Juniorprofessur für Europäisches Versicherungsrecht Proportionalitätsprinzip unter Solvency II Vortrag auf dem HANNOVER-FORUM 2015 am 30. Juni 2015
Problemfelder der Proportionalität Proportionalitätsgrundsatz nur ein neuer Name für Verhältnismäßigkeitsgrundsatz? Prinzipienbasiertes Recht und Proportionalität Cui bono? Das Proportionalitätsprinzip gilt säulenübergreifend (und genaugenommen sogar Solvency II-übergreifend VAG) einige Anwendungsfelder sind bereits hinreichend sichtbar Proportionale Anwendung als ein Übergangsproblem oder ein Perpetuierungsproblem Problembereiche 1. Proportionalität 2. 3. 4. Seite 2
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehört in Deutschland schon seit langem zum Kernbestand des Rechtsstaates (der Ursprung ist in der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts zu 10 2. Theil 17. Titel ALR zu sehen) Einzug ins Gemeinschaftsrecht vermittelt über das deutsche Verfassungsrecht (EuGH, Internationale Handelsgesellschaft mbh, Rs. 11/70 vom 17.12.1970) Insofern gilt auch in der Rspr. des EuGH Anschluss an die des BVerfG eine Maßnahme als verhältnismäßig, wenn sie einen legiten öffentlichen Zweck verfolgt und überdies geeignet, erforderlich und verhältnismäßig engeren Sinn ( angemessen ) ist. Allerdings widmet der EuGH dem Merkmal der Verhältnismäßigkeit i.e.s. weniger Aufmerksamkeit Nunmehr geregelt in Art. 5 Abs. 4 EUV (4) Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus. Die Organe der Union wenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an. Seite 3
Adressat Europäischer Gesetzgeber Ksion als Delegatar EIOPA auf Lamfalussy 2 3 Deutscher Gesetzgeber (bei Umsetzung) Rechtsgrundlage Art. 5 Abs. 4 EUV Art. 29 Abs. 4 UA 1 S II-RL Art. 29 Abs. 4 UA 2 S II-RL Art. 29 Abs. 3 S II-RL BMF als Delegatar 296 Abs. 2 VAG 2016 BaFin 296 Abs. 1 VAG 2016 (3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Vorschriften dieser Richtlinie auf eine Art und Weise angewandt werden, die der Wesensart, dem Umfang und der Komplexität der Risiken angemessen ist, die mit der Tätigkeit des Versicherungsoder des Rückversicherungsunternehmens einhergehen. Hier zeigt sich die besondere Ausformung des Verhältnismäßigkeitsprinzips Versicherungsaufsichtsbereich, sodass es evtl. förderlich ist hier entgegen dem üblichen Duktus von Proportionalitätsprinzip zu sprechen Seite 4
Rechtssicherheit Gerechtig keit Gerechtigkeit und Rechtssicherheit sind aus der Idee des Rechts entspringende Forderungen und als solche prinzipiell gleichrangig keiner dieser beiden Seiten der Rechtsidee gebühre ohne Weiteres der Vorrang vor der jeweils anderen. Seite 5
Regelbasiertes Recht Prinzipienbasiertes Recht Will man Gerechtigkeit und Rechtssicherheit Recht in praktische Konkordanz bringen, so erfordert dies Dass regelbasiertes Recht mit Öffnungs- und Generalklauseln arbeitet Dass prinzipienbasiertes Recht einen gewissen Grad an Verregelung erfährt Seite 6
Nachteile Ausweitung der Pflichten der VU + Eingriffsbefugnisse der Aufsicht Größere Rechtsunsicherheit Zeitweilige Normverschärfung Seite 7
Säule 1: AMCR (Art. 129 Abs. 1 lit. d S IIRL) als Systemversagen eines prinzipienbasierten Systems in Ansehung KMVU (bsp. Uelzener Lebensversicherungs-AG in QIS 5) Internes Modell als illusorische proportionale Alternative für KMVU? Proportionale Sollbruchstellen der Standardformel ausreichend? Bsp. Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen. Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ulm) Seite 8
Säule 2: Möglichkeit und Grenzen der Anwendung des Proportionalitätsprinzips auf die Ausgestaltung des Governance-Systems (inkl. fit & proper Outsourcing) ORSA als zu proportionalisierender Systemwiderspruch Dokumentationspflichten als proportional begrenzbare Pflichten? Seite 9
Säule 3: SFCR, RSR und quantitative Berichtsformulare hinsichtlich der Frequenz und des Inhalts der proportionalen Umformung offen? Audit als Voraussetzung des zu berichtenden Zahlenwerkes? Berücksichtigung nationaler Besonderheiten? Seite 10
Übergangsproblem oder Grundproblem? Vom regelbasierten zum prinzipienbasierten Recht Weniger Regeln durch Regelflut (3,250 Seiten S II-Text [Stand Dez. 2014] zu 199 Seiten alle zu ersetzenden RL) Größere Anzahl an Regeln bedeutet größere Anzahl an Streitpunkten Zu erwartende Verregulierung des prinzipienbasierten Rechts; aber Justizvermeidungsstrategie Seite 11
Juniorprofessur für Europäisches Versicherungsrecht Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit