Geschichte Hartfrid Krause Die Gründung der USPD vor 100 Jahren in Gotha am 6. April 1917 Eine sozialistische Alternative?
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Hartfrid Krause Die Gründung der USPD vor 100 Jahren in Gotha am 6. April 1917. Eine sozialistische Alternative? GRIN Verlag
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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung... 2 2. Die Führungscrew der USPD... 5 3. Auf dem Weg zur Spaltung... 8 4. Der Gründungskongress in Gotha April 1917... 25 5. Die USPD 1917 1922: Stichworte der weiteren Entwicklung... 34 6. Erinnerungen und Wertungen zur Gründungsgeschichte der USPD... 47 7. 1917 2017: Was ist an dieser Geschichte der USPD heute noch oder heute wieder relevant?... 52 Anhang... 60 A: Stärke der USPD in einzelnen Reichstagswahlkreisen... 60 B: Biographien der führenden USPD-Funktionäre in Leitungspositionen... 63 C. Die Entwicklung der Opposition gegen die Kriegskredite 1914-1916... 74 Literaturliste... 77 1
1. Einleitung und Fragestellung 1 Der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) ist innerhalb der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bis heute im Vergleich zur Geschichte der SPD oder der KPD weniger Aufmerksamkeit beschieden. Keine der beiden anderen Arbeiterparteien beriefen sich später auf die USPD. Nach einer ersten Veröffentlichung von Eugen Prager im Jahr 1922 2, Redakteur der USPD- Zeitung Freiheit, erschienen nach einem wissenschaftlichen Halbschlaf von 53 Jahren im Jahr 1975 drei voneinander unabhängige Arbeiten über die USPD: vom englischen Historiker David W. Morgan 3, vom Amerikaner Robert W. Wheeler 4 sowie meine Arbeit 5 ; einige regionale oder lokale Arbeiten folgten. 6 Wozu sich an 100 Jahre Gründung der USPD erinnern, die bereits nach 5 Jahren (1922) auseinanderbrach? Parteigründungen gab es immer wieder, die nach kurzem Aufblühen genauso schnell wieder verglühten oder völlig einflusslos wurden. Ich nenne beispielsweise in der Weimarer Republik den Sozialistischen Bund (Ledebour 1924-1931), den Leninbund (1928-1933) oder die SAPD (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, 1931ff.), in der Bundesrepublik die GVP (Gesamtdeutsche Volkspartei, 1952-1957), die Partei Rechtsstaatliche Offensive 1 Zum Gründungs-Jahrestag sind zu verschiedenen Zeitpunkten Aufsätze erschienen: 1927: 1917-1927 10 Jahre USPD, in, Klassenkampf Jg.6 (1927) Nr. 14 (8. April 1927) Beilage, 8 Seiten. Hier auch diverse Aufsätze zur Gründung der USPD: Angelika Balabanoff, Die deutsche Opposition und die Internationale (S.2); J. Steinberg, Den unabhängigen Sozialisten zum Gruß (S.2); Georg Davidsohn Was bedeutet das Wort unabhängig?; 1 10 Jahre Kampf. Einige Worte zur Entstehung der USPD geschrieben von G[ustav] L[aukant] (S.3). 1987: Dieter Engelmann, Zum 70. Gründungsjahr der USPD, in, Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 29.Jg. (1987), [Ost-] Berlin, SS.324-334. 1992: Elke Leonhard, Die Spaltung der SPD 1917. Zur Gründung der USPD vor 75 Jahren, in, Sozialdemokratischer Pressedienst, 47. Jg., 10. April 1992, SS. 2-4. 1907: Jochen Schröder, Vor 90 Jahren - in Gotha entsteht eine neue Partei, in, Urania-Akzente. Urania Kultur- und Bildungsverein Gotha, Bd.12, 2007, Heft 1, S 9. 2017: Das abgekündigte Zeitschriftenheft: 1917 bis 2017: 100 Jahre USPD: Indes. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 2016, Heft 04 ist noch nicht erschienen. 2 Eugen Prager, Geschichte der USPD. Entstehung und Entwicklung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Verlagsgenossenschaft Freiheit, Berlin 1922. Zu Eugen Prager liegt eine hervorragende Biographie vor, die auch als pdf-datei heruntergeladen werden kann: Ilse Fischer, Rüdiger Zimmermann, Unsere Sehnsucht in Worte kleiden Eugen Prager (1876-1942). Der Lebensweg eines sozialdemokratischen Journalisten, Historisches Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2005 (http://library.fes.de/pdf-files/bibliothek/03263.pdf) 3 David W. Morgan, The Socialist Left and the German Revolution. A History of the German Independent Social Democratic Party 1917-1922, Ithaca and London 1975. 4 Robert F. Wheeler, USPD und Internationale. Sozialistischer Internationalismus in der Zeit der Revolution, Frankfurt/Main Berlin Wien 1975. 5 Siehe Hartfrid Krause, USPD. Zur Geschichte der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Frankfurt/Main 1975. 6 Alfred Hermann Die Geschichte der pfälzischen USPD, Neustadt a.d.w., 1989; Sylvia Neuschl, Geschichte der USPD in Württemberg oder Über die Unmöglichkeit einig zu bleiben, Esslingen 1983;Bernhard Grau, [Über Bayern:]Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), 1917-1922, in, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44630; Volker Ulrich, Die USPD in Hamburg und im Bezirk Wasserkante 1917/18, in, Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, 79. Jg.,(1993) [mit weiteren lokalen Titelangaben]. Bernward Anton, Die Spaltung der bayerischen Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg und die Entstehung der USPD. Vorgeschichte Verlauf Ursachen, Dissertation Universität Augsburg, Typoskript, o.o., 2015 2
