Grundvoraussetzungen der Betriebsratsbeteiligung: Zur Behinderung von Wahlen und Betriebsratsarbeit PD Dr. Martin Behrens, Dr. Heiner Dribbusch WSI, Hans-Böckler-Stiftung 11. Hans-Böckler-Forum zum Arbeits- und Sozialrecht Berlin, den 02.03.2017
Anteil der Beschäftigten in Betrieben mit Betriebsrat 1996-2015, in % West Ost Quelle : IAB Betriebsrätepanel Behrens/Dribbusch 2
Die 2. WSI Befragung hauptamtlicher Gewerkschafter (2015) April September 2015 (erste Befragung 2012) pdf-fragebogen über Hauptverwaltungen der Gewerkschaften an die untersten Gliederungen verschickt. beteiligte Gewerkschaften: NGG, IG Metall, IG BCE Angeschrieben wurden 250 lokale Gewerkschaftseinheiten, Rücklaufquote: 64% (= 159 Bezirke (IG BCE), Geschäftsstellen (IG Metall) oder Regionen (NGG)) 1. Fragebogenteil zur Be- und Verhinderung von Betriebsratswahlen 2. Fragebogenteil zu gegen Betriebsräte gerichtete Maßnahmen von Arbeitgebern Behrens/Dribbusch 3
ANALYSEEBENE 1: BEZIRK, GESCHÄFTSSTELLE, REGION, Behrens/Dribbusch 4
Anteil der Fälle in % der erhaltenen Fragebögen (N = 159) 60% 54,1% 50% 40% 34,6% 30% 20% 10% 0% Behinderung BR-Wahl Quelle: 2. WSI-Befragung hauptamtlicher Gewerkschafter (2015) Behinderung bestehender BR Behrens/Dribbusch 5
Übersicht 1: Die Gewerkschaftseinheiten 54 Prozent der antwortenden Gewerkschaftseinheiten berichteten von Versuchen der Be- u. Verhinderung der Betriebsratswahl. Unterschiede zwischen gewerkschaftlichen Organisationsbereichen: NGG 76%, IGM 53% und IGBCE 43% 35 Prozent der teilnehmenden Gewerkschaftseinheiten Maßnahmen gegen gewählte Betriebsratsgremien bekannt. Nach Gewerkschaften: NGG 48%, IG BCE 37%, IGM 31% Behrens/Dribbusch 6
ANALYSEEBENE 2: DER BETRIEB Behrens/Dribbusch 7
Übersicht 2: Die Betriebe Insgesamt waren den 86 Gewerkschaftseinheiten, die eine solche Aktivität meldeten, 221 Betriebe bekannt, in denen es eine Behinderung der Wahl eines BR gab (Ø 2,6 Betriebe) in 32 Prozent dieser Betriebe kam es am Ende nicht zur Wahl eines BR in insgesamt 92 Betrieben wurden Maßnahmen gegen bereits gewählte Betriebsratsgremien ergriffen Behrens/Dribbusch 8
Wie verbreitet sind Arbeitgebermaßnahmen gegen BR? Analyse beschränkt auf Organisationsbereiche von IG BCE und IG Metall (insgesamt 138 eingegangene Fragebögen) Nur hier war bekannt, wie viele BR-Wahlen es im Untersuchungszeitraum in den einzelnen Bezirken/Geschäftsstellen gegeben hatte Behrens/Dribbusch 9
Verbreitung von BR-Wahl Behinderung (IG BCE und IG Metall) Zwischen 2013 und 2015 fanden in den 35 Bezirken (IG BCE) sowie 103 Geschäftsstellen (IG Metall), die an der Befragung teilgenommen haben, Wahlen zu insgesamt 10.445 Betriebsräten statt. Bei 835 dieser Wahlen handelte es sich um die erstmalige Wahl eines Betriebsrats. In 1,7 Prozent aller Wahlen zu einem BR versuchten Arbeitgeber diese zu be- oder verhindern. In Bezug auf die erstmalige Wahl eines BR kam es in 16,3 Prozent zu solchen Behinderungsversuchen. Behrens/Dribbusch 10
