12. Wahlperiode 05. 11. 98 Antrag der Abg. Dr. Gisela Meister-Scheufelen u. a. CDU und Stellungnahme des Sozialministeriums Arbeitslosenquoten im internationalen Vergleich Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie die Arbeitslosenquoten in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Landern, insbesondere Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich und Schweden berechnet wird; 2. warum in Deutschland zwei verschiedene Arbeitslosenquoten, das heißt die eine auf alle Erwerbstätigen und die andere auf lediglich die abhängig Beschäftigten bezogen wird; 3. welche Berechnung der Arbeitslosenquote im europäischen Vergleich zutreffender ist; 4. wie hoch die Arbeitslosenquote in Deutschland sowie in Westdeutschland zuletzt im internationalen Vergleich nach Eurostatistik, International Labour Office und OECD war; 5. ob die Landesregierung beabsichtigt, sich dafür einzusetzen, daß eine international vergleichbare Berechnung der Arbeitslosenquote in Deutschland künftig vorgenommen wird. 30. 10. 98 Dr. Gisela Meister-Scheufelen, Döpper, Schuhmacher, Ingrid Blank, Dr. Eva Stanienda CDU Eingegangen: 05. 11. 98 / Ausgegeben: 04. 01. 99 1
Begründung Seit einiger Zeit weisen die Arbeitsämter sowohl die Arbeitslosenquote bezogen auf alle Erwerbstätigen und bezogen auf die abhängig Beschäftigten aus. Die Unterschiede sind erheblich. Im Juni 1998 hatte Deutschland nach der internationalen Berechnungsweise eine Arbeitslosenquote von 9,7 % und lag damit unter dem Durchschnitt der Europäischen Union mit 10,1 %. Ungünstigere Zahlen wiesen Finnland, Frankreich, Italien und Spanien auf. Nach der Quotenberechnung, bezogen auf lediglich die abhängig Beschäftigten, hatte Deutschland eine Arbeitslosenquote von 11,7 %, wäre damit deutlich über dem Durchschnitt der Europäischen Union, lediglich nur noch hinter Spanien gelegen. Angesichts der Notwendigkeit international verwertbarer Statistiken wäre zu prüfen, ob Deutschland nicht dazu übergehen sollte, künftig nur noch eine Arbeitslosenquote, bezogen auf alle Erwerbstätigen, auszuweisen. Stellungnahme*) Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 Nr. 23 0141.5/12/3420 nimmt das Sozialministerium nach Anhörung des Landesarbeitsamtes zu dem Antrag wie folgt Stellung: Vorbemerkung Nach 280 ff. Sozialgesetzbuch III (SGB III) hat die Bundesanstalt für Arbeit Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu beobachten, zu untersuchen und auszuwerten. Im Rahmen dieser Aufgabe hat sie aus den in ihrem Geschäftsbereich anfallenden Daten Statistiken, insbesondere über Beschäftigung und Arbeitslosigkeit der Arbeitnehmer und über die Leistungen der Arbeitsförderung, zu erstellen. Die Arbeitsmarktstatistiken sind dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vorzulegen und in geeigneter Form zu veröffentlichen. Nach dem SGB III kann das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Art und Umfang sowie Tatbestände und Merkmale der Statistiken und der Arbeitsmarktberichterstattung bestimmen und der Bundesanstalt für Arbeit entsprechende fachliche Weisungen erteilen. Die Einzelheiten für die Berechnung der Arbeitslosenquoten werden vom Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen von Runderlassen jährlich neu geregelt. Neben den Formeln für die Berechnung der Arbeitslosenquoten werden dabei jährlich die aktuellen Bezugsgrößen für die Berechnung der Quoten festgelegt. Im Hinblick auf die originäre Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit für Fragen der Arbeitsmarktstatistik hat das Sozialministerium das Landesarbeitsamt Baden-Württemberg zu den Fragen Nr. 1 bis 4 um eine fachliche Äußerung gebeten. Das Landesarbeitsamt hat wie folgt Stellung genommen: Zu 1.: Die Arbeitslosenquote gibt als Maß für die Unterauslastung des Arbeitskräfteangebots den Anteil der Arbeitslosen an den Erwerbspersonen an. Dies trifft auch für die europäischen Länder zu. Durch die unterschiedliche Gesetzgebung sind die einzelnen Faktoren zur Berechnung der Arbeitslosenquote allerdings unterschiedlich definiert. Die Aussagekraft im internationalen Vergleich *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 2
