Fachtag Bildung für Neuzugewanderte gemeinsam gestalten Neue Wege zur Integration im Landkreis Mühldorf a. Inn 28. März 2017 Integration von Neuzugewanderten Herausforderungen für die schulische und berufliche Bildung Dr. Tilly Lex
Gliederung Vorbemerkung Ausgangslage Rechtsgrundlagen für den Zugang zu Bildung Allgemeinbildende Schulen Berufsvorbereitende Bildungsgänge an beruflichen Schulen Betriebliche Ausbildung Vollzeitschulische Ausbildung Angebote der Ausbildungsförderung Zentrale Herausforderungen 2
Vorbemerkung Zur Begrifflichkeit: Neuzugewanderte, Flüchtlinge bzw. junge Menschen mit Fluchthintergrund Im schulischen Kontext: Neuzugewanderte (da auch viele Schüler/innen ohne Fluchthintergrund) Im beruflichen Kontext: Wenn hier von Neuzugewanderten die Rede ist, dann sind fast ausschließlich junge Menschen mit Fluchthintergrund gemeint Keine oder nur geringe Deutschkenntnisse Schüler/innen können dem Regelunterricht nicht folgen 3
Ausgangslage Asylanträge (Erst- und Folgeanträge) von Kindern und jungen Erwachsenen 2005-2014 2015: Erstanträge: 441.899, davon 247.151 im Alter von 0 bis unter 25 Jahren 1 2016: Erstanträge 722.370, davon 431.239 im Alter von 0 bis unter 25 Jahren 2 Quelle: Sachverständigenrat Deutscher Stiftungen (2015: 2) 1) Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Aktuelle Zahlen zum Asyl: Ausgabe Dezember 2016. www.bamf.de 2) Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Aktuelle Zahlen zum Asyl: Ausgabe Februar 2017. www.bamf.de 4
Asylerstanträge nach Altersgruppen im Jahr 2016 und 2017 722.370 26,2 26,2 14,1 14,1 23,5 23,5 21,6 14,6 33.475 * Datenquelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Aktuelle Zahlen zum Asyl: Ausgabe Dezember 2016 und Ausgabe Februar 2017. www.bamf.de * 2017 Monate: Januar bis Februar 5
Ausgangslage Ca. 60 Prozent der Antragsteller/innen sind unter 25 Jahre alt. Am stärksten besetzt ist die Altersgruppe der 18- bis 25- Jährigen. Besonders stark besetzt ist diese Altersgruppe bei den Flüchtlingen aus Syrien, Eritrea und Somalia. Es sind überwiegend junge Männer. Das Bildungsniveau ist sehr unterschiedlich. Die 18- bis unter 25-Jährigen sind in der Regel nicht mehr berufsschulpflichtig. 6
Rechtsgrundlagen Zugang zur Bildung Die EU-Aufnahmerichtlinie vom Juni 2013 - Verpflichtung des Zugangs zum Bildungssystem - gilt nur für Minderjährige. Die allgemeine Schulpflicht für schutzsuchende Kinder und Jugendliche gilt in allen Bundesländern. Unterschiede zwischen den Ländern gibt es im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die Schulpflicht beginnt. Die Berufsschulpflicht für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag und der Rechtsanspruch auf Teilnahme an den berufsschulischen Bildungsgängen enden in der Regel mit Beginn der Volljährigkeit. Für die berufliche Qualifizierung von jungen Flüchtlingen zentrale Bildungsund Förderangebote (Integrationskurse, Maßnahmen der Ausbildungsförderung der BA) werden nicht als Teil des Bildungssystems angesehen. Die betriebliche Ausbildung ist nur zugänglich, wenn eine Arbeitserlaubnis vorliegt. 7
