Datenreport 2004. Auszug aus Teil 2. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland



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Transkript:

Statistisches Bundesamt (Hrsg.) In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim (ZUMA) Datenreport 2004 Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland Zweite, aktualisierte Auflage Auszug aus Teil 2 Bundeszentrale für politische Bildung

15 Sparen und Verschuldung privater Haushalte In Deutschland gehört nicht nur ein»dach über dem Kopf«, sondern auch eine gewisse Ausstattung der Wohnung zu den sozialstaatlich verbrieften Rechten. Bei fehlender Wohnung muss das Sozialamt für eine Unterkunft sorgen und bei Pfändungen müssen einem Haushalt Ausstattungsgegenstände wie Waschmaschine und Fernsehgerät zur Verfügung bleiben. Darüber hinaus gehört die Wohnungsausstattung zum»demonstrativen«konsum, d. h. neben dem direkten Nutzwert kann aus der Wohnungsausstattung ein»statuswert«erwachsen. Die meisten Haushalte können größere Anschaffungen nicht aus dem laufenden Einkommen finanzieren. Sie müssen entweder Ansparen oder einen Kredit aufnehmen. Wobei der Nutzen, den Menschen aus dem Neid des Nachbarn auf eine gute Haushaltsausstattung ziehen können, nicht dadurch geschmälert wird, dass die Ausstattung durch Kredite finanziert ist. Neben der Analyse des Sparens beschäftigt sich dieser Beitrag deshalb auch mit der Verschuldung von Haushalten. 15.1 Aufholprozess bei der ostdeutschen Haushaltsausstattung Zum Verständnis des Sparens und der Kreditaufnahme ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, wie die Ausstattung von Haushalten in Ost- und Westdeutschland mit langlebigen Gebrauchsgütern gegenwärtig aussieht (vgl. auch Teil I, Kap. 4.6). Die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeichnen darüber hinaus den Aufholprozess, den Ostdeutschland hinter sich hat, gut nach. Bei Standard-Geräten ist er weitgehend abgeschlossen, nicht jedoch bei Geräten wie PC und Internet- Anschluss. So ist bei der Verfügbarkeit eines Farbfernsehers inzwischen eine gleiche Ausstattung in West und Ost erreicht. Während 1990/91 die Differenz über 20 Prozentpunkte betrug, ist sie seit dem Jahr 2000 verschwunden. Über 95 % der Privathaushalte sehen farbig fern. Bei Waschmaschinen war die Ausstattungsdifferenz 1990/91 noch größer als bei Farbfernsehgeräten (etwa 35 Prozentpunkte); auch sie gibt es nicht mehr. Im Jahr 2002 liegt die Ausstattung in Ostdeutschland sogar leicht über der in Westdeutschland. In der DDR waren private Telefone ein Privileg. 1990 verfügten nur 20 % der Haushalte über einen Telefonanschluss, während es in der Bundesrepublik Deutschland 96 % waren. Bis zum Jahr 2002 hat sich die Ausstattung mit Telefonanschlüssen in West- und Ostdeutschland auf höchstem Niveau angeglichen: Über 99 % verfügen 595

über einen Anschluss. In Ostdeutschland erfolgten gemäß dem Ausbau des Netzes 1993, 1995 und 1996 große Sprünge. Die Ausstattung mit PKWs war zum Zeitpunkt der deutschen Vereinigung in West- und Ostdeutschland deutlich unterschiedlich wenn auch nicht so krass wie beim Telefon. Während 1990/91 in Westdeutschland knapp 72 % der Haushalte über mindestens einen PKW verfügten, waren es 1990 in Ostdeutschland nur 49 %. Bis zum Jahr 2002 ist der Unterschied zwar nicht gänzlich abgebaut es sind nun 77 bzw. 71 % dieses Bild