Strukturen und Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Großregion

Ähnliche Dokumente
Die grenzüberschreitende Dimension der wirtschaftlichen Zusammenarbeit am Beispiel des grenzüberschreitenden Verflechtungsraums Saarland-Lothringen

1. Gipfel der Großregion 20. September 1995 Bad Mondorf

Test: Grundkenntnisse über die Europäische Union

GRENZÜBERSCHREITENDES PROGRAMM ZUR EUROPÄISCHEN TERRITORIALEN ZUSAMMENARBEIT «GROßREGION»

Der Pflegearbeitsmarkt in der Großregion Berufe, Mobilität und Fachkräftesicherung

Border Futures grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gebiet der LAG Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland

Die Großregion muss alltagstauglich werden

CENTRAL EUROPE Programmrahmen

Potenziale transnationaler EU-Förderprogramme für Kommunen

Hydrologische Perspektiven in der Zusammenarbeit von Nachbarländern. Dr. André Weidenhaupt Präsident der IKSMS, Wasserdirektor von Luxemburg

Willkommen in Deutschland Bewerbergewinnung im Ausland - grenzüberschreitendes Recruiting

DER BÄNNJERRÜCKBOTE. Eine Zeitung von Bürgern für Bürger. Unabhängige Stadtteilzeitung Bännjerrück I Karl-Pfaff-Siedlung I Kaiserslautern

(verabschiedet im Dezember 2006)

Ein Blick auf die Geschichte

Unterstützungsmöglichkeiten für Cluster und Netzwerke im FP7 und anderen Programmen der Europäischen Kommission

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

Präsentation des Endberichts. 13./14. Dezember 2010 Begleitausschusssitzung, Szczecin

Unterrichtung. Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode. Drucksache 8/157. durch die Bundesregierung

Projekt Grenzenlos Radeln

Präsidentschaft der Großregion Aktionsprogramm

Informationen zur EUREGIO Bayerischer Wald Böhmerwald Unterer Inn

Entwurf Gemeindereglement Pflegewohnheim Bärgmättli AG

JESSICA. Eine neue Art, EU-Mittel zur Förderung von nachhaltigen Investitionen und Wachstum in städtischen Gebieten einzusetzen. Was ist JESSICA?

EINFÜHRUNG GEOGRAPHISCHE LAGE ENTSTEHUNG GREMIEN PROJEKTE NEUESTE ENTWICKLUNGEN 2010 HERAUSFORDERUNGEN UND LÖSUNGSANSÄTZE

Morocco. Maroc. Maroc. Marokko. Morocco Marruecos. Focus Morocco Moroccan industrial policy and European patents: new opportunities for industry

Vorschlag für eine DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG DES RATES

Informatikstrategie des Staates Wallis. Pressekonferenz vom 7. September 2015

Regionalisierte Teilbudgets in Niedersachsen. Bewertung und Ausblick

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Katrin Hirseland BBE Newsletter 23/2010

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN MITTEILUNG DER KOMMISSION

Strasbourg,

Besondere technische Bestimmungen

Naturparke als Instrument einer nachhaltigen Regionalentwicklung

Die neue Dimension der Energieeffizienz in der Haus- und Gebäudeautomation

ERIH European Route of Industrial Heritage

Europäischen Sozialfonds für Kinder- und Jugendhilfe nutzen!

das neueste über die eu!!! Nr. 338

Lehrveranstaltungen. Le Canada et le Québec défis culturels et politiques d une société multiculturelle (Seminar,

Grundzüge der EU-Förderung

Neuregelungen für Europäische Betriebsräte. Einblick in Richtlinie 2009/38/EG

Die Europäische Union

Aufbau eines transnationalen Marketingkonzepts für den Tourismus in der Großregion

Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten

Die Karrieremesse für Akademiker in der Großregion

Ein Jahrzehnt der Partnerschaft zwischen der Europäischen Kommission und dem Europarat - Umsetzung der Politik für junge Europäer

WIR GEHÖREN ALLE DAZU

Auf dem Weg zu einem umfassenderen Datenschutz in Europa einschließlich Biometrie eine europäische Perspektive

Lokale Agenda 21 Berlin

LE 8: Überblick über das internationale Wirtschaftsrecht und seine Subjekte

Territoriale Kohäsion und Donaustrategie eine ökonomische Analyse neuer Konzepte der EU-Integration

LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN

AUSLANDSAUFENTHALTE & BESCHÄFTIGUNGSFÄHIGKEIT IN FRANKREICH. Soumia Baha,

Aktionsprogramm Zuwanderung hilft Fachkräftelücke im Saarland zu schließen

Workshop - Modelle regionaler Zusammenarbeit in der Schweiz

Stadtrat: Konstituierung und Delegationen des Stadtrats für die Amtsdauer ; Konstituierungsbeschluss 1 (Stand per 1. Mai 2014) SR.14.

