Georg Ebersbach (Hrsg.) Pflege von Menschen mit Parkinson Praxisbuch für die häusliche und stationäre Versorgung Unter Mitarbeit von Christina Brüstle, Ilona Csoti, Gerd A. Fuchs, Hans-Jürgen von Giesen, Kirsten Graf-Stoof, Tobias Mai 2., überarbeitete Auflage Verlag W. Kohlhammer
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. 2., überarbeitete Auflage 2014 Alle Rechte vorbehalten 2010/2014 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany ISBN 978-3-17-025365-0
Geleitwort 5 Geleitwort Das vorliegende Praxisbuch beschäftigt sich mit der Pflege, besonders der Pflege von Menschen, die an Morbus Parkinson leiden. Die Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. begrüßt die Herausgabe dieses Buchs und dankt den beteiligten Autoren und dem Herausgeber, dass sie es möglich machen, nicht nur den professionell Pflegenden, sondern auch den pflegenden Angehörigen das für die Pflege nötige Rüstzeug an die Hand zu geben. Werden im ersten Teil des Praxisbuchs ausführlich die Vielschichtigkeit und die vielen Besonderheiten der neurodegenerativen Erkrankung Morbus Parkinson dargestellt, so gibt sich der zweite Teil ausgesprochen praxisnah. Das vorliegende Buch nimmt den interessierten Leser mit auf eine Reise in das medizinische Spektrum der Parkinson-Erkrankung und des Parkinson Syndroms einschließlich aller möglichen therapeutischen Maßnahmen. Gleichermaßen führen die zu beachtenden pflegerischen Besonderheiten im zweiten Teil des Buchs zu einem Verstehen der kommunikativen und psychosozialen Aspekte sowie der möglicherweise sich zeigenden Verhaltensänderungen, wie sie sich im Verlaufe der Krankheit einstellen können. Wurde in Skandinavien und in Großbritannien relativ früh schon mit der Einrichtung von Pflegestudiengängen begonnen, entwickelten sich in (West)Deutschland eher zögerlich pflegebezogene Studiengänge, häufig verbunden mit den Fachbereichen Pflege- und Sozialwissenschaften. Wenngleich die Wurzeln der modernen Pflegewissenschaft im USamerikanischen Raum liegen, finden sich dort schon am Ausgang des 19. Jahrhunderts pflegewissenschaftliche Orientierungen. Und die Pionierin der Krankenpflege, die englische Krankenschwester Florence Nightingale, entwickelte eben zu der Zeit statistische Methoden zur Sammlung und Untersuchung von Gesundheitsdaten. Wie lange hat es also gedauert, dass wir uns in Deutschland mit der akademischen Pflegewissenschaft befasst haben! Die Zielsetzung dieses Buchs ist es, professionell Pflegenden und pflegenden Angehörigen Mut zu machen, eine Pflege anzubieten, die viel mehr umfasst als die sogenannte Grundpflege, nämlich die gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens. Dass das gelingen möge, das wünsche ich diesem Buch. Magdalene Kaminski, 1. Vorsitzende der Deutschen Parkinson Vereinigung e. V.
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Inhalt 7 Inhalt Geleitwort... 5 Einleitung... 9 1 Was ist eigentlich Parkinson?... 11 Georg Ebersbach, Christina Brüstle, Gerd A. Fuchs, Kirsten Graf-Stoof 1.1 Parkinson-Krankheit und Parkinson-Syndrom... 11 1.2 Symptome der Parkinson-Erkrankung... 12 1.3 Diagnosestellung... 17 1.4 Medikamentöse Therapie und tiefe Hirnstimulation. 22 1.4.1 L-Dopa... 23 1.4.2 COMT-Hemmer... 26 1.4.3 Dopaminagonisten... 27 1.4.4 MAO-B-Hemmer... 28 1.4.5 Andere Wirkstoffe... 29 1.4.6 Langzeit-Komplikationen der medikamentösen Therapie... 30 1.4.7 Medikamente, die bei der Parkinson-Krankheit vermieden werden sollten... 31 1.4.8 Medikamentenpumpen in der Parkinson-Therapie (Apomorphin und Duodopa )... 32 1.4.9 Tiefe Hirnstimulation bei Parkinson... 37 1.5 Aktivierende Therapie/Rehabilitation... 41 2 Pflegerische Besonderheiten bei Menschen mit Parkinson... 49 Georg Ebersbach, Ilona Csoti, Hans-Jürgen von Giesen 2.1 Kommunikation und Verhalten... 49 2.2 Umgang mit der Diagnose und Krankheitsfolgen... 51 2.3 Pflegerische Hilfestellungen bei spezifischen Symptomen... 52 2.3.1 Gestörte Feinmotorik... 52 2.3.2 Dysarthrie und Dysphagie... 53 2.3.3 Wirkungsschwankungen und Hyperkinesen... 55 2.3.4 Motorische Blockaden... 59 2.3.5 Akinetische Krise... 60
8 Inhalt 2.3.6 Gleichgewichtsstörungen und Sturzprophylaxe... 61 2.3.7 Haltungsstörungen und Transferhilfen... 65 2.3.8 Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit... 71 2.3.9 Pflegerische Besonderheiten bei atypischen Parkinson-Syndromen... 73 2.4 Psychische Probleme... 74 2.4.1 Kognitive Defizite, Demenz... 74 2.4.2 Milieutherapie, kognitives Training... 76 2.4.3 Halluzinationen, Delir, Psychose... 77 2.4.4 Persönlichkeitsveränderungen... 80 2.4.5 Impulskontrollstörungen... 81 2.4.6 Depressionen, Angst, Krankheitsbewältigung... 81 2.5 Vegetative Störungen... 82 2.5.1 Störungen der Kreislaufregulation... 83 2.5.2 Blasenfunktionsstörungen... 84 2.5.3 Sexuelle Funktionsstörungen... 85 2.5.4 Schluckstörungen und vermehrter Speichelfluss... 86 2.5.5 Störungen der Magen- und Darmfunktionen... 87 2.5.6 Andere vegetative Störungen... 88 3 Ernährung... 90 Ilona Csoti 3.1 Zusammensetzung der Nahrung... 91 3.2 Therapiebedingte Besonderheiten... 93 4 Sozialmedizinische Aspekte... 96 Tobias Mai 5 Deutsche Parkinson Vereinigung und Selbsthilfegruppen... 106 6 Parkinson-Nurse und Parkinson-Assistentin... 108 Tobias Mai Literaturverzeichnis... 110 Angaben zu den Autoren... 111 Stichwortverzeichnis... 113