Allgemeinbildende Schulen - Unterricht Für die Zuweisung der neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen an Schulen gelten in den Bundesländern unterschiedliche Verfahren (zentral, regional oder kommunal verankerte Strukturen und Verfahren). Auch die Bezeichnungen der Klassen bzw. Lerngruppen für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche in den Ländern ist unterschiedlich. Deutschförderkurse; Deutschförderklassen; Übergangsklassen (Bayern) Auffangklassen; Vorbereitungsklassen; Internationale Förderklassen (NRW) Die Unterrichtsmodelle sind vielfältig und bewegen sich im Spektrum von Unterricht in der Regelklasse mit lediglich allgemeiner Sprachförderung bis hin zu Unterricht in allen Fächern in speziell eingerichteten Klassen bis zum Schulabschluss als paralleles Modell (Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, 2015). In der Grundschule eher Unterricht in der Regelklasse (Lernvorsprung deutschsprachiger Kinder noch gering), in der Sekundarstufe I mit zunehmendem Alter eher Parallelklassen. Das praktizierte Unterrichtsmodell hängt von vielen Faktoren ab: vom Alter der Kinder/Jugendlichen, den vorhergehenden Schulerfahrungen, aber auch von den Voraussetzungen, die eine Schule hat. 8
Allgemeinbildende Schulen Situation in Bayern Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler an Grund- und Mittelschulen nach Herkunftsregion im Oktober 2015 in Bayern Quelle: Amtliche Schuldaten des Bayerischen Landesamtes für Statistik - https://www.isb.bayern.de 9
Allgemeinbildende Schulen Situation in Bayern Zahl der Übergangsklassen und der darin geförderten Schülerinnen und Schüler in den Schuljahren 2010/11 bis 2015/16 in Bayern Quelle: Amtliche Schuldaten des Bayerischen Landesamtes für Statistik - https://www.isb.bayern.de * Pressemitteilung Nr. 038 vom 13.02.2017 - https://www.km.bayern.de 10
Allgemeinbildende Schulen Anforderungen an Schule und Lehrkräfte Neuzugewanderte sind in ihren Voraussetzungen sehr heterogen (Altersstruktur, Analphabeten bis hin zu Kindern/Jugendlichen mit gymnasialer Eignung) Kulturelle Prägung der Schüler/innen erfordert ein besonderes Verständnis (interkulturelle Kompetenz) Traumata bedingt durch Fluchterfahrungen und Kriegserlebnisse (Unterstützung der Lehrkräfte durch Psychologen) 11
Berufsvorbereitende Bildungsgänge an beruflichen Schulen (BVJ) Allgemeiner Konsens: Berufsvorbereitende Bildungsgänge an beruflichen Schulen stellen eine wichtige Brücke in Ausbildung für ältere Jugendliche und junge Erwachsene dar. In allen BL wurden bzw. werden berufsvorbereitende Bildungsgänge für die Zielgruppe junge Flüchtlinge eingerichtet: Anpassung der Regelformen des BVJ; bestehende Bildungsgänge für Seiteneinsteiger werden ausgebaut. Aufgrund der Altersregelung der Berufsschulpflicht (bis 18 in vielen BL) bleibt die Große Gruppe der 18-25-Jährigen Flüchtlinge von diesen Bildungsgängen vielfach ausgeschlossen. Ausbau des Angebots hält mit dem Bedarf nicht Schritt. Es gibt nur aus einzelnen Ländern statistische Informationen dazu. Es gibt Hinweise, dass berufsschulpflichtige Flüchtlinge wegen fehlender Kapazitäten von der Berufsschulpflicht befreit werden Die betriebliche Ausbildung ist nur zugänglich, wenn eine Arbeitserlaubnis vorliegt. Es fehlen Lehrkräfte für den Unterricht von DaZ. Dabei gibt es eine Konkurrenz mit der außerschulischen Sprachförderung. 12
