Diskriminierungserfahrungen in Deutschland Praxistag Vielfalt! Gewusst wie! 27. April 2017 / Heike Fritzsche, Referentin Forschung und Grundsatz
Seite 2 Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Aufgaben und Arbeitsbereiche
Antidiskriminierungsstelle des Bundes ADS seit 2006 mit Inkrafttreten des AGG Aufgaben: Beratung Forschung Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung Vernetzung mit der Zivilgesellschaft Bericht alle 4 Jahre verwaltungsorganisatorische Anbindung an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fachliche Unabhängigkeit vom Ministerium Leitung: Christine Lüders Seite 3
Beratungsangebot der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Horizontal = alle Diskriminierungsmerkmale AGG Eng am AGG orientiert: rechtliche Einschätzung und ggf. Verweisberatung Unparteiisch Schriftliche und telefonische Beratung Schlichtung zwischen den Konfliktparteien Anrufung Dritter um Stellungnahmen Seite 4
Mit Recht gegen Diskriminierung Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Seite 5
Wo wirkt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)? Das Gesetz wirkt vor allem in zwei Anwendungsbereichen: in Beschäftigung und Beruf (Zugang, Aufstieg, Kündigung) Bei Zugang zu Gütern und Dienstleistungen (bei sogenannten Alltagsgeschäften) Beispiel Im Bereich der Bildung ist das AGG anwendbar, wenn es sich um privatrechtliche Verträge handelt. Zum Beispiel bei diskriminierendem Verhalten an einer Privatschule. Für den Bereich der staatlichen Bildung gelten die Schulgesetze der Bundesländer. Seite 6
Wen schützt das AGG? Diskriminierungsgründe sexuelle Identität Geschlecht Lebensalter Behinderung Religion / Weltanschauung Rassismus/ ethnische Herkunft Seite 7
Was ist Diskriminierung? 3 AGG Benachteiligung von Menschen Diskriminierung ist aufgrund eines geschützten Merkmals ohne sachliche Rechtfertigung Seite 8
Was ist Diskriminierung? 3 AGG Direkte (unmittelbare ) Benachteiligung indirekte (mittelbare) Benachteiligung Belästigung Sexuelle Belästigung Anweisung zur Benachteiligung Seite 9
Studie: Diskriminierungserfahrungen in Deutschland - Ziel und Anlage der Studie
Ziele der Studie Ausgangslage: Zentrales Ziel: Unzureichende Datengrundlage zu Diskriminierungserfahrungen in Deutschland Diskriminierungserfahrungen umfassend sichtbar machen Seite 11
Studienanlage Inhalt Erhebungsform Betroffenenbefragung 1-2 spezifische Diskriminierungserfahrungen Online- und Papierfragebogen (CAWI und PAPI) Repräsentativbefragung Alle Diskriminierungserfahrungen Telefonische Befragung (CATI / Dual-Frame) Realisierte Interviews 18.162 Interviews 1.007 Interviews (gewichtet: 992) Zielstichprobe Stichprobenziehung Personen ab 14 Jahren, die Diskriminierung erlebt oder beobachtet haben Passive Stichprobenziehung (Selbstrekrutierung) Bevölkerung ab 14 Jahren in Privathaushalten Zweistufige Zufallsauswahl Erhebungszeitraum 01.09. bis 06.12.2015 01.11. bis 30.11.2015 Durchführendes Institut Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung SOKO Institut für Sozialforschung und Kommunikation Seite 12
Wer erfährt Diskriminierung?
Häufigkeit von Diskriminierungserfahrungen nach Merkmalen Ich lese Ihnen nun einige Eigenschaften vor, aufgrund derer Diskriminierung stattfinden kann. Bitte sagen Sie mir jeweils, ob Sie persönlich in den letzten 24 Monaten in Deutschland aufgrund dieser Eigenschaft diskriminiert wurden oder nicht. Alter 14,8 Geschlecht / Geschlechtsidentität Religion / Weltanschauung Rassist. Gründe / (ethnische) Herkunft Behinderung / Beeinträchtigung 9,2 8,8 8,4 7,9 31,4 % haben Diskriminierung aufgrund mind. eines AGG- Merkmals erlebt (Mehrfachnennungen enthalten) Sexuelle Orientierung 2,4 Sozioökonomische Lage Andere Merkmale 10,1 8,2 Quelle: Repräsentativbefragung / Basis: Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren (N=992) / Angaben in Prozent Seite 14