Die Europäischen Institutionen und ihre Beziehungen: Rat der Europäischen Union/ Ministerrat:

Leistungsbeschreibung

Mitteilung der Kommission zu Leitlinien für die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen

EPREUVE ECRITE D ALLEMAND. Durée de l'épreuve : 01h30

«Rahmenbedingungen grenzübergreifender Informationsströme in Europa und der Großregion»

VILLE D ESCH-SUR ALZETTE SERVICE À L ÉGALITÉ DES CHANCES

Verein für Protest- und Bewegungsforschung e.v. S A T Z U N G

Zum Europatag am 9. Mai: neue Identität der Europäischen Institutionen im Internet

Struktur. über Einwohner. größter Landkreis in BW mit km 2 (Saarland: km²)

A N T W O R T. zu der. Anfrage des Abgeordneten Andreas Augustin (PIRATEN)

Die Geschichte des Französischunterrichts in Deutschland

Programm Interreg VA Oberrhein

Oder-Partnerschaft Nachbarn, Partner, starke Region!

American Chamber of Commerce in Italy und US-Vertretung Rom, 21. Juni Giovanni BUTTARELLI Stellvertretender Europäischer Datenschutzbeauftragter

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren,

DEUTSCHE NORM DIN EN Schaumbildende Lösungen zur Lecksuche an Gasinstallationen; Deutsche Fassung EN 14291:2004

Dokumentation der Städtebauförderung / Öffentlichkeitsarbeit (Einsatz von Bundes-, Landes- und EU-Strukturfondsmitteln)

Statistische Berichte

Mobilität in der Berufsbildung und im dualen Studium im Elsass und in Baden-Württemberg. Dr. Cécile Jahan

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Regelungen des Sozialgesetzbuchs

FAQ zum Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)

ÜBER DIE ANWENDUNG DER GRUNDSÄTZE DER SUBSIDIARITÄT UND DER VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

Datensatz Pro Eingang Kontakt

Einleitung und Gang der Untersuchung

Europäische Normen: Vorteile für KMU

Inkrafttreten des Abfallübereinkommens. Gemeinsame Erklärungen vom 21. September 2007 und 1. November 2007 zu dem Abfallübereinkommen

EINLADUNG NOVEMBER 2015

ZUKUNFT GESTALTEN. DZ BANK Stiftung Engagement für Wissenschaft, Bildung und Kultur

Organisationseinheiteingerichtet.AuchderDatenschutzbeauftragtevonEuro-

Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französisc... Januar 1963 [A] und Gemeinsame Erklärung [B]; ("Elysée-Vertrag")

Artenschutz und Erhaltung der Biodiversität

Ältere Menschen in Deutschland - online oder offline?

Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.v.

Die Europäische Union

Bericht der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags; hier: Denkschrift 2007 des Rechnungshofs zur Landeshaushaltsrechnung

VELOVERLEIHSYSTEME UND VELOSTATIONEN IM ZENTRUM DES KANTONALEN MOBILITÄTSKONZEPTS

Straße der Römer. Ein grenzüberschreitendes kulturtouristisches Großprojekt.

Conditions de travail Arbeitsbedingungen

CURRICULUM VITAE Dr. Luitpold Rampeltshammer Saarland University Unit for Cooperation between Science and the Working World (KOWA)

60 Jahre Feuerwehrehrenzeichen in Nordrhein Westfalen

9. Mai Europatag. Was wird am Europatag gefeiert?

1. Rechtsgrundlage. 2. Eckpunkte der Entscheidung

Mehr Erneuerbare Energien 34%-Ziel nach Brüssel gemeldet

Transkript:

Strukturen und Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Großregion Aus: Christian Wille: Grenzgänger und Räume der Grenze. Raumkonstruktionen in der Großregion SaarLorLux. (Luxemburg-Studien / Études luxembourgeoises, Bd. 1), Frankfurt/M., Peter Lang, 2012, S. 119-128. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit [S. 119] Eine Besonderheit des Untersuchungsraums bilden die vielfältigen grenzüberschreitenden Kooperationsstrukturen. Sie gehen auf die gemeinsame Krisenerfahrung der Teilgebiete zurück und haben sich in den vergangenen 40 Jahren enorm entwickelt. Hierzu beigetragen hat nicht nur der politische Wille zur Kooperation, sondern ebenso die europäische Regionalpolitik mit ihren Förderinstrumenten. Die folgende Darstellung gibt einen Einblick in die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die sich in drei Phasen untergliedert. Entstehung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (1969-1980): Die Geburtsstunde der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Großregion SaarLorLux ist in einem Klima der Krise anzusiedeln, das unter anderem auf ähnlichen wirtschaftlichen Bedingungen im heutigen Kooperationsraum basiert. So werden sich die Wirtschaftsakteure der Steinkohleindustrie Anfang der 1960er Jahre insbesondere in Lothringen und im Saarland bewusst, dass die schwierige Situation in der geographischen und politischen Randlage der jeweiligen Teilgebiete begründet liegt. Sie organisieren im Jahr 1962 die erste gemeinsame Konferenz über Raumordnungsfragen, an der Vertreter aus Wirtschaft und Politik aus Trier, Luxemburg, Arlon, Metz und Saarbrücken teilnehmen. Da sich die regionalen Schwierigkeiten ähneln und Konsens über eine gemeinsam zu entwickelnde Handlungsstrategie besteht, beschließen sie zusammenzuarbeiten und ihre Interessen auf der jeweiligen nationalen Ebene zu artikulieren. Wittenbrock hält hierzu fest: [ ] la rencontre de 1962 reste importante, car pour la première fois des représentants des élites politiques et économiques agissent ensemble pour faire connaître leurs intérêts régionaux [ ]. 1 So wird schließlich erreicht, dass Kiesinger und de Gaulle sich im Jahr 1969 auf die Einrichtung einer deutsch-französischen Regierungskommission verständigen, die auf Ebene der Außenministerien angesiedelt ist und am 19. Februar 1970 erstmals zusammentritt. Ein Jahr später schließt sich das Großherzogtum dem intergouvernementalen Gremium an, womit ab 1971 die deutsch-französisch-luxemburgische Regie- 1 Wittenbrock: Les débuts de la coopération transfrontalière dans la Grande Région Saar-Lor-Lux (1962-1981). Stuttgart, 2010, S. 124. 1

