Ryszard Król: Mitteleuropas außenpolitische Aufgaben

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Transkript:

Ryszard Król: Mitteleuropas außenpolitische Aufgaben Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Dr. Rößler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir wurde die Aufgabe zugeteilt, die sich auf ein wesentlich schwierigeres Thema bezieht als die meiner geschätzten Vorredner und Kollegen. Der Bereich der außenpolitischen Aktivitäten der Länder Mitteleuropas scheint mir komplizierter zu sein, als es bei ihrer Zusammenarbeit in anderen Bereichen der Fall ist. Ich werde also versuchen, einige meiner Überlegungen darzustellen, ohne den Anspruch auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu erheben. Das Phänomen Mitteleuropa wird durch viele Merkmale gekennzeichnet, aber über seine einmalige Stellung im europäischen Gebilde entscheiden. Darüber wurde heute schon gesprochen. Ich möchte nur zwei hervorheben: die Zugehörigkeit zum gleichen Kulturkreis man pflegt ihn auch als mediterran zu bezeichnen und die gemeinsamen historischen Erfahrungen, besonders im letzten Jahrhundert. Einige sprechen daher von Mitteleuropa als einer Schicksalsgemeinschaft. Schon diese zwei Merkmale sollten die ausreichenden Voraussetzungen für die engere Zusammenarbeit auf der politischen und außenpolitischen Ebene darstellen. Dabei - meine Damen und Herren meine ich hier nicht das außenpolitische Handeln jedes einzelnen Staates, sondern die Aktivitäten einer Ländergruppe, die als ein Subjekt handelt. Dabei habe ich nicht die Form einer Brescher Group im Sinne, lieber Herr Bundeskanzler, sondern eher eine Gruppe der gemeinsamen Positionen und des gemeinsamen Handelns. An dieser Stelle die erste Bemerkung: Wenn ich an die Aktivitäten von Mitteleuropa im Bereich der außenpolitischen Beziehungen denke, so meine ich Mitteleuropa im engeren Sinne. Das heißt, ich beziehe mich auf die Staaten der Višegrader Gruppe, also Polen, Tschechische Republik, Republik Slowakei und Republik Ungarn. Ich möchte meine weiteren Überlegungen zu diesem Thema eben am Beispiel dieser vier Staaten darstellen. Tut mir leid, ich werde Österreich nicht einschließen, aber es scheint mir, es wird transparent und meine Überlegungen irgendwie stützen.

Die zweite Bemerkung ist: Anders als zum Beispiel im Bereich der Kultur, Wissenschaft, Bildung, Förderung der Entwicklung der Bürgergesellschaft, wo viele positive Beispiele zu nennen sind, stellt sich die Ebene der außenpolitischen Aktivitäten zumindest bisher als Bereich dar, in dem gemeinsames Handeln nicht so effizient praktiziert wird. Es sei mir vorweg erlaubt, eine Frage zu stellen, zugegeben eine ein wenig zugespitzt formulierte Frage, und zwar ob wir vom politischen Mitteleuropa sprechen können, so wie wir ohne weiteres vom kulturellen Mitteleuropa sprechen. Ich finde, dass wir dabei auf einige Schwierigkeiten stoßen. Deswegen sollte man, bevor man über die außenpolitischen Aufgaben sprechen darf oder könnte, zuerst die Antwort auf die für mich primäre Frage finden, die lautet: Welche Voraussetzungen müssten erfüllt werden, damit Mitteleuropa heute als ein verhältnismäßig selbstständiges Subjekt handeln könnte? Zuerst einige Worte dazu, was in den vergangenen 20 Jahren geschah. In den ersten Jahren nach dem Sturz des Kommunismus und dem Beginn der demokratischen Umwandlung in diesen Ländern versuchten die Staaten Mitteleuropas auch im außenpolitischen Bereich zusammenzuarbeiten, obwohl auch in jener Zeit diese Zusammenarbeit von einer ich würde sagen unbeständigen Intensität gekennzeichnet war. Man kann eigentlich nur ein Beispiel dafür nennen, dass diese vier Länder gemeinsam als eine Gruppe gehandelt haben. Ich werde darüber noch zwei Sätze sprechen. Die mitteleuropäischen Länder haben Anfang der 1990er Jahre richtig erkannt, dass ihre Mitwirkung im Prozess, als der neue Rahmen der europäischen Zusammenarbeit und die neue Infrastruktur der europäischen Sicherheit bestimmt wurden, für sie zukunftsträchtig wird, weil für sie die Verankerung in das europäische Netz erstens die Garantie für die nach der sanften Revolution begonnenen Umwandlungen bedeutete, damit diese Umwandlungen unumkehrbar werden. Zweitens bedeutete es die Absicherung der von den neuen Demokratien wieder gewonnenen Unabhängigkeit und Souveränität und drittens: Die neuen Demokratien wollten durch ihr Engagement einen Beweis ihres ungebrochenen Willens liefern, in Zukunft ein Teil der europäischen Völkergemeinschaft zu werden.

