EXPORTIEREN WIR EEG-STROM ZU SPOTTPREISEN? FAKTEN ZUR VERSACHLICHUNG DER DISKUSSION



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Transkript:

EXPORTIEREN WIR EEG-STROM ZU SPOTTPREISEN? FAKTEN ZUR VERSACHLICHUNG DER DISKUSSION Dr. Kathrin Goldammer, Dr. David Jacobs, Hannes Peinl. Potsdam, 23. September 2013 In den vergangenen Wochen und Monaten sind wiederholt Meldungen von neuen Rekordmarken beim deutschen Stromexport veröffentlicht worden. In den Monaten Januar bis Mai 2013 wurden mehr als 31 Terawattstunden (TWh) Strom aus Deutschland exportiert. Dies entspricht einem Anstieg von mehr als 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 1 Bei günstigen Witterungsbedingungen deckt Deutschland inzwischen einen Großteil seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energien. 2 In diesem Zusammenhang wird häufig kritisiert, dass die Stromproduktion aus erneuerbarer Energie in Deutschland zunächst mit hohem finanziellem Aufwand gefördert wird, um den Strom anschließend zu geringen Preisen ins Ausland zu exportieren. STROMEXPORT UND DIE ROLLE VON PREISUNTERSCHIEDEN UND CO 2 -PREISEN Die Diskussion um den steigenden Anteil erneuerbarer Energien und Stromexporte wird allerdings viel zu einfach dargestellt, sagt Dr. Kathrin Goldammer, Projektleiterin der Plattform Energiewende (TPEC) am IASS Potsdam. Grundlegend für den Import und Export von Strommengen über die deutschen Grenzen sind die Preisunterschiede: Wenn der Strompreis in Deutschland höher liegt als in Frankreich, dann ist es wirtschaftlich, in Frankreich erzeugten Strom zu kaufen und in Deutschland zu verbrauchen. Genauso umgekehrt. Technisch ermöglichen die Grenzkuppelstellen diesen Stromaustausch; wirtschaftlich ist dieser Austausch sinnvoll und politisch ist das Zusammenwachsen des europäischen Strombinnenmarktes gewollt. Zunächst bleibt festzuhalten, dass nicht der Strom einzelner Technologien (PV-Strom) exportiert wird, sondern der Strommix im betreffenden Netzabschnitt zum jeweiligen Handelszeitpunkt. Die Aussage, dass PV-Strom exportiert werde, ist deshalb unpräzise und ließe sich lediglich bei einer direkten Stromleitung von einer Solaranlage zum ausländischen Stromnetz aufrecht halten. Es gilt also, sich den jeweils bestehenden Strommix anzuschauen und nicht PV-Strom isoliert zu betrachten. Die Strompreise und damit auch die internationalen Preisunterschiede werden an den Strombörsen ausgehandelt. Hierbei kommen die Kraftwerke stündlich in aufsteigender Reihenfolge ihrer Kosten zum Einsatz und das letzte zur Deckung der Nachfrage benötigte Kraftwerk bestimmt den Börsenpreis (merit order). Für die Gebote der Kraftwerksbetreiber sind die Brennstoff- und insbesondere Kosten für CO 2 -Emissionen maßgeblich. Ein Gaskraftwerk hat beispielsweise hohe Brennstoffkosten und niedrige CO 2 -Kosten, bei einem Kohlekraftwerk ist das Verhältnis umgekehrt. 3 Die internationalen Preisunterschiede werden also maßgeblich davon bestimmt, welcher Kraftwerkstyp mit welcher Kostenstruktur den jeweils nationalen Börsenpreis setzt. Davon hängt ab, ob wir Strom importieren oder exportieren. Solange in Deutschland die Stromnachfrage nicht vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt wird, wird der Preis an der Strombörse von Kohle- oder Gaskraftwerken bestimmt. Bei den derzeit niedrigen CO 2 -Preisen bestimmen meist Kohlekraftwerke auf Grund ihrer geringeren Brennstoffkosten den Börsenpreis. Ein höherer CO 2 -Preis würde den Börsenpreis für Strom in Deutschland erhöhen und vermehrt Gasanstatt Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen lassen. 