rungskommission 2 besteht. Um auch die regionalen Gebietskörperschaften an der Zusammenarbeit zu beteiligen, wird im gleichen Jahr die Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz eingerichtet, die der Regierungskommission als ausführendes Organ unterstellt ist. Im Mittelpunkt der Arbeiten stehen hier der [ ] Informations- und Meinungsaustausch über Probleme und Perspektiven [S. 119/120] von Kohle und Stahl, die das Montandreieck in seinem Kern zusammenhielten und woran die regionalen Partner [ ] gleichermaßen ein nachbarschaftliches Interesse über die jeweiligen Territorialgrenzen hinaus hatten. 3 Schon nach kurzer Zeit avancierte die Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz zum wichtigsten Gremium der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die sich bis in die 1980er Jahre überwiegend auf Fragen der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung konzentrierte. 4 Außerhalb der Exekutive wurde bereits am 15. Oktober 1971 das Institut für regionale politische Zusammenarbeit in innergemeinschaftlichen Grenzräumen (IRI) ins Leben gerufen, das ab 1982 unter dem Namen IRI-Innergemeinschaftliches Institut und seit 2001 als Institut der Großregion arbeitet. Zu seinen Gründungsvätern zählt Hubertus Rolshoven, 5 der 1969 erstmals die Wortmarke Saar-Lor-Lux für den späteren Kooperationsraum prägte. 6 Außerdem wurde 1976 der Interregionale Gewerkschaftsrat gegründet und damit das erste grenzüberschreitende Gremium der Arbeitnehmervertretung in Europa. 7 Festzuhalten bleibt, dass den Ausgangspunkt der regionalpolitischen Zusammenarbeit die Erkenntnis bildete, dass der erforderliche Strukturwandel in den Teilgebieten nur gemeinsam bewältigt werden konnte. So unterscheiden sich bis heute die Strukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von vielen anderen Kooperationsverbünden in Europa, die weitgehend auf kommunaler Ebene entstanden. 8 Konsolidierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (1980-2000): Die nachfolgenden Jahre sind von der Weiterentwicklung und Ausweitung der [S. 120/121] grenzüberschreiten- 2 Der formale Name der Kommission lautet: Gemischte deutsch-französisch-luxemburgische Regierungskommission für die Zusammenarbeit im Montandreieck. 3 Moll, Peter / Niedermeyer, Martin: Das Zukunftsbild 2020 : Leitlinien und Perspektiven der grenzüberschreitenden Kooperation in der Großregion SaarLorLux. In: Lorig, Wolfgang H. / Hirsch, Mario (Hg.): Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung. Wiesbaden, VS Verlag, 2008, S. 344-363, S. 344. 4 Vgl. Wittenbrock: Les débuts de la coopération transfrontalière dans la Grande Région Saar-Lor-Lux (1962-1981). Stuttgart, 2010, S. 125. 5 Vgl. Autexier, Christian: Gemeinsame lothringisch-saarländische administrative Einrichtungen und Verfahrensweisen. Rechtsgutachten, Centre d'etudes Juridiques Françaises, Universität des Saarlandes, 1993, S. 27. 6 Der Saarländer Hubertus Rolshoven (Präsident des Komitees der Saarbergwerke AG) bezeichnete in seiner Rede zum Fest der Schutzheiligen der Bergleute (St. Barbara) 1969 mit Saar-Lor-Lux-Raum erstmalig ein grenzüberschreitendes Gebiet mit gleicher Industriestruktur. (Vgl. Geiger-Jaillet, Anemone: Saar-Lor-Lux. Versuch einer linguistisch-interkulturellen Analyse. Dissertation, Universität des Saarlandes, 1995, S. 15). 7 Vgl. Schirmann, Sylvain: Le Conseil syndical interrégional Saar-Lor-Lux. Un coin d'europe en marche? In: Dumoulin, Michel (Hg.): Economic Networks and European Integration. Brüssel, Peter Lang, 2002, S. 317-327. 8 Vgl. Niedermeyer, Martin: Die Großregion SaarLorLux. Erfahrungen und Perspektiven der grenzüberschreitenden Kooperation in Europa. In: Gengler, Claude (Hg.): Best Practice-Austausch zwischen vier europäischen Grenzregionen. Luxemburg, Saint Paul, 2008, S. 79-103, S. 92. 2

