Einstellungstests: Bedeutung und Trends Dipl. Ök. Alexander Scheel Tiba Personalberatung GmbH August 2010
Umfrage Einstellungstests: Bedeutung und Trends Was war das Ziel der Umfrage? Auf dem Markt gibt es immer mehr Lösungen, mit denen Bewerber auf unterschiedliche Art und Weise auf ihre Eignung für eine Position geprüft werden sollen. Dabei berücksichtigen die angeboten Verfahren neben den harten Fakten auch Soft Skills wie beispielsweise soziale Kompetenzen oder Problemlösungsfähigkeiten. Das steigende Angebot lässt den Schluss zu, dass es bei den Unternehmen einen Trend zur Absicherung des Auswahlprozesses durch Tests gibt soweit der Eindruck nach dem Besuch der letzten Personalmesse. Doch ist es wirklich so, dass Testverfahren bei der Auswahl der Kandidaten eine zunehmend wichtigere Rolle spielen? Antwort darauf gibt diese Umfrage aus dem Jahr 2010. Im Mittelpunkt steht dabei kein bestimmter Test. Vielmehr sollte ermittelt werden, wie groß die Bedeutung (psychologischer) Einstellungstests ist und welche alternativen Kriterien für Einstellungsentscheidungen herangezogen werden. Wer hat teilgenommen? Insgesamt 112 Personen haben an der offenen Internet-Umfrage teilgenommen. Für die Auswertung wurde dabei auch die Position der Teilnehmer abgefragt. Das Ergebnis: 37,5 % der Antwortenden sind Mitarbeiter/in im Unternehmen 12,5 % haben die Position der/des Personal-Referent/in inne 18,75 % gehören der Personal-Leitung an weitere 18,75 % sind im Bereich Fachbereichs-Leitung aktiv und 12,5 % haben die Position der Geschäftsführung oder gehören dem Vorstand an Gefragt wurde auch nach der Unternehmensgröße. Dabei ergab sich folgende Aufteilung: Unternehmen mit 11-100 Mitarbeitern: 25,00% Unternehmen mit 101-1.000 Mitarbeitern: 31,25% Unternehmen mit 1001-5.000 Mitarbeitern: 37,50% Unternehmen mit mehr als 5. 000 Mitarbeitern: 6,25% Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern haben nicht teilgenommen.
Was interessiert uns und was kam heraus? Nutzen größere Firmen eher Test als kleinere? Zunächst wollten wir wissen, wie viele Unternehmen überhaupt psychologische Tests einsetzen. Das Ergebnis: Von den Befragten nutzen nur 56 % Einstellungstests. Um welche Art von Unternehmen handelt es sich dabei? Sind es eher die größeren Firmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, die Tests einsetzen oder sind es doch eher die mittleren Unternehmen, die Ihre Einstellungsentscheidungen mit Testergebnissen absichern? Das Resultat zeigt, dass es keinen bemerkenswerten Unterschied zwischen Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern (57%) und weniger als 1000 Mitarbeitern (56%) gibt. Die Nutzung von Tests ist damit offenbar unabhängig von der Unternehmensgröße. Wie bedeutsam sind Tests denn nun eigentlich? Teilnehmer, die mit psychologischen Einstellungstests arbeiten, halten die so erlangten Ergebnisse für wichtig. Allerdings nehmen sie bei keinem der Befragten eine ausschlaggebende Rolle an. Die große Mehrheit (89%) derer, die Tests einsetzen, hält die Ergebnisse für wichtig, aber nicht entscheidend. Für 7 % sind die Testergebnisse sogar nur eine zusätzliche unverbindliche Absicherung. Dagegen stehen die Ergebnisse und der Verlauf eines Interviews auf Platz 1 der Entscheidungskriterien. Ebenfalls hoch im Kurs sind Menschenkenntnis und Intuition. Zu den Faktoren, die eine weniger wichtige Rolle spielen, gehören - neben den psychologischen Tests - Assessment Center. Und die gute alte persönliche Empfehlung spielt eher gar keine Rolle. Eine wirklich entscheidende Rolle für Einstellungsentscheidungen spielen Tests also nicht. Welche Rolle spielen Bauchgefühl und Empfehlungen? Unser zweites Gehirn spielt bei Personalentscheidungen eine wichtige Rolle - dies zeigen die Ergebnisse, nach denen Menschenkenntnis und Intuition unabhängig von der Unternehmensgröße als zwei der wichtigsten Entscheidungskriterien genannt werden. Stimmt hier der Draht nicht, hilft dem Kandidaten auch keine persönliche Empfehlung durch einen Mitarbeiter oder Geschäftspartner. Damit steht fest: Auch in großen Unternehmen wird das Bauchgefühl nicht ausgeschaltet. Zusammen mit dem klassischen Interview spielt es eine wichtige Rolle für Einstellungsentscheidungen. Trend Künftige Bedeutung von Tests Die Suche und Auswahl geeigneter Mitarbeiter nimmt viel Zeit in Anspruch. Dies gilt sowohl für größere als auch für kleinere Unternehmen. Wir wollten deshalb wissen, wie die Teilnehmer der