Diskriminierungserfahrungen aufgrund des Lebensalters nach Altersgruppen Bitte sagen Sie mir, ob Sie persönlich in den letzten 24 Monaten in Deutschland aufgrund zu niedrigen / zu hohen Alters diskriminiert wurden oder nicht. Alle Befragte (N=992) aufgrund zu hohen Alters 9,9 aufgrund zu niedrigen Alters 5,8 14-29 Jahre (N=128) 2,1 20,0 30-44 Jahre (N=206) 7,9 5,9 45-59 Jahre (N=324) 11,2 0,4 60 Jahre und älter (N=329) 15,3 1,1 Quelle: Repräsentativbefragung / Basis: Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren (N=992) / Angaben in Prozent Seite 15
Diskriminierungserfahrungen in ausgewählten Gruppen Bitte sagen Sie mir, ob Sie persönlich in den letzten 24 Monaten in Deutschland diskriminiert wurden oder nicht. aus rassistischen Gründen oder wegen der (ethnischen) Herkunft wegen einer Behinderung, Beeinträchtigung oder chronischen Krankheit mit Migrationshintergrund (N=220) 23,2 mit Beeinträchtigung (N=263) 24,4 ohne Migrationshintergrund (N=768) 3,8 ohne Beeinträchtigung (N=723) 2,1 Alle Befragte (N=992) 8,4 Alle Befragte (N=992) 7,9 Quelle: Repräsentativbefragung / Basis: Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren (N=992) / Angaben in Prozent Seite 16
Kategorisierungen als Grundlage von Diskriminierung Diskriminierung findet auf Grundlage von Fremdzuschreibungen statt; unabhängig davon, ob diese zutreffen: bei meiner Jobsuche und bei der Arbeit werden mir Eigenschaften bzw. deren Fehlen zugeschrieben aufgrund meines nicht-deutschen Nachnamens (obwohl ich Deutsche ohne Migrationshintergrund bin). Quelle: Betroffenenbefragung Seite 17
Mehrfachdiskriminierung aufgrund Geschlecht / Geschlechtsidentität und weiterer Merkmale Anteil der Mehrfachdiskriminierungen mit Geschlecht / Geschlechtsidentität an allen Diskriminierungserfahrungen aufgrund des Merkmals Lebensalter 46,1 53,9 sozioökonomische Lage sexuelle Orientierung 30,5 28,2 69,5 71,8 Religion / Weltanschauung rassist. Gründe / (ethnische) Herkunft Behinderung / Beeinträchtigung anderer Merkmale 16,6 15,5 10,1 22,8 83,4 84,5 89,9 77,2 Mehrfachdiskriminierung mit Geschlecht/-sidentität Keine Mehrfachdiskriminierung mit Geschlecht/-sidentität Quelle: Betroffenenbefragung / Basis: 15.814 Diskriminierungserfahrungen von 12.449 Befragten / Angaben in Prozent Seite 18
In welchen Lebensbereichen wird Diskriminierung erfahren?
Diskriminierungserfahrungen in Lebensbereichen Ich nenne Ihnen nun einige Lebensbereiche. Bitte sagen Sie mir jeweils, ob Sie in den letzten 24 Monaten in diesem Bereich häufig, gelegentlich, selten oder nie diskriminiert wurden. Arbeit häufig gelegentlich selten nie 13,6 19,0 16,2 (48,9) 51,1 Öffentlichkeit oder Freizeit 3,9 12,6 24,3 (40,7) 59,3 Geschäfte oder Dienstleistungen 3,8 12,3 16,6 (32,8) 67,2 Privater Bereich 2,9 10,1 15,7 (28,7) 71,3 Ämter und Behörden 8,5 10,1 9,2 (27,8) 72,2 Gesundheits- oder Pflegebereich 5,5 8,8 12,1 (26,4) 73,6 Bildung 2,8 9,2 11,7 (23,7) 76,3 Internet oder Medien 5,5 9,2 7,4 (22,1) 77,9 Wohnungsmarkt 8,4 5,7 4,5 (18,6) 81,4 Quelle: Repräsentativbefragung / Basis: Personen mit Diskriminierungserfahrungen (N=343) / Angaben in Prozent Seite 20
Diskriminierungserfahrungen nach Lebensbereich und Merkmal Rassist. Gründe oder (ethn.) Herkunft (N=3.580) 21 23 10 13 2 4 13 10 5 Geschlecht/Geschlechtsidentität (N=3.791) 36 17 6 9 3 4 11 12 1 Religion oder Weltanschauung (N=1.900) 25 22 6 9 2 3 16 14 3 Behinderung/Beeinträchtigung (N=2.437) 29 18 8 13 2 14 10 5 1 Lebensalter (N=1.533) 49 10 6 9 2 5 10 7 3 Sexuelle Orientierung (N=2.219) 18 27 5 12 6 6 10 15 2 Sozioökonomische Lage (N=1.188) 26 8 5 15 4 5 20 10 6 Andere Merkmale (N=2.058) 32 15 6 13 2 9 12 7 3 Gesamt (N=13.345) 28 20 8 11 3 7 12 9 3 Arbeit Öffentlichkeit / Freizeit Geschäfte / Dienstleistungen Ämter / Behörden Privater Bereich Gesundheit / Pflege Bildung Internet / Medien Wohnungsmarkt Quelle: Betroffenenbefragung / Basis: 13.345 Diskriminierungserfahrungen von 10.373 Befragten / Angaben in Prozent Seite 21
Diskriminierungserfahrungen aufgrund von Alter und Geschlecht Lebensalter (N=1.533) 49 10 6 9 2 5 10 7 3 Geschlecht/Geschlechtsidentität (N=3.791) 36 17 6 9 3 4 11 12 1 Gesamt (N=13.345) 28 20 8 11 3 7 12 9 3 Arbeit Öffentlichkeit / Freizeit Geschäfte / Dienstleistungen Ämter / Behörden Privater Bereich Gesundheit / Pflege Bildung Internet / Medien Wohnungsmarkt Quelle: Betroffenenbefragung / Basis: 13.345 Diskriminierungserfahrungen von 10.373 Befragten / Angaben in Prozent Seite 22