den Zusammenarbeit auf weitere gesellschaftspolitische Bereiche geprägt. Besonders hervorzuheben ist der Notenwechsel vom 16. Oktober 1980 zwischen den Außenministerien Deutschlands, Frankreichs und Luxemburgs. Hierin wird die Zusammenarbeit im Rahmen der Regierungs- bzw. der Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz die sich seit 1971 auf Grundlage des erklärten politischen Willens der Exekutiven der vier Mitgliedsregionen vollzieht formal geregelt und bildet fortan den rechtlichen Rahmen der regionalpolitischen Zusammenarbeit. Die beteiligten Nationalstaaten beschließen des Weiteren ein bis dato einzigartiges grenzüberschreitendes Großprojekt zur wirtschaftlichen Wiederbelebung des ehemaligen Eisen- und Stahlreviers im Dreiländereck Frankreich Belgien Luxemburg. Auf dem Gelände des sog. Pôle Européen de Développement entstehen mit europäischen Fördergeldern zwischen 1985 und 1995 ca. 5.200 Arbeitsplätze. Da im Zuge der hierfür erforderlichen und groß angelegten Umstrukturierungen städtebauliche, ökologische oder kulturelle Aspekte außer Acht gelassen wurden, initiierten die insgesamt 21 betroffenen Grenzgemeinden im Jahr 1993 das von den beteiligten Regierungen mitgetragene Nachfolgeprojekt eines grenzüberschreitenden Städteverbands im Gebiet des Pôle Européen de Développement. Ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden zunehmend mehr grenzüberschreitende Strukturen ins Leben gerufen, die auf Ebene der Legislative, der Kommunen und der Wirtschaftspartner anzusiedeln sind. So wurde am 17. Februar 1986 der Interregionale Parlamentarierrat gegründet, um den Austausch zwischen Abgeordneten des luxemburgischen Nationalparlaments, des wallonischen Regionalparlaments, des lothringischen Regionalrats sowie der Landtage von Rheinland-Pfalz und des Saarlandes zu fördern. 9 Ferner konstituierte sich eine grenzüberschreitende Arbeitsgemeinschaft kommunaler Gebietskörperschaften mit dem Namen COMREGIO. Die hier zunächst ohne rechtliche Grundlage kooperierenden Städte und Gemeinden des Kooperationsraums gründeten am 12. Dezember 1995 einen Verein nach luxemburgischen Recht (a.s.b.l.) mit dem Namen EuRegio SaarLorLuxRhein. Außerdem schlossen sich die Wirtschaftspartner zunächst am 25. Januar 1989 als Interregionaler Rat der Handwerskammern Saar-Lor-Lux formal zusammen, gleichwohl bereits seit den 1970er Jahren eine informelle Zusammenarbeit zwischen den Handwerkskammern bestand. Ferner wurde die Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern am 20. Dezember 1990 als freiwilliger Zusammenschluss ohne Rechtsgrundlage ins Leben gerufen, der 1992 um die Industrie- und Handelskammern Westpfalz und [S. 121/122] um die Industrie- und Handelskammer des Departement Meurthe-et-Moselle erweitert wurde. 9 Vgl. Auburtin, Eric: La construction d'un processus interrégional transfrontalier. Du "triangle industriel Sar-Lor-Lux" à la Grande Région. In: Rücker, Katrin / Warlouzet, Laurent (Hg.): Quelle(s) Europe(s)? Nouvelles approches en histoire de l'intégration européenne. Brüssel, Peter Lang, 2006, S. 141-152, S. 147f. 3

Einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa insgesamt und in der Großregion SaarLorLux im Besonderen haben die Förderprogramme der Europäischen Kommission geleistet. Besonders hervorzuheben ist die Anfang der 1990er Jahre eingeführte Gemeinschaftsinitiative Interreg mit dem Ziel strukturelle Defizite zwischen Grenzregionen auszugleichen und die Kooperationsbeziehungen zu stärken. So wurden zwischen 1991 und 2006 drei EU-Förderprogramme für grenzübergreifende und aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) co-finanzierte Projekte aufgelegt. Die Förderaktivitäten bezogen sich auf Kooperationen im Rahmen grenzüberschreitender Zusammenarbeit (Ausrichtung A), transnationaler Zusammenarbeit (Ausrichtung B) oder interregionaler Zusammenarbeit (Ausrichtung C). 10 Im Rahmen der Förderausrichtung A wurden in der Großregion SaarLorLux drei operationelle Programme bzw. Programmgebiete eingerichtet: DeLor (Saarland, Rheinland-Pfalz, Luxemburg), DeLux (Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg) und WLL (Wallonien, Lothringen, Luxemburg). Im Zuge der ersten Interreg-Generation (1991-1993) wurden hier ca. 40 Projekte mit einem Finanzvolumen von insgesamt 46 Millionen DM durchgeführt. 11 Während der zweiten Interreg- Generation (1994-1999) wurden 151 Millionen EUR für grenzübergreifende Projekte eingesetzt, davon 65 Millionen EUR aus EFRE-Mitteln. 12 Die Konsolidierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit setzt sich in den 1990er Jahren durch eine Neuordnung der regionalpolitischen Gremien fort, die sich zunächst in der Einrichtung des Gipfels der Großregion widerspiegelt. Dieses bis heute höchste politische Organ der Großregion SaarLorLux ist einzigartig in Europa und versammelt regelmäßig die höchsten politischen Repräsentanten der Teilgebiete. Das erste Gipfeltreffen (1995) wurde von der Luxemburgischen Regierung und der saarländischen Landesregierung angeregt und resultierte aus dem Umstand, dass der Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz in Ermangelung einer geeigneten Entscheidungsebene der politische Rückhalt fehlte. 13 So ist der Gipfel heute auf der obersten regionalpolitischen Koordinationsebene anzusiedeln und trifft Entscheidungen [S. 122/123] mit Leitliniencharakter, die auf der Ebene der Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz umgesetzt werden. Trotz fehlender juristischer Grundlage ist zu beobachten, dass die Beschlüsse, die anlässlich der Gipfeltreffen alle 18 Monate 14 in einer Gemeinsamen Erklärung festgehalten werden, von den Teilregionen mitgetragen wer- 10 Vgl. weiterführend: Groß, Bernd / Wille, Christian / Gengler, Claude / Thull, Patrick: SaarLorLux von A bis Z. Wegweiser für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion. (Denkart Europa. Schriften zur Europäischen Politik, Wirtschaft und Kultur, Bd. 3), Baden-Baden, Nomos, 2006. 11 Vgl. Niedermeyer / Moll: SaarLorLux - vom Montandreieck zur "Großregion". Saarbrücken, 2007, S. 305. 12 Vgl. ebd., S. 305. 13 Vgl. ebd., S. 301. 14 Seit 2011 alle 24 Monate. 4

den. Neben dieser institutionellen Veränderung unterzeichneten im Jahr 1996 Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, das Großherzogtum Luxemburg und die Schweiz in Karlsruhe ein Übereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften, wovon besonders die kommunale Ebene profitieren sollte. Das sog. Karlsruher Übereinkommen definierte erstmals einheitliche Institutionen als Persönlichkeiten des öffentlichen Rechts, wie z.b. den Grenzüberschreitenden örtlichen Zweckverband (GöZ), der auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen kann. 15 Hinsichtlich der Etablierung weiterer grenzüberschreitender Institutionen in den 1990er Jahren ist auf kommunaler Ebene auf den 1997 ins Leben gerufenen Verein Zukunft SaarMosel Avenir hinzuweisen, auf dessen Grundlage am 5. Mai 2004 der Eurodistrikt Saarbrücken Moselle-Est zur Entwicklung einer grenzüberschreitenden Agglomeration an der deutschfranzösischen Grenze gegründet wurde. 16 Ferner wurde auf Vorschlag des 2. Gipfels (1996) der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion eingerichtet, der dem Gipfel als beratendes Gremium zur Seite steht. Bisher ist die Großregion SaarLorLux europaweit die einzige Grenzregion mit einem solchen Gremium. Schließlich wurde auf Initiative des Wirtschaftsund Sozialausschusses der Großregion auf dem 4. Gipfel (1998) die Einrichtung der Interregionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstelle beschlossen. Sie unterstützt die politischen Verantwortlichen der Großregion SaarLorLux in Fragen des Arbeitsmarktes und Sozialen und fertigt hierfür Analysen und Handlungsempfehlungen an. 17 Ebenfalls im Jahr 1998 wird beschlossen, dass die [S. 123/124] Wallonische Region sowie die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens und die Französische Gemeinschaft Belgiens zukünftig als Beobachter an den Arbeiten der Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz teilnehmen. Abschließend ist auf die Gründung des Städtenetzwerks Quattropole (2000) hinzuweisen und auf die Einrichtung des Haus der Großregion in Luxemburg (1999), das eine Anlaufstelle für Bürger und Akteure des Kooperationsraums sein und in dem ein gemeinsames Sekretariat zur Koordinierung der verschiedenen grenzüberschreitenden Gremien angesiedelt werden soll. Für die Konsolidierungsphase der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist festzuhalten, dass sich neben der Schaffung einer formalen Grundlage und dem Zuwachs an Gremien und Netzwerken die 15 Vgl. weiterführend: Auswärtiges Amt (Hg.): Das Karlsruher Übereinkommen. Wegweiser für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Bonn, 1997. Und: Halmes, Gregor: Zusammenarbeit im Europa der Regionen: Die Entstehung des rechtlichen Rahmens. In: Xuewu, Gu (Hg.): Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen in Europa. Baden-Baden, Nomos (Schriften des Zentrums für Europäische Integrationsforschung, Bd. 39), 2002, S. 15-30. 16 Am 6.5.2010 wurde der Eurodistrict Saarbrücken Moselle-Est in einen Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) überführt. 17 Vgl. weiterführend: Bierbaum, Heinz / Kuntz, Lothar: Die Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle der Großregion IBA. Ein Beispiel gelungener grenzüberschreitender Zusammenarbeit in der Großregion. In: Rampeltshammer, Luitpold / Kurtz, Hans Peter (Hg.): Europakompetenz. Europakompetenz entwickeln Interregionskompetenz stärken. Saarbrücken, Verlag Alma Mater, 2009, S. 181-196. 5