Umfrage die künftige Bedeutung von Tests einschätzen. Hierfür haben wir die Antworten nach Unternehmensgröße ausgewertet. Das Ergebnis: Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern Für knapp ¾ der Befragten wird sich die Bedeutung psychologischer Test im Auswahlverfahren nicht ändern. Die übrigen Befragten rechnen eher mit einer abnehmenden Bedeutung. Firmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern Hier liegt der Anteil der Befragten, die mit einer gleich bleibenden Bedeutung von Tests rechnen, bei etwas mehr als 50 %. Die übrigen Befragten gehen davon aus, dass die Bedeutung von Tests zunehmen wird. Dies zeigt: Je kleiner ein Unternehmen ist, umso wichtiger wird die künftige Bedeutung der Einstellungstests eingeschätzt. Dies könnte ein Signal dafür sein, dass Personalentscheidungen im Mittelstand weiter professionalisiert werden und zusätzliche Faktoren wie Testergebnisse in die Entscheidungen einbezogen werden. Fazit Konsequenzen für Kandidaten Was bedeutet dies nun für die Kandidaten? Zunächst einmal gilt nach wie vor: Wer Erfolg haben möchte, sollte sich gut auf ein Interview vorbereiten und ein gutes Bild abgeben. Denn der persönliche Eindruck hat nach wie vor ein hohes Gewicht. Natürlich sollten sich Kandidaten dabei nicht verbiegen. Allerdings kann jeder ein wenig an den Rahmenbedingungen arbeiten, die das Bauchgefühl beeinflussen: die Bewerbung sollte professionell und auf die Ausschreibung zugeschnitten sein der Kandidat sollte sich gut auf das Interview vorbereiten Infos zum Unternehmen sind heute über das Internet leicht erhältlich, Fragen zum Unternehmen und der ausgeschriebenen Position können entsprechend sorgfältig vorbereitet werden das äußere Erscheinungsbild sollte passen - das gilt sowohl für Kleidung als auch Frisur, Make up etc. So banal diese Empfehlungen klingen mögen die Zahl der weniger positiven Erlebnisse in vielen Vorstellungsgesprächen zeigt, wie wichtig diese Hinweise auch heute noch sind. Konsequenzen für Firmen Mit den Tests sollen möglichst treffsichere Personalentscheidungen getroffen und so letztlich Zeit und Geld - sowohl für die Auswahlprozesse als auch durch die Vermeidung von Fehlentscheidungen gespart werden. Dabei können psychologische Tests immer nur einen bestimmten Ausschnitt eines Kandidaten beleuchten. Dies kann seine Führungsqualitäten betreffen, seinen Teamgeist oder auch seine Arbeitspräferenzen. Gerade weil es sich aber immer nur um einen Ausschnitt handelt, wäre es falsch, den Tests eine höhere Bedeutung einzuräumen.
Anders ausgedrückt: Einstellungstests oder gar (Teil)automatisierte Softwarelösungen werden nie in der Lage sein, einen Menschen mit seinen unterschiedlichen Facetten beurteilen zu können und werden deshalb nie eine perfekte Vorauswahl sicherstellen können. Das gute, alte Interview ist also nicht zu ersetzen. Trotzdem stehen die Unternehmen vor der Aufgabe, den Prozess der Personalsuche und - entscheidung zeit- und kostenintensiver zu gestalten. Hier gibt es zwei Ansätze: Zahl der Kontaktpunkte erhöhen: Bevor der Bewerber zu einem persönlichen Interview eingeladen wird das Zeit bindet und hohe Kosten verursacht kann z.b. ein gezieltes Telefoninterview mit dem späteren, direkten Vorgesetzten wichtige Informationen liefern. Künftige Chefs und Mitarbeiter lernen sich ohne großen Aufwand auf beiden Seiten kennen und können besser entscheiden, ob sie in ein Interview investieren. Ziel-Kompetenzen und Anforderungen genau definieren: Es ist wie im Projekt ein klares Ziel am Anfang gibt eine deutliche Richtung vor. Die geforderten Kompetenzen der Kandidaten müssen deshalb klar und durchgängig beschrieben sein. Optimalerweise ziehen sich die Ziel-Kompetenzen als roter Faden vom Anforderungsprofil über die Stellenbeschreibung bis hin zu gezielten Interviewfragen. Werkzeuge wie z.b. der Tiba Skill Check unterstützen dieses systematische Festlegen und verfolgen der Ziel- Kompetenzen. Last but not least: Entscheider und Personaler sollten den Mut behalten, auf das Bauchgefühl zu hören. Der erste Eindruck täuscht selten.