white paper 2006 Nr. 9 Bestimmung wertschaffender Zielvorgaben Im Rahmen des Planungs- und Budgetierungsprozess sind von der Unternehmensleitung bzw. vom Verwaltungsrat finanzielle Ziele sowohl auf Gruppen- als auch auf Geschäftsbereichsebene zu bestimmen. Dieser Prozess wird oft durch persönliche Interessen und ineffiziente Aushandlungsprozeduren geprägt. Zudem ist unklar, ob mit diesen Zielvorgaben auch Aktionärswert geschaffen wird. Der folgende Beitrag zeigt, wie aus den Kapitalmarkterwartungen konkrete Ziele objektiv hergeleitet werden können.
1 Total Shareholder Return (TSR) als Zielsetzung ungeeignet In einer finanzwirtschaftlichen Betrachtung bedeutet Wertschaffung, für den Eigentümer eine risikogerechte Rendite zu erwirtschaften. Somit wird erwartet, dass der Total Shareholder Return (TSR) Veränderung des Aktienkurses zuzüglich Dividendenzahlungen, Aktienrückkäufe etc. mindestens den risikogerechten Kapitalkosten entspricht. Abbildung 1 illustriert die TSR-Performance ausgewählter internationaler Chemieunternehmen über einen Zeitraum von vier Jahren. Klar ersichtlich sind einerseits die relativ grossen Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen das Spektrum reicht von einer negativen Performance von 23% bis zu +22% Performancesteigerung pro Jahr. Weiter ist festzuhalten, dass auf Stufe TSR gut die Hälfte der Unternehmen die Kapitalkosten, welche sich in einer Bandbreite von 7%-9% bewegen dürften, verdient hat. Abbildung 1: TSR-Performance internationaler Chemieunternehmen -2004 24% 1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil Total Shareholder Return p.a. 12% 0% -12% -24% ø: -10.5% ø: 1.9% ø: 8.9% ø: 16.6% 0 7 7 14 14 21 21 Unternehmen Quelle: IFBC, Datengrundlage Bloomberg. Kann daraus der Schluss gezogen werden, Unternehmen seien über TSR-Ziele zu führen? Obschon immer wieder solche zwischenbetriebliche TSR-Analysen publiziert werden, kann diese Frage aus Führungssicht klar mit Nein beantwortet werden. Dies lässt sich wie folgt begründen: Erstens wird die Höhe des TSR durch eine grundsätzliche Marktkomponente beeinflusst. Diese umfasst die allgemeinen Veränderungen an den Aktienmärkten sowie die branchenspezifischen Rahmenbedingungen. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass bis zu 50% des TSR auf diese allgemeinen, vom Management nicht beeinflussbaren Faktoren zurückzuführen sind. Die Zielerreichung würde also auf Effekten basieren, welche ausserhalb des Einflussbereiches der Entscheidungsträger liegen. Zweitens gilt es den Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich der Wert eines Unternehmens aus dem Anteil der aktuellen Performance und dem Anteil der erwarteten Performanceverbesserungen zusammensetzt. Der Total Shareholder Return kann folglich auch durch die Erwartungsbildung hinsichtlich der künftigen Performanceverbesserungen beeinflusst werden. Ungenügende operative Leistungen könnten damit auf der Stufe des TSR überkompensiert werden. Schliesslich gilt es dem Umstand Rechung zu tragen, dass es für Unternehmen mit vergleichsweise hohem betrieblichem Performanceniveau ungleich schwieriger ist, die Kapitalmarkterwartungen substantiell zu übertreffen, als für Unternehmen mit unterdurchschnittlicher aktueller Performance. So vermag der Performanceleader innerhalb einer Branche sehr oft nur durchschnittliche TSR zu erwirtschaften. Kurzfristig sind gute Unternehmen eben nicht zwingend überdurchschnittliche Investments und umgekehrt. Im Rahmen eines wertorientierten Zielsetzungsprozess müssen folglich Ziele definiert werden, welche für den Investor Wert schaffen, aber im Vergleich zum TSR objektiv messbar, vom Management beeinflussbar und als Basis für eine performancebasierte Führung geeignet sind. 2 Überführung der Kapitalmarkterwartungen in konkrete Zielsetzungen Der am Kapitalmarkt beobachtbare Marktwert eines Unternehmens umfasst Informationen zu den Erwartungen der Investoren an die zukünftige Performance der Unternehmung. Um diese Kapitalmarkterwartungen erfüllen zu können und somit die Steigerung des Unternehmens- 1
wertes auch zukünftig zu gewährleisten, müssen diese Erwartungen in den Zielsetzungs- und Planungsprozess einfliessen. Dazu ist der am Kapitalmarkt beobachtbare Unternehmenswert in einem ersten Schritt auf seine Nachhaltigkeit hin zu überprüfen. In einem zweiten Schritt ist dieser nachhaltige Wert in die folgenden beiden Komponenten zu zerlegen: 1 1. Current Operations Value (COV): Wertanteil, welcher den Barwert der aktuellen Performance widerspiegelt. 