir, dass wenn die Peano-Arithmetik nicht widersprüchlich sein soll, darf ϕ g (ḡ) nicht gelten. Insbesondere kann also keine natürliche Zahl einen Beweis für ϕ g (ḡ) codieren: ψ Gdl ( 0, ḡ), ψ Gdl ( 1, ḡ), ψ Gdl ( 2, ḡ),... Insgesamt haben wir also: xψ Gdl ( x, ḡ), ψ Gdl ( 0, ḡ), ψ Gdl ( 1, ḡ), ψ Gdl ( 2, ḡ),... Diese Aussagen können nicht gleichzeitig wahr sein = keine Korrektheit. Stehen sie aber in Widerspruch zueinander? Nein, dafür müssten sich gleichzeitig eine Aussage und ihre Negation herleiten lassen müssen. Um dieses Problem zu lösen bediente sich Gödel folgender Definition: Es ist widerspruchsfrei. Ein formales System ist ω-widerspruchsfrei, falls gilt: n N ϕ( n) xϕ(x) Mit dieser Definition können wir also schliessen, dass: ϕ g (ḡ) = xψ Gdl ( x, ḡ) und xψ Gdl ( x, ḡ) = Widerspruch. Aus (I) wissen wir aber dass, ϕ g (ḡ) = Widerspruch. Diese Aussagen beweisen also, dass ϕ g (ḡ) unentscheidbar ist. Insgesamt bekommen wir: Jedes ω-widerspruchsfreie formale System, das stark genug ist, die Peano-Arithmetik zu formalisieren, ist negationsunvollständig. 6

3.1.3 Rossers Beitrag John Barkley Rosser konnte 1936 den Beweis Gödels von ω-widersprüchlichkeit auf Widersprüchlichkeit erweitern, indem er Gödels Formel ϕ g (ȳ) durch den folgenden Ausdruck ersetzte: ϕ r (ȳ) := x(ψ Gdl ( x, ȳ) (z x)ψ Gdl ( z, ȳ) 3.2 Der zweite Unvollständigkeitssatz Für jedes widerspruchsfreie System, welches stark genug ist, die Peano-Arithmetik zu formalisieren, gilt, dass es nicht seine eigene Widerspruchslosigkeit beweisen kann. Beweisskizze (sehr grob): (I): Formuliere eine Aussage Con, so dass Con Das System ist Widerspruchsfrei Con sollte etwa also folgenden Inhalt darstellen Con = ( ϕ( ϕ ϕ)). (II): Aus dem ersten Unvollständigkeitssatz lässt sich schliesslich herleiten, dass Con gelten muss. 4 Missverständnisse 4.1 Missverständniss 1 Der Gödel sche Unvollständigkeitssatz sagt, dass in der Mathematik Sätze existieren die im absoluten Sinn unbeweisbar sind. Eine Formel ϕ ist beweisbar, falls sie aus Axiomen eines Kalküls durch Anwendung von Schlussregeln hergeleitet werden kann. Das heisst Beweisbarkeit ist relativ. Für jedes ϕ existiert ein Kalkül in dem ϕ beweisbar ist. 4.2 Missverständniss 2 Durch hinzufügen von unbeweisbaren Formeln zu den Axiomen kann das Unvollständigkeitsheorem umgangen werden. Falls eine Formel ϕ aus keinem Axiom hergeleitet werden kann, so kann man diese Widerspruchsfrei zu dem bereits vorhandenen Axiomen hinzufügen. In dem neu entstandenen System kann aber eine Formel ϕ analog formuliert werden, und diese ist im neuen System nicht beweisbar. Die Formel ϕ ist im neuen System jetzt beweisbar. (Eine schöne Analogie lässt sich in Gödel Escher Bach; Little Harmonic Labyrinth finden.) 7

4.3 Missverständniss 3 Der Gödel sche Unvollständigkeitssatz sagt, dass in jedem System unbeweisbare Aussagen existieren. Das Gödel sche Unvollständigkeits-Theorem gilt nur für formale Systeme, welche mächtig genug sind die Peano-Arithmetik zu formalisieren, das heisst, in der Lage sind über die additiven und multiplikativen Eigenschaften der natürlichen Zahlen zu sprechen. Beispiele für Unvollständige Systeme sind: Peano-Arithmetik, Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre. Ein vollständiges System ist beispielsweise die Presburger-Arithmetik (diese entsprich, bis auf die fehlende Multiplikation, der Peano-Arithmetik). 4.4 Missverständniss 4 Unbeweisbare Sätze sind die Folge von schwachen Axiomen, also Axiome welche nicht in der Lage sind die beschriebenen Objekte eindeutig zu interpretieren. Als Beispiel: Das Parallelenpostulat kann nicht eindeutig aus den euklidischen Axiomen abgeleitet werden, da diese verschieden interpretierbar sind. Diese Unvollständigkeit hat jedoch nichts mit den Unvollständigkeitssätzen Gödels zu tun, diese machen keine Aussage über die Qualität der Axiome. 4.5 Missverständniss 5 Aus dem zweiten Unvollständikeitssatz folgt, dass die Widerspruchsfreiheit der Peano-Arithnetik unbeweisbar ist. Der zweite Unvollständigkeitssatz sagt, dass ein genug ausdrucksstarkes System nicht in der Lage ist seine eigene Widerspruchsfreiheit zu beweisen, noch weniger kann dieses System die Widerspruchsfreiheit eines stärkeren System beweisen. Der Satz schliesst jedoch die Umgekehrte Richtung nicht aus, dass ein Ausdrucksstärkeres System die Vollständigkeit eines weniger Ausdrucksstarken System beweist. Die Wiederspruchsfreiheit der Peano-Arithmetik zu beweisen gelang 1936 Gerhard Gentzen, einem deutschen Mathematiker. 8