grammis Image not found or type unknown DocumentsName Ein Beispiel aus der lexikographischen Praxis: VALBU Valenzwörterbuch deutscher Verben Die Valenztheorie hat die Wörterbuchlandschaft verändert. Valenzrelationen sind lexikalische Relationen. Sie werden am einzelnen Wort (Vollverb, Nomen, Adjektiv, Adverb) festgemacht und erlauben, ausgehend vom Valenzpotential dieses Wortes, grammatisch akzeptable Sätze bzw. Ausdrücke zu bilden. Es lag also nahe, die Valenztheorie für das Erarbeiten von Wörterbüchern und zum Erlernen einer Sprache, vorwiegend einer Fremdsprache, fruchtbar zu machen. Tatsächlich gibt es eine Reihe von einsprachigen und zweisprachigen Valenzwörterbüchern. Die bekanntesten einsprachigen Verbvalenzwörterbücher deutscher Sprache sind Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben von G. Helbig und W. Schenkel (erste Ausgabe: 1968), Kleines Valenzlexikon deutscher Verben von U. Engel und H. Schumacher (erste Ausgabe: 1976), Verben in Feldern hrsg. von H. Schumacher (1986) und das kürzlich erschienene VALBU-Valenzwörterbuch deutscher Verben von H. Schumacher, J. Kubczak, R. Schmidt, V. de Ruiter (2004), dessen Valenzannahmen hier präsentiert werden. Dieser Text besteht aus drei Abschnitten: Komplemente in VALBU Obligatorische und fakultative Komplemente in VALBU Komplementklassen in VALBU Komplemente in VALBU Vorbemerkung: In VALBU werden statt 'Komplement' und 'Supplement' die Termini 'Ergänzung' [E] und 'Angabe' verwendet. Hier im Text wird weiter der Terminus 'Komplement' verwendet. In den Auszügen aus VALBU allerdings werden 'Ergänzung' bzw. 'E' und 'Angabe' so gelassen wie im Originaltext. Wörterbücher geben häufig ein "Ruhebild" der Sprache wieder. Verbvalenzwörterbücher geben einen von kontext-, situations- oder kontrastbedingten Effekten gereinigten Satzbauplan an. Daher wird in VALBU der Valenzrahmen (in VALBU: Satzbauplan) festgemacht an einem kontextlosen, kontrastneutralen, in jeder Situation möglichen aktiven einfachen Aussagesatz. (Änderungen dieses gereinigten Valenzrahmens (Satzbauplanes) unter dem Einfluss der oben genannten Bedingungen werden aber in den Anmerkungen zu den einzelnen Artikeln unter Angabe der Gründe, die die Änderungen ermöglichen, erklärt.) Die Ermittlung der Komplemente vollzieht sich in zwei Schritten: Als Komplement werden die Phrasen gewertet, die unter den oben genannten "gereinigten" Bedingungen erfolgreich durch den Reduktionstest gegangen sind. (Die untersuchte Phrase wird aus einem kontextlosen, kontrastneutralen usw. aktiven Aussagesatz entfernt. Ist der Restsatz ungrammatisch, oder zeigt sich, dass durch die Entfernung der betreffenden Phrase das Verb in einer anderen Bedeutung verstanden wird, wird die untersuchte Phrase als Komplement, und zwar als obligatorisches Komplement, gewertet. Die Phrasen, die nicht erfolgreich durch den Reduktionstest gegangen sind, werden dem Folgerungstest
unterzogen. Der Folgerungstest wird in VALBU weit gefasst, das bedeutet, dass nicht nur die Phrasen, deren Denotate am Sachverhalt beteiligt sind (Realisierungen von Argumenten) als Komplemente angesehen werden, sondern auch die Phrasen, deren Denotate zur Sachverhaltskonstitution beitragen, in dem Sinne, dass sie unspezifizierte Informationen, die Teil der Verbbedeutung sind, konkretisieren. Angewandt auf das Verb vermieten ergibt das: Die Handlung, die durch vermieten bezeichnet wird, hat drei Argumente, ohne die sie nicht denkbar wäre. Diese Argumente haben die folgenden semantischen Funktionen (= semantische Rollen): - derjenige, der etwas vermietet - dasjenige, das vermietet wird - derjenige, dem etwas vermietet wird. Die Bedeutung von vermieten kann man wie folgt darstellen: jemand gibt jemandem anderen gegen ein Entgelt das Recht etwas für eine bestimmte Zeit zu nutzen / in Anspruch zu nehmen. Neben den drei Argumenten, die farbig markiert sind, beinhaltet die Bedeutungsangabe von vermieten noch Bedeutungsteile, die durch Phrasen in einem Satz mit vermieten konkretisiert werden können: - gegen ein Entgelt - für eine bestimmte Zeit. Ohne diese Informationen aus der Bedeutungsangabe ist vermieten nicht denkbar, denn die Information "gegen ein Entgelt" unterscheidet vermieten z. B. von schenken und von leihen und die Information "für eine bestimmte Zeit" unterscheidet vermieten von z. B. verkaufen. Diese Informationen werden - wie die Argumente auch - aus der Bedeutung von vermieten gefolgert. (Aufpassen! Erst wenn eine solche Bedeutungskomponente in Form einer Phrase realisiert ist, d.h. von der Bedeutungsebene auf die Realisationsebene gehoben wurde, kommt das Konzept der Komplemente zum Tragen!) Einem Valenzwörterbuchbenutzer geht es vorwiegend darum, mit Hilfestellung des Wörterbuchs grammatisch korrekte Sätze zu bilden. Da naturgemäß in einem