wird aber vor allem von den älteren Kohorten verursacht, die in Ostdeutschland einen PKW-Kauf oftmals nicht nachgeholt haben. Im Bereich anderer Geräte, die nicht zum»muss«einer Haushaltsausstattung gehören wie Wäschetrockner, PC, ISDN-Anschluss, Internetzugang, Gefriertruhe, Videorecorder und Stereoanlage sind nach wie vor Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland zu erkennen. Diese liegen freilich im Bereich weniger Prozentpunkte und zeigen keine Spaltung der Gesellschaft an. Auf jeden Fall machen die Veränderungen in Ostdeutschland deutlich, dass es dort in den letzten Jahren einen überdurchschnittlichen Bedarf an Konsumentenkrediten gegeben hat. 15.2 Konsumentenkredite und Sparverhalten Die Tabellen 1 und 2 geben einen Überblick über das Sparverhalten und über die Aufnahme von Konsumentenkrediten. Es sind lediglich Ergebnisse für die Jahre 1997 und 2002 ausgewiesen, da vor 1997 die entsprechenden Angaben im SOEP nicht erfragt wurden und die dazwischen liegenden Jahre sehr ähnliche Ergebnisse aufweisen. Insgesamt gesehen ist das Spar- und Kreditverhalten im Querschnitt der Haushalte sehr stabil. Der leichte Rückgang der Sparquote von 1997 auf 2002 findet sich nicht in der gesamtwirtschaftlichen Sparquote, die laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (VGR) in diesem Zeitraum weitgehend stabil bei etwa 10 % liegt; dabei muss allerdings beachtet werden, dass das»laufende Sparen«, wie es im SOEP erfragt wird, nicht das in der Hypothekentilgung enthaltene Sparen berücksichtigt und dass zur gesamtwirtschaftlichen Sparsumme nicht nur private Haushalte beitragen. Der obere Teil von Tabelle 1 zeigt die Anteile der Haushalte, die angeben, monatlich regelmäßig zu sparen. Im Jahr 2002 sind es in West- und Ostdeutschland mit etwa 60 % gleich viele. In Ostdeutschland war der Anteil im Jahr 1997 etwas höher (66 %), da für die Anschaffungen, die bis zum Jahr 2002 bei vielen Ausstattungsmerkmalen nahezu zu einem Gleichstand in West- und Ostdeutschland geführt haben, Ersparnisse notwendig waren. Es zeigt sich eine Altersabhängigkeit des Sparverhaltens; allerdings widerspricht diese der ökonomischen Lebenszyklustheorie, die besagt, dass in jungen Jahren gespart wird, um im Alter davon leben zu können. Tatsächlich steigt jedoch mit zu- 596

Tab. 1: Sparverhalten 1997 und 2002 Westdeutschland Ostdeutschland 1997 2002 1997 2002 Anteil der Haushalte mit regelmäßigem Sparen in % aller Privathaushalte Insgesamt 62,1 60,2 66,3 59,1 Bis 40 Jahre 58,5 57,0 62,7 50,9 41 65 Jahre 61,7 61,3 65,1 58,1 66 Jahre und älter 67,4 62,7 73,6 70,6 Sparquote 1 (Anteil der monatlichen Ersparnis in % des Haushaltsnettoeinkommens) Insgesamt 8,6 7,9 10,8 8,6 Bis 40 Jahre 7,1 7,1 8,7 6,1 41 65 Jahre 7,8 7,5 10,5 8,4 66 Jahre und älter 12,2 9,5 14,2 11,8 1 Bei Berechnung der Sparquote gehen nicht sparende Haushalte mit dem Wert Null ein! Datenbasis: SOEP 1997 2002. nehmendem Alter der Anteil der Haushalte, die sparen, an, und auch die Sparquote (unterer Teil von Tab. 1) steigt mit dem. Dieses Muster dürfte darauf zurückzuführen sein, dass durch die Gesetzliche Rentenversicherung und andere Altersvorsorgesysteme das Einkommen der derzeitigen Rentnergeneration obwohl nur relativ wenig individuelles Ansparen von Kapital stattgefunden hat relativ hoch ist (vgl. auch Teil II, Kap. 12). Hinzu kommt, dass aufgrund