BPtK - Spezial. Editorial. Pauschalierendes Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik: Konzept, Zeitplan, Chancen PEPP

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Transkript:

D 67833 ISSN 1860-4390 Ausgabe März 2013 PEPP BPtK - Spezial BundesPsychotherapeutenKammer Pauschalierendes Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik: Konzept, Zeitplan, Chancen Neues Finanzierungssystem Knapp sechs Jahre, nachdem die somatischen Krankenhäuser auf ein neues Finanzierungssystem mit Behandlungspauschalen (DRG) umgestellt wurden, beschloss der Bundestag InEK und PEPP-Pauschalen Das InEK war bereits für die Entwicklung des DRG-Systems und ist nun auch für die Entwicklung des neuen Entgeltssystems in psychiatrischen Kliniken zuständig. Es arbeitet auf der Basis von empirischen Daten aus den Krankenhäusern, insbesondere Daten zu Diagnosen, anderen Patientenmerkmalen, Leistungen und Kosten. Es erhält seine Daten von Kalkulationshäusern, d. h. Krankenhäusern, die eine freiwillige Vereinbarung mit dem InEK zur Lieferung der Daten abgeschlossen haben. Es fasst auf der Basis systematischer Analysen dieser Daten die Patienten in kostenhomogene Gruppen zusammen, die gleiche Leistungen erhalten oder den gleichen Behandlungsaufwand erfordern. Es bildet Relativgewichte, die ausdrücken, welcher Aufwand je Patientengruppe im Vergleich zu anderen Patientengruppen erforderlich ist. Einem theoretischen Durchschnittsfall wird ein Relativgewicht von 1 zugewiesen. Patientengruppen, die mehr Aufwand erfordern als der Durchschnitt, bekommen ein Relativgewicht von mehr als 1. Ist der Aufwand geringer, bekommen sie ein Relativgewicht von weniger als 1. Multipliziert man das Relativgewicht mit dem Basisfallpreis, erhält man den Betrag, den eine Krankenkasse für einen solchen Behandlungsfall an ein Krankenhaus je Tag zahlen muss. 2009, auch die Finanzierung der psychiatrischen Kliniken nach dem Grundsatz Gleiches Geld für gleiche Leistung zu reformieren. Im Unterschied zu den Behandlungspauschalen der Krankenhäuser für körperlich Kranke, die auf Diagnosen beruhen (DRG- System), entschied sich der Gesetzgeber bei den Kliniken für psychisch Kranke für die Beibehaltung von Tagespauschalen. Im Unterschied zu den bisher geltenden tagesgleichen Pflegesätzen, die von jedem Krankenhaus individuell mit den Krankenkassen verhandelt wurden, wird es ab 2022 landesweit geltende Basisentgeltwerte geben, die zwischen Krankenhausträgern und Krankenkassen auf Landesebene verhandelt werden. Gleichzeitig ermittelt jedes Krankenhaus die Aufwandsschwere seiner Patienten anhand sogenannter Relativgewichte (siehe Kasten). Das Krankenhaus erhält für seine Patienten dann einen Betrag, der sich aus der Multiplikation des Basisentgeltwertes mit den Relativgewichten ergibt. Mit der Entwicklung des Finanzierungssystems wurde das von der gemeinsamen Selbstverwaltung getragene Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) beauftragt (siehe Kasten). Fortsetzung auf Seite 2 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses BPtK-Spezial setzt sich mit dem neuen Pauschalierenden Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik auseinander. Anders als die psychiatrischen Fachverbände sehen die BPtK und die psychosomatischen Fachverbände im neuen Finanzierungssystem auch Chancen für die Versorgung psychisch kranker Menschen. Die Weiterentwicklung des Operationen- und Prozedurenschlüssels ermöglicht eine bessere Erfassung besonders personalintensiver Versorgung. Auch die anstehenden Strukturempfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Personalausstattung der Krankenhäuser könnten nach über 30 Jahren endlich dafür sorgen, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in den Personalschlüsseln der Krankenhäuser angemessen abgebildet werden. Wir richten uns mit diesem BPtK-Spezial insbesondere an Psychotherapeuten, die in Krankenhäusern arbeiten. Wir möchten Sie dabei unterstützen, sich in die krankenhausinternen Diskussionen einzubringen und auf dieser Ebene mit uns gemeinsam für eine verbesserte Versorgung psychisch kranker Menschen zu werben. Herzlich Ihr Rainer Richter