Valenzwörterbuch im Wesentlichen nur Komplemente und nicht Supplemente behandelt werden, kommt den Bedürfnissen der Benutzer eher eine weitere als eine engere Komplementbestimmung entgegen. Aus diesem Grund wurden in VALBU die Phrasen, mit denen auf aus der Bedeutung des Verbs gefolgerte Informationen, ob sie Sachverhaltsbildend oder -konstituierend sind, Bezug genommen wird, als Komplemente gewertet auch bei geringem Fixiertheitsgrad. Daraus folgt, dass, falls es in einem Satz mit vermieten eine Phrase gibt, mit deren Hilfe auf ein Entgelt und es eine weitere Phrase gibt, mit deren Hilfe auf eine Zeitdauer referiert wird, beide Phrasen als Komplemente von vermieten gelten können, und für vermieten ein maximaler Satzbauplan (oder Valenzrahmen) mit fünf Komplementen angenommen wird. Herr Müller vermietete dem jungen Mann für zwei Tage einen Wagen für 150 Euro. Sätze, in denen ein maximaler Valenzrahmen mit fünf Komplementen realisiert ist, sind zugegebenermaßen selten, aber möglich: Die Stadt, die Gärtner die Unterführung für sechzehn Jahre zum (symbolischen) Preis von einer Mark per anno
vermietete, will aber nicht kleinlich sein. [M96/604.17821: Mannheimer Morgen, 23.04.1996, Lokales; Hektik in der Borelly-Grotte] Obligatorische und fakultative Komplemente in VALBU VALBU, wie die anderen oben angeführten Valenzwörterbücher, arbeitet mit einer Dichotomie obligatorisch vs. fakultativ. Über den Reduktionstest wird entschieden, ob ein Komplement als obligatorisch oder fakultativ markiert ist. Die Phrasen, die ohne besondere Bedingungen weggelassen werden können, ohne dass dabei der Restsatz ungrammatisch wird oder das Verb dadurch in eine andere Bedeutung verwendet wird, werden in VALBU als fakultativ vermerkt. Phrasen, die nur unter bestimmten situations- oder kontextabhängigen Bedingungen weggelassen werden können, werden in VALBU als obligatorisch gesetzt. In Anmerkungen zu dem jeweiligen Artikel werden dann die Bedingungen (situative Ellipse, lexikalische Ellipse, Kontrast usw.) angegeben, unter welchen die als obligatorisch gesetzten Phrasen weggelassen werden können. Andere Wörterbücher sind einen anderen Weg gegangen und haben nur die ++ fixierten Phrasen als obligatorisch angesehen und die meisten anderen als fakultativ. (Die Weglassbarkeit unter der Bedingung der Kontrastfokussierung hat in keinem Valenzwörterbuch zu einem Eintrag "fakultatives Komplement" geführt.) Komplementklassen in VALBU In VALBU gibt es 8 Ergänzungsklassen (oder Komplementklassen): NomE, AkkE, GenE, DatE, PräpE, AdvE, PrädE, E-Klasse NomE Nominativergänzung AkkE Akkusativergänzung GenE Genitivergänzung DatE Dativergänzung PräpE Präpositivergänzung AdvE Adverbativergänzung PrädE Prädikativergänzung Verbativergänzung Komplementklasse K sub Subjektkomplement K akk Akkusativkomplemen K gen Genitivkomplement K dat Dativkomplement K präp Präpositivkomplemen K adv Adverbialkomplemen K prd Prädikativkomplemen K vrb Verbativkomplement Die rotgefärbten E-Klassen unterscheiden sich inhaltlich leicht von den entsprechenden K-Klassen aus GRAMMIS:
AdvE Die AdvE-Klasse fasst alle Komplemente zusammen, die mit Hilfe eines Adverbs anaphorisiert werden können. Sie wird unterteilt in verschiedene Subklassen, die semantisch bestimmt sind: Ort - Zeit - Mittel - Art und Weise - Menge - Zweck - Zusammenhang AdvE: Subklassen Anapher Beispiel Ort: Lok. Stat irgendwo Das Inhaltsverzeichnis steht am Anfang des Buchs Ort: Lok. Dir irgenwohin irgenwoher irgendwoheraus Die Sonne schien in seine Augen. Der Ball kommt nie aus der Richtung, aus der ma Die Helfer holten die Verletzten aus den Trümmer Zeit: Zeitpunkt irgendwann Der nächste Bus geht erst morgen. Zeit: Zeitdauer irgendwielange Die Sitzung hat eine halbe Stunde gedauert. Mittel mittels irgendetwas Das Mädchen weckte ihren Bruder mit einem nasse Art und Weise irgendwie/irgendwie geartet Auf der Kreuzung stand ein Wagen quer. Menge irgendwieviel Der Brief wiegt 20 Gramm. Zweck irgendwozu Sie brauchen zum Einreisen in die Bundesrepubli Zusammenhang irgendwobei Der Richter muss bei der Urteilsfindung die Strafm Unter fallen Komplemente, die ausschließlich in Form eines Satzes bzw. einer Infinitivkonstruktion realisiert werden. Die unterscheidet sich von der satzförmigen Ausbauform der Akkusativergänzung, denn die Position der kann nicht durch eine Nominalphrase eingenommen werden. Image not found or type unknown etwas (zu) tun/dass es geschieht Ich helfe dir, die Tasche tragen/zu tragen. Schau, dass du mit deinem Taschengeld auskommst. Die Flugbegleiterin schaut, ob alle Passagiere angeschnallt sind. Es heißt, er habe sich ins Ausland abgesetzt. Vertiefungstext: Wertigkeit Verfasst von Jacqueline Kubczak Zum Text Autor
schneider Letzte Änderung 09. Feb. 2017 Aktionen Seite merken Seite als PDF Seite drucken