Freizügigkeitsgesetz EU Fallbeispiele
Fallbeispiel 1 Delon Der französische Bauunternehmer Delon möchte in Deutschland eine Ferienhaussiedlung bauen. Benötigen 1. er selbst, 2. seine 18 und 21 Jahre alten Kinder, die ebenfalls französische Staatsangehörige sind, 2. seine pakistanische Ehefrau, 3. seine 94jährige Mutter und 3. seine algerischen Bauarbeiter, die bei seiner Firma in Lyon beschäftigt sind und die er auf der Baustelle einsetzen möchte, eine Aufenthaltserlaubnis während der Dauer der Bauarbeiten?
Fallbeispiel 2 Die polnische Haushaltshilfe Welche Chancen hätte die polnische Staatsangehörige Jana, die zur Zeit noch in Polen lebt, ein Aufenthaltrecht zu Erwerbszwecken als Haushaltshilfe zu erlangen? Sie beruft sich u.a. darauf, dass Polen seit dem 1.5.2004 der EU angehört. Zu Recht? Benötigt sie einen Aufenthaltstitel? Abwandlung: Würde sich an der Rechtslage etwas ändern, wenn sich Jana bereits seit zwei Jahren in Deutschland aufgehalten und gearbeitet hätte?
Fallbeispiel 3 Der Fall Lem Bei einer Baustellenkontrolle wird ein polnischer Staatsangehöriger namens Lem überprüft, der ohne Arbeitsgenehmigung arbeitet. Kann er deswegen bestraft oder ausgewiesen werden?
Fallbeispiel 4 Der Fall Kundera Der tschechische Beitrittsstaater Kundera lebt und arbeitet mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis seit 1998 in Deutschland. Benötigt er eine Arbeitsgenehmigung? Abwandlung: Kundera nimmt ab November 2005 eine Beschäftigung als Krankenpfleger mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit auf.
Lösungsvorschläge Fall 1 1. Als EU-Bürger darf sich Delon hier aufhalten und arbeiten aufgrund der Dienstleistungsfreiheit- auch als selbständiger Unternehmer. Einschlägig ist Artikel 2 des Zuwanderungsgesetzes, das Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), insbesondere 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3. Er benötigt als Unionsbürger für den Aufenthalt auch keine Aufenthaltserlaubnis ( 2 Abs. 4 FreizügG/EU). Im wird gebührenfrei eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht (Freizügigkeitsbescheinigung/EU) ausgestellt 2. Seine pakistanische Ehefrau darf - obwohl Drittstaatenangehörige - als Familienangehörige mitkommen und arbeiten. ( 2 Abs. 2 Nr. 7 sowie 3 FreizügG/EU). Ihr wird von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis-EU ausgestellt ( 5 Abs. 2 FreizügG/EU). Da sie Staatsangehörige eines visumspflichtigen Staates ist (vgl. Eu- Visumsverordnung) benötigt sie allerdings vor der Einreise ein Visum ( 2 Abs. 4 FreizügG/EU). Dieses ist gebührenfrei zu erteilen ( 2 Abs. 6 FreizügG/EU). In Bezug auf den Familiennachzug ist Delon aufgrund europäischen Gemeinschaftsrecht besser gestellt als nicht gewanderte Deutsche, die allein dem deutschen Aufenthaltsgesetz unterliegen ( Inländerdiskriminierung ).
Lösungsvorschläge Fall 2 Da die Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Polen durch die BRD noch nicht hergestellt wurde, gelten in der Übergangsphase (2+3+2-Regelung) die allgemeinen Vorschriften. Die Bürger der neuen Beitrittsländer (außer Zypern und Malta) werden bei einer Vorrangprüfung zwar behandelt wie Drittstaatsangehörige, allerdings mit einem Vorrang nach 39 Abs. 6 AufenthG ( Gemeinschaftspräferenz ). Als Haushaltshilfe kann Jana als Geringqualifizierte nur eine Genehmigung zur Ausübung einer versicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung bis zu drei Jahren für hauswirtschaftliche Arbeiten in Haushalten mit pflegebedürftigen Personen erhalten ( 21 BeschV). Sie benötigt noch 12 Monate lang eine konstitutive Arbeitserlaubnis-EU, die von der Bundesagentur für Arbeit erteilt wird. Ansonsten erhält sie lediglich eine Freizügigkeitsbescheinigun/EU. Abwandlung: Hier gilt eine Ausnahmeregelung: Wenn Arbeitnehmer aus den Beitrittsstaaten mindestens 12 Monate in der BRD gearbeitet haben, erhalten sie die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Lösungsvorschlag Fall 3 Gegen Lem kann ein Bußgeldverfahren gem. 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III eingeleitet werden. Zu prüfen ist auch, ob sonstige arbeits- oder steuerrechtlichen Verstöße vorliegen. Zudem ist ein Baustellenplatzverweis zulässig. Doch erlischt dadurch weder das Aufenthaltsrecht aus der allgemeinen Freizügigkeit des Unionsbürgers Lem, noch rechtfertigen diese Verstöße eine Ausweisung bzw. die Feststellung des Verlustes des Aufenthaltsrechts.
Lösungsvorschlag Fall 4 Er benötigt seit dem 1.5.2004 keine Arbeitsgenehmigung Abwandlung: Er benötigt noch 12 Monate lang eine konstitutive Arbeitserlaubnis-EU, die von der Bundesagentur erteilt wird.