grenzüberschreitenden Initiativen auch auf die kommunale Ebene ausdehnten und die regionalpolitische Kooperation einen stärkeren politischen Rückhalt bekam. Besonders hervorzuheben sind außerdem die Impulse von europäischer Ebene, wie etwa die Interreg-Programme oder das Karlsruher Übereinkommen. Verstetigung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (seit 2000): Die Phase der Verstetigung ist weniger von einem Zuwachs an grenzüberschreitenden Gremien gekennzeichnet, denn vielmehr vom Ausbau bestehender Instrumente im Hinblick auf Strukturen und Inhalte. So ist zunächst auf die dritte Interreg-Generation (2000-2006) mit einem EFRE-Anteil von 3,2 Millionen EUR 18 zu verweisen, im Zuge derer erstmalig Projekte gefördert werden konnten, die das gesamte Gebiet der Großregion SaarLorLux abdeckten. Diese Möglichkeit eröffnete die Förderlinie bzw. die regionale Rahmenmaßnahme e-based Inter Regional Development (e-bird, Interreg IIIC) für zwanzig Projekte in den Bereichen sozioökonomische und räumliche Entwickung (10) 19, Kultur und Wissen (4) sowie Bildung und Forschung (6). 20 Außerdem ist das auf dem 7. Gipfel der Großregion (2003) vorgestellte Zukunftsbild 2020 für die Verstetigung der grenzüberschreitenden Kooperation von Bedeutung. 21 Es repräsentiert ein Entwicklungskonzept, das Themen und Strukturen der zukünftigen bzw. angestrebten regionalpolitischen Zusammenarbeit vorzeichnet und basiert auf der Überlegung, dass zwar zahlreiche grenzüberschreitende Projekte und [S. 124/125] Kooperationen existieren, jedoch fehle eine gemeinsame strategische Leitlinie. So werden hier Visionen in acht Politikfeldern formuliert: Kultur, Bildung, Hochschulen und Forschung, Wirtschaft und Beschäftigung, soziale Netze, Verkehr und Transportwesen, Umwelt und Raumentwicklung sowie institutionelle Architektur der Großregion SaarLorLux. 22 Des Weiteren wurde angesichts der Entwicklungen der institutionellen Zusammenarbeit im Jahr 2005 eine Neufassung des Notenwechsels von 1980 veranlasst, die auf die veränderte Kooperationsarchitektur eingeht. So wird hier formal geregelt, dass der Gipfel der Großregion die politische Entscheidungsebene bildet, während die Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz mit ihren Arbeitsgruppen für die operative Ebene zuständig ist. Ferner wurde der 1998 eingeführte Beobachterstatus der wallonischen und lothringischen Gebietskörperschaften aufgehoben und ihre Aufnahme als 18 Vgl. Saarland Lothringen Luxemburg Rheinland-Pfalz Wallonien (Hg.): Operationelles Programm zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Großregion. Europäische Territoriale Zusammenarbeit 2007-2013. 2007, S. 11. 19 Z.B. die Projektserie der Interregionalen Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (IBA) Perspektiven des Arbeitsmarktes in der Großregion bis 2020 (2004-2006). 20 Vgl. Direction générale des Rélations extérieures du Ministère de la Région wallonne (Hg.): Umsetzungen und Perspektiven 2007. INTERREG IIIC e-bird. 2007. 21 Vgl. ausführlich: Moll / Niedermeyer: Das Zukunftsbild 2020 : Leitlinien und Perspektiven der grenzüberschreitenden Kooperation in der Großregion SaarLorLux. Wiesbaden, 2008. 22 Vgl. 7. Gipfel der Großregion: Zukunftsbild 2020 für den interregionalen Kooperationsraum Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Wallonische Region, Französische Gemeinschaft und Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Staatskanzlei des Saarlandes, 2003. 6