BPTK - SPEZIAL Gesetzlicher Zeitplan für die Einführung des neuen Entgeltsystems SEITE 2 Fortsetzung von Seite 1 Um den Aufwand pro Patient in den Krankenhäusern für Psychiatrie und Psychosomatik erfassen zu können, musste der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS; siehe Kasten, Seite 5) weiterentwickelt werden. Seit 2010 kodieren auch die psychiatrischen Kliniken ihre Leistungen freiwillig und seit 2011 verpflichtend mit dem OPS. PEPP 2013 Am 4. September 2012 hat das InEK den ersten Entgeltkatalog für ein pauschalierendes Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) für 2013 vorgelegt. Kalkulationsgrundlage sind die Daten von 205.247 Behandlungsfällen in 63 Krankenhäusern aus dem Jahr 2011. Das PEPP 2013 enthält 26 verschiedene Entgeltklassen. In jeder Entgeltklasse werden je nach Behandlungsdauer bis zu drei verschiedene Vergütungsstufen unterschieden. Besonders aufwendige und hochkomplexe Fälle werden über sogenannte Prä- PEPP abgebildet. Hierunter fallen z. B. alle Patienten, die eine 1:1-Betreuung oder eine Intensivbehandlung benötigen. Dadurch können die Behandlungen angemessen vergütet werden, deren Kosten weit über den durchschnittlichen Tageskosten anderer Patienten liegen. Die Zuordnung zu den übrigen PEPP-Klassen erfolgt insbesondere über Haupt- und Nebendiagnosen und das Alter (jünger oder älter als 66 Jahre). Dabei werden verschiedene Diagnosen in Gruppen zusammengefasst. So bilden z. B. alle Suchterkrankungen, aber auch alle affektiven, neurotischen, Belastungs-, somatoformen oder Schlafstörungen gemeinsam eine Entgeltgruppe. Leistungen, z. B. die Anzahl an Therapieeinheiten, haben sich bisher nicht als ein Kriterium erwiesen, mit dem sich Patientengruppen nach Aufwand unterscheiden lassen. Sie spielen deshalb für die Eingruppierung in ein bestimmtes PEPP- Entgelt im PEPP 2013 noch keine Rolle. Dies kann sich aber ändern, weil zukünftig mehr Krankenhäuser Daten liefern und sich die Leistungsbeschreibungen im OPS wie bereits im DRG-System weiter ausdifferenzieren werden (PEPP als lernendes System ). Zeitplan Der gesetzlich festgelegte Zeitplan lässt ausreichend Zeit für eine Weiterentwicklung des Systems, ohne dass es zu einer befürchteten sofortigen Verschlechterung der Versorgung in den psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern kommt. Krankenhäuser können ab dem 1. Januar 2013 das PEPP freiwillig erproben, für die anderen Krankenhäuser ändert sich nichts ( Optionsjahre ). Ab dem 1. Januar 2015 müssen alle Krankenhäuser auf das neue Finanzierungssystem umsteigen, an ihrem Budget ändert sich aber weiterhin nichts ( budgetneutrale Phase ). Erst ab dem 1. Januar 2017 beginnt die fünfjährige Konvergenzphase, in der der Basisfallwert eines Krankenhauses schrittweise an einen landesweiten Basisentgeltwert angepasst wird und das in relativ kleinen Schritten von zunächst zehn bis schließlich 20 Prozent. Die psychiatrischen Kliniken haben damit noch neun Jahre Zeit, bevor das neue PEPP reale finanzielle hat. Auswirkungen Chance für Psychotherapie Das PEPP bietet nach Auffassung der BPtK die Chance, die stationäre Versorgung stärker psychotherapeutisch auszurichten. Auch in der bisherigen Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV, siehe Kasten, Seite 4) wurden alle Patienten in aufwandshomogene Gruppen eingeteilt. Die Einteilung der Behandlungsbereiche und die Eingruppierung in die verschiedenen Gruppen erfolgten aber subjektiv und folgten keinem sachlichen Algorithmus, z. B. anhand von Diagnosen oder Leistungen. Zudem bildete die Psych-PV den medizinischen Wissensstand von vor fast 30 Jahren ab. Damals befanden sich die Entwicklung der evidenzbasierten Medizin und die Orientierung an Leitlinien und Behandlungspfaden noch ganz am Anfang. Psychotherapie war bei Weitem nicht für alle Behandlungsbereiche in einem adäquaten Maß vorgesehen. Nach heutigem Wissensstand ist Psychotherapie aber bei allen psychischen Erkrankungen ein oder das Behandlungsmittel der Wahl. Die Ablösung der Psych-PV und die Entwicklung neuer Empfehlungen zur Strukturqualität ist deshalb auch eine Chance für mehr Psychotherapie im Krankenhaus.

