Biozide: Standardisierte Prüfung der Wirksamkeit Dr. Ingeborg Schwebke 21. Pilztagung gemeinsame Fachtagung für biogene Schadstoffe 20.06.2017 RKI, FG 14 Angewandte Infektions- und Krankenhaushygiene
Biozide zur Schimmelpilzbekämpfung Flächendesinfektionsmittel PT 2 (PT 3) (Ggf. Raumdesinfektion durch Begasung Spezialfall Flächendesinfektion) Zulassung als Biozidprodukt erforderlich: wirksam und unbedenklich Nachweis der Wirksamkeit gemäß: Guidance on the Biocidal Product Regulation, Volume II Efficacy Assessment and Evaluation Part B+C Februar 2017
Inhalt: 5.4 Desinfektionsmittel (Main Group 1) PT 2 Disinfectants and Algaecide not intended direct application to humans or animals - Oberflächen, Materialien, Geräte ohne direkten Kontakt zu Lebens- oder Futtermitteln - Wände, Fußböden in privaten, öffentlichen und industriellen Bereichen Konkrete Anforderungen für: glatte Oberflächen, Polstermöbel, Begasungen, Swimming Pools, chem. Toiletten,Klimaanlagen, Eintauchdesinfektion, Textilien, Biofilme, Erde, andere PT 2 Nicht: poröse Oberflächen
Wirksamkeits- prüfung - zweistufiges Verfahren: Suspensionstest, praxisnaher Test - Prüfmethoden: CEN, ISO, OECD, VAH, DVG, AFNOR, US-EPA, AOAC, ASTM falls keine passende Methode vorhanden: Modifikation der Standards oder eigene Methoden geeignet für spezielle Anwendung, wissenschaftlich begründet, exakt beschrieben
Wirksamkeitsprüfung Prüfmethoden s. Appendix 2 und 4, vorrangig CEN, - Anforderungen ggf. darüber hinaus - Testparameter (Konz., Zeit, Temp., Belastung), - Testorganismen Claims Matrices s. Appendix 1
ECHA Claims Matrices Zweck: Reduktion von Pilzsporen mit allergenem Potential, Fleckenbeseitigung glatte Oberflächen Bereiche: Medizinischer Bereich, Industrie Institutionen, Haushalt Anwender: professionelle und private Prüfmethode: EN 14558
Definitionen Desinfektion ist ein Prozess, durch den die Anzahl vermehrungsfähiger Mikroorganismen infolge Abtötung/Inaktivierung unter Angabe eines standardisierten, quantifizierbaren Wirkungsnachweises reduziert wird mit dem Ziel, einen Gegenstand/Bereich in einen Zustand zu versetzen, dass von ihm keine Infektionsgefährdung mehr ausgehen kann. Ziel der Desinfektion ist definitionsgemäß nicht die Eliminierung nicht infektionsrelevanter Umweltkeime, sondern die definierte Verminderung der Anzahl pathogener oder fakultativ-pathogener Mikroorganismen
Definitionen Reinigung Unter Reinigung wird ein Prozess zur Entfernung von Verunreinigungen (z.b. Staub, chemische Substanzen, Mikroorganismen, organische Substanzen) unter Verwendung von Wasser mit reinigungsverstärkenden Zusätzen (z.b. Detergenzien oder enzymatische Produkte) verstanden, ohne dass bestimmungsgemäß eine Abtötung/Inaktivierung von Mikroorganismen stattfindet bzw. beabsichtigt ist. Die Reinigungswirkung ist bisher nicht quantifiziert oder in anderer Weise standardisiert.
Reduktion der Mikroorganismen 10 7 : 10 000 000-1 lg=9 000 000 10 6 : 1000 000-1 lg=900 000 10 5 : 100 000-1 lg=90 000 10 4 : 10 000-1 lg=9000 10 3 : 1 000-1 lg=900 10 2 : 100-1 lg=90 10
Einflussfaktoren Desinfektion Einfluss der Mikroorganismenzahl 100000 10000 1000 100 Zeit Je höher die Mikroorganismenzahl ist, desto länger muss die Einwirkungszeit sein
Einflussfaktoren Desinfektion Einfluss der Temperatur Mikroorganismenzahl t 1 t 2 t 3 Zeit Je niedriger die Temperatur ist, desto länger ist die Einwirkungszeit.
