Chronische Candida- und Herpesinfektionen. Welche Rolle spielt die Immungenetik?



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Transkript:

Chronische Candida- und Herpesinfektionen Welche Rolle spielt die Immungenetik? Dr. Sabine Schütt Institut für Medizinische Diagnostik Berlin, Nicolaistraße 22, 12247 Berlin +49 3077001-220, info@inflammatio.de

Ätiologie und Pathogenese Hefepilze der Gattung Candida kommen regelhaft als Kommensale auf Haut und Schleimhäuten vor ca. 350 bekannte Candida-Arten, aber nur wenige gelten als Infektionserreger beim Menschen: C. albicans (verantwortlich für 60 % der Candidosen) C. parapsilosis C. glabrata C. tropicalis C. krusei

Ätiologie und Pathogenese Hefepilze sind eukaryote Organismen: Zellkern Zellmembran Zellwand DNA wichtigstes Lipid = Ergosterol Glukan, Mannan, Mannoproteine Ziele der immunologischen Reaktion und antimykotischen Therapeutika

Gesunde, immunkompetente Menschen sind in der Regel von Hefepilzinfektionen nicht betroffen. mechanische Barrieren wie Haut und Schleimhaut intakte Mikroflora kompetentes Immunsystem

Infektionen durch Candida-Arten sind eine wichtige Ursache von Morbidität und Letalität abwehrgeschwächter und hospitalisierter Patienten. Chemotherapie Journal, Heft 3, 2011

Risikofaktoren Geschwächtes Immunsystem Immunsuppression durch Kortikoide/Zytostatika Diabetes mellitus Granulozytopenie u.a. bei onkologischen Patienten Haut- oder Schleimhautveränderungen Zahnprothesen Antibiotikagabe Störung der Darmflora Okklusion ( Handschuhträger ) Kosmetikamißbrauch

Risikofaktoren Stationärer Aufenthalt und intensivmedizinische Maßnahmen Ausmaß an Erregerkonfrontation mechanische Barrieren zerstört Candida-Biofilmbildung Katheterbesiedlung, parenterale Ernährung Genetische Faktoren mono- oder polygen

Das Immunsystem muss bei C.albicans permanent entscheiden, ob es sich um einen harmlosen Kommensalen oder um eine Invasion (Infektion) handelt. Candida albicans Phagozytose Signaltransduktion Inflammosome TH1 IL-10 T reg Invasion immunologische Abwehr Kolonisation Akzeptanz

Spezielle Oberflächenrezeptoren auf den Makrophagen erkennen Candida-Bestandteile. Phospholipomannan Dectin-1 -Glukan -Mannan Fukose Dectin-2 MINCLE Mannan TLR4 Makrophage MBL- Rezeptor MBL Mannose TLR - Toll-like-Rezeptoren CLR - C-type Lektin-Rezeptoren MBL - Mannose-bindendes Lektin

Nach Rezeptorbindung wird über Signalkaskaden via NF-kB-Aktivierung eine Immunantwort induziert. unspezifische Entzündungsreaktion Dectin-1 Dectin-2 MINCLE TLR4 NF-kB MBL- Rezeptor MBL TH1 T reg Angriff TH17 TH2 Akzeptanz

Nach Rezeptorbindung wird über Signalkaskaden via NF-kB-Aktivierung eine Immunantwort induziert. unspezifische Entzündungsreaktion Dectin-1 Dectin-2 MINCLE TLR4 NF-kB MBL- Rezeptor MBL TH1 T reg Angriff TH17 TH2 Akzeptanz

Dectin-1 ist ein Rezeptor für die -Glukane der Zellwand von Hefepilzen. Dectin-1 -Glukan NF-kB Gentranskription Induktion der Phagozytose Ausreifung Dendritischer Zellen Respiratory Burst Chemokinfreisetzung Zytokinfreisetzung: IL-1,TNF, IL-2, IL-23, IL-6, IL-10 SYK syk family kinase CARD9 caspase recruitment domain-containing protein 9 proinflammatorisch Host-protektiv antiinflammatorisch Induktion long-term immunity

Der Polymorphismus Y238X im Dectin-1-Gen ist mit mukosaler Candidiasis assoziiert. Y238X Dectin-1 Gentranskription NF-kB SYK syk family kinase CARD9 caspase recruitment domain-containing protein 9

Der Polymorphismus Y238X geht mit einer erniedrigten IL-6-Freisetzung und einer uneffektiveren Candida- Erkennung einher. IL-6-Produktion nach -Glukanstimulation: Candida-Bindung:

Nach Rezeptorbindung wird über Signalkaskaden via NF-kB-Aktivierung eine Immunantwort induziert. unspezifische Entzündungsreaktion Dectin-1 Dectin-2 MINCLE TLR4 NF-kB MBL- Rezeptor MBL TH1 T reg Angriff TH17 TH2 Akzeptanz

Ein MBL-Mangel erschwert die Erregerphagozytose. Normalzustand MBL-Mangel Anlagerung von MBL an Mannose-Strukturen des Erregers Andocken der Phagozyten an den MBL/Mannose- Komplex Phagozytose und Elimination des Erregers Alan R. et al., Mannose-binding lectin in prediction of susceptibility to infection, Lancet, (2001), 358:597-680

Ein MBL-Mangel bewirkt eine verminderte Immunabwehr. Prävalenz: 1-2 % Klinik: erhöhte Anfälligkeit für mykotische Infektionen schwerere Verläufe bakterieller Infektionen (Pneumonie) schwerere Verläufe chronischer Parodontopathien Wundheilungsstörungen

Polymorphismen im MBL-Gen determinieren die Menge an sezerniertem MBL. MBL-Gen auf dem Chromosom 10-550 H/L -221 X/Y Codon52 A/D Exon 1 Codon54 A/B Codon57 A/C DNA MBL-Protein

? MBL wird bei einer Infektion induziert. Problem: Sind Werte im unteren Normbereich bereits induzierte Werte?