Ein Beispiel dieses Engagements war die im Jahre 1989 gegründete Mitteleuropäische Initiative, eine Form der subregionalen Zusammenarbeit der Staaten Mitteleuropas und Süd-Ost-Europas, gegründet von Österreich, Ungarn, Italien und dem damaligen Jugoslawien, zuerst als Quadragonale, nach dem Beitritt der Tschechoslowakei im Jahre 1990 wurde es zur Pentagonale und nach dem Beitritt Polens 1991 zur Hexagonale. Als zweites Beispiel des Engagements der Länder Mitteleuropas ist das im Jahre 1991 geschlossene Mitteleuropäische Freihandelsabkommen CEFTA zu erwähnen. Der Ursprung des Abkommens war zwar wirtschaftlicher Natur, aber eine wichtige Rolle spielte auch das Streben, die engere politische Zusammenarbeit dieser Staaten zu etablieren. Sie hat dann ihre institutionelle Form als Višegrader Dreieck angenommen. Zu dieser Zeit gab es noch die Tschechoslowakei. Die Phase der Vorbereitung für den Beitritt zur NATO von Polen, Tschechen und Ungarn und das politische Handeln, um dieses Ziel zu erreichen, war eine Etappe der besonders übereinstimmenden Zusammenarbeit des Višegrader Dreiecks. Viele Experten sahen den Grund darin, dass die NATO-Mitgliedschaft die Länder Mitteleuropas in eine grundsätzlich veränderte politisch-strategische Lage bringen sollte, dass die NATO- Mitgliedschaft wie schon gesagt die Garantie ihrer Sicherheit und der Unabwendbarkeit der Transformation lieferte. Deshalb war sie für alle drei das strategische Ziel. Es gibt noch etwas zu bemerken, meine ich. Das Streben der drei Staaten, die NATO-Mitgliedschaft zu erreichen, war nie in den Kategorien der Konkurrenz zu betrachten oder vom Geist der Konkurrenz gekennzeichnet. Alle drei zogen während der Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft sozusagen mit allen Kräften am gleichen Strang. Als diese erreicht wurde, sah es schon ein wenig anders aus. Es fanden zwar Konsultationen statt und in einigen Teilbereichen wurden gemeinsame Positionen angenommen, aber von einer solchen Übereinstimmung und einem einheitlichen Handeln, wie es zur Zeit des NATO-Beitritts der Fall war, konnte man nur selten sprechen. Die Višegrader Gruppe wurde inzwischen zu einem Forum ich spreche immer wieder vom politischen Bereich, nicht von Kultur, Wissenschaft usw. von Routinetreffen, bei denen man allgemein verfasste, nicht verbindliche

Deklarationen unterzeichnete. In diesem Sinne kann man einen großen Mangel bei dieser Zusammenarbeit feststellen. Im Grunde genommen besteht die Überzeugung auch in meinem Land darin, dass Mitteleuropa eine wichtige politische Rolle in Europa spielen kann und spielen sollte, zum Beispiel bei der Bestimmung der künftigen Entwicklung der Europäischen Union, die auch lebenswichtige Interessen dieser Ländergruppe berücksichtigen sollte. Die historischen Erfahrungen im Kampf gegen Totalitarismus und während der Transformation um nur das Prinzip der Solidarität zu erwähnen können einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung des Charakters der EU als Wertegemeinschaft, aber auch als Lehrrichtlinie für Politik und das Handeln der Europäischen Union darstellen. Voraussetzungen sind also vorhanden. Ob Mitteleuropa als Subjekt auch im außenpolitischen Bereich agierten kann, hängt meiner Meinung nach zumindest von zwei Bedingungen ab. Die erste Bedingung ist: Es muss der Wille und die Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln vorhanden sein. Nach meiner Beurteilung besteht hier ein Nachholbedarf. Wie ich schon bemerkt habe, kann man hier von einer sichtbaren Schwachstelle sprechen. Es gibt verschiedene Gründe für solche Situationen. Ich möchte nur auf drei verweisen: Erstens: die individuellen Interessen einzelner Staaten, die durch historische, geografische und politische Bedingungen und Umstände bestimmt werden. Kurz ein Beispiel: Es ist kein Geheimnis, dass der Polnische Blick mehr in Richtung Osten geht und wir uns dem Osten mit mehr Engagement widmen wollen. Heute wurde schon darüber gesprochen. Aber im Bereich der Energieversorgung und -sicherung gibt es Meinungsverschiedenheiten. In den letzten Jahren sprach man immer öfter und meiner Meinung nach ist es nicht nur ein Gerede von einer Renationalisierung der Politik. Einige sagen sogar, dass der Periode der politischen Romantik der 1990er Jahre nun ein Realpolitikpragmatismus folgt. Die zweite Ursache ist eine gewisse Abneigung gegen eine mehr oder weniger formelle Führerschaft, Leadership, in der Gruppe. Für das aktive Handeln einer Gruppe ist Leadership jedoch logisch. Wir haben aber ein Problem damit. Eingedenk