Einflussfaktoren Desinfektion Testorganismen Konzentration und Einwirkzeit zum Erreichen der Nachweisgrenze (Wallhäußer 1988) Testkeim Formaldehyd Benzalkoniumchlorid Peressigsäure S. aureus 2% -10 min 0,5 % - 60 min 0,5 % - 5 min 80 µg/ml 10 min 10 µg/ml 60 min P. aeruginosa 2% - 5 min 0,5 % - 60 min 0,5 % - 5 min 80 µg/ml 10 min 10 µg/ml 60 min A. niger 2% - 5 min 0,5 % - 60 min 2 % - 4 h > 80µg/ ml 4 h
Wirkstoffe Aldehyde: Formaldehyd, Glutardialdehyd Perverbindungen: Peressigsäure, Wasserstoffperoxid Chlorabspalter: Chloramin T, Na-Hypochlorit Alkohole: Ethanol, Isopropanol, n-propanol Quats/oberflächenaktive Wirkstoffe: Benzalkoniumchlorid (Phenole)
Alkohole Wirkmechanismus: Permeabilitätssteigerung der Zytoplasmamembran Veränderung des wässrigen Medium in und außerhalb der Zelle Eiweißausfällung Propanol löst auch Fette aus der Zellmembran Anwendung: Zerstörung der Zellmembran Händedesinfektion, kleine Flächen Vorteil: schnell wirksam Nachteil: brennbar, hohe Konzentrationen erforderlich, Wirkungslücke: bakterielle Sporen
Sauerstoffabspalter Beispiele: Peressigsäure, H 2 O 2 Wirkmechanismus: Zerstörung der Zellmembran durch Radikalbildung, Störung der DNA-Synthese (Weitergabe der Erbinformation), Denaturierung von schwefelhaltigen Eiweißen (Zerstörung der Struktur) Anwendung: Flächen- und Instrumentendesinfektion (Raumdesinfektion) Vorteil: schnell wirksam in geringen Konzentrationen Nachteil: korrosiv, empfindlich gegen organische Belastung, wirken schlecht auf porösen Materialien Wirkungseinschränkung: Schimmelpilze
Oberflächenaktive Wirkstoffe Beispiele: Quats, Biguanide Wirkmechanismus: Einlagerung in die Zellmembran (Lipide) Störung der Zellwandfunktion, im Zellinneren Tensidwirkung Eiweißfällung Anwendung: Flächendesinfektion Vorteil: relativ schnell wirksam in geringen Konzentrationen Nachteil: sehr empfindlich gegen organische und anorganische Belastung sowie Metallionen, Wirkungslücke: Mykobakterien, teilweise gram- Bakterien, Pilze (lange Einwirkzeiten)
Prüfmethoden Suspensionstestes Praxisnahe Tests
Suspensionstests Testorganismen werden in großen Überschuss Desinfektionsmittel suspendiert Testorganismensuspension und Desinfektionsmittel im Verhältnis: 1 : 10 Testorganismensuspension
Praxisnahe Tests Sollen praktische Anwendung weitgehend widerspiegeln: Prüfkörper, Testorganismen, Belastung Foto K. Konrat 2015 Carrier Flächendesinfektionsmittel
Praxisnahe Tests Durchführung RKI-Test
Praxisnahe Tests Durchführung
4-Felder-Test DIN EN 16615
Europäische Normen EN 14885 übergeordnete Norm Anwendungsbereiche Wirkbereiche Anwendung der einzelnen Normen Prüfbedingungen/Anforderungen (s. a. ECHA- Guideline, Appendix 4) Testorganismen
Europäische Normen Anwendungsbereiche/ Wirkbereiche Medizinischer Bereich Veterinärmedizinischer Bereich Bakterizidie Mykobakterizidie Fungizidie Viruzidie Sporizidie Lebensmittelund institutioneller Bereich