ist deshalb beschränkt. Die Formel zur Berechnung der Arbeitslosenquote finden Sie in der Anlage 1. Zu 2.: Die Zahl der Selbständigen und der mithelfenden Familienangehörigen stand lange Zeit nur als Summe aus dem Mikrozensus auf Bundesebene zur Verfügung. Um eine Vergleichbarkeit aller Arbeitslosenquoten im Bundesgebiet sicherstellen zu können, wurde deshalb die Quote auf der Basis aller abhängig Beschäftigten berechnet. Inzwischen stehen räumlich gegliederte Daten zur Verfügung. Die Arbeitslosenquote auf der Basis aller Erwerbstätigen wird jetzt bis auf Geschäftsstellenebene ausgewiesen. Will man allerdings die Arbeitslosenquoten verschiedener Personengruppen, zum Beispiel Frauen oder Ausländer, vergleichen, ist das nach wie vor nur über die Quote der abhängig Beschäftigten möglich. Stichproben können nur bis zu einer gewissen Grenze in Teilmengen aufgespalten werden. Zu 3.: Im internationalen Vergleich findet die Arbeitslosenquote, bezogen auf alle Erwerbspersonen, teilweise Anwendung. Sie entspricht in diesem Punkt eher dem Konzept der OECD und ILO. Methodisch sind die Berechnungen aber nicht vergleichbar. In Deutschland werden die Daten aus der amtlichen Statistik gewonnen, die OECD und ILO nutzen hochgerechnete Umfrageergebnisse. Außerdem ist die Arbeitslosigkeit, die Verfügbarkeit und die Arbeitssuche unterschiedlich definiert. Eine qualifizierte Gegenüberstellung der europäischen Länder kann aber nur erreicht werden, wenn die gleiche Methode verwendet wird, so wie es bei den Vergleichsberechnungen durch die OECD und ILO praktiziert wird. Diese Quoten stehen aber nicht räumlich und nach Personengruppen gegliedert und nicht zeitnah zur Verfügung und taugen damit nicht für eine qualifizierte innerstaatliche Arbeitsmarktbetrachtung. Zu 4.: Dazu eine Kopie aus der Sozialpolitischen Umschau als Anlage 2. Zu 5.: Der Berechnung der Arbeitslosenquoten liegt eine Vielzahl von Einzelkomponenten zugrunde. Sowohl die Erfassung der Arbeitslosen wie auch der Erwerbspersonen ist abhängig von Definitionen und damit zumindest teilweise variabel. Daraus ergeben sich Abweichungen zwischen verschiedenen Ländern. In der als Anlage 3 beigefügten Übersicht über die monatlichen Indikatoren der Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich, die einer Veröffentlichung des Statistischen Amts der Europäischen Gemeinschaft (EuroStat) im Juni 1995 entnommen ist, werden die erheblichen Unterschiede in der Erfassung von Arbeitslosenzahlen erkennbar. Während zum Beispiel in Deutschland die bei den Arbeitsämtern eingeschriebenen Arbeitslosen, die eine Beschäftigung als Arbeitnehmer von damals 18 und mehr Stunden wöchentlich (inzwischen mindestens 15 Stunden wöchentlich) suchen, als Arbeitslose gezählt werden, werden im Vereinigten Königreich nur Personen, die eine Vollzeitbeschäftigung suchen und Arbeitslosenunterstützung beanspruchen, weil sie ohne Arbeit sind, als Arbeitslose gezählt. Internationale Vergleichbarkeit der Arbeitslosenquoten kann daher nur durch statistische Überarbeitung, die die Unterschiede in der Erfassung neutralisiert, oder durch gemeinsame Erhebungen hergestellt werden. Das Statistische Amt 3
der Europäischen Gemeinschaft (EuroStat) berechnet und veröffentlicht international vergleichbare Arbeitslosenquoten (vgl. Übersicht in Anlage 2). Die von EuroStat errechneten Arbeitslosenquoten basieren auf den Ergebnissen der gemeinschaftlichen Arbeitskräfteerhebung (AKE), die im Frühjahr eines jeden Jahres durchgeführt wird. Durch die Verwendung derselben Definition und Konzepte in der gesamten EU wird die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet. Die Arbeitslosenquote wird von EuroStat als Anteil der Arbeitslosen an den Erwerbspersonen ausgedrückt. Die Erwerbspersonen entsprechen dabei der Summe aus Arbeitslosen und Erwerbstätigen. Für die Berechnung monatlicher Arbeitslosenquoten verwendet EuroStat hinsichtlich der Zahl der Arbeitslosen bzw. Erwerbstätigen monatliche Schätzwerte. Diese Schätzwerte gehen zurück auf jährliche Arbeitskräfteerhebungen, die anhand der tatsächlichen Entwicklung der nationalen Werte fortgeschrieben werden. Mit den Zahlen von EuroStat stehen damit für internationale Vergleiche brauchbare Arbeitslosenquoten zur Verfügung. Die Landesregierung beabsichtigt vor diesem Hintergrund keine Initiative zur Änderung der Berechnung der Arbeitslosenquote der Bundesrepublik Deutschland. Dr. Repnik Sozialminister 4
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