AUSGABE MÄRZ 2013 PEPP 2013: Behauptungen und Tatsachen Am PEPP 2013 wird insbesondere von vielen psychiatrischen Fachverbänden massive Kritik geäußert. Die BPtK hat deren Thesen überprüft: Das PEPP 2013 entspricht dem für somatische Krankenhäuser bereits eingeführten DRG-Entgeltsystem und setzt einen Anreiz, Patienten mit überdurchschnittlich teuren oder langwierigen Behandlungen vorzeitig zu entlassen. Anzahl von Psychotherapeuten in Krankenhäusern Die PEPP-Entgelte sind kein fallbezogenes Abrechnungssystem wie das DRG- System. Bei den PEPP-Entgelten handelt es sich nicht um Behandlungspauschalen, sondern um Tagespauschalen. Es wird wie bisher auch jeder Tag vergütet, den ein Patient im Krankenhaus verbringt. Die neuen Tagespauschalen unterscheiden sich von den bisherigen Tagespflegesätzen nur darin, dass sie je nach Aufwand unterschiedlich hoch sein können. Damit ist es zum ersten Mal möglich, besonders aufwendige, hochkomplexe Behandlungen (z. B. 1:1-Betreuung), deren Kosten weit über den üblichen Tagespflegesätzen liegen, angemessen zu vergüten. Es ist richtig, dass Diagnosen ein Hauptkriterium dafür sind, wie viel Geld für die Behandlung eines Patienten pro Tag zur Verfügung steht. Hintergrund ist die empirische Auswertung von Krankenhausbehandlungen durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, die zeigte, dass sich die Kosten für die stationäre Behandlung von psychisch kranken Menschen erheblich danach unterscheiden, welche Diagnose gestellt wurde. In der Diagnosegruppe Schizophrenie und andere psychotische Störungen ergaben sich beispielsweise Kostenunterschiede pro Tag von bis zu 20 Prozent in Abhängigkeit davon, ob eine katatone oder organisch bedingte Psychose vorlag oder nicht. Die Diagnose ist damit durchaus einer der verlässlicheren Indikatoren für die Höhe des Betreuungsaufwands. Dies gar nicht zu berücksichtigen, wäre auch in Ermangelung anderer Indikatoren für die Höhe des Betreuungsaufwands nicht sachgerecht. Dass Diagnosen als Kriterium für die unterschiedlichen Tagespauschalen verwendet werden, beruht auch darauf, dass bisher keine geeigneten OPS-Ziffern oder Leistungsbeschreibungen als Kostentrenner zur Verfügung stehen. Dies kann sich aber durch die Weiterentwicklung des OPS in den nächsten Jahren noch ändern. Hierfür ist jedoch die konstruktive Mitarbeit von Fachgesellschaften und Experten aus Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie erforderlich. Das PEPP 2013 verwendet degressive Tagesentgelte, die einen Anreiz für kurze Krankenhausbehandlungen setzen. Es ist heute so, dass die Behandlungskosten der stationären Behandlung von psychisch Kranken in Abhängigkeit von der Anzahl der Behandlungstage sinken. Das ist empirisch belegt. Die Behandlungskosten sind anfangs besonders hoch und nehmen im Verlauf ab. Das ist unter anderem auch dadurch erklärbar, dass sich die Patienten stabilisieren und insbesondere der personelle Betreuungs- und Behandlungsaufwand im Verlauf der Krankenhausbehandlung sinkt. Durch das PEPP 2013 werden in der ersten Behandlungsphase alle anfallenden Kosten vollständig Fortsetzung auf Seite 4 BPtK-Spezial SEITE 3

