Privatisierung von Krankenhäusern



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Transkript:

Privatisierung von Krankenhäusern HSK pro Kommunal 30.01.2012

Inhalt 1. Entwicklung des Krankenhaussektors in Deutschland 2. Privatisierung von Krankenhäuser in Deutschland 3. Konsequenzen der Privatisierung für Beschäftigte und Patienten 4. Perspektiven und Gegenstrategien 2

Strukturdaten: Krankenhaussektor in Deutschland (1991-2010) 1991 2010 Veränderung 1991-2010 Krankenhäuser 2.411 2.064-14,4% Krankenhausbetten 665.565 502.749-24,5% Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner 832 615-26,1% Beschäftigte (insgesamt) 1.111.625 1.112.959 +1 % Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) 875.816 811.729-7,3% Fallzahl 14.576.613 18.032.903 +23,7% Belegungstage 204.204.000 142.942.000-30 % Verweildauer 14,0 Tage 7,9 Tage -43,6% Bettenauslastung 84,1% 77,4% -6,7% 3 Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

Formen der Privatisierung 1. Formale Privatisierung Eigenständige und (oft) private Rechtsform Weitgehende Autonomie des Managements weiterhin öffentliche Trägerschaft 2. Outsourcing Auslagerung von Dienstleistungen 3. Materielle Privatisierung Verkauf öffentlicher Häuser an private Träger 4

Rechtsformen der öffentlichen Krankenhäuser (2002-2009) 5 Quelle: Statistisches Bundesamt

Outgesourcte Bereiche in allen Krankenhäusern (2004-2007) 6 Quelle: Blum/Offermanns et al. 2007: Krankenhaus Barometer

Öffentliche und private Krankenhäuser in Deutschland 7 Quelle: Statistisches Bundesamt

Trägerschaft von Krankenhäusern in Deutschland (in %) 8 Quelle: Statistisches Bundesamt

Trägerschaft von Krankenhäusern in Deutschland (in %) (2010) 9 Quelle: Statistisches Bundesamt

URSACHEN FÜR DIE PRIVATISIERUNG: UNTERFINANZIERUNG VON KRANKENHÄUSERN Krise öffentlichen Finanzen: Kontinuierlicher Rückgang der öffentlichen Krankenhausinvestitionen von 3,6 Mrd. Euro (1991) auf 2,8 Mrd. (2009) Investitionsstau bei den Krankenhäusern (Ver.di: 50 Mrd. Euro) Neuregelung der Krankenhausfinanzierung: seit 1993: Umstellung vom Kostendeckungsprinzip zu gedeckelten Budgets seit 2004: Umstellung auf DRGs Zunahme defizitärer Krankenhäuser 10

INVESTITIONEN 11

Privatisierung von Krankenhäusern 1. Welle (ab 1991) vorwiegend in Ostdeutschland 2. Welle (ab 2000) Ost- und Westdeutschland Privatisierung von großen Häusern Übernahmen/Fusionen von privaten Krankenhäusern 12 Zukunft??? bis zu 50% aller Krankenhäuser in privater Hand???

Marktanteil der privaten Krankenhäuser nach Betten (2009) 13 Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen

Private Krankenhauskonzerne in Deutschland und Europa (2008) Deutschland Rhön-Klinikum AG Helios Kliniken Gruppe (Fresenius SE) Eigentümer Beschäftigte Umsatz (in Mrd. ) 60% institutionelle Anleger Pharma- und Medizintechnik-Konzern Fresenius SE 33.679 2,1 30.088 2,1 Asklepios Kliniken GmbH Einzelunternehmer 36.000 2,3 Sana Kliniken Europa 33 Private Krankenversicherungen 16.500 1,1 14 Générale de Santé (Frankreich) 47% Einzelunternehmer 43% italienischer Finanzinvestor 21.500 1,9 Capio (Schweden) Finanzinvestoren 14.500 1,3 Quelle: Stumpfögger 2009

