13. Wahlperiode 22. 11. 2001 Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Verwendung von in Deutschland nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln im Obstbau Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten: 1. Treffen Berichte zu, dass Obstbaubetriebe in Baden-Württemberg Pflanzenschutzmittel einsetzen, die in Deutschland verboten sind? 2. Trifft es zu, dass die Pflanzenschutzmittel in anderen EU-Staaten zugelassen sind? 3. Trifft es weiter zu, dass diese Pflanzenschutzmittel aus anderen EU-Staaten gekauft wurden? 4. Um welche Wirkstoffgruppen handelt es sich hierbei, worin bestehen die wesentlichen Unterschiede der außerhalb Deutschlands zugelassenen und hier verbotenen Pflanzenschutzmittel und was sind die wesentlichen Gründe, dass diese in anderen EU-Ländern angewandten Wirkstoffgruppen in Deutschland nicht eingesetzt werden dürfen? 5. Inwieweit wurde auf Grund der Verwendung der Pflanzenschutzmittel die Marktfähigkeit des Obstes berührt, welche Mengen gingen davon in den Handel? 6. In welchen deutschen Obstbauregionen wurden Verstöße festgestellt und welche Informationen liegen der Landesregierung aus anderen Bundesländern vor? Eingegangen: 22. 11. 2001 / Ausgegeben: 19. 12. 2001 1
7. In welchen EU-Staaten sind diese Wirkstoffgruppen erlaubt? 8. Inwieweit ist hiervon Obst mit dem Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg (HQZ) berührt? 9. Seit wann haben die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden hiervon Kenntnis erhalten und welche Maßnahmen wurden seitens der Landesregierung getroffen? 10. Welche Sicherheits- bzw. Kontrollmechanismen bestanden auf Seiten der Lebensmittelüberwachung bisher und welche zusätzlichen Maßnahmen hält die Landesregierung für erforderlich, insbesondere was gedenkt die Landesregierung zu tun, das bisher gute Image des heimischen Obstes weiter zu fördern? 11. Welche im Bundesgebiet im Obstbau generell nicht zulässigen Pflanzenschutzmittel und Pflanzenbehandlungsstoffe werden in anderen EU-Ländern eingesetzt, in welchem Umfang wird dieses Obst im Bundesgebiet verkauft bzw. gibt es hierfür besondere Kennzeichnungspflichten bzw. Marktbeschränkungen? 12. Welche Erfahrungen liegen der Landesregierung vor bezüglich des zwischenzeitlich verbotenen Pflanzenwirkstoffes Plantomyzin, in welchen EU-Staaten wird dieses Mittel nach wie vor eingesetzt und inwieweit wird entsprechendes Obst aus anderen EU-Staaten bundesweit vermarktet? 13. Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu ergreifen zur Harmonisierung des EU-weiten Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln? 22. 11. 2001 Pfister, Drautz und Fraktion Stellungnahme Mit Schreiben vom 11. Dezember 2001 Nr. Z(23) 0141.5/34 F nimmt das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum zu dem Antrag wie folgt Stellung: 1. Treffen Berichte zu, dass Obstbaubetriebe in Baden-Württemberg Pflanzenschutzmittel einsetzen, die in Deutschland verboten sind? Zu 1.: Diese Berichte treffen zu. 2. Trifft es zu, dass die Pflanzenschutzmittel in anderen EU-Staaten zugelassen sind? Zu 2.: Nach den dem Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum vorliegenden Informationen sind die Pflanzenschutzmittel in den Herkunftsländern zugelassen. 2
3.Trifft es weiter zu, dass diese Pflanzenschutzmittel aus anderen EU-Staaten gekauft wurden? Zu 3.: Es trifft zu, dass diese Pflanzenschutzmittel zum größten Teil aus anderen EU-Mitgliedstaaten bezogen wurden; einige wenige auch aus der Schweiz. 