Antidiskriminierungsrecht in der Praxis was bringt das AGG? Herzlich Willkommen!

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1 Antidiskriminierungsrecht in der Praxis was bringt das AGG? Herzlich Willkommen! Doris Liebscher Juristin, Antidiskriminierungsbüro Leipzig 1

2 Was ist Diskriminierung? Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbarer Situation: hat eine Benachteiligung oder eine Herabwürdigung dieser Person zum Ziel (absichtlich) oder zur Folge (unbewusst) knüpft an einem wesentlichen, nicht/ nur unschwer aufgebbaren Identitätsmerkmal der betreffenden Person an 2

3 Was ist Diskriminierung? ( Äußerungsformen ) Diskriminierungsarten direkt (unmittelbar), 3 Abs. 1 AGG indirekt (mittelbar), 3 Abs. 2 AGG Belästigung (Verletzung der Menschenwürde), 3 Abs. 3 AGG sexuelle Belästigung (Verletzung der Menschenwürde und sexuellen Integrität), 3 Abs. 4 AGG Anweisung, 3 Abs. 5 AGG Viktimisierung (Maßregelungsverbot), 16 AGG Mehrfachdiskriminierung, 4 AGG 3

4 Wen schützt das AGG vor Diskriminierung? Diskriminierungmerkmale (Gründe): 1 AGG Geschlecht Lebensalter Behinderung sexuelle Orientierung Religion und Weltanschauung rassistische Zuschreibungen/ethnische Herkunft 4

5 Auf welchen Ebenen kommt es zu Diskriminierung? 1. Interaktive/individuelle Ebene: Diskriminierende Handlungen, Äußerungen, Belästigung 2. Institutionelle/strukturelle Ebene: Gesetze, sprachliche Barrieren, Wissensbarrieren, mangelnde Repräsentation 3. Ideologische/diskursive Ebene: Bilder und Rollenvorstellungen in Medien, Politik und Gesellschaft 5

6 In welchen Lebensbereichen kommt Diskriminierung vor? Behörden Soziale Leistungen Gesundheitssystem Arbeitsmarkt Wohnungsmarkt Private Dienstleistungen (Einkaufen, Konto, Disko) Bildungssystem Polizei und Sicherheitspersonal Alltägliches Umfeld: Nachbarn und Straße

7 Anwendungsbereiche des AGG? Anwendungsbereiche: Beschäftigung und Beruf, 6-18 AGG Waren- und Dienstleistungsverkehr, AGG 3. Sozialschutz, 2 Abs. 1 Nr. 5,6, Abs. 2 AGG; SGB I, SGB IV 4. Bildung, 2 Abs. 1 Nr. 7 AGG (Hoch)schulgesetze der Länder unterschiedliches Schutzniveau kein Schutz: 1. gesetzliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsbürgerschaft 2. Medien/Werbung 3. Behörden außerhalb Sozialschutz, Polizei 4. außerhalb von Vertragsbeziehungen 7

8 Was regelt das AGG? Waren- und Dienstleistungsverkehr, 19 ff. AGG: bei rassistischer Diskriminierung: Begründung, Durchführung, Beendigung aller zivilrechtlichen Schuldverhältnisse alle anderen Merkmale, z.b. Religion; Geschlecht: nur private Versicherungsverhältnisse und Massengeschäfte: ( 3 (mind. 1. öffentliches Angebot für Vielzahl vergleichbarer Fälle 2. Bargeschäfte des täglichen Lebens 3. keine privaten Kaufverträge 4. in der Regel nur bei Vermietung über 50 Wohnungen 5. ohne Ansehen der Person: Zahlungsfähigkeit/willigkeit 8

9 Welche Rechtfertigungsgründe gibt es? Beschäftigung- und Beruf: wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen 8 AGG Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen 9 AGG Lebensalter 10 AGG positive Fördermaßnahmen 5 AGG Waren- und Dienstleistungsverkehr: rassistische Diskriminierung: nur zur Schaffung ausgeglichenerbewohner/innen- und Siedlungsstrukturen 19 III alle anderen Merkmale: bei sachlichem Grund 20 AGG nie bei Belästigung/sexueller Belästigung! 9

10 Was regelt das AGG? Rechte und Rechtsdurchsetzung im Arbeitsleben: Beschwerderecht im Betrieb: immer wenn sich jemand diskriminiert oder belästigt fühlt! Beseitigungs-/Unterlassungsanspruch: Aufhören! kein Kontrahierungszwang Schadensersatzanspruch: schriftliche Geltendmachung innerhalb von 2 Monaten gegenüber Arbeitgeber/in Kenntnis Fristbeginn: ab Klagefrist Arbeitsgericht: 3 Monate Betroffene/r muss Indizien beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen Beweismittel: Zeugen, Schriftstücke/ s, Ausschreibungen, Testing, Statistiken 10