4 1 IWR: http://www.iwr.de/news.php?id=24157; Stand: 7.8.2013. 2 Einer Studie des DUH zu Folge ist die Erzeugung erneuerbarer Energien im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Als Ursache werden die ungünstigen Windverhältnisse genannt. Vgl. http://www. duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews%5btt_news%5d=3153; Stand 20.8.2013. 3 Kohlekraftwerke weisen CO 2 -Emissionen von 898-1190 g/kwh auf, Gaskraftwerke von 398-544 g/kwh. Ein Gaskraftwerk hat folglich geringere spezifische CO 2 -Kosten als ein Kohlekraftwerk. Der Brennstoff Gas ist hingegen teurer als Kohle. Gas kostete im Juni 2013 2,77 ct/kwh. Steinkohle kostete im 2. Quartal 2013 durchschnittlich 0,98 ct/kwh. Quelle: www.bafa. de, www.vdi.de; Stand: 14.09.2013. 4 Der Börsenpreis von derzeit ca. 4 ct/kwh hat einen Anteil von 14 Prozent am durchschnittlichen Endkundenpreis für Haushalte in Höhe von 29 ct/ kwh. Quelle: www.eex.com; www.bdew.de; Stand 21.8.2013. Eine Erhöhung des Börsenpreises könnte also durch eine Verringerung der übrigen Bestandteile des Strompreises (z.b. Steuern, Abgaben, Netzentgelte, etc.) (über)kompensiert werden. 1

Durch den niedrigen CO 2 -Preis und einen immer noch hohen Anteil von Braun- und Steinkohle hat Deutschland also einen wettbewerblichen Vorteil gegenüber anderen EU-Ländern, die auf klimafreundlichere Gaskraftwerke setzen. Wenn also in den Niederlanden (und in Deutschland) Gaskraftwerke abgeschaltet werden, hängt dies in erster Linie mit niedrigen CO 2 -Preisen zusammen. Der europäische Emissionshandel hat derzeit nicht die benötigte Steuerungswirkung für einen fuel switch von Kohle zu Gas. Höhere CO 2 -Preise würden den Stromexport Deutschlands verringern. Richtig ist, dass die signifikante Menge erneuerbarer Energie zu einer Verschiebung der Einsatzreihenfolge der verfügbaren Kraftwerke führt. Bei hoher Einspeisung erneuerbarer Energien sinkt die verbleibende, durch konventionelle Kraftwerke zu deckende Nachfrage (Residuallast). Der dadurch entstehende Preiseffekt (Merit Order Effekt) hängt jedoch in erster Linie von der Struktur des deutschen Kraftwerksparks ab. Da die Stromnachfrage in vielen Stunden allein durch erneuerbare Energien und Kohlekraftwerke gedeckt werden kann, ist in Deutschland der durch erneuerbare Energien induzierte Merit Order Effekt besonders stark. Teurere Gaskraftwerke werden in diesen Stunden vollständig aus dem Markt gedrängt und bestimmen dann nicht mehr den Markträumungspreis. Der Effekt wäre weniger gravierend, wenn entweder durch einen höheren CO 2 -Preis die Erzeugungskosten für Kohlekraftwerke höher wären oder grundsätzlich nicht genug Kohlekraftwerke zur Verfügung stehen würden, um die Residuallast zu decken. Die letztgenannte Situation ist beispielsweise in Großbritannien zu beobachten. Trotz eines steigenden Anteils erneuerbarer Energien erfolgt die Markträumung dort immer noch durch Gaskraftwerke. Der Merit Order Effekt ist daher deutlich geringer. STROMIMPORTE AUS ANDEREN LÄNDERN Es gibt weiterhin Tage, an denen Deutschland mehr Strom importiert als exportiert (Abbildung 1). Hierbei profitiert Deutschland von geringeren Strompreisen im Ausland. Auch in diesem Fall kommt der importierte Strommix teilweise aus erneuerbaren Energien, die über Förderprogramme im Ausland refinanziert werden. Deutschland importierte zum Beispiel im ersten Quartal 2013 mehr Strom aus Dänemark als es exportierte. 