4. Um welche Wirkstoffgruppen handelt es sich hierbei, worin bestehen die wesentlichen Unterschiede der außerhalb Deutschlands zugelassenen und hier verbotenen Pflanzenschutzmittel und was sind die wesentlichen Gründe, dass diese in anderen EU-Ländern angewandten Wirkstoffgruppen in Deutschland nicht eingesetzt werden dürfen? Zu 4.: Es handelt sich um Fungizide, Insektizide, Herbizide und Wachstumsregulatoren. Ein Teil der eingeführten Pflanzenschutzmittel enthielt Wirkstoffe, die in Deutschland nicht zugelassen sind. Bei anderen der eingeführten Pflanzenschutzmittel waren zwar die Wirkstoffe in Deutschland zugelassen, das Mittel war jedoch nicht voll identisch (z.b. unterschiedlicher Wirkstoffgehalt). In Deutschland dürfen nur Pflanzenschutzmittel eingeführt und angewendet werden, die mit in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln identisch sind. 5. Inwieweit wurde auf Grund der Verwendung der Pflanzenschutzmittel die Marktfähigkeit des Obstes berührt, welche Mengen gingen davon in den Handel? Zu 5.: Lebensmittelrechtlich relevant sind bei Rückständen von Pflanzenschutzmitteln die Höchstmengen der Rückstandshöchstmengenverordnung (RHmV). Bei einer Überschreitung der Grenzwerte ergibt sich ein absolutes Verkehrsverbot. Lebensmittel mit Rückstandsgehalten unter den vorgegebenen Höchstmengen sind frei verkehrsfähig. Höchstmengenüberschreitungen wurden nur bei Birnen festgestellt. Noch vorhandene Ware wurde von den Lebensmittelüberwachungsbehörden festgesetzt. Über die Mengen der aus dem Verkehr genommenen Ware ist derzeit noch nichts bekannt. 6. In welchen deutschen Obstbauregionen wurden Verstöße festgestellt und welche Informationen liegen der Landesregierung aus anderen Bundesländern vor? Zu 6.: Der Landesregierung ist nicht bekannt, ob auch in anderen Bundesländern solche Verstöße vorliegen. 7. In welchen EU-Staaten sind diese Wirkstoffgruppen erlaubt? Zu 7.: Dazu wird auf die Stellungnahme zu Ziffer 2 verwiesen. 3
Es wurde jedoch nicht geprüft, ob die eingeführten Mittel in allen Mitgliedstaaten zugelassen sind. Der damit verbundene Aufwand wäre bei der hohen Zahl an Pflanzenschutzmitteln und der nationalen Zuständigkeit für die Mittelzulassung auch nicht zu leisten. 8. Inwieweit ist hiervon Obst mit dem Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg (HQZ) berührt? Zu 8.: Bei 53 Apfelerzeugungsbetrieben, die der Erzeugung für die HQZ-Kennzeichnung angeschlossen waren, lagen Hinweise auf den Bezug von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln vor. Bei Birnen wurden auf Grund einer Verdachtsprobe weitere repräsentative Proben gezogen. Von den untersuchten 30 Betrieben waren 28 Betriebe HQZ-Betriebe. Insgesamt führte die Beprobung zu einem Ausschluss von 16 Apfelerzeugern und 18 Birnenerzeugern aus der HQZ-Vermarktung. Im Übrigen wurde alles unternommen, wie z.b. vorläufiges Vermarktungsverbot für die beprobten Apfelerzeuger, generelles Vermarktungsverbot für Birnen unter dem HQZ, konsequenter Ausschluss der positiv beprobten Erzeuger, damit keine im Hinblick auf den Einsatz von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln unrechtmäßige Obstvermarktung mit dem HQZ stattfindet. Bisher liegen keine Anhaltspunkte vor, dass nach Vorliegen von Verdachtsmomenten eine Vermarktung von Äpfeln und Birnen mit HQZ-Kennzeichnung erfolgte, die mit Einsatz von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln erzeugt wurden. Damit war Obst mit dem HQZ zwar von den Folgen des Einsatzes von unerlaubten Spritzmitteln in der Obstbauregion Bodensee berührt, es wurde jedoch seitens des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum auch in Zusammenarbeit mit den Lizenznehmern das Notwendige veranlasst, damit solches Obst nicht unter dem HQZ vermarktet wurde und wird. Die Beprobung von Birnen wurde auf andere Landesteile ausgedehnt und dauert derzeit noch an. Entsprechende Beschlüsse sind derzeit in Umsetzung. 