Welche Maßnahmen wurden ergriffen? (nur Betriebe mit entsprechenden Aktivitäten, Mehrfachnennungen möglich, Angaben für IGM, IG BCE, NGG) Maßnahmen gegen die Wahl eines Betriebsrats Anteil (n= 195) Einschüchterung möglicher KandidatInnen für den Betriebsrat 71% Verhinderung der Bestellung eines Wahlvorstandes 66% Unterstützung arbeitgebernaher KandidatInnen 43% Kündigung von KandidatInnen für den Betriebsrat 20% Zuständiger Gewerkschaft wird Zugang zum Betrieb verwehrt 20% Herauskaufen von KandidatInnen 19% Kündigung von Mitgliedern des Wahlvorstandes 13% Weigerung der Herausgabe von Personallisten 10% Gezielte Reorganisation/Aufspaltung des Unternehmens 9% Verlagerung, Ausgründung, Schließung des betreffenden Betriebs 3% Sonstige 14% Quelle: 2. WSI-Befragung hauptamtlicher Gewerkschafter (2015) Behrens/Dribbusch 11
Die Rolle von Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen, in % aller Fälle 50% 47% 45% 40% 35% 33% 30% 25% 20% 20% 15% 10% 5% 0% Anwaltskanzlei involviert keine Kanzlei weiß nicht Quelle: 2. WSI-Befragung hauptamtlicher Gewerkschafter (2015) Behrens/Dribbusch 12
Anteil von inhabergeführten Betrieben in der Gruppe der Betriebe mit... 70% 60% 59,6% 50% 40% 42,1% 34,9% 30% 20% 10% 0% Behinderung Wahl BR Maßnahmen gegen bestehende BR Vergleichsgruppe aus WSI BR- Befragung Quelle: 2. WSI-Befragung hauptamtlicher Gewerkschafter (2015) Behrens/Dribbusch 13
Maßnahmen gegen gewählte BR-Gremien Maßnahme Anteil (n=79) Mitglieder BR zum Rücktritt gedrängt 48,1% Kündigung BR-Mitglied 39,2% Auflösung BR durch Arbeitsgericht beantragt 24,1% Aufspaltung Unternehmen 11,4% Verlagerung oder Schließung des Betriebs 8,9% Sonstige 15,2% Quelle: 2. WSI-Befragung hauptamtlicher Gewerkschafter (2015) Behrens/Dribbusch 14
Der Einfluss der Betriebsgröße, Anteil der bekannten Fälle nach Betriebsgröße 70% 60% 55% 59% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 19% 19% 17% 14% 6% 8% 3% 1% 5-20 Beschäftigte 21-50 51-200 201-500 501 und mehr Wahl Bestehender BR Quelle: 2. WSI-Befragung hauptamtlicher Gewerkschafter; Lesebeispiel: 55 % aller bekannten Fälle der Behinderung von BR-Wahlen fanden in Betrieben mit 51-200 Beschäftigten statt Behrens/Dribbusch 15
Strafantrag gestellt? Wahl eines Betriebsrats: 7,7% Bestehender Betriebsrat: 7,5% Behrens/Dribbuscht 16
Fazit I Das Problem des Betriebsrats-Bashing ist mittlerweile auch im verarbeitenden Gewerbe angekommen. Als besonders weit verbreitet erweisen sich diese Maßnahmen im Bereich der Neugründung von Betriebsräten. Weiße Flecken sind die eigentlichen Problemzonen. Immer dann, wenn Beschäftigte und ihre Gewerkschaften am status quo der Betriebsratslosigkeit rütteln, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Problemen kommt. Wir wissen nicht zuverlässig was im Bereich der Klein- und Kleinstbetriebe geschieht, jedoch sind den Gewerkschaften vor allem Maßnahmen gegen BR in der mittleren Betriebsgrößenklasse (50-200) bekannt. Behrens/Dribbusch 17
Fazit II Probleme mit der Akzeptanz der Mitbestimmung sind im Bereich der inhabergeführten Unternehmen und ihrer Betriebe besonders ausgeprägt. Lassen sich Unternehmen bei ihrer Auseinandersetzung mit Betriebsräten von Anwaltskanzleien unterstützen, wird mit härteren Bandagen gefochten. Hierbei geht es aber keineswegs nur um einige Großkanzleien ( die üblichen Verdächtigen ), sondern oft um die Hausanwälte der jeweiligen Unternehmen. Behrens/Dribbusch 18