Vorteile privater Krankenhäuser Geringere Personalkosten Abkehr vom TVÖD höhere Lohnspreizung Stärkeres Outsourcing von Service-Tätigkeiten Arbeits- und Leistungsverdichtung Geringere Fallkosten hoher Anteil an kleineren Häusern mit spezialisiertem Versorgungsprofil Effizienteres Management??? Vorteile durch Verbundeffekte innerhalb des Konzerns Mehr Investitionen 15

Tarifbindung von Krankenhäusern in Deutschland* Öffentlich Freigemeinnützig Privat Öffentlicher Dienst (TVÖD/TV L) 85,7% 8,1% 14,1% Haustarifverträge 3,1% - 20,3% Sonstige Tarifverträge** 10,7% 17,3% 41,6% Sonderregelungen in kirchlichen Krankenhäusern - 73,6% - *bezogen auf alle Beschäftigten mit Ausnahme der Ärzte **einschließlich des Branchentarifvertrages mit einer christlichen Gewerkschaft. Kein Tarifvertrag 0,5% 1,0% 24,0% 16 Quelle: Blum/Offermanns et al. 2007: Krankenhaus Barometer

Anzahl der durchschnittlich pro Vollkraft zu versorgenden Belegungstage(2009) 17 Quelle: Statistisches Bundesamt

Auswirkungen der Privatisierung auf die Qualität der Versorgung Politisch geförderte Ökonomisierung von Krankenhausleistungen Widerspruch von ökonomischen und medizinischen Handlungsanforderungen Fallpauschalen führen zu kürzeren Krankenhausaufenthalten (blutige Entlassungen) Schlechtere Personalschlüssel von Ärzten/Pflegepersonal zu Patienten Höhere Patientenunzufriedenheit Gefährdung einer wohnortnahen Versorgung 18

AUSBLICK: ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNG Wirtschaftskrise Schlechtere Finanzlage der Länder und Kommunen (-17 Mrd. ) Schlechtere Finanzlage der Krankenkassen (Arbeitslosigkeit) Private Krankenhauskonzerne gehen von Übernahmeschlachten aus Rhön hat eine Kapitalaufstockung über 500 Mio. Euro vorgenommen Im Rhein-Main-Gebiet gibt es viele große Kliniken. Die meisten haben alte Gebäude und Ausstattungen, die den heutigen Anforderungen nicht mehr genügen. Auf jeden Fall haben die Kommunen zu wenig Geld für die notwendigen Investitionen - die privaten Träger können hingegen einfach einen Kredit aufnehmen und zu bauen anfangen. Trotz der Zinslasten gelingt es den Privaten regelmäßig nach wenigen Jahren, die Kliniken mit Gewinn zu betreiben. 19

GEGENSTRATEGIEN Privatisierungsskepsis Bereits vor der Krise 63% gegen Privatisierung von Krankenhäusern Fast 90% gegen Privatisierung in einem Bürgerentscheid im Rottal-Inn-Kreis (Gegen CSU, FDP, FWG, Grüne) 84 % gegen die Umwandlung der städtischen Eigenbetriebe in eine GmbH in Dresden (gegen CDU, FDP und Grüne) Ver.di: Gleiche Bedingungen herstellen Tariflich (Flächentarifverträge oder TVÖD-ähnlich) Der Deckel muss weg! Investitionsstau aufheben (Konjunkturprogramm)

BEISPIELE - Kampagne Gesundheit ist keine Ware! gegen die Privatisierung der Hamburger Krankenhäuser - Mehrheitsprivatisierung geplant - Erfolgreicher Volksentscheid gegen Privatisierung wird vom CDU Senat ignoriert - Struktur konnte für weitere Volksentscheide genutzt werden (aktuell für den Rückkauf der Stromnetze) - Bürgerentscheid für die städtischen Kliniken in Dresden - Gemeinsames Begehren von LINKE, SPD, Personalräten, ver.di und einer Bürgerinitiative - 25 % -Quorum mit 31,2 % aller Bürgerinnen und Bürger und 84,2 % aller abgegebenen Stimmen deutlich übertroffen. February 2, 2012

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