Dissertation Gábor Lengyel Jewish Theological Seminary University of Jewish Studies, Hungary

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Transkript:

Dissertation Gábor Lengyel Jewish Theological Seminary University of Jewish Studies, Hungary Thesen Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn Ungarische Hörer in den deutschen Rabbinerseminaren (1854 1938) Mein Forschungsziel ist die Darstellung der modernen Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und zwar unter besonderer Berücksichtigung ungarischen Hörer an den drei deutschen Rabbinerseminaren: am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau (JTS), an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin (HWJ) und am Rabbinerseminar für das orthodoxe Judentum in Berlin (RS). Diese drei Seminare repräsentieren die drei Strömungen des deutschen Judentums: konservatives Judentum, Reform und Orthodoxie. Auch die Landesrabbinerschule in Budapest hat Berücksichtigung gefunden, da zahlreiche ungarischer Hörer in Deutschland auch an ihr lernten. Breiter Raum ist naturgemäß der Darstellung der einzelnen Rabbinerseminare gewidmet. Im ersten Teil meiner Arbeit stelle ich zunächst die geschichtlichen Rahmenbedingungen für die Rabbinerausbildung in Ungarn und im Deutschen Reich dar. Das Zeitalter der Aufklärung markierte den Übergang zur jüdischen Moderne. Die rechtliche Diskriminierung der Juden blieb in den meisten Ländern Europas noch unverändert. Der Wandel bahnte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts an, als die theoretischen Schriften bezüglich praktischer Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und der bürgerlichen Rechte der Juden in die Praxis umgesetzt wurden. Die Französische Revolution brachte die erste vollständige Emanzipation der Juden in einem europäischen Staat mit sich. Der Prozess der rechtlichen Gleichstellung der Juden im Mitteleuropa begann mit dem Toleranzedikt Kaiser Josephs II. von 1781. Der 25. November des Jahres 1867 brachte den ungarischen Juden die volle Gleichberechtigung. Mit dem Gesetzesartikel XVII war eine lang andauernde Diskussion abgeschlossen. Im Deutschen Reich wurden die bürgerlichen Rechte 1871 grundsätzlich vom religiösen Bekenntnis unabhängig gemacht. Auch innerjüdisch ist in dieser Zeit eine bedeutende Änderung festzustellen. Seite 1 von 6

Das Reformjudentum bzw. das liberale Judentum beherrschte fast alle größeren städtischen Judengemeinden in Deutschland; um 1900 war der Anteil der Orthodoxie auf 10 20 % der jüdischen Bevölkerung Deutschlands zurückgegangen. Auch bezüglich der jüdischen Bildungseinrichtungen waren grundsätzliche Gegensätze zwischen den liberalen und orthodoxen Richtungen festzustellen. Zacharias Frankel und Jonas Fraenckel schufen die ideellen und materiellen Voraussetzungen für ein jüdisch-theologisches Seminar. Diese Idee lag "in der Mitte der beiden extremen" Richtungen: die bisherige Talmudschule wollte die völlige Isolierung des Judentums von seiner Umwelt, die Leiter der Talmudschulen sahen in der Einhaltung der religiösen Überlieferung als eine unverzichtbare Voraussetzung für die Erhaltung der Eigenart des Judentums. Im Gegensatz dazu plädierten die einflussreichen Reformer dafür, dass das Judentum in der modernen Zeit nur dann eine Daseinsberechtigung habe, wenn es weitgehenden Reformen unterzogen wird. Die einen lehnten also jegliche Wissenschaft ab, die anderen aber wollten das Judentum wissenschaftlich umbilden. Frankel argumentierte für die Verbindung von traditionellem Judentum und Wissenschaft. In diesem Geist wurde am 10. August 1854 das Jüdisch-theologische Seminar in Breslau als das erste deutsche Rabbinerseminar eröffnet. Die deutsche Orthodoxie zog mit einer gewissen Verzögerung nach: im Oktober 1873 wurde dann das Rabbinerseminar für das orthodoxe Judentum eröffnet. Bereits ein Jahr früher, am 6. Mai 1872, war die liberale Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin eröffnet worden. An all den genannten Instituten wurde eifrig die Wissenschaft des Judentums gepflegt. Die Wissenschaft hat der an den Rabbinerseminaren durchgeführten Forschungsarbeit zahlreiche eminent wichtige Werke zu verdanken. In Ungarn entwickelte sich, ähnlich in Deutschland, ebenfalls eine Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Konservativen wegen der geplanten Schulreform und der Neuorganisation (Zentralisierung) der jüdischen Gemeinden, und zwar noch vor dem von der Regierung initiierten Kongress der Israeliten. In den Wahlen zum Kongress in den Gemeinden und dann im Kongress selbst (14. Dezember 1868 bis 23. Februar 1869) gewannen die Seite 2 von 6