5 In Dänemark ist der Anteil fluktuierender (also unregelmäßig und in unterschiedlicher Menge produzierter), über Förderprogramme refinanzierter erneuerbarer Energien höher als in Deutschland. Zur Erinnerung: alle EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, den Anteil Erneuerbarer Energien bis 2020 erheblich auszubauen, sodass dies zumindest für lange Zeit kein auf Deutschland beschränktes Phänomen bleiben sollte. Richtig ist, dass Deutschland derzeit die Lernerfahrungen eines Vorreiters der Systemtransformation im Strommarkt macht. Exporte und Importe (MWh) 160.000 140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 01.06.13 03.06.13 05.06.13 07.06.13 09.06.13 11.06.13 13.06.13 15.06.13 Deutsche Exporte (MWh) 17.06.13 19.06.13 21.06.13 23.06.13 25.06.13 27.06.13 29.06.13 01.07.13 03.07.13 05.07.13 07.07.13 Deutsche Importe (MWh) 09.07.13 11.07.13 13.07.13 15.07.13 17.07.13 19.07.13 21.07.13 23.07.13 25.07.13 27.07.13 29.07.13 31.07.13 Abbildung 1: Tageswerte der Exporte und Importe in Deutschland in MWh in den Monaten Juni und Juli. (Quelle: Daten von entsoe.net, eigene Darstellung.) 5 Deutsche Exporte 1.158 GWh, deutsche Importe 1.244 GWh. Quelle: www. entsoe.eu; Stand: 20.8.2013. 2

INTERNATIONALER STROMHANDEL UND DIE INTEGRATION FLUKTUIERENDER ERNEUERBARER ENERGIEN Exporte von Strom stellen eine wesentliche Möglichkeit dar, um Prognosefehler bei der Erzeugung oder beim Verbrauch von Strom auszugleichen. Wird beispielsweise weniger verbraucht als angenommen, eröffnen Exporte eine notwendige Flexibilitätsoption des Stromsystems. Die Prognoseverfahren für die Nachfrage und für fluktuierende erneuerbare Stromerzeugung sind mit der Zeit immer besser geworden. Jedoch wird in Analogie zum Wetterbericht nie eine perfekte Vorhersage dargebotsabhängiger Stromerzeuger möglich sein. Die zu beobachtenden steigenden Handelsmengen in den Intra-Day-Geschäften der Strombörse zeigen hierbei auf, dass die Vermarktungsregeln für EE-Strom ebenfalls kurzfristiger ausgestaltet sein könnten, um auftretende Prognosefehler zu minimieren. So wurde in den Monaten Juni und Juli 2013 an 39 von 61 Tagen (64 Prozent) die tägliche Stromerzeugung aus PV mittels der derzeit gültigen Prognose des Vortags um durchschnittlich 13 GWh (Gigawattstunden) überschätzt. Die durchschnittliche PV-Stromerzeugung betrug im selben Zeitraum 154 GWh pro Tag, der Prognosefehler lag bei ca. 8,5 Prozent. 6 Hohe Exporte lassen sich in den vergangenen beiden Sommermonaten also nicht vorrangig durch eine unerwartet hohe PV-Stromproduktion erklären. Auch hier zeigt sich, dass nicht primär Prognosefehler bei PV-Strom hohe Exporte erklären, viel eher gibt es im bestehenden Strommarktdesign eine inflexible Überproduktion von Residualkraftwerken zu beobachten. 7 150.000 Prognoseabweichung PV, Exporte (MWh) 100.000 50.000 0-50.000-100.000 01.06.13 03.06.13 05.06.13 07.06.13 09.06.13 11.06.13 13.06.13 15.06.13 17.06.13 19.06.13 21.06.13 23.06.13 Deutsche Exporte (MWh) 25.06.13 27.06.13 29.06.13 01.07.13 03.07.13 05.07.13 07.07.13 09.07.13 11.07.13 Prognoseabweichung PV (MWh) 13.07.13 15.07.13 17.07.13 19.07.13 21.07.13 23.07.13 25.07.13 27.07.13 29.07.13 31.07.13 Abbildung 2: Tageswerte der Prognoseabweichungen PV und Exporte in Deutschland in MWh in den Monaten Juni und Juli 2013. (Quelle: Daten von entsoe.net sowie deutschen Übertragungsnetzbetreibern, eigene Darstellung.) 6 Quelle: Daten der deutschen Übertragungsnetzbetreiber, Eigene Berechnung. 7 Residualkraftwerke sind Kraftwerke die die Residuallast decken. Die Residuallast ist die verbleibende Last, die nach Abzug der gesetzlich vorrangig abgenommenen Einspeisung erneuerbarer Energien von konventionellen Kraftwerken gedeckt werden muss. 3