BPTK - SPEZIAL SEITE 4 Fortsetzung von Seite 3 vergütet; die Vergütung liegt über den durchschnittlichen Tageskosten. In den Relativgewichten spiegelt sich das darin wieder, dass die Relativgewichte in der ersten Behandlungsphase über dem Wert 1 liegen (erste Vergütungsstufe). In den folgenden Vergütungsstufen werden die Kosten im Durchschnitt vergütet, das heißt, die realen Kosten können darüber, aber auch darunter liegen. In den Relativgewichten spiegelt sich das darin wieder, dass diese um bzw. leicht unter dem Wert 1 liegen. Rechnet man die Relativgewichte über den gesamten Behandlungszeitraum zusammen und bildet das mittlere Relativgewicht, wird deutlich, dass die Degression sehr sanft verläuft und es keine abrupten Vergütungssprünge nach unten gibt. Ein System mit durchgehend einheitlichen Tagespauschalen würde Kurzlieger unterfinanzieren und Langlieger zu hoch vergüten, das heißt einen Anreiz für längere Krankenhausbehandlungen setzen. Das PEPP 2013 bildet die unterschiedlichen Behandlungsphasen und -kosten angemessener ab. Zudem ist die Dauer der stationären Krankenhausaufenthalte auch schon bisher gesunken bei einheitlichen Tagessätzen. Kurze stationäre Behandlungsdauern können aus Patientensicht auch vorteilhaft sein. Sie fördern eine durchaus gewollte Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung in den teilstationären und ambulanten Bereich (z. B. Institutsambulanzen, Home- Treatment). Um zu frühe Entlassungen zu vermeiden, ist im PEPP 2013 aber auch vorgesehen, dass Patienten, die innerhalb von 21 Tagen nach Entlassung wieder stationär aufgenommen werden, als ein Behandlungsfall abgerechnet werden. Das PEPP 2013 ist ein lernendes System. Sollte sich in den nächsten beiden Jahren zeigen, dass der Kostenverlauf in psychiatrischen Kliniken nicht degressiv ist, werden die entspre- PEPP-Entgelte chend angepasst. Personelle Standards aus der Psych-PV werden ersatzlos gestrichen. Diese Aussage ist falsch. Die Psychiatrie-Personalverordnung wird ersetzt durch Empfehlungen zur Strukturqualität in psychiatrischen Krankenhäusern. Dies bietet die Chance, die schon über 20 Jahre alte Psych-PV anhand von evidenzbasierten Leitlinien zu überarbeiten und stärker psychotherapeutisch auszurichten. Psychotherapie ist heute bei allen psychischen Erkrankungen ein bzw. das Mittel der Wahl, z. B. auch bei psychotischen Erkrankungen. Die Leitlinien werden in vielen Krankenhäusern bisher aber nicht umgesetzt. Außerdem sind bisher die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der Psych-PV nicht verankert. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in den neu zu erarbeitenden Empfehlungen alle Berufsgruppen berücksichtigt werden müssen. Dies ist eine historische Chance, den Beruf des Psychotherapeuten endlich auch in den Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik angemessen zu verankern. Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) Die Psych-PV entstand, als es den Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten (PP) und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) als Heilberuf noch nicht gab. Die Psych-PV ordnete deshalb Psychotherapeuten der Berufsgruppe Diplom-Psychologen zu. PP und KJP arbeiten in vergleichbarem Umfang in Krankenhäusern (aller Fachrichtungen) wie Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatische Medizin und Nervenheilkunde (Quelle: Eigene Statistik, Statistik der Bundesärztekammer, Stand: 31. Dezember 2011). Anstelle der körperlichen Untersuchung und Behandlung sowie der Psychopharmakotherapie liegt der Tätigkeitsschwerpunkt der PP und KJP auf der psychotherapeutischen Versorgung. Darüber hinaus übernehmen sie die gleichen Aufgaben, wie sie für die Ärzte im Stationsdienst oder die Oberärzte in der Psych-PV beschrieben werden. Seit dem 1. Januar 2013 gilt die Psych-PV nicht mehr. Sie wird durch Empfehlungen zur Strukturqualität in Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik ersetzt, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelt werden. In diesen Empfehlungen können erstmals die beiden psychotherapeutischen Heilberufe angemessen berücksichtigt werden.