Neologen die Oberhand. Die Orthodoxen waren von diesem Ausgang zutiefst erbittert; für sie bedeuteten die Kongressbeschlüsse und darunter die geplante Errichtung des Rabbinerseminars, die Zerstörung des jüdisch-religiösen Lebens in Ungarn. In der Folge zerfiel das ungarische Judentum in drei Richtungen: von nun an gab es neologe (liberale), orthodoxe und Status quo ante-gemeinden. Das von den Neologen im Kongress forcierte Seminarprojekt hatte bereits eine längere Vorgeschichte. Erstmals wurde die Idee zur Errichtung eines solchen 1806 durch den aus Deutschland stammenden David ben Meir hakohen Friesenhausen ausgesprochen, der sich in Hunsdorf (Hunfalva) niedergelassen hatte. Der Durchbruch kam aber erst 1850, als Kaiser Franz Josef I. den Juden die Strafzahlung wegen ihrer Beteiligung an der Revolution 1848/49 erließ und das gesammelte Geld für das jüdische Gemeinde- und Schulwesen bestimmte. Auch die Errichtung eines Seminars zur Ausbildung von jüdischen Seelsorgern war vorgesehen. Die orthodoxen Rabbiner, die eine jegliche Innovation im jüdischen Leben ablehnten, bekämpften dieses Projekt erbittert. Infolge der nach dem erwähnten Kongress entstandenen Streitigkeiten verzögerte sich die Errichtung des Institutes noch jahrelang. Es konnte schließlich erst am 5. Oktober 1877 feierlich eröffnet werden. Der zweite, ebenfalls umfangreiche bedeutende Teil meiner Arbeit ist der biographischen Sammlung und Auswertung der Daten von ungarischen Hörern an den genannten Instituten gewidmet. Mir ist bewusst, dass die Sammlung und Erfassung der biographischen Daten sämtlicher aus Ungarn stammenden Studenten bzw. Hörer an den genannten drei Instituten eine kaum zu bewältigende Aufgabe bedeutet. Ich konnte 185 (!) Personen ermitteln, welche für unterschiedliche Zeiträume zum Studium an die deutschen Rabbinerseminare gekommen sind. Eine zeitlich-räumliche Eingrenzung war nötig, damit die Arbeit in einem definierten Rahmen bleibt. Die Grenzen der europäischen Staaten, und darunter auch jene von Ungarn und Deutschland, erfuhren nämlich im fraglichen Zeitraum häufige Veränderungen. Bei der Verfolgung der Einzelschicksale muss aber auch berücksichtigt werden, dass das 19. und 20. Jahrhundert nicht nur von umwälzenden sozialen, kulturellen und industriellen Veränderungen gekennzeichnet war, sondern auch durch massive Migrationsbewegungen im europäischen Raum. Seite 3 von 6

Welche sind nun die Thesen und Fragen, die mich während meiner Forschungstätigkeit in Ungarn, Deutschland, Israel und USA und in den deutschsprachigen, hebräischen, ungarischen und englischen Quellen bewegt haben? 1. Die Landesrabbinerschule in Budapest wurde, wie bereits erwähnt, erst 1877 eröffnet, während in Deutschland schon früher drei Rabbinerseminare existierten. Das Fehlen einer modernen Rabbinerausbildung in Ungarn bis zu diesem Zeitpunkt dürfte somit für ungarische Rabbinatskandidaten und sonstige Hörer ein wesentlicher Grund gewesen, nach Deutschland zu kommen. Aber auch nach der Errichtung der Landesrabbinerschule in Budapest kamen immer noch ungarische Studenten in die deutschen Seminare. Die Gründe für dieses Phänomen möchte ich in der vorliegenden Arbeit untersuchen. 2. Inwiefern war die Verbundenheit mit der deutschen Sprache und dem deutschen Kulturkreis der Grund, dass so viele ungarische Studenten und Rabbiner nach Deutschland gekommen sind? 3. Es dürfte wichtig sein, die genaue Herkunft dieser in Deutschland studierenden und teilweise später dort wirkenden ungarischen Juden festzustellen und zu analysieren. Aus welchen Landesteilen und Städten bzw. anderen Siedlungen kamen diese Juden und welche jüdische Einrichtungen, Schulen, Synagogen bestanden in deren Herkunftsorten? Welche Tradition herrschte dort, welche Richtung im Judentum charakteristisierte die entsprechenden Orte? Welche Einflüsse haben die Studenten erfahren? 4. Auch der Familienhintergrund konnte zur Motivation beitragen, ein Studium in einem deutschen Rabbinerseminar aufzunehmen. Zum anderen ist vielleicht bei dem einen oder anderen Studierenden eine rabbinische Tradition, d. h. die Abstammung von einer Rabbinerfamilie, nachweisbar, die einen Deutschland-Bezug hat. 5. Die wissenschaftlichen Arbeiten und etwaige rabbinische Tätigkeiten vor dem Studium in Deutschland sollten ebenfalls untersucht werden, um charakteristische Schwerpunkte entdecken zu können, falls solche tatsächlich existieren. 6. Des weiteren beabsichtige ich, den weiteren Lebensweg der Hörer in den Rabbinerseminaren zu untersuchen. Waren sie als Rabbiner tätig oder ergriffen sie einen Seite 4 von 6