ordentliche Mitglieder der Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz Wallonien formal verankert. 23 Mit Blick auf die Impulse seitens der Europäischen Kommission ist die Abschaffung der Gemeinschaftsinitiativen zu erwähnen. Gleichzeitig jedoch wurde das Anliegen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter zu stärken, durch ein explizit formuliertes Ziel im Rahmen der europäischen Regionalpolitik aufgewertet: Ziel 3 Europäische territoriale Zusammenarbeit. 24 Das in diesem Zuge an die Stelle der ehemaligen Gemeinschaftsinitiative Interreg tretende Programm zur Europäischen territorialen Zusammenarbeit 2007-2013 Großregion umfasst ein Budget von insgesamt 212 Millionen Euro (davon die Hälfte EFRE-Mittel). In diesem Rahmen werden Projekte durchgeführt, die sich in die thematischen Schwerpunkte Wirtschaft, Raum, Menschen einschreiben 25 und wie bereits in der genannten regionalen Rahmenmaßnahme e-bird das gesamte Gebiet der Großregion betreffen, gleichwohl die ehemalige Interreg-Förderkulisse zur Durchführung sog. ortsnaher Projekte erhalten blieb. 26 Ein weiteres Novum, das nachhaltig zur Festigung der grenzübergreifenden [S. 125/126] Zusammenarbeit in der Großregion SaarLorLux beitragen soll, ist die Möglichkeit der Gründung eines Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) 27. Dieses im Jahr 2006 verabschiedete europäische Rechtsinstrument, das eine deutliche Erweiterung der im Karlsruher Übereinkommen beschlossenen Modalitäten darstellt, 28 ermöglicht die Einrichtung grenzüberschreitender Zweckverbände ohne vorherige Unterzeichnung eines internationalen Abkommens durch die beteiligten Staaten. Ein EVTZ besitzt eine eigene Rechtspersönlichkeit gemäß des gültigen Rechts des Landes, in dem er seinen Sitz hat; er ist auf Basis eines eigenen Haushalts geschäftsfähig, verfügt über eigenes Personal und ihm können Hoheitsrechte übertragen werden. Die Anwendungsbereiche von EVTZ sind vielfältig, wie der erste europäische Zusammenschluss der Städte Lille, Kortrijk, Tournai als Eurometropole unter dem Dach eines EVTZ (2008) oder die Gründung des EVTZ Interreg Programm Großregion (2010) zeigen. Letztgenanntes Beispiel repräsentiert die europaweit erste grenzüberschreitende Be- 23 Vgl. Niedermeyer / Moll: SaarLorLux - vom Montandreieck zur "Großregion". Saarbrücken, 2007, S. 303. 24 Vgl. ausführlich Immig, Beatrix: Die europäische Regionalpolitik. Bestandsaufnahme und Ausblick auf die Förderperiode 2007-2013. Saarbrücken, VDM, 2007. 25 Vgl. ausführlich: Saarland Lothringen Luxemburg Rheinland-Pfalz Wallonien (Hg.): Operationelles Programm zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Großregion. 2007. 26 Die geänderte Strategie sowie die geänderten Fördermodalitäten im Rahmen der europäischen Regionalpolitik wirkten sich kaum auf den Sprachgebrauch aus, wie die seitens der Kommission zulässige und übliche Bezeichnung Interreg IV für Ziel 3 zeigt. 27 Vgl. ausführlich: Verordnung (EG) Nr. 1082/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ). 28 Vgl. weiterführend: Halmes, Gregor: Europäisches Recht für die regionale Integration. Neue Entwicklungen beim Recht der grenzübergreifenden Zusammenarbeit europäischer Gebietskörperschaften. In: Europäisches Zentrum für Föderalismus- Forschung (Hg.): Jahrbuch des Föderalismus 2007. Föderalismus, Subsidiarität und Regionen in Europa, Baden-Baden, Nomos, 2008, S. 517-537. 7