einer alterstypischen Vorsicht und dem Wunsch, etwas zu vererben, viele ältere Menschen ihr Einkommen nicht komplett für Konsumzwecke ausgeben. Betrachtet man die Sparquoten aller Haushalte, so liegen diese in Ostdeutschland wahrscheinlich aufgrund einer stärker ausgeprägten Vorsichtshaltung sogar insgesamt noch leicht über denen in Westdeutschland. Tabelle 2 zeigt im oberen Teil wiederum die Anteile der Haushalte, die Verpflichtungen aus Konsumentenkrediten haben. Dieser Anteil liegt in Westdeutschland unter dem in Ostdeutschland. In beiden Landesteilen ist er seit 1997 angestiegen und liegt im Jahr 2002 bei 20 bzw. 26 %. Insgesamt dürfte die höhere Quote in Ostdeutschland zum Ausdruck bringen, dass das Aufholen bei bzw. das Halten der Haushaltsausstattung in Ostdeutschland, wo insgesamt nach wie vor niedrigere Einkommen zur Verfügung stehen (vgl. Teil II, Kap. 18), nur durch eine höhere Kreditaufnahme möglich war und ist. Wiederum zeigt sich wie beim Sparen eine Altersabhängigkeit: allerdings diesmal in der erwarteten Richtung und sehr ausgeprägt. Ältere Menschen haben deutlich weniger Kreditverpflichtungen als junge Haushalte im Westen wie im Osten. Neben kohortenspezifischen Mentalitätsunterschieden spielt hier der Lebenszyklus die entscheidende Rolle: Im Alter nehmen die Konsumentenbedürfnisse nicht nur ab, sondern viele langlebige Gebrauchsgüter wurden zuvor bereits angeschafft, während junge Leute typischerweise große Bedürfnisse und wenig Geld haben, sodass sie diese Diskrepanz nur durch Kredite vermeiden können. 597

Tab. 2: Kreditverhalten 1997 und 2002 Westdeutschland Ostdeutschland 1997 2002 1997 2002 in % Anteil der Haushalte mit Konsumentenkredit an allen Privathaushalten Insgesamt 17,0 20,1 22,5 25,9 Bis 40 Jahre 25,9 30,7 35,4 37,3 41 65 Jahre 18,1 21,6 23,0 29,5 66 Jahre und älter 3,5 3,7 3,8 5,6 Wohnstatus Selbst nutzende Eigentümer 11,0 14,9 20,3 27,5 Mieter 21,0 24,0 23,3 25,1 Monatliche Konsumkredittilgung in Prozent des freien Haushaltsnettoeinkommens (freies Einkommen = Haushaltsnettoeinkommen abzgl. Wohnkosten) Insgesamt 7,2 7,0 7,9 8,5 Bis 40 Jahre 10,9 10,7 11,6 13,2 41 65 Jahre 7,7 7,6 8,9 9,2 66 Jahre und älter 1,0 1,2 0,9 1,6 Wohnstatus Selbst nutzende Eigentümer 3,2 5,2 7,6 9,2 Mieter 9,8 8,4 8,0 8,1 Monatliche Fixkosten für Konsumkredittilgung und Wohnen in Prozent des Haushaltsnettoeinkommens Insgesamt 28,1 27,0 27,6 28,7 Bis 40 Jahre 36,8 34,9 32,9 36,1 41 65 Jahre 26,7 27,0 26,6 28,4 66 Jahre und älter 18,4 16,4 22,2 20,4 Wohnhaus Selbst nutzende Eigentümer 17,5 17,3 17,7 19,8 Mieter 35,2 34,1 31,7 32,7 Datenbasis: SOEP 1997, 2002. Da für die Aufnahme eines Kredits Sicherheiten ein große Rolle spielen, wird in Tabelle 2 auch nach Eigentümern und Mietern einer Wohnung unterschieden. Während in Westdeutschland ein geringerer Teil der Eigentümer für Konsumentenkredite Verpflichtungen hat, ist dieser Anteil in Ostdeutschland für Eigentümer höher als für Mieter. Auch hier kommt wieder die Belastung durch den Aufholprozess zum Ausdruck. Für die Last, die mit einem Kredit verbunden ist, werden zwei Indikatoren berechnet (mittlerer und unterer Teil von Tab. 2). Zum Ersten werden die laufenden Kreditkosten (Zins und Tilgung) als Anteil des»frei verfügbaren Haushaltseinkommens«ausgedrückt. Als»frei verfügbar«wird der Teil des Einkommens bezeichnet, der sich nach Abzug der»warmen Wohnkosten«ergibt (mittelfristig fixe Verpflichtungen, insbesondere für private Versicherungen, werden also nicht angesetzt). Der zweite Indikator 598