Nur die genetische Untersuchung kann klären, ob bei niedrig normalen MBL-Werten dennoch ein latenter MBL-assoziierter Immundefekt vorliegt.

MBL-Polymorhismen und damit einhergehend erniedrigte MBL-Spiegel sind assoziiert mit chronischer vaginaler Candidainfektionen.

Der AB-Polymorphismus im MBL-Gen ist signifikant mit der rezidivierenden vaginalen Candidiasis (RVC) assoziiert. MBL Genotyp Gesunde n = 43 RVC n = 42 p-wert AA 90.7 % 31.0 % < 0.0001 AB 9.3 % 61.9 % < 0.0001 BB 0 % 7.1 % p<0.0001 ng/ml MBL-Konzentration

Auch die genetisch determinierte individuelle Zytokinfreisetzung beeinflusst die immunologische Reaktion auf Candida. Dectin-1 Dectin-2 MINCLE TLR4 NF-kB MBL- Rezeptor MBL TH1 IL-4 T reg Angriff TH17 TH2 Akzeptanz

Der IL-4-Polymorphismus geht homozygot mit erhöhten IL-4- Spiegeln einher (p< 0.0001) und erhöht die Suszeptibilität für chronische vaginale Candidainfektionen.

Der C-589T-Polymorphismus im IL-4-Gen ist signifikant mit der rezidivierenden vaginalen Candidiasis (RVC) assoziiert. IL-4 Genotyp Gesunde n = 43 RVC n = 42 P-Wert CC 60.5 % 7.1 % < 0.0001 CT 32.6 % 33.3 % TT 7.0 % 59.5 % < 0.0001 2,5 p>0.0001 2 pg/ml 1,5 1 0,5 0 CC CT TT IL-4-Konzentration

Genetisch bedingt erhöhte IL-4-Spiegel hemmen einerseits die TH1-Zellantwort und haben anderseits erniedrigte MBL- Spiegel zur Folge. unspezifische Entzündungsreaktion Dectin-1 Dectin-2 MINCLE TLR4 NF-kB MBL- Rezeptor MBL TH1 IL-4 T reg Angriff TH17 TH2 Akzeptanz Babula et al. 2005; CID 40:1258

Chronische Herpesinfektionen Welche Rolle spielt die Immungenetik? Institut für Medizinische Diagnostik Berlin, Nicolaistraße 22, 12247 Berlin +49 3077001-220, info@inflammatio.de

Herpes-Simplex-Virus Definition DNA-Virus aus der Familie der Herpesviren verursacht beim Menschen bläschenartige Haut- und Schleimhautausschläge Einteilung HSV-1: "oraler Stamm", Bläschenbildung an den Lippen ist häufigste klinische Manifestation HSV-2: "genitaler Stamm, Genitalregion ist häufigste klinische Lokalisation Verbreitung Primärinfektion meistens vor dem 5. Lebensjahr verläuft in 99 % der Fälle asymptomatisch etwa 85 90 % der Weltpopulation sind seropositiv

Toll-like-Reptoren in und auf den Makrophagen erkennen virale Strukturen. Phospholipomannan doppelsträngige RNA einzelsträngige RNA LPS Mannan TLR4 TLR9 DNA NF-kB

Nach Rezeptorbindung wird über Signalkaskaden via NF-kB-Aktivierung eine Immunantwort induziert. unspezifische Entzündungsreaktion TLR4 TLR9 NF-kB TH1 T reg Angriff TH17 TH2 Akzeptanz

Nach Rezeptorbindung wird über Signalkaskaden via NF-kB-Aktivierung eine Immunantwort induziert. unspezifische Entzündungsreaktion TLR4 TLR9 NF-kB TH1 T reg Angriff TH17 TH2 Akzeptanz

HL Control Patienten mit rezidivierenden Herpes labialis-manifestationen asymptomatische HSV-1-Träger

Rezeptor- und Zytokin-Gene sind aufgrund der biologischen Pathogenvielfalt polymorph. Abgesehen von seltenen monogenen Defekten können Polymorphismen latente Erregerassoziierte Immundefekte bedingen. Mutationen Prävalenz < 1% Polymorphismen Prävalenz > 1% determinieren die individuelle Immunantwort auf den Erreger schwerwiegende Infektionen erhöhte Suszeptibilität chronische / progressivere Verläufe Primäre Immundefizienz-Syndrome Sehr selten! (hoher evolutiver Selektionsdruck) Latente Erreger-assoziierte Immundefekte häufig

FAZIT am Beispiel von Candida: Chronische Candidainfektionen sind kein infektiologisches Problem, sondern eine geschwächte immunologische Reaktion auf den Erreger. Geschwächtes Immunsystem Immunantwort Haut- oder Schleimhautveränderungen Stationärer Aufenthalt Intensivmedizin Candidiasis Biofilmbildung Immungenetik Entzündungsgenetik

FAZIT Nicht der Erreger (Candida, Herpes) ist variabel, sondern die individuelle Immunantwort / Toleranz.