anderen Beruf? Blieben sie in Deutschland? In welchen jüdischen Gemeinden haben sie gewirkt? Und jene Absolventen, die nach Ungarn zurückgekehrt sind: welche Rolle spielten sie in der Weiterentwicklung des ungarischen Judentums? 7. Von den erhaltenen Forschungsergebnissen hoffe ich diverse kollektivbiographische Erkenntnisse ableiten zu können. Problematik Bezüglich der rabbinischen Ausbildung und dem Wirken der Rabbiner im Deutschen Kaiserreich und in Ungarn existieren mehrere Forschungsarbeiten. Dieses Material wurde dann mit biographischen Informationen aus diversen anderen Quellen ergänzt. In erster Linie ist hier das 2004 und 2009 erschienene zweiteilige kollektivbiographische Datenwerk von Carsten Wilke und Katrin Nele Jansen mit dem Titel "Biographisches Handbuch der Rabbiner" zu nennen. Dieses Werk führt insgesamt 2703 in Deutschland tätige Rabbiner unterschiedlicher Herkunft an, darunter auch zahlreiche Ungarn. Der Bearbeiter des ersten Teils des bereits erwähnten "Biographischen Handbuchs der Rabbiner", Carsten Wilke merkt in seiner Erklärung zum Quellenkorpus an: "Vollständigkeit ist bei einer prosopographischen Studie im allgemeinen dann erreicht, wenn sie die Personalakten der untersuchten Institution in ihrem ganzen Umfang berücksichtigt hat." Diese Vollständigkeit ist in meiner Arbeit nicht sichergestellt. Der hauptsächliche Grund für dieses Manko ist das Fehlen von Archivmaterial, das auch von vielen die in meiner Studie erwähnten bzw. zitierten Forschern beklagt wird. Es dürfte daher nahezu unmöglich sein, eine lückenlose Liste aller Hörer in den deutschen Rabbinerseminaren zu erstellen, die ungarischen nicht ausgenommen. Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass es mir gelungen ist, die meisten ungarischen Hörer zu erfassen. Das zweite gravierende Problem bilden fehlende biographische Angaben hinsichtlich der Hörer. So ergab es sich, dass zwar für Hörer, die später in Deutschland als Rabbiner amtierten, dank des "Biographischen Handbuchs" eine Fülle von Informationen vorhanden ist, für ihre nur in Ungarn tätigen Kollegen aber bereits viel weniger (mit Ausnahme der an der Landesrabbinerschule in Budapest tätigen Persönlichkeiten, über die ebenfalls eine umfangreiche Literatur existiert), und für Personen, die keine rabbinischen Funktionen ausübten, häufig leider gar keine. Seite 5 von 6

Ich habe mich bemüht, diese Lücke durch Recherchen in verschiedenen Quellen nach Möglichkeit etwas zu schließen. Leider ist mir das aber nicht immer gelungen. Auf diesem Gebiet wird noch Vieles zu ergänzen sein. In der Überzeugung, dass die vorliegende Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Erforschung des mitteleuropäischen Rabbinatswesens leisten und weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet anregen wird, hoffe ich in der Zukunft auf eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen deutschen, ungarischen und israelischen Forschern sowie solche aus weiteren Ländern. Seite 6 von 6