DAS ARBEITNEHMERENTGELT IN DEN VGR UND DESSEN NUTZUNG ALS BEZUGSGRÖßE IN DER SOZIALEN SICHERUNG Thorsten Haug, Statistisches Bundesamt 23. Juni 2017
Konzept Das Arbeitnehmerentgelt umfasst sämtliche Geld- und Sachleistungen, die von einem Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer als Entgelt für die von diesem im Darstellungszeitraum geleistete Arbeit erbracht werden. (ESVG 2010, Ziffer 4.02) Es stellt ökonomisch den größten Teil der Arbeitskosten dar, also der Gesamtheit aller von Arbeitgebern im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Arbeitnehmern getragenen Aufwendungen. Das Arbeitnehmerentgelt setzt sich zusammen aus den Bruttolöhnen und gehältern der Arbeitnehmer und den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber. Aus den Bruttolöhnen und gehältern ergeben sich, durch Abzug der Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und der Lohnsteuer, die Nettolöhne und gehälter. - 2 -
Angaben für das Jahr 2016 in Mrd. Euro nach VGR-Größen Sozialbeiträge der Arbeitgeber 863,1 Bruttolöhne und -gehälter 287,3 1305,9 Nettolöhne und -gehälter 215,5 227,4 Sozialbeiträge der Arbeitnehmer Lohnsteuer Auf das Arbeitnehmerentgelt in Höhe von 1593,2 Mrd. im Jahr 2016 entfallen 82% auf die Bruttolöhne und gehälter, die sich aus Nettolöhnen und gehältern (66%), Sozialbeiträgen der Arbeitnehmer (17%) und Lohnsteuer (16%) zusammensetzen. - 3 -
Real Nominal Teil I: Das Arbeitnehmerentgelt in den VGR Vergleich der Entwicklung von Einkommensgrößen nominal und real 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Verfügbares Einkommen je Einwohner (T ) Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (T ) Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (T ) Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerstunde ( ) Verfügbares Einkommen je Einwohner (T ) Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (T ) Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (T ) Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmerstunde ( ) 14,88 21,99 24,30 33,44 16,15 +37,2% 22,16 11,34 +49,7% 16,98 13,90 15,81 18,24 20,48 19,79 20,63 +47,8% +12,3% +4,2% +13,7% 29,77 31,13 +37,6% +4,6% - 4 -
Veränderung der Verteilung des Arbeitnehmerentgelts nach Wirtschaftsbereichen 4 0 Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 25 24 4 1 1996 29 27 2016 Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe Baugewerbe Handel, Verkehr, Gastgewerbe Information und Kommunikation 11 6 1 5 1 3 4 4 18 8 18 5 Finanz- und Versicherungsdienstleister Grundstücks- und Wohnungswesen Unternehmensdienstleister Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit Sonstige Dienstleister In der Betrachtung nach Wirtschaftsbereichen ergaben sich Zuwächse insbesondere bei Unternehmensdienstleistungen, in geringerem Umfang bei anderen Dienstleistungsbranchen mit Ausnahme der Finanz- und Versicherungsdienstleister. Rückgänge des Arbeitnehmerentgelts betreffen das produzierende Gewerbe einschließlich Baugewerbe. - 5 -
Ökonomische Interpretation - Lohnquote 74% 72% 70% 68% 66% 64% 62% 1991 1996 2001 2006 2011 2016 unbereinigte Lohnquote bereinigte Lohnquote (Basisjahr = 2000) Die Lohnquote ergibt sich aus dem Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen. Sie stellt einen Indikator zur Einkommensverteilung dar. Stetiges Niveau von 70-72% bis 2000, danach Rückgang in den Jahren 2000-2007, anschließend Anstieg und Stabilisierung bei ca. 68% Einschränkungen: Kapital- und Lohneinkünfte schließen sich nicht aus, Einkommen von Soloselbstständigen als Teil der Unternehmenseinkommen - 6 -
Ökonomische Interpretation - Lohnstückkosten 200 180 160 140 120 100 1991 1996 2001 2006 2011 2016 Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer monatlich Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmerstunde Lohnstückkosten Personenkonzept Lohnstückkosten Stundenkonzept Lohnstückkosten als Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit des Faktors Arbeit. berechnet als Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer in Relation zur Arbeitsproduktivität. Stagnation 1995-2007, danach stetiger Anstieg - 7 -
Bestimmung des Arbeitnehmerentgelts Die Berechnung des Arbeitnehmerentgelts (Inland) erfolgt im Rahmen der Verteilungsrechnung. Die komplette originäre Berechnung der Verteilungsrechnung ist nicht möglich, da keine Informationen zum Nettobetriebsüberschuss bzw. den Vermögenseinkommen vorliegen. Der Nettobetriebsüberschuss einschließlich Selbstständigeneinkommen wird residual mit Hilfe der Entstehungsrechnung bestimmt. Getrennte Bestimmung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber und der Bruttolöhne und gehälter. - 8 -