Einleitung 9 Einleitung Parkinson ist ein Begriff, der nicht zuletzt durch prominente Betroffene wie Muhammad Ali einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Für die meisten Menschen sind mit dem Wort Parkinson Assoziationen wie Zittern, Langsamkeit und Alter verbunden. Je mehr man mit von der Parkinson-Krankheit betroffenen Menschen zu tun hat, desto mehr versteht man, dass diese Krankheit mit vielen weiteren, ganz besonderen und teilweise einzigartigen Merkmalen verbunden ist. Auch junge Menschen können an Parkinson erkranken, und die Folgen der Erkrankung beschränken sich nicht auf die Bewegungen, sondern können den ganzen Menschen in seinem Wesen und in seinen vegetativen, intellektuellen und psychischen Funktionen betreffen. Parkinson hat viele verschiedene Gesichter und kann ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Schicksale der Betroffenen haben. Für die Pflege und für das partnerschaftliche Miteinander mit von der Parkinson-Krankheit betroffenen Menschen ist es wichtig, die Vielschichtigkeit und die zahlreichen Besonderheiten dieser Erkrankung zu kennen. Durch das fundierte Verstehen der Parkinson- Krankheit wird das, was in der Pflege von Menschen mit Parkinson zunächst als schwierig oder merkwürdig erscheint, begreifbar und leichter zu bewältigen. Dieses Buch soll professionellen Pflegekräften und pflegenden Angehörigen helfen, die Besonderheiten der Parkinson-Krankheit kennenzulernen und die Situation der Betroffenen zu verstehen. Kompetente Fachpflege und verständnisvoller Umgang fördern das Wohlbefinden (von Betroffenen und Pflegenden!) und helfen Selbständigkeit und Teilhabe des Betroffenen zu bewahren. In der Neuauflage von Pflege von Menschen mit Parkinson werden aktuelle Trends in der pflegerischen und medizinischen Versorgung ebenso berücksichtigt wie die Veränderungen der sozialen Rahmenbedingungen.
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1 Was ist eigentlich Parkinson? 11 1 Was ist eigentlich Parkinson? Georg Ebersbach, Christina Brüstle, Gerd A. Fuchs, Kirsten Graf-Stoof Die Parkinson-Krankheit wurde erstmals 1817 von dem englischen Arzt James Parkinson beschrieben. In seinem Buch Essay on the shaking palsy (Abhandlung über die Schüttellähmung) gab James Parkinson die Beobachtungen wieder, die er auf den Straßen Londons gemacht hatte: Mehrfach waren ihm Menschen aufgefallen, die sich langsam und mit vorgebeugtem Oberkörper fortbewegten. Das eigentümliche Zittern der Hände, das diese Menschen zeigten, war der Grund, warum James Parkinson den Begriff der Schüttellähmung als Bezeichnung für die von ihm entdeckte und später nach ihm benannte Krankheit wählte. Auch wenn sich James Parkinson in seinen Annahmen über die Ursache der Erkrankung (die er im Rückenmark vermutete) und die geeigneten Behandlungsmöglichkeiten (er empfahl z. B. Aderlass und Schröpfen) täuschte, sind seine Beobachtungen bis zum heutigen Tage lesenswert. Heute weiß man, dass die Parkinson-Krankheit durch einen Verlust von Nervenzellen in der sogenannten schwarzen Substanz (substantia nigra) des Mittelhirns verursacht wird. Durch das Absterben dieser Zellen kommt es zu einer verminderten Bereitstellung des Botenstoffs Dopamin, was zu einer langsam fortschreitenden Verminderung der Beweglichkeit führt. Das namensgebende Zittern kann ebenfalls eine Folge des Dopaminmangels sein, tritt aber nicht bei allen Erkrankten auf. Als Ursache für das Absterben von Nervenzellen bei der Parkinson-Krankheit wird heute ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Umwelt- und Anlagefaktoren angenommen. 1.1 Parkinson-Krankheit und Parkinson- Syndrom Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen im höheren Lebensalter. Die Wahrscheinlichkeit, an Parkinson zu erkranken, nimmt mit steigendem Alter zu, ca. 5 % der Patienten erkranken allerdings bereits vor dem 50. Lebensjahr. Wichtig für die Therapie und die Prognose des Verlaufs ist die Unterscheidung zwischen der eigentlichen Parkinson-Krankheit (auch Morbus Parkinson oder idiopathisches Parkinson-Syndrom genannt) und anderen Parkinson-Syndromen. Häufigkeit und Erkrankungsalter Unterscheidung Parkinson- Krankheit und Parkinson- Syndrom