Bereits heute ist der Strommarkt größtenteils europäisch organisiert. Im ersten Quartal 2013 betrugen in Europa die durchschnittlichen grenzüberschreitenden Stromflüsse 25 TWh pro Monat. Dies ist ein neuer Rekordwert. 8 Der Juli-Bericht der europäischen Strombörse EPEX berichtet darüber hinaus, dass in 66 Prozent der Zeit die Preise auf dem deutschen und französischen Strommarkt konvergieren. Dies ist ein Indiz für den vermehrten Stromaustausch zwischen beiden Ländern. Der kurzfristige Intraday-Handel erreichte im Juli an der europäischen Strombörse den fünften Rekordmonat in Folge. 9 ANALYSE DES GRENZÜBERSCHREITENDEN STROMHAN- DELS IN DEN SOMMERMONATEN 2013 Der Stromexport ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Fluktuierende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist lediglich einer. Zu den weiteren Einflussfaktoren zählen neben den erwähnten Preisunterschieden u.a. die jeweilige Nachfragesituation, die verfügbaren Kapazitäten von Grenzkuppelstellen, auftretende Prognosefehler bei fluktuierender Stromerzeugung erneuerbarer Energien oder bei der Nachfrage sowie die Flexibilität von am Netz befindlichen konventionellen Kraftwerken. Die genannten Faktoren bedingen hierbei jeweils nicht nur den deutschen Außenhandel, sondern auch den des entsprechenden Handelspartners und kommen in Abhängigkeit von Witterungsbedingungen unterschiedlich zum Tragen. 10 Welcher dieser Faktoren jeweils ausschlaggebend ist für die zu beobachtenden Exportmuster, ist pauschal nicht zu beurteilen. Für eine vollständige Analyse wäre eine Einzelfalluntersuchung der betreffenden Stunde notwendig. Dennoch sollen im Folgenden einige der erwähnten Wirkungszusammenhänge grundlegend beschrieben und für die Sommermonate Juni und Juli 2013 untersucht werden. Dadurch soll die öffentliche Debatte um Stromexporte versachlicht und damit eine Grundlage für eine differenzierte Bewertung geschaffen werden. In den Sommermonaten ist in Deutschland die Nachfrage nach Strom seit einigen Jahren etwas geringer als im Winter: Strom für Beleuchtung und Heizung wird weniger bzw. gar nicht benötigt; die Sommerferien sind eine Zeit besonders niedrigen Verbrauchs in der Industrie. Gleichzeitig speisen PV-Anlagen im Sommer den Großteil ihrer Jahresarbeit in das Stromnetz ein. Diese nahezu grenzkostenfreie 11 Stromerzeugung wirkt in Kombination mit den momentan sehr niedrigen CO 2 - Preisen preissenkend am Strommarkt. Im Sommer ist also die Nachfrage relativ gering und wird zunehmend durch grenzkostenfreie Erzeugungstechnologien (PV) gedeckt. Die verbleibende, nicht durch erneuerbare Energie zu deckende Nachfrage, wird derzeit maßgeblich durch Kohlekraftwerke mit geringen CO 2 -Kosten gedeckt. Die Kombination beider Effekte lassen die Preise am Strommarkt sinken und eröffnen somit Exportmöglichkeiten. Abbildung 3: Tageswerte der PV-Stromerzeugung, Stromexporte sowie Stromnachfrage (sogenannte Last) in Deutschland, jeweils in MWh pro Tag in den Monaten Juni und Juli 2013. (Quelle: Daten von entsoe.net sowie deutschen Übertragungsnetzbetreibern, eigene Darstellung.) 8 Europäische Kommission (2013): Quartely Report on european electricity markets Q1 2013. www.ec.europa.eu/energy; Stand: 7.8.2013. 9 www.epexspot.com; Stand: 7.8.2013. 10 Grundsätzlich bleibt hierbei festzuhalten, dass für den Stromhandel die Nachfrage und das Angebot in den miteinander handelnden Ländern hinreichend divergierende Muster aufweisen müssen. Bei identischen Mustern würde kein Handel zu Stande kommen. 