9. Seit wann haben die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden hiervon Kenntnis erhalten und welche Maßnahmen wurden seitens der Landesregierung getroffen? Zu 9.: Nach einem anonymen Hinweis an den Wirtschaftskontrolldienst der Polizeidirektion Friedrichshafen bezüglich nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel fand am 2. April 2001 eine erste Besprechung des Wirtschaftskontrolldienstes mit dem Regierungspräsidium Tübingen statt. Daraufhin wurden die entsprechenden pflanzenschutzrechtlichen Ermittlungen und Überprüfungen eingeleitet und die notwendigen Maßnahmen getroffen. So wurde unter anderem die Identitätsprüfung in Zusammenarbeit mit der Biologischen Bundesanstalt zwischen April und Oktober 2001 durchgeführt. Mit Bericht vom 19. Juli 2001 unterrichtete die Landespolizeidirektion (WKD) die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Stellen des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum zusammenfassend vom Sachstand der bisherigen Ermittlungen. 4
Am selben Tag hat das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum ein Untersuchungsprogramm zur Überprüfung der Rückstandssituation von Äpfeln aus dem Handel veranlasst. Insgesamt wurden bis Mitte August 30 Apfelproben (Ernte 2000), davon 18 mit der Herkunftsangabe Bodensee untersucht. In keinem Fall ergaben sich Höchstmengenüberschreitungen. Am 16. August wurde der WKD vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum angewiesen, bei den Betrieben, die auf Grund staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Verdacht standen, nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel eingeführt zu haben, Apfelproben zu entnehmen. Die Untersuchung der insgesamt 71 Verdachtsproben ergab in 2 Fällen Rückstände im Bereich der Höchstmenge, alle übrigen Proben lagen im Ergebnis unter den zulässigen Höchstmengen. Lebensmittelrechtliche Maßnahmen, wie z. B. Verkehrsverbote, waren bei diesen Ergebnissen nicht erforderlich. Soweit bei HQZ-Betrieben Verstöße gegen die Richtlinien der integrierten Produktion festgestellt wurden, erfolgte neben den spezifischen HQZ-Sanktionen eine lebensmittelrechtliche Beanstandung wegen Irreführung. Am 8. September 2001 wurden vom Wirtschaftskontrolldienst in einem Betrieb in der Bodenseeregion eine erste Verdachtsprobe Birnen entnommen. Das Ergebnis der Untersuchung lag am 19. September vor. Danach enthielten die Birnen Rückstände der Wachstumsregulatoren Chlormequat und Mepiquat. Beide Mittel sind für den Kernobstbau in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassen. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts wurden daraufhin Birnen von insgesamt 30 Betrieben im Bodenseeraum untersucht. In 20 von 30 Fällen wurden Rückstände der Wachstumsregulatoren Chlormequat und Mepiquat nachgewiesen. In 8 Fällen ergaben sich Verkehrsverbote wegen Höchstmengenüberschreitungen an Mepiquat. Bei 6 Erzeugern war die EU-Höchstmenge an Chlormequat überschritten. In keiner Probe wurden Rückstände festgestellt, die konkrete gesundheitliche Gefahren für den Verbraucher zur Folge hätten. Ab 19. September wurde von den Lebensmittelüberwachungsbehörden eine erste Rückholaktion von Birnen aus dem beanstandeten Betrieb veranlasst. Am 20. September 2001 erfolgte die Information des zuständigen Bundesministeriums (BMVEL) sowie wegen einer Exportsendung in die Niederlande über den Bund die Information der dort zuständigen Behörde. Zeitgleich wurden die Obersten Landesbehörden der Bundesländer informiert. Nach Vorliegen aller Probenergebnisse wurde wegen des hohen Anteils beanstandeter Proben mit Erlass des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum vom 12. November 2001 an die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden im Bodenseeraum eine Vermarktungsregelung getroffen. Danach dürfen Birnen nur in die Vermarktung kommen, wenn sichergestellt ist, dass weder Chlormequat noch Mepiquat angewendet worden ist. Weiter wurde festgelegt, dass nicht verkehrsfähige Ware nicht ausgeführt werden darf. Zusätzlich wurden weitere Untersuchungen veranlasst. 10. Welche Sicherheits- bzw. Kontrollmechanismen bestanden auf Seiten der Lebensmittelüberwachung bisher und welche zusätzlichen Maßnahmen hält die Landesregierung für erforderlich, insbesondere was gedenkt die Landesregierung zu tun, das bisher gute Image des heimischen Obstes weiter zu fördern? Zu 10.: Obst wird regelmäßig im Rahmen der amtlichen Stichprobenuntersuchung auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht. Bei 30 Proben inländischer Herkunft ergaben sich im Jahr 2000 keine Höchstmengenüberschrei- 5