11 Was regelt das AGG? Rechte und Rechtsdurchsetzung im W/D-Verkehr: Beseitigungs-/Unterlassungsanspruch: Aufhören! Anspruch auf Abschluss eines Vertrages oder Aufnahme in einem Verein (Kontrahierungszwang), soweit noch möglich ist Schadensersatz und Schmerzensgeld Schadensersatzanspruch: Geltungmachung innerhalb von 2 ( Kenntnis ) Monaten gegenüber Arbeitgeber/in Betroffene/r muss Indizien beweisen, die eine Benachteiligung vermuten lassen Beweismittel: Zeugen, Schriftstücke/ s, Ausschreibungen, Testing, Statistiken 11

12 Welche Rolle spielt Antidiskriminierungsrecht? Symbolisch: Diskriminierung gibt es und geht alle an! ArbeitgeberInnen tragen Verantwortung Betroffene von Diskriminierung haben Rechtsansprüche Praktisch: Betroffene erhalten Rechte Unternehmen und Verwaltung müssen AGG bekanntmachen, Beschwerdestellen einrichten und weiterbilden Antidiskriminierungspolitik erhält Legitimationsgrundlage 12

13 Welche Kritik gibt es am AGG? AD-Recht greift massiv in Privatautonomie (Art. 2 I GG) ein Es gibt keine Diskriminierungen, und wenn doch, dann sind es Einzelfälle. Angebliche Diskriminierungsopfer können hohe Entschädigungssummen einklagen. Unternehmen haben einen hohen hohen bürokratischen Aufwand ( Dokumentationspflichten ) Beweislastumkehr: Unternehmen müssen sich entlasten. Es ist eine Klageflut zu erwarten, ABM für RAinnen Sinnvolle Differenzierungen müssen unterbleiben, z.b. die Altersgruppeneinteilung beim Marathon, Frauensauna 13

14 Kritik des advd am AGG AGG grundsätzlich begrüßenswert, aber: AGG bleibt hinter den EU-Richtlinien zurück Antidiskriminierungstelle des Bundes zu wenig Kompetenzen fehlende Beratungsinfrastruktur kein Verbandsklagerecht Beweislast zu groß zu viele Einschränkungen bzw. Hierarchisierung im Diskriminierungsschutz zu kurze Fristen finanzielle Hürden für Betroffene ( gefragt fehlende Umsetzung im Bildungsbereich (Länder sind fehlende mehrsprachige Image- und Informationskampagne 14

15 Prüfungsschema Fallarbeit 1. Diskriminierungsmerkmal: 1 AGG 2. persönlicher/sachlicher Anwendungsbereich: 2, 6, 19 AGG 3. Diskriminierungsart: 3, 16 AGG 4. Zulässige Ausnahme vom Diskriminierungsverbot: 8, 9, 10, 5 AGG 5. Sachverhaltsaufklärung 1. Welche Informationen haben Sie, welche benötigen Sie noch? 2. Wer ist involviert? 3. Lässt sich die Diskriminierung gerichtsfest beweisen? 4. Welche Fristen laufen? 6. Ziele Welche Ziele hat die beschwerdeführende Person? Welche Strategien gibt es? Welche Interessen haben ggfalls. die anderen Beteiligten? 15

16 Wie wird Antidiskriminierungsrecht praktisch? Materiell-rechtlich: breiter und gleicher Schutz für diskriminierungsrelevante Lebensbereiche und Gruppen (EU Recht) wenig unbestimmte Rechtsbegriffe und Ausnahmeregelungen abschreckende Sanktionen positive Fördermaßnahmen zum Ausgleich bestehender Nachteile Präventionsspflichten für Arbeitgeber 16

17 Wie wird Antidiskriminierungsrecht praktisch? prozessrechtlich: Diskriminierung muss beweisbar sein Fristen zur Anspruchsgeltendmachung nicht zu kurz Unterstützung durch Verbände Rechtsdurchsetzung muss bezahlbar sein Rahmenbedingungen: Rechte müssen bekannt sein RichterInnen müssen sensibilisiert und spezialisiert sein niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsstruktur gesamtgesellschaftliche Debatte: Antidiskriminierungskultur 17