Bestimmung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber Die Sozialbeiträge der Arbeitgeber bilden den Wert der im Rahmen der Beschäftigung erworbenen Ansprüche auf soziale Leistungen ab. Sie setzen sich zusammen aus den tatsächlichen Arbeitgeberbeiträgen und den unterstellten Arbeitgeberbeiträgen. Die tatsächlichen Sozialbeiträge umfassen die Zahlungen an Träger der Sozialversicherung oder anderer beschäftigungsbezogene Systeme. Daten basieren auf Angaben der SV-Träger, bzw. für betriebliche Systeme auf Angaben des PSVaG und der BaFin. Unterstellte Sozialbeiträge werden v.a. für die Beamtenversorgung berechnet und entfallen vor allem auf den Sektor S.13. Ermittlung auf Basis eines Zuschlagsmodells - 9 -
Definition der Bruttolöhne und gehälter (BLG) Die Bruttolöhne und gehälter umfassen Geldleistungen, u.a. Grundlöhne und -gehälter sowie Zuschläge für Überstunden, Nacht- und Sonntagsarbeit oder gefährliche Arbeitsbedingungen Zusätzliche Monatsgehälter, Weihnachts-/Urlaubsgeld, Prämien, Zulagen zur Vermögensbildung, Fahrtkostenzuschüsse, Provisionen, Entgelte für arbeitsfreie Tage und bezahlte Urlaubstage sowie Sachleistungen, darunter Verbilligte Verpflegung, Dienstwagen oder andere überlassene Güter, Produzierte Waren und Dienstleistungen des Arbeitgebers, Aktienoptionen, Gratisaktien, zinsverbilligte Darlehen Nutzung von Sport, Freizeit und Ferieneinrichtungen Nicht Bestandteil der BLG sind Entschädigungen für Reise-, Trennungs- und Umzugskosten o.ä., diese zählen zu den Vorleistungskäufen der Unternehmen. - 10 -
Bestimmung der Bruttolöhne und gehälter (BLG) Berechnung über den sog. Bereichsansatz: BLG Inland = Durchschnittsverdienst Arbeitnehmer Gliederung nach Wirtschaftszweigen, (Zweisteller-Ebene der WZ 2008) getrennt für SV-Beschäftigte (Angestellte, Arbeiter), Beamte, geringfügig Beschäftigte sowie differenziert nach Sektoren Durchschnittsverdienste: Festlegung in mehrjährlichen Abständen, dazwischen Fortschreibung auf Basis geeigneter lohnstatistischer Indikatoren: Arbeitskostenerhebung (4 Jahresrhytmus) Verdiensterhebung (vierteljährlich) Jahreszeitraummaterial der Bundesagentur für Arbeit Dienstleistungsstatistik Monatsberichte Verarbeitendes Gewerbe u.a. Statistik zur Entwicklung der Tarifverdienste Anzahl der Arbeitnehmer: auf Basis von Daten der Erwerbstätigenrechnung - 11 -
Bestimmung der Bruttolöhne und gehälter (BLG) Darüberhinaus: Zuschläge für nicht erfasste Lohnbestandteile, z.b. Trinkgelder sowie für Sachleistungen Sonderrechnungen für bestimmte Personengruppen: Behinderte Menschen in Werkstätten, Bundesfreiwilligendienst, Pfarrer/ Kirchenbeamte sowie für den Bereich Häusliche Dienste. Das Arbeitnehmerentgelt des Staates wird auf Basis der Ausgaben der öffentlichen Haushalte bestimmt Aufteilung in Bruttolöhne und gehälter und Sozialbeiträge der AG Die Ergebnisse der Bereichsrechnung werden durch die zusätzliche Beitragsrechnung plausibilisiert: Schätzung der sozialversicherungspflichtigen Lohnsumme auf Basis der an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlten Beiträge. - 12 -
Teil II: Das Arbeitnehmerentgelt als Bezugsgröße für Zwecke der Rentenanpassung Nach 68 SB VI erfolgt die Anpassung des Aktuellen Rentenwerts (u.a.) auf Basis von Angaben des StBA zu den Bruttolöhnen und gehältern je Arbeitnehmer ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen nach der Systematik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Lieferung von Angaben zu den BLG je Arbeitnehmer an das BMAS: Ohne 1-Euro-Jobs Differenziert nach Gebietsstand (Westdeutschland einschl. Berlin, Ostdeutschland) weitere Angaben (Anzahl Arbeitnehmer, Nettolöhne, ) Bestimmung der Rentenanpassung durch das BMAS entsprechend der Rentenanpassungsformel. - 13 -
Teil II: Das Arbeitnehmerentgelt als Bezugsgröße für Zwecke der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen ( Hartz-IV Anpassung ) Die Festlegung des Arbeitslosengelds II erfolgt auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. In Jahren, in denen keine EVS vorliegt, erfolgt gemäß 28a SGB XII eine Fortschreibung der Regelbedarfsstufen. Die Fortschreibung erfolgt auf Basis eines sogenannten Mischindex: Veränderungsrate im Zwölfmonatszeitraum 1. Juli des Vorvorjahres bis 30. Juni des Vorjahres 70% des Mischindex definiert durch die Entwicklung der Preise aller regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen 30% des Mischindex definiert durch die Entwicklung der Nettolöhne und gehälter je beschäftigtem Arbeitnehmer. Zulieferung der jährlichen Veränderungsrate für die durchschnittliche Nettolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigtem Arbeitnehmer (Inlandskonzept, ohne 1-Euro-Jobs) an das BMAS (bis Ende Ende April). - 14 -
Thorsten Haug Arbeitnehmerentgelt, Bruttonationaleinkommen E-Mail: thorsten.haug@destatis.de Tel.: 0611/75-2902