tungen, bei 19 Proben ausländischer Herkunft ergaben sich in 3 Fällen Überschreitungen der Grenzwerte. Das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum hat bereits am 19. Februar 2001 die zuständigen Behörden zur verstärkten Kontrolle und Überwachung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln angewiesen. Die Kontrollen werden weiter verstärkt. Dazu wird auch eine überregional tätige Kontrollgruppe eingesetzt. Die amtliche Lebensmittelüberwachung wird ein spezielles Untersuchungsprogramm durchführen, bei dem einheimisches Obst verstärkt auf unzulässige Pflanzenschutzmittelrückstände überprüft wird. Diese intensivierten Kontrollen sollen auch zum besseren Vertrauen in einheimische Produkte beitragen. 11. Welche im Bundesgebiet im Obstbau generell nicht zulässigen Pflanzenschutzmittel und Pflanzenbehandlungsstoffe werden in anderen EU-Ländern eingesetzt, in welchem Umfang wird dieses Obst im Bundesgebiet verkauft bzw. gibt es hierfür besondere Kennzeichnungspflichten bzw. Marktbeschränkungen? Zu 11.: Es muss davon ausgegangen werden, dass alle Pflanzenschutzmittel, die aus anderen EU-Mitgliedstaaten eingeführt wurden, dort zugelassen sind und dort angewendet werden. Das Grundproblem besteht darin, dass in Deutschland auf Grund der nationalen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln für mehrere Schaderreger keine Mittel mehr zur Verfügung stehen. Die Anwendung von in Deutschland nicht zugelassenen Stoffen muss bei Lebensmitteln nicht kenntlich gemacht werden. Die Verkehrsfähigkeit der Waren richtet sich nach der Rückstandshöchstmengenverordnung. Diese Vorschrift enthält z.t. Nulltoleranzen für hier nicht zugelassene Mittel, z.t. sind aber auch für nicht zugelassenen Mittel bewertete Höchstmengen festgesetzt. Lebensmittel mit Rückständen nicht zugelassene Mittel unterhalb der Höchstmengen unterliegen lebensmittelrechtlich keiner Beschränkung. 12. Welche Erfahrungen liegen der Landesregierung vor bezüglich des zwischenzeitlich verbotenen Pflanzenwirkstoffes Plantomycin, in welchen EU-Staaten wird dieses Mittel nach wie vor eingesetzt und inwieweit wird entsprechendes Obst aus anderen EU-Staaten bundesweit vermarktet? Zu 12.: Das derzeit in Deutschland nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel Plantomycin gegen Feuerbrand im Obstbau mit dem Wirkstoff Streptomycin ist in Belgien, den Niederlanden und Griechenland zugelassen. Das dort mit Plantomycin behandelte Obst darf in Deutschland vermarktet werden, wenn die durch die EU festgesetzten Rückstandshöchstmengen nicht überschritten werden. 13. Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu ergreifen zur Harmonisierung des EU-weiten Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln? Zu 13.: Die Landesregierung hat bereits den Beschluss gefasst, über eine Bundesratsinitiative die Bundesregierung aufzufordern, sich für eine Beschleunigung 6
der Harmonisierung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sowie einer EU-weit einheitlichen Anwendung einzusetzen. Des Weiteren fordert die Landesregierung die Einrichtung einer Zulassungsbehörde für Pflanzenschutzmittel auf EU-Ebene, damit die einheitliche Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und damit auch die Anwendung gewährleistet wird. Stächele Minister für Ernährung und Ländlichen Raum 7