der Jahrzehnte langen Abhängigkeit von fremder Herrschaft reagieren die erst seit einigen Jahren von den Fesseln des Totalitarismus befreiten Völker und Länder Mitteleuropas ein wenig allergisch auf jede Form erneuter Abhängigkeit, obwohl sie alle von der Richtigkeit des bekannten Spruchs Einheit macht stark vollkommen überzeugt sind. Zum Dritten: gewisse Probleme in den gegenseitigen Beziehungen als Hindernis oder Ursache der Situation, die ich beschrieben habe, zum Beispiel die nicht gelösten Fragen der nationalen Minderheiten. Es sei nur auf das Problem der ungarischen Minderheit in der Slowakei und die Politik der jetzigen ungarischen Regierung oder die Missverständnisse um die Beschlüsse der litauischen Behörden in Bezug auf das Schulwesen der polnischen Minderheit in Litauen verwiesen. Der ehemalige slowakische Premierminister Ján Čarnogurský meinte sogar in einem Beitrag in einer polnischen Zeitschrift, dass wegen dieser Politik der jetzigen Regierung Ungarns keine Chance auf eine positive Lösung des Minderheitenproblems bestehe und er sagte weiter, seiner Meinung nach werde sich diese Situation auch auf die Möglichkeit der verstärkten Zusammenarbeit im Rahmen der Višegrader Gruppe negativ auswirken. Die zweite Bedingung, von der ich sprach, wäre die Ausarbeitung eines Mechanismus der verstärkten politischen Zusammenarbeit. Die Materie ist ziemlich kompliziert, deshalb fühle ich mich hier nicht im Stande, konkrete Lösungen zu präsentieren. Ich meine aber, dass man versuchen sollte natürlich vorausgesetzt, dass die erste Bedingung, der Wille, erfüllt ist vielleicht als erstes den Mechanismus der Višegrader Gruppe zu vervollkommnen. Einige Experten meinen, ein Beispiel zur Nachahmung für die Länder Mitteleuropas könnte die Gruppe der Beneluxstaaten sein. Andere verweisen auf das Beispiel des nordischen Rates. Das sind die nicht ganz zufriedenstellenden Antworten auf die Frage, ob Mitteleuropa zusammenarbeiten und mitwirken kann, nicht im Sinne einer Gruppe, die Druck auf die anderen ausüben will, aber als Gruppe, die sich von gemeinsamen Interessen leiten lässt.

Was die Aufgaben betrifft: Ich glaube der Vertrag von Lissabon stellt einen neuen Rahmen für die Länder Mitteleuropas dar, ihre Aktivitäten im außenpolitischen Bereich zu unternehmen. Diese Aktivitäten können sich auf alle Bereiche der europäischen Zusammenarbeit erstrecken und sich in den Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der europäischen Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union einordnen. Es könnten Projekte unternommen werden, die die Einheit Europas fördern, die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stabilität festigen sowie die Sicherheit Europas stärken. Dazu gehören auch die Initiativen, die der Achtung der Menschenrechte, der Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit und der Verbreitung der Marktwirtschaft in den Ländern der nahen und weiteren Nachbarschaft dienen. Als neuestes Beispiel in diesem Sinne ist die östliche Partnerschaft zu nennen, ein im Jahre 2008 angenommenes Projekt im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik, dessen Ziel eine Heranführung der sechs zum Teil benachbarten östlichen Länder an die Europäische Union ist. Ein weiteres Beispiel für die Möglichkeiten, wo Aufgaben übernommen werden könnten, ist eben die Mitteleuropäische Initiative. Sowohl das Hauptziel dieser mitteleuropäischen Initiative, die Förderung und Stärkung der Zusammengehörigkeit Europas als auch die Bereiche der Aktivitäten, Förderung der demokratischen Transformation, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Förderung der Menschenrechte, haben auch für das heutige Handeln Mitteleuropas ihre Aktualität behalten. Der Herr Bundeskanzler hat hier auch die Donauinitiative erwähnt. Ich glaube, das ist auch ein Rahmen oder ein Feld, wo diese Aktivitäten unternommen werden sollten, obwohl es wie gesagt eine schwierige Aufgabe ist. Vielen Dank.