drückt die gesamte Fixkostenbelastung eines Haushalts aus (Kredit- und Wohnkosten im Verhältnis zum Haushaltsnettoeinkommen). Beide Indikatoren zeigen, dass in jungen Jahren die Last, die Kreditnehmer auf sich nehmen, im Durchschnitt sehr hoch ist. Etwas über 10 % des frei verfügbaren Einkommens werden aufgewandt; umgekehrt bedeutet dies, dass junge Haushalte und Miethaushalte, die Kredite aufgenommen haben, im Durchschnitt in West- und Ostdeutschland um die 35 % ihres Nettoeinkommens für Miete und Kreditkosten (Zins und Tilgung) aufwenden. 15.3 Überschuldung Die Frage, ob ein Haushalt»überschuldet«ist, ist zwar populär, aber nicht objektiv zu beantworten. Bei Überschuldung kann man drei Bereiche unterscheiden. In einer ersten Gruppe von Haushalten werden die Kreditkosten, die ursprünglich als tragbar angesehen werden, als»zu hoch«empfunden, ohne dass es aber objektive Probleme mit der Rückzahlung gibt. Bei diesen Haushalten haben sich also die Präferenzen für Konsum geändert bzw. das Einkommen hat sich anders entwickelt als erwartet. Einen politischen Handlungsbedarf gibt es hier aber nicht. In der zweiten Gruppe der Haushalte sind die Kreditkosten im Vergleich zum Nettoeinkommen so hoch, dass ein sozialpolitisch wünschbares, frei zur Verfügung stehendes Einkommen unterschritten wird, ohne dass jedoch Sozialleistungen in Anspruch genommen werden. Hier ist ein latenter Politikbedarf gegeben, da diese Haushalte in einer nicht wünschbaren sozialen Lage sind, unter der z. B. Kinder langfristig leiden können. In einer dritten Gruppe ist ein Problem evident: Es ist die Gruppe der Haushalte, die gepfändet werden. Repräsentative Daten zur rein subjektiv empfundenen Überschuldung liegen in Deutschland nicht systematisch vor, obwohl es Empfehlungen gibt, Überschuldung rein subjektiv zu messen, indem in Umfragen die Haushalte selbst angeben, ob sie»über«schuldet sind. In Deutschland mangelt es aber auch an objektiven Daten zur Überschuldung; es gibt z. B. keine Pfändungsstatistik, die die Sozialstruktur der von Pfändungen betroffenen Haushalte offen legt. Noch nicht einmal für einen harten Verschuldungsindikator, nämlich Lohn- und Gehaltspfändungen, liegt eine aussagefähige Statistik vor. Wir messen deswegen»überschuldung«anhand eines Indikators, der zeigt, ob das nach Abzug der Kreditverpflichtungen zur Verfügung stehende Haushaltseinkommen kleiner ist als die»pfändungsfreigrenze«eines Haushalts, d. h. der Geldbetrag, der nicht gepfändet werden kann. Die Pfändungsfreigrenze ist im Prinzip auch als»armutsgrenze«verwendbar; faktisch liegt dazu jedoch keine Literatur vor (vgl. Teil II, Kap. 18). Dies liegt wohl an der Überlegung, dass der Staat einem mittellosen Bürger weniger Geld garantieren muss, als er ihm sinnvollerweise belässt, wenn er gepfändet wird. Denn würde bis»hinab«zum Sozialhilfeanspruch gepfändet werden können, hätte der Schuldner keinen Anreiz, überhaupt noch ein Einkommen zu erzielen. Faktisch liegt im Jahr 2002 die Pfän- 599