hörde zur Verwaltung von europäischen Fördermitteln. Auch die politische Zusammenarbeit der Partnerregionen soll zukünftig im Rahmen eines EVTZ stattfinden. In der gemeinsamen Erklärung des 11. Gipfels der Großregion heißt es hierzu: Der 11. Gipfel entschließt sich [ ] dazu, eine Struktur zu schaffen, deren Ziel es ist, die strukturellen und technischen Abläufe zu vereinfachen und die Qualität der Arbeiten zu steigern. [ ] Die Gipfelteilnehmer sind davon überzeugt, dass das geeignete Arbeitsinstrument [ ] in der Einsetzung eines Europäischen Verbundes der Territorialen Zusammenarbeit (EVTZ) als Verwaltungsorgan sämtlicher Vorgaben des Gipfels der Chefs der Exekutiven der Großregion liegt. 29 So beauftragte die luxemburgische Präsidentschaft des Gipfels der Großregion (2008-2009) die saarländische Präsidentschaft (2009-2010) mit den vorbereitenden Arbeiten zur Gründung eines EVTZ, der unter lothringischer Präsidentschaft (2011-2013) eingesetzt werden soll. Die Vorstellungen über die konkrete Ausgestaltung dieser Einrichtung werden aktuell (2010) noch von den Verantwortlichen diskutiert. Festzuhalten ist, dass die genannten Initiativen auch maßgeblich unterstützt durch die Europäische Kommission auf eine Verstetigung und [S. 126/127] weitere Professionalisierung der geschaffenen Strukturen der regionalpolitischen Kooperation abzielen. Tab. 1: Phasen und Strukturen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Großregion SaarLorLux 1971-2011 30 Entstehungsphase (bis 1980) Politische Ebene Deutsch-Französisch-Luxemburgische Regierungskommission (1971) Regionalkommission Saar-Lor-Lux Trier/Westpfalz (1971) Ebene der Wirtschafts- und Sozialpartner Interregionaler Gewerkschaftsrat (1976) Zivilgesellschaftliche Ebene IRI Innergemeinschaftliches Institut (1971) / Institut der Großregion (2001) Konsolidierungsphase (1980-2000) Politische Ebene Notenwechsel von 1980 Interregionaler Parlamentarierrat (1986) Erster Gipfel der Großregion (1995) Haus der Großregion (1999) Ebene der Wirtschafts- und Sozialpartner Interregionaler Rat der Handwerkskammern Saar-Lor-Lux (1989) Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern (1990) Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion (1997) Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle (1998) Kommunale Ebene Grenzüberschreitender Stadtverband Pôle Européen de Développement (1993) COMREGIO (1988) / EuRegio SaarLor- LuxRhein (1995) Zukunft SaarMosel Avenir (1997) / Verstetigungsphase (seit 2000) Politische Ebene Zukunftsbild 2020 (2003) Neufassung des Notenwechsels von 1980 (2005) Einrichtung eines EVTZ Großregion (2011) Ebene der Wirtschafts- und Sozialpartner Gewerkschaftliche Plattform der Großregion (2002) Kommunale Ebene Quattropole (2000) Lela+ (2006) Förderprogramme und Großprojekt mit Unterstützung der EU Interreg III (2000-2006) und e-bird (2004-2006) Luxemburg und Großregion Europäi- 29 Le Gouvernement du Grand-Duché du Luxembourg: 11. Gipfel der Großregion. Gemeinsame Erklärung. Luxemburg, 17. Juli 2009, S. 5. 30 Die Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 8

Eurodistrict Saarbrücken Moselle-Est (2004) / seit 2010 als EVTZ sche Kulturhauptstadt 2007 Ziel 3 (Interreg IV) (2007-2013) Quelle: Eigene Zusammenstellung und Darstellung Förderprogramme und Großprojekt mit Unterstützung der EU Pôle Européen de Développement (PED) (1985-1995) Interreg I (1991-1993) Interreg II (1994-1999) [S. 127/128] Die Übersicht über ca. 40 Jahre grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Kooperationsraum gibt einen Einblick in zentrale Entwicklungen. Die Ursprünge der Zusammenarbeit basieren zwar auf ähnlichen Wirtschaftsstrukturen bzw. Krisenerfahrungen in den Teilgebieten, gleichwohl ist das heutige Institutionengeflecht nicht als ein Ergebnis wirtschaftsräumlicher Koinzidenzen zu betrachten. Vielmehr kennzeichnet sich der Kooperationsraum durch ein differenziertes und organisch von unten gewachsenes Netzwerk an Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen, deren rechtlich-institutionelle Verankerung von losen und auf Freiwilligkeit basierenden Kooperationsverbünden bis hin zu internationalen Vereinbarungen reichen. Hierzu wesentlich beigetragen hat die europäische Regionalpolitik mit entsprechenden Förderprogrammen und juristischen Instrumenten. Insbesondere in den 1990er Jahren sind zunehmend mehr Gründungen von Netzwerken auf kommunaler Ebene zu beobachten; ebenso der konzertierte Ausbau von regionalpolitischen Kooperationsstrukturen, an denen nach der Jahrtausendwende auch die Wallonische Region formal beteiligt wurde und die mit der Einrichtung eines EVTZ auf eine neue Grundlage gehoben werden sollen. Die vorgestellten Kooperationsstrukturen werden in dieser Arbeit nicht bewertet. Jedoch soll schlaglichtartig auf die Heterogenität der Partner und auf die damit verbundenen Kompetenzunterschiede verwiesen werden, die sich aus unterschiedlichen nationalen Systemen ergeben und nicht unproblematisch für die Kooperationspraxis sind. In dieser Perspektive beleuchtet z.b. Clément die Handlungsspielräume der politischen grenzüberschreitenden Institutionen der Großregion SaarLorLux und versucht den Blick dafür zu schärfen, dass es sich bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit lediglich um Kooperationen zwischen einzelnen Teilgebieten handeln könne und nicht um eine politische Integration im Sinne der grenzüberschreitenden Übertragung von hoheitlichen Kompetenzen. 31 Dieser Befund wird auch mit der Einrichtung eines EVTZ für die regionalpolitische Zusammenarbeit nicht seine Gültigkeit verlieren und warnt vor der (oftmals) ideellen Überfrachtung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. 31 Vgl. Clément, Franz: La construction sociale du territoire de la Grande Région: une confusion entre les concepts de coopération et d'intégration. CEPS: Gouvernance et emploi, Nr. 2, 2008. 9