Europäische Normen Fungizidieprüfung Suspensionstest Phase 2/Stufe 1 Praxisnaher Test Phase 2/Stufe 2 Anwendungsbereich Humanmedizin Veterinärmedizin Lebensmittelund institutioneller Bereich DIN EN 13624 DIN EN 1657 DIN EN 1650 (DIN EN 13697) DIN EN 16438 DIN EN 13697 Prüfkörper Edelstahl Edelstahl Edelstahl
DIN EN 13624 Suspensionstest Phase 2/Stufe 1 Testorganismen: - C. albicans - A. brasiliensis (Qualität der Sporen ist entscheidend für das Prüfergebnis, spezielle Herstellung hier beschrieben) - weitere sind möglich (Hefen) Testbedingungen: - 5 und 60 min, 20 C, Belastungssubstanz: 0,3 bzw. 3g/l Rinderalbumin, - weitere Temperaturen und Einwirkzeiten sind möglich
DIN EN 1657 Suspensionstest Phase 2/Stufe 1 Testorganismen: - C. albicans - A. brasiliensis - weitere sind möglich (Hefen) Testbedingungen: - 30 min, 10 C, Belastungssubstanz: 3g/l Rinderalbumin, 10g/l, Hefeextrakt + 10g/l Rinderalbumin - weitere Temperaturen und Einwirkzeiten sind möglich
DIN EN 1650 Suspensionstest Phase 2/Stufe 1 Testorganismen: - C. albicans - A. brasiliensis - weitere sind möglich (Hefen) Testbedingungen: - 15 min, 20 C, Belastungssubstanz: 0,3 bzw. 3g/l Rinderalbumin, (Milch 10g/l, Hefeextrakt 10g/l) - weitere Temperaturen und Einwirkzeiten sind möglich
DIN EN 13697 Praxisnaher Test Testorganismen: - C. albicans - A. niger - weitere sind möglich (Hefen) Testbedingungen: - Prüfkörper Metallplättchen: 2 cm Durchmesser - Belastungssubstanz: 0,3 bzw. 3g/l Rinderalbumin, (Milch 10g/l, Hefeextrakt 10g/l Sucrose 10g/l, Nadodecylsulfat 5g/l) - 15 min, 20 C, - weitere Temperaturen und Einwirkzeiten sind möglich
Weitere Prüfmethoden Fungizidie VAH DVG
VAH-Methoden Prüfkörper: Holzstäbchen (Buchenholzfurnier) 5 x 20 x 2 mm Testorganismen: Candida albicans Trichophyton mentagrophytes Belastung: keine
DVG Tierhaltung Prüfkörper: Pappelholz A. brasiliensis Belastung 3g/l Rinderalbumin Temperatur: 10 C (4 c, 20 C) Einwirkzeit: 30, 60, 120 min
Angaben zur Wirksamkeit VAH-Liste: prophylaktische Desinfektion RKI-Liste: behördlich angeordnete Desinfektionsmaßnahmen http://www.rki.de/de/content/infekt/krankenhaushygiene/desinfekti onsmittel/desinfektionsmittelliste.pdf DVG-Liste (Tierhaltung, tierärztliche Praxis, Lebensmittel) http://www.dvg.net
http://www.vah-online.de/
Aufgabe der RKI-Liste 18 Infektionsschutzgesetz: RKI erstellt eine Liste für behördlich angeordnete Desinfektionsmaßnahmen im Einvernehmen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Prüfung der Unbedenklichkeit für den Menschen und dem Umweltbundesamt (UBA) Prüfung der Umweltverträglichkeit
Aktuell: 16. Ausgabe
http://www.desinfektion-dvg.de
DVG-Liste
Zusammenfassung Flächendesinfektionsmittel sind Biozide PT 2 (PT 3) Zulassungsverfahren gemäß Biozid-VO Beurteilung der Wirksamkeit europäische Normen Praxisnahe Tests sollen Anwendungsbedingungen berücksichtigen: Oberflächen, Umweltbedingungen Temp.,Einbettung), Mikroorganismen Vorläufig keine Normen zur praxisnahen Fungizidie-Prüfung auf porösen Oberflächen