11 Grenzkosten sind die Kosten, die für die Produktion einer zusätzlichen Einheit anfallen. Bei Wind- und PV-Anlagen sind die Grenzkosten nahe Null. Wenn sie einmal installiert sind, fallen für die Produktion einer zusätzlichen Einheit Strom, abgesehen von geringen Wartungskosten, keine weiteren Kosten an. Bei konventionllen Kraftwerken müssen hingegen Brennstoffund CO 2 -Kosten für die Produktion einer zusätzlichen Einheit Strom getragen werden. 4

Abbildung 3 veranschaulicht, dass in den Monaten Juni und Juli 2013 die tägliche PV-Stromerzeugung an nahezu allen Tagen größer war als die deutschen Exporte. Des Weiteren lässt sich insbesondere im Juli eine gleichförmige Bewegung der beiden Kurven feststellen. Die Korrelation zwischen PV-Erzeugung und Exportmengen nimmt einen Wert von +0,3 an und deutet damit auf einen schwach positiven, statistischen Zusammenhang zwischen PV-Erzeugung und Exporten hin. 12 Im Juni ist der Zusammenhang zwischen beiden Größen deutlich geringer ausgeprägt als im Juli. Darüber hinaus gibt es in beiden Monaten (z.b. erste Juniwoche) Tage mit sehr hoher PV-Stromerzeugung, jedoch ohne offensichtlichen Effekt auf die deutschen Exporte. Hannes Peinl, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei TPEC, erläutert: Es lässt sich also festhalten, dass eine hohe PV-Stromerzeugung in Deutschland nicht automatisch zu hohen Exporten führt. Die Kurven der tagesscharfen Nachfrage nach Strom sowie der Stromexporte in Abbildung 3 zeigen keinen wesentlichen Zusammenhang. Die Nachfragekurve zeigt einen typischen Wochenverlauf mit am Wochenende niedrigerer Nachfrage. Für die Exportmuster sind also andere Faktoren wie die oben erwähnten residual produzierenden Kraftwerke maßgeblich. Im Zuge der Transformation des Stromsystems sollte dahingehend reguliert werden, dass konventionelle Kraftwerke flexibel und ausschließlich komplementär zu fluktuierenden erneuerbaren Energien Strom produzieren. Andernfalls reizen temporäre Überproduktionen Stromexporte an. FAZIT Mit der Marktkopplung erfolgen Stromexporte und -importe, wir befinden uns damit auf dem von der Europäischen Union angestrebten Weg, erklärt TPEC-Leiterin Dr. Kathrin Goldammer. Die Europäische Kommission und die Bundesregierung unterstützen das Ziel eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes. Dies gilt insbesondere für den Strommarkt aufgrund seiner essentiellen Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft. Ab 2014 soll es hier einen integrierten europäischen Binnenmarkt geben, wovon man sich erhöhten Wettbewerb, bessere Versorgungssicherheit und niedrigere Preise erwartet. Zusammenfassend lässt sich feststellen: 1. Exporte und Importe von Strom werden vorrangig durch nationale Preisunterschiede an den Strombörsen angereizt. Hierbei ist entscheidend, welcher konventionelle Kraftwerkstyp mit welcher Kostenstruktur den jeweils nationalen Börsenpreis bestimmt. Ein höherer CO 2 -Preis würde den Börsenpreis in Deutschland anheben und Stromexporte verringern. Hierfür wäre jedoch eine erhöhte Steuerungswirkung des europäischen Emissionshandels notwendig. 2. Deutschland profitiert ebenfalls von preisgünstigen Stromimporten aus dem Ausland. Der importierte Strommix aus Dänemark besteht beispielsweise zu höheren Anteilen aus erneuerbare Energien als in Deutschland und wird über dänische Förderprogramme refinanziert. 