Diskriminierungserfahrungen aufgrund von Alter und Geschlecht bei Bewerbungsgesprächen wird man als Frau nicht eingeladen - das alter, die Familiensituation reichen aus, um gar nicht in Betracht gezogen zu werden. erst ist man zu jung und könnte eine Familie gründen, danach hat man eine und das reicht auch aus, damit man nicht eingestellt wird. Quelle: Betroffenenbefragung Seite 23
Diskriminierungserfahrungen aus rassistischen Gründen oder wegen der (ethnischen) Herkunft Rassist. Gründe oder (ethn.) Herkunft (N=3.580) 21 23 10 13 2 4 13 10 5 Gesamt (N=13.345) 28 20 8 11 3 7 12 9 3 Arbeit Öffentlichkeit / Freizeit Geschäfte / Dienstleistungen Ämter / Behörden Privater Bereich Gesundheit / Pflege Bildung Internet / Medien Wohnungsmarkt Quelle: Betroffenenbefragung / Basis: 13.345 Diskriminierungserfahrungen von 10.373 Befragten / Angaben in Prozent Seite 24
Diskriminierungserfahrungen aus rassistischen Gründen oder wegen der (ethnischen) Herkunft der Einlass in Tanzlokalen bzw. Diskotheken in [ ] wurde mir aufgrund meiner Hautfarbe trotz angemessener Kleidung, gepflegtem Äußerem und höflichem auftreten verwehrt. Quelle: Betroffenenbefragung Seite 25
Diskriminierungserfahrungen wegen einer Behinderung oder Beeinträchtigung Behinderung/Beeinträchtigung (N=2.437) 29 18 8 13 2 14 10 5 1 Gesamt (N=13.345) 28 20 8 11 3 7 12 9 3 Arbeit Öffentlichkeit / Freizeit Geschäfte / Dienstleistungen Ämter / Behörden Privater Bereich Gesundheit / Pflege Bildung Internet / Medien Wohnungsmarkt Quelle: Betroffenenbefragung / Basis: 13.345 Diskriminierungserfahrungen von 10.373 Befragten / Angaben in Prozent Seite 26
Diskriminierungserfahrungen wegen einer Behinderung oder Beeinträchtigung eine Kommunikationshilfe wurde für meine behinderte Tochter von der Krankenkasse abgelehnt mit der Begründung sie hätte kein Kommunikationsbedürfnis obwohl es nachgewiesen war, das sie damit kommunizieren kann und will Quelle: Betroffenenbefragung Seite 27
Was passiert nach der Diskriminierung?
Reaktionen auf Diskriminierungserfahrungen Und welche der folgenden Möglichkeiten haben Sie nach einer Diskriminierungserfahrung schon mal unternommen? Bitte geben Sie alles an, was zutrifft. Versucht, öffentlich darauf aufmerksam zu machen 27,4 Bei einer offiziellen Stelle beschwert Hilfe in Anspruch genommen Beratung eingeholt 17,1 14,6 13,6 Klage eingereicht 6,2 Andere Reaktionen 21,5 Nichts davon 40,4 Quelle: Repräsentativbefragung / Basis: Personen mit Diskriminierungserfahrungen (N=343) / Angaben in Prozent / Mehrfachnennungen möglich Seite 29
Bekanntheit regionaler Beratungsstellen: Erste Ergebnisse Nur wenige Betroffene kennen spezialisierte Antidiskriminierungsstellen (staatl. Antidiskriminierungsstellen oder qualifizierte, zivilgesell. Beratungsstellen) Meist werden andere (meist zielgruppenspezifische) Anlauf- und Beratungsstellen genannt Weiterer Ausbau der Beratungslandschaft notwendig Erst- und Verweisberatung durch andere Anlauf- und Beratungsstellen wichtig Quelle: Betroffenenbefragung Seite 30
Auswirkungen von Diskriminierungserfahrungen Hatte diese Diskriminierungssituation eine der folgenden Auswirkungen auf Sie? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft. Es hat mich belastet, dass ich immer wieder an die Situation denken musste. 45,9 Ich bin misstrauischer geworden. 39,2 Ich bin aufmerksamer gegenüber Diskriminierung geworden. 40,5 Ich habe mich gewehrt und fühlte mich dadurch bestärkt. 17,7 Quelle: Betroffenenbefragung / Basis: 16.438 Diskriminierungserfahrungen von 12.416 Befragten / Angaben in Prozent / Mehrfachnennungen möglich Seite 31
Vielen Dank! Antidiskriminierungsstelle des Bundes Glinkastraße 24 10117Berlin Beratung Tel. 03018 555 1865 E-Mail: beratung@ads.bund.de Zentrale Tel. 03018 555 1855 E-Mail: poststelle@ads.bund.de www.antidiskriminierungsstelle.de