2. Future Growth Value (FGV): Wertanteil, welcher den Barwert der künftig erwarteten Performanceverbesserungen reflektiert. Diese Wertaufteilung gilt es im Vergleich mit Peer Group- Unternehmen sowie im erweiterten Branchenumfeld zu verifizieren. Um nun eine risikogerechte Rendite für die Investoren zu garantieren, muss der Unternehmenswert (COV plus FGV) mindestens in Höhe der Kapitalkosten gesteigert werden. Die notwendige Rendite auf dem COV wird dann erreicht, wenn der aktuelle Economic Profit (EP) wieder erwirtschaftet wird. Zur Erwirtschaftung der Renditeforderung auf dem FGV muss der Economic Profit zusätzlich gesteigert werden. Das wertsteigernde EP-Ziel ergibt sich folglich aus dem Economic Proft des Vorjahres zuzüglich der erwarteten EP-Verbesserung. Abbildung 2 zeigt diesen Sachverhalt schematisch auf. Abbildung 2: Bestimmung der Economic Profit-Zielsetzungen Steigerung des Unternehmenswertes um Kapitalkosten Wertanteil zukünftig erwarteter Performanceverbesserungen FGV FGV Steigerung EP EP-Target Wertanteil der aktuellen Performance COV COV Halten des aktuellen EP Value Driver Targets Unternehmenswert t=0 Unternehmenswert t=1 EP = Economic Profit = NOPAT IC x WACC Quelle: IFBC. Die im Unternehmenswert enthaltenen Informationen zur aktuellen und zur erwarteten Performance erlauben es Verwaltungsrat und Management, wertschaffende Zielsetzungen für das Gesamtunternehmen und die Geschäftsbereiche objektiv herzuleiten. Diese Economic Profit-Ziele können in bereichsspezifische Werttreiber- Zielsetzungen Umsatzwachstum, Kosten- und Kapitaleffizienz - überführt und damit weiter konkretisiert werden. Auf diese Weise wird die stufengerechte Umsetzung einer durchgängigen wertorientierten Führung sichergestellt. Dass es sich hierbei um ein Konzept mit hoher empirischer Aussagekraft handelt verdeutlicht Abbildung 3. Sie zeigt den direkten Zusammenhang zwischen dem Über- oder Untertreffen der Erwartungen an den Economic Profit und der Entwicklung des Aktienkurses auf. Für den Zeitraum von bis 2004 wurden Schweizer Chemieunternehmen untersucht. Für die einzelnen Gesellschaften wurden die jährlichen Differenzen zwischen dem effektiv erreichten und dem erwarteten Economic Profit ermittelt. Diese Differenz wird als Expectations- Gap ausgedrückt, wobei ein positiver Gap ein Übertreffen der Erwartungen und ein negativer Gap ein Unterschreiten der Kapitalmarkterwartungen darstellt. Die Gegenüberstellung von Expectations-Gap und Total Shareholder Return (Aktienkursentwicklung, Dividendenzahlungen, etc.) zeigt einen hohen statistischen Zusammenhang. Damit wird deutlich, dass ein Erfüllen bzw. Verfehlen der objektiv hergeleiteten Erwartungen an die betriebliche Performance einen direkten Zusammenhang mit der Wertsteigerung aufweist. Die Integration der objektiven und unabhängigen Kapitalmarkterwartungen in den unternehmerischen Planungsprozess scheint vor diesem Hintergrund nicht nur möglich, sondern auch notwendig. Diese Forderung gilt nicht nur für das Unternehmen als Ganzes, sondern auch für dessen Geschäftsbereiche. 1 Vgl. dazu White Paper Nummer 7 und 8 der IFBC 2
Abbildung 3: Wertschaffung und Economic Profit-Performance am Beispiel ausgewählter Schweizer Chemieunternehmen Givaudan Clariant 5 8 4 6 3 4 1 - -1-4 - -6 Lonza Ems Chemie 3 1-1 - -3 1-1 - -3-4 -4 3 Folgerungen Quelle: IFBC, Datengrundlage: Bloomberg. Die Mehrwertschaffung zugunsten der Aktionäre verlangt die Ausrichtung des Planungs- und Zielsetzungsprozesses am Marktwert des Unternehmens. Diesen Marktwert gilt es in einem ersten Schritt hinsichtlich Höhe und Wertanteilen vertieft zu analysieren. Benchmarkingvergleiche und statistische Verfahren lassen sich hierzu gut einsetzen. Die im Marktwert enthaltenen Informationen zur aktuellen Performance und der erwarteten Performancesteigerung ermöglichen Verwaltungsrat und Management eine stark objektivierte Herleitung wertschaffender Zielsetzungen für das Unternehmen und seine Geschäftsbereiche. Diese Zielsetzungen können als Economic Profit-Grössen ausgedrückt und konsistent auf die geschäftsbereichsspezifischen Werttreiber Umsatzwachstum, Kosten- und Kapitaleffizienz - heruntergebrochen werden. Mit dieser wertbasierten Planungsmethode erhalten Verwaltungsrat und Geschäftsleitung ein Führungsinstrument, welches ihre Zielvorgaben in Verbindung zum Aktienkurs bringt und den bisherigen Aushandlungsmechanismus zur Zieldefinition durch einen objektiveren, effizienteren Prozess ersetzt. 3
IFBC IFBC ist eine Beratungsgesellschaft mit Tätigkeitsschwerpunkt im Gebiet der finanziellen Unternehmensführung. IFBC bietet Unternehmen verschiedener Branchen Dienstleistungen in den Bereichen «Finanzielle Führung und Wertmanagement», «Corporate Finance», «IFRS-Advisory» sowie «Corporate Treasury» an. Weitere Informationen zu IFBC finden Sie auf www.ifbc.ch. Kontakt Thomas Vettiger, Partner +41 (0)43 255 14 55 thomas.vettiger@ifbc.ch Christian Hirzel, Partner +41 (0)43 255 14 55 christian.hirzel@ifbc.ch IFBC AG. Riedtlistrasse 19. CH 8006 Zürich. Tel. +41.43.255 14 55. info@ifbc.ch. www.ifbc.ch IFBC. Zürich 2012