(Schill-Partei, 2000-2007) oder die Piratenpartei (seit 2006). Fast immer bildete ein wichtiges Thema den Grundstein der neuen Partei. So unterschiedlich diese Parteien jeweils waren, gab es keine Erweiterung auf allgemeine demokratische Problembereiche, keine Integration unterschiedlicher politischer Flügel in der neuen Partei, keine innerparteiliche Demokratie und auch keine nennenswerte parlamentarische Vertretung in der Weimarer Republik bzw. in der Bundesrepublik Deutschland. Aber gerade hier unterschied sich die USPD von den genannten Parteien: bei den Reichstagswahlen 1920 wählten fast 5 Millionen Wahlberechtigte die USPD, die mit über 80 Mandate in den Reichstag einzog. Noch erstaunlicher: Die USPD hatte 1920 mehr als doppelt so viele Mitglieder wie die SPD 2015, obwohl sich die Wahlbevölkerung im selben Zeitraum fast verdoppelt hatte. 7 Insofern war die USPD 1919/1920 ein (wenn auch nur kurzes) sozialistisches Erfolgsmodell, das einen Rückblick auch nach 100 Jahren sinnvoll erscheinen lässt. Im Folgenden geht es vor allem um die Gründungsgeschichte der USPD, die Gründe des Scheiterns der USPD 8 sind bereits an anderer Stelle beschrieben. Am 6. April 1917 wurde nach einer Abspaltung von der (Mehrheits-) Sozialdemokratie (MSPD) in Gotha die USPD gegründet. Vertreten waren auf dieser Konferenz verschiedene Flügel (Lager, Fraktionen) der alten Sozialdemokratie, die sich einig waren in der Ablehnung der Bewilligung der Kriegskredite. Über gemeinsame weitere Ziele nach Ende des Weltkrieges gab es sehr unterschiedliche Positionen. Hier ist eine der Gründe für das kurze Leben der USPD zu suchen. Nach Erfolgen in der Novemberrevolution (und Mitarbeit im Rat der Volksbeauftragten) wurde die USPD bei den Reichstagswahlen von 1920 zweitstärkste Partei im deutschen Reichstag. Kaum zwei Jahre später war von der USPD nach ihrem Votum auf dem Hallenser Parteitag zum Beitritt in die III. Internationale nicht mehr viel zu erkennen: die Partei war faktisch verschwunden, etwa ein Drittel der Mitglieder ging zur KPD, ein weiteres Drittel zurück zur SPD und der Rest engagierte sich nicht mehr in einer Partei. Die Sozialdemokratie vor dem 1. Weltkrieg war keine inhaltlich homogene Organisation. Politisch unterschiedliche Gruppierungen warben unter dem Dach der Sozialdemokratie für Unterstützung ihrer Positionen. Der verbale Radikalismus August Bebels band die verschiedenen Gruppierungen - Parteispaltungen gab es so nicht. Dieter Groh nannte seine Untersuchung über die Vorkriegssozialdemokratie zu Recht Negative Integration und revolutionärer Attentismus 9 und Arthur Rosenberg spricht vom passiven formalen Radikalismus 10. Bereits bei der Revisionismus- 7 Parteimitgliedschaft in der SPD 2015: 445.534, USPD 1920: 893.923.Siehe Krause, Zur Geschichte (s.o.anm.5), S. 303.Wahlberechtigte 1920: 32,7 Mill. Wahlberechtigte 2013: 61,9 Mill. 8 Siehe hierzu die Arbeit von Wheeler, USPD und Internationale (s. o. Anm. 4), der die Auseinandersetzungen um den Beitritt zur 3. Internationale ein wesentlicher Grund des Scheiterns der USPD - detailreich dargestellt hat. 9 Dieter Groh, Negative Integration. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Frankfurt Berlin Wien 1973. 10 Arthur Rosenberg, Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt/Main 1961, S.12. 3
debatte um Eduard Bernsteins Probleme des Sozialismus (1896/97) und bei der Massenstreikdebatte (1905) zeigte sich, dass es drei Flügel in der SPD gab: die Linken (Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin), die Mitte/das Zentrum (August Bebel, Hugo Haase, Karl Kautsky) und die Rechten (Carl Legien, Phillip Scheidemann, Gustav Noske, Friedrich Ebert). Unter dem gemeinsamen Dach stritten sie parlamentarisch und außerparlamentarisch um den besten Weg zum Sozialismus; es gab eine große verbale Übereinstimmung in internationalen Fragen (2. Internationale), in der Ablehnung der Monarchie, Arbeit im Parlament und in den Gewerkschaften. Gemeinsam waren als Fernziel die Verwirklichung des Sozialismus und die Ablehnung eines Angriffskrieges. Durchaus kontroversen Diskussionen wurden in dem von Karl Kautsky redigierten theoretischen Organ Die Neue Zeit ausgetragen. Diese drei politischen Flügel in der Vorkriegssozialdemokratie finden sich wenn auch in unterschiedlicher Stärke - in der 1917 gegründeten USPD wieder: Eduard Bernstein auf der rechten, auf der anderen Seite Theodor Liebknecht und Curt Geyer und quasi in der Mitte Karl Kautsky, Georg Ledebour und Hugo Haase. Im Folgenden wird zunächst wird nach Gemeinsamkeiten innerhalb der Leitung, der ersten Führungscrew der USPD gefragt. Danach sollen die wichtigsten Stationen der innerparteilichen Entwicklung der parlamentarischen Opposition in der SPD seit Beginn des 1. Weltkrieges nachgezeichnet werden, die zu ihrer Spaltung und zur Gründung der USPD im April 1917 geführt haben, um am Ende der Frage nachzugehen, was diese kurze Geschichte der USPD nach 100 Jahren noch heute relevant macht. 4