BPtK-Spezial Psychotherapeuten in Ausbildung Bei der Verschlüsselung von Leistungen über den Operationen- und Prozedurenschlüssel taucht immer wieder die Frage auf, warum die Leistungen von Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) während der Praktischen Tätigkeit im Krankenhaus nicht erfasst werden. Häufig wird gleichzeitig auch die Befürchtung geäußert, dass es den Krankenhäusern deshalb zukünftig nicht mehr möglich sein könnte, Praktikumsplätze für PiA anzubieten. Regelung im OPS Zutreffend ist, dass die Leistungen von PiA während der Praktischen Tätigkeit nur in dem Umfang über den OPS kodiert oder geltend gemacht werden können, in dem sie auch vergütet werden. Das heißt: Erhält ein PiA ein halbes Diplom-Psychologen-Gehalt, dann kann die Hälfte der Leistungen kodiert werden. Im OPS heißt es hierzu: Anerkannt werden alle Leistungen, die durch Mitarbeiter erbracht werden, die eine Ausbildung in der jeweiligen, hier spezifizierten Berufsgruppe abgeschlossen haben und in einem dieser Berufsgruppe entsprechenden, vergüteten Beschäftigungsverhältnis stehen. Bei Psychotherapeuten in Ausbildung ist für eine Anerkennung der Leistungen Voraussetzung, dass diese Mitarbeiter eine Vergütung entsprechend ihrem Grundberuf z. B. als Diplom-Psychologe oder Diplom-(Sozial-) Pädagoge erhalten. Kodierung ohne Vergütung PiA sind in erster Linie psychotherapeutisch tätig. Bei einer vollen Dokumentation ihrer Leistungen ohne entsprechende Vergütung fiele Psychotherapie bei der Ermittlung der Kostenintensität der unterschiedlichen Patientengruppen weniger ins Gewicht, als wenn voll bezahlte Kräfte die Psychotherapien durchführten. Daraus würde resultieren, dass die Leistung Psychotherapie finanziell im neuen Entgeltsystem nicht adäquat abgebildet werden würde. Konkret hieße dies, dass die Patientengruppen, die viel Psychotherapie erhalten, ein zu niedriges Relativgewicht erhielten. Dadurch würden die den Krankenhäusern gezahlten Tagespauschalen nicht ausreichen, um entsprechend den Empfehlungen evidenzbasierter Leitlinien zu behandeln. Der Verzicht auf die Kodierung der Leistungen der PiA bei geringer oder gänzlich fehlender Vergütung im OPS ist also richtig, wenn es grundsätzlich um eine Dokumentation der Ausgaben des Krankenhauses für Psychotherapie geht. Das heißt natürlich nicht, dass es bei der unzureichenden PiA- Vergütung bleiben kann. Eine Verankerung der Leistungen von PiA im OPS ist hierfür aber nicht der richtige Weg. OPS keine Gebührenordnung Grundsätzlich dient der OPS nicht dazu, alle Leistungen eines Krankenhauses zu erfassen, um auf dieser Basis die Entgelte mit den Kassen zu vereinbaren. Der OPS ist keine Vollleistungserfassung, sondern eine Erfassung von maßgeblichen Leistungen oder Merkmalen, die es ermöglichen, zwischen der Kostenintensität oder Aufwandsschwere verschiedener Patientengruppen zu unterscheiden. Der OPS ist also gerade nicht wie im ambulanten Bereich der Einheitliche Bewertungsmaßstab oder die Gebührenordnung für Ärzte ein Leistungsverzeichnis, das für bestimmte Leistungen eine bestimmte Vergütung vorsieht. Der OPS ist keine Gebührenordnung. Um eine angemessene Vergütung der Leistungen von PiA zu erreichen, die dann auch im OPS vollständig kodiert werden könnten, müssen andere Wege eingeschlagen werden. Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) Der OPS: ist die Liste der Kodes, mit denen im Krankenhaus z. B. Therapieeinheiten oder Kriseninterventionen erfasst und dokumentiert werden, soll nur besonders aufwendige Leistungen erfassen und ist kein System zur vollständigen Leistungserfassung, löst aus, welcher Entgeltgruppe ein Patient zugeordnet wird, wird jährlich weiterentwickelt (Vorschläge jeweils bis zum 28. Februar eines Jahres), wird vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgeben, einer Behörde des Bundesministeriums für Gesundheit. Vergütungsanspruch PiA Für eine angemessene Vergütung der PiA ist es zentral, dass sie eine vertragliche oder bessere rechtliche Grundlage für einen Vergütungsanspruch erhalten. Bisher hat die Bundesregierung mit Verweis auf die rechtlichen Regelungen zur Psychotherapeutenausbildung eine Vergütungsregelung abgelehnt, weil Ausbildungsteilnehmer laut Psychotherapeutengesetz im Krankenhaus keine Leistungen erbringen, die eine Vergütung rechtfertigen würden. Anspruchsgrundlage können auch tarifrechtliche Reglungen sein, die von den Tarifparteien beschlossen würden. Notwendig bleibt dennoch die seit Langem von der Psychotherapeutenschaft geforderte Reform der Ausbildung. Impressum BPtK-Spezial zum Thema PEPP Herausgeber: BPtK V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Rainer Richter Redaktion: Kay Funke-Kaiser Layout: Judith Gerhardt Nachdruck und Fotokopien auch auszugsweise nicht gestattet. Bundespsychotherapeutenkammer Klosterstraße 64 10179 Berlin Telefon: 030-278785-0 Fax: 030-278785-44 E-Mail: info@bptk.de Internet: www.bptk.de