dungsfreigrenze für eine allein lebende Person mit 930 Euro nahezu beim Doppelten des Sozialhilfeanspruchs, der insgesamt etwa 550 Euro beträgt. Während ein vierköpfige Familie einen Sozialhilfeanspruch von etwa 1 250 Euro hat, liegt die entsprechende Pfändungsfreigrenze bei 1 670 Euro. Auf Basis der Pfändungsfreigrenze eine Zeitreihe der Überschuldung zu berechnen, ist schwierig, da diese Grenze in Deutschland nicht regelmäßig dynamisiert wird. Die seit 2002 gültigen Pfändungsfreigrenzen wurden zuvor zum letzten Male 1992 aktualisiert (2002 brachte gegenüber 1992 nahezu eine Verdopplung der Grenzen). Es wäre wenig sinnvoll auf dieser Basis beispielsweise Überschuldung im Jahr 1997 zu berechnen. Die im Folgenden benutzte Pfändungsfreigrenze pro Haushalt wird gegenüber den gesetzlichen Vorschriften etwas vereinfacht berechnet. Dadurch wird der Anteil der so gemessenen überschuldeten Haushalte etwas unterschätzt; andererseits wird das frei verfügbare Einkommen auch überschätzt, da fixe Zahlungsverpflichtungen, etwa für Versicherungen, nicht abgezogen werden. Die haushaltsspezifische Grenze hängt nur von der Haushaltsgröße ab. Ausgangspunkt ist ein Freibetrag von 930 Euro für den Haushaltsvorstand. Hinzu kommen im Prinzip wie bei der Sozialhilfe Zuschläge für weitere Haushaltsmitglieder (350 Euro für die erste weiterte unterhaltsberechtigte Person sowie je 195 Euro für weitere Personen). Da aus dem Freibetrag heraus auch die Wohnkosten gezahlt werden, werden sie nicht obwohl sie fix sind für die Ermittlung des frei verfügbaren Einkommens vom Haushaltseinkommen abgezogen. Tabelle 3 unterscheidet alle Privathaushalte in solche mit und ohne Kreditverpflichtungen. Letztere machen in Westdeutschland 80 % und in Ostdeutschland 74 % aus. Dabei zeigt sich, dass insgesamt 16 % bzw. 22 % aller Haushalte ein verfügbares Haushaltseinkommen haben, das unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt. Diese Haushalte können bei rationalem Verhalten von Kreditgebern von vornherein keine Kreditverpflichtungen eingehen, da der Kreditdienst nicht (voll) pfändbar wäre. Die Haushalte mit Kreditverpflichtungen, die unter der Pfändungsfreigrenze liegen, machen in Westdeutschland knapp 7 % und in Ostdeutschland immerhin 11 % aller Haushalte aus. Diese Anteile zeigen die im engeren Sinn überschuldeten Haushalte an. Diese Quote stimmt erstaunlich gut mit jener von 13 % der Haushalte in Deutschland überein, die bei einer Erhebung für das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaft im Jahre 1996 angaben, dass sie sich überschuldet fühlen. Von den 7 % der laut Tabelle 3 überschuldeten Haushalte in Westdeutschland (Ostdeutschland 11 %) haben 2 Prozentpunkte (Ostdeutschland: 4 Prozentpunkte) ein so niedriges Einkommen, das dieses bereits auch ohne Kredite unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt. Mit anderen Worten: In Westdeutschland ist etwa ein Drittel der Haushalte mit Verpflichtungen für Konsumentenkredite von Überschuldung bedroht; in Ostdeutschland sind es sogar fast 50 % der Haushalte mit Konsumentenkrediten. Betrachtet man die Anteile der Haushalte, deren verfügbares Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt, nach dem Alter, so zeigen sich für Haushalte mit und 600