3. Internationaler Stromhandel ist eine notwendige Flexibilitätsoption für die effektive Integration fluktuierender erneuerbarer Energien. Hiermit können Prognosefehler bei der Nachfrage oder der Produktion dargebotsabhängiger erneuerbarer Energien ausgeglichen werden. Der starke Anstieg des kurzfristigen Stromhandels zeigt Reformbedarf der bisher vortägig organisierten Vermarktung erneuerbaren Stroms auf. 4. Es gibt keine pauschale Kausalität zwischen PV-Einspeisung und Stromexporten. 12 Korrelation ist eine statistische Maßzahl, die den linearen Zusammenhang zweier Merkmale beschreibt. Sie liegt zwischen -1 und +1, wobei erstere (letztere) einen vollständig negativen (positiven) linearen Zusammenhang aufzeigt. Wäre also die Korrelation zwischen PV- Erzeugung und Exporten +1 (-1), lägen die Wertepaare in einem Koordinatensystem auf einer steigenden (fallenden) Geraden. Die Korrelation lässt jedoch nicht a priori Aussagen über statistische Signifikanz, Kausalität bzw. deren Richtung zu. Eweiterte statistische Tests wären hierfür notwendig.aussagen über statistsche Signifikanz, Kausalität bzw. deren Richtung zu. Erweiterte statistische Tests wären hierfür notwendig. 13 Die Korrelation beträgt zwischen den beiden Merkmalen -0.1. Ein linearer Zusammenhang zwischen Last und Stromexporten besteht also faktisch nicht. Eine stundenscharfe Analyse könnte detailliertere Aussagen ermöglichen. 5

In den Sommermonaten Juni und Juli 2013 wurde die PV-Erzeugung tendenziell überschätzt. Eine unerwartet hohe PV-Produktion führte also nicht automatisch zu hohen Exporten. Mittels statistischer Zusammenhangsmaße konnte kein hinreichender Beleg für einen linearen Zusammenhang der beiden Größen gefunden werden. Stromexporte hängen stattdessen von vielfältigen, jeweils nationalen und witterungsbedingten Faktoren ab. Für eine vollständige Analyse der Zusammenhänge wäre eine Einzelfalluntersuchung der betreffenden Stunde notwendig. 5. Stromexporte und importe sind in einem zusammenwachsenden Europa politisch gewünscht und bringen diverse volkswirtschaftliche Vorteile mit sich. Derzeit zu beobachtende Veränderungen in den traditionellen Außenhandelsmustern im Strommarkt sollten nicht zum Anlass genommen werden, dem Weg eines integrierten europäischen Binnenmarktes entgegenzuwirken. AUSBLICK: FLEXIBILISIERUNG DER NACHFRAGE Obwohl der steigende Stromexport Deutschlands heute noch maßgeblich aus niedrigen CO 2 -Preisen und dem daraus resultierenden wettbewerblichen Vorteilen von Kohlekraft resultiert, sollten bereits jetzt Rahmenbedingungen für eine Anpassung der Nachfrage an die Wind- und PV-Stromproduktion geschaffen werden. Dabei stellt sich die zentrale Frage: Wie kann verhindert werden, dass mittelfristig ein steigender Anteil an Wind und PV zu Verwerfungen in der Export-Import-Bilanz führt? Hier spielt die Flexibilisierung der Nachfrage eine entscheidende Rolle. Bei niedrigeren Spotmarktpreisen sollten (industrielle) Verbraucher in Deutschland befähigt werden, den günstigen Strom abzunehmen. Die Nachfrage ist in Deutschland derzeit noch preisunelastisch (Vgl. Abbildung 3) und reagiert daher kaum auf niedrige Preise. Die Einführung von intelligenten Stromzählern im Haushaltsbereich sowie die Ausweitung von industriellem Lastmanagement lassen jedoch grundsätzlich eine mittelfristig flexiblere und preissensitivere Stromnachfrage erwarten. Für die Integration von fluktuierenden erneuerbaren Energien ist insbesondere auch die Öffnung des Wärme- und Transportsektors für die Stromabnahme sinnvoll. Langfristig wird auch der Ausbau von Stromspeichern hilfreich sein. 6