Berufsvorbereitende Bildungsgänge an beruflichen Schulen (BVJ) Bundesland Bayern: Berufsintegrations- bzw. Berufsvorbereitungsklassen für Neuzugewanderte gibt es seit dem Schuljahr 2010/2011 (mit sechs Pilotklassen in bayerischen Großstädten gestartet). Das BayEUG (Artikel 35) sieht vor, dass Neuzugwanderte im Alter von 16 bis 21 (in Ausnahmefällen auch 25) Jahren einen Platz an der Berufsschule erhalten können, um dort ihre Schulpflicht zu erfüllen. Regeldauer zwei Jahre, verbindet Sprachförderung und Berufsvorbereitung und schließt Betriebspraktika und die Vorbereitung auf allgemein bildende Abschlüsse ein. Unterricht findet i.d.r. zu Teilen in der Berufsschule, zu Teilen bei einem externen Bildungsträger (Sprachförderung) statt. Es sind über 1.100 Berufsintegrations- und Sprachlernklassen eingerichtet worden (Stand Febr. 2107*). *Pressemitteilung Nr. 038 vom 13.02.2017 - https://www.km.bayern.de 13
Betriebliche Ausbildung Konsens: Durch die betriebliche Ausbildung von jungen Flüchtlingen kann deren Integration in Arbeit und Gesellschaft gefördert und dem prognostizierten Fachkräftemangel begegnet werden. Der Zuzug von geflüchteten Personen hat sich für 2015 auf dem Ausbildungsstellenmarkt kaum bemerkbar gemacht. Nur 1,8% der bis August 2016 bei der BA gemeldeten Bewerber/innen sind Personen im Kontext von Fluchthintergrund (Bundesagentur für Arbeit, 2016, S. 31 1 ). Die wenigen vorliegenden Untersuchungen nennen als Stärken und Schwächen: Die Betriebe sind engagiert und die Jugendlichen hoch motiviert. Die Berufsschulen sind z.t. auf die Situation und Förderbedarfe der Jugendlichen unzureichend eingestellt. Fragen des unsicheren Aufenthalts (insbesondere bei Geduldeten) belasten Azubi und Ausbildungsbetriebe. 1 ) Bundesagentur für Arbeit, Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung: Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland Monatsbericht, August 2016, Nürnberg 2016. 14
Vollzeitschulische Ausbildung Nur wenige Länder nennen die Vorbereitung auf weiterführende Schulen und schulische Ausbildungsgänge als Ziel. Vollzeitschulische Ausbildungsgänge stellen eine wichtige Form der beruflichen Qualifizierung von jungen Frauen dar. Für viele junge Flüchtlinge und ihre Familien dürften diese Bildungsgänge eine erste Wahl darstellen, weil sie aus ihren Herkunftsländern mit schulischer Berufsausbildung vertraut sind. Dies ist besonders für junge Frauen unter den Flüchtlingen problematisch, da viele für sie interessante Ausbildungsgänge nur an beruflichen Schulen angeboten werden und i.d.r. einen mittleren Schulabschluss voraussetzen. Für die Anerkennung von Schulabschlüssen zuständig sind die Zeugnisanerkennungsstellen der Länder. Über deren Kriterien fehlt es an Informationen. 15
Angebote der Ausbildungsförderung Konsens: Die Angebote der Ausbildungsförderung der BA (BvB- Maßnahmen, Einstiegsqualifizierung, Assistierte Ausbildung, AbH, Außerbetriebliche Ausbildung) stellen zentrale Förderangebote zum Gelingen der beruflichen Qualifizierung für benachteiligte Jugendliche dar. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind seit Jahrzehnten explizit Zielgruppe von Angeboten der Ausbildungsförderung. In der Tendenz noch immer restriktive Zugangsvoraussetzungen nach Aufenthaltsstatus verhindern, dass das Potenzial der Ausbildungsförderung systematisch und dauerhaft zur beruflichen Qualifizierung junger Flüchtlinge eingesetzt werden kann. 16
Zentrale Herausforderungen Lösung von Kapazitätsproblemen Abbau von Zugangsbeschränkungen Entwicklung von Förderkonzepten Vernetzung und Koordinierung 17
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Für weitere Informationen: www.dji.de 18