Tab. 3: Analysen zum»pfändungsfreibetrag«2002 Westdeutschland Alter des Haushaltsvorstands Bis 40 Jahre 41-65 Jahre 66 Jahre u. ä. in % Insgesamt Insgesamt Ostdeutschland Alter des Haushaltsvorstands Bis 40 Jahre 41 65 Jahre 66 Jahre u. ä. Haushalte mit Konsumkredit 20,1 30,7 21,6 3,7 25,9 37,4 29,5 5,6 darunter: HH-Einkommen 5 Pfändungsfreibetrag 2,0 3,6 1,7 (0,6) 4,1 6,7 4,6 (0,4) HH-Einkommen abzügl. Kredittilgung 5 Pfändungsfreibetrag 4,6 7,2 5,0 (0,6) 6,9 11,9 6,4 (1,8) HH-Einkommen 4= Pfändungsfreibetrag abzügl. Kredittilgung 13,5 19,9 14,9 2,5 14,8 18,9 18,5 3,4 Haushalte ohne Konsumkredit 79,9 69,3 78,4 96,3 74,1 62,6 70,5 94,4 darunter: HH-Einkommen 5 Pfändungsfreibetrag 16,1 15,3 12,0 24,6 22,3 24,0 20,8 22,8 HH-Einkommen 4= Pfändungsfreibetrag 63,7 54,0 66,4 71,7 51,9 38,6 49,7 71,6 Insgesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Datenbasis: SOEP 2002. Westdeutschland Insgesamt Unterstes Mittleres Oberstes Ostdeutschland Insgesamt Unterstes Mittleres Oberstes Haushalte mit Konsumkredit 20,1 13,9 22,2 22,7 25,9 15,8 27,0 33,3 darunter: HH-Einkommen 5 Pfändungsfreibetrag 2,0 9,5 0 0 4,1 15,1 0 0 HH-Einkommen abzügl. Kredittilgung 5 Pfändungsfreibetrag 4,6 3,8 4,3 1,3 6,9 0,5 11,1 1,6 HH-Einkommen 4= Pfändungsfreibetrag abzügl. Kredittilgung 13,5 0,7 17,9 21,4 14,8 0,2 16,0 31,7 Haushalte ohne Konsumkredit 79,9 86,1 77,8 77,3 74,1 84,2 73,0 66,7 darunter: HH-Einkommen 5 Pfändungsfreibetrag 16,1 75,3 0 0 22,3 82,8 0 0 HH-Einkommen 4= Pfändungsfreibetrag 63,7 10,8 77,8 77,3 51,9 1,4 73,0 66,7 Insgesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Datenbasis: SOEP 2002. 601

ohne Kreditverpflichtungen ganz unterschiedliche Muster. Während der Anteil der Haushalte, deren frei verfügbares Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt, obwohl sie gar keine Kredite aufgenommen haben, in Westdeutschland mit dem Alter ansteigt (da mit dem Alter das Einkommen tendenziell etwas absinkt), sinkt der Verschuldungsanteil bei den Haushalten mit Kreditverpflichtungen drastisch ab (da ältere Menschen kaum noch Kredite aufnehmen). In Tabelle 3 wird die Pfändungssituation auch in Abhängigkeit von der Einkommensposition der Haushalte dargestellt. Die Haushalte werden dabei in»einkommensquintile«eingeteilt, wobei jedes ein Fünftel der nach der Höhe des Einkommens sortierten Haushalte umfasst. Dabei zeigt sich, dass ab dem mittleren Einkommensquintil keine Haushalte mehr unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegen sofern sie keine Kredite aufnehmen. Im untersten, dem der einkommensschwächsten Haushalte, liegen hingegen fast alle, ob ohne oder mit Kreditverpflichtungen, unterhalb der Pfändungsfreigrenze. 15.4 Fazit Insgesamt zeigen sich für Privathaushalte in Ost- und Westdeutschland für die wichtigsten langlebigen Gebrauchsgüter im Jahr 2002 gleichartige Ausstattungsgrade auf hohem Niveau. Der ostdeutsche Aufholprozess war bereits Mitte der 1990er-Jahre weitgehend abgeschlossen. Bedenklich sind für Ostdeutschland allenfalls die niedrigeren Ausstattungsquoten mit modernen Kommunikationsmedien (PC, Internetanschluss). Deutlich wird jedoch auch, dass in Ostdeutschland die gute Haushaltsausstattung mit mehr Kreditverpflichtungen erkauft werden musste als in Westdeutschland. Während in Westdeutschland nur knapp 7 % aller Haushalte von Überschuldung bedroht sind (in dem Sinne, dass ihr frei verfügbares Haushaltseinkommen unterhalb der für sie geltenden Pfändungsfreigrenze liegt), sind es in Ostdeutschland 11 %. (Christa Fricke/Joachim R. Frick/Gert G. Wagner) Weitere Informationen zum Thema Einnahmen der Haushalte siehe Teil I, Kap. 4, zum Thema Überschuldung Teil I, Kap. 4.7. 602