Prinzipien der Nicht-Diskriminierung

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Transkript:

Prinzipien der Nicht-Diskriminierung (NGA-Forum 08.06.2011) I. Kartellrechtliche Prüfungsgrundlagen des Diskriminierungsverbotes Das Kartellrecht kennt - ebenso wie das Regulierungsrecht - kein allgemeines Diskriminierungsverbot. Zur Diskriminierungsfreiheit ist nur verpflichtet, wer Normadressat der 19, 20 GWB bzw. Art. 102 AEUV ist. Sie bezieht sich bei der Prüfung von Vertragsabschlüssen und deren Durchführung immer auf das Vertikalverhältnis und damit nur auf die Handhabung von Lieferbeziehungen, nicht der Wettbewerbsbeziehungen. Wird Diskriminierungsfreiheit dagegen im Rahmen einer horizontalen Absprache zur Angleichung oder sonstiger Systematisierung von Preisen und Konditionen im Wettbewerb angestrebt oder bewirkt, verstößt eine solche Absprache regelmäßig gegen 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV. 1. Normadressateneigenschaft gemäß 19, 20 GWB Normadressaten des Diskriminierungsverbotes sind im Wesentlichen marktbeherrschende Unternehmen und freigestellte Kartelle. 1 Die Marktbeherrschung nach dem GWB entspricht weitgehend dem Begriff der Beträchtlichen Marktmacht im Sinne des TKG und des Europäischen Rechtsrahmens. Im Einzelfall kann es im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts zu einer abweichenden Bewertung der Wettbewerbsverhältnisse kommen, insbesondere weil für die Zwecke der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht auf die gegenwärtigen Marktverhältnisse abzustellen ist, während bei der Marktanalyse zu Regulierungszwecken eine Prognose vorzunehmen ist. Bezogen auf die Bewertung von Open-Access-Modellen wäre damit aus kartellrechtlicher Sicht eine Diskriminierungsfreiheit nur geboten, wenn der Netzbetreiber bzw. der Zugangsgewährende auf dem relevanten Zugangsmarkt gegenwärtig eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Eine solche Position ist bisher nur für die DTAG auf den nationalen Märkten für den Zugang zur TAL und den Bitstromzugang festgestellt worden. Auch ist nicht wahrscheinlich, dass jedes Glasfasernetz einen eigenen - monopolistischen - Markt bilden wird. Darüber hinaus wird der Zugang zu diesen Netzen auch sachlich keinen gegenüber den bisherigen Zugangsvarianten eigenständigen Markt bilden. 1 Daneben sind Preisbinder sowie Unternehmen, die gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen relativ marktstark sind, erfasst.

2 Das Diskriminierungsverbot ist aber nach 20 Abs. 1 GWB dann anwendbar, wenn das Netz im Wege einer Kooperation ausgebaut und betrieben wird und die Vereinbarungen den Tatbestand eines freigestellten Kartells im Sinne der 1, 2 GWB erfüllen (vgl. hierzu BKartA, Hinweise zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Breitbandkooperationen). Dabei bezieht sich das Diskriminierungsverbot nur auf den Zugang von Dritten zu dem konkreten, gemeinsam ausgebauten und betriebenen Netz. Es folgt hieraus keine allgemeine Verpflichtung der Unternehmen bezüglich andere Netze oder Netzteile, die der Kooperation nicht zuzuordnen sind. 2. Lieferungen zwischen Wettbewerbern Soweit Wettbewerber sich auf Preise und Konditionen einigen, die sie für einen Zugang für Dritte zu ihren Netzen verlangen wollen oder sollen, liegt ein verbotenes Kartell vor. Dieses gilt insbesondere dann, wenn die Unternehmen auf denselben nationalen Zugangsmärkten tätig sind und damit unmittelbare, aktuelle Wettbewerber sind. Eine Absprache über die Preisgestaltung oder andere essentielle Bedingungen, die sich auf den Wettbewerb auswirken, kommt nicht in Betracht. Es handelt sich um eine bußgeldbewehrte Hard-Core-Absprache, die mit "Diskriminierungsfreiheit" nichts zu tun hat und damit nicht gerechtfertigt werden kann. Aber selbst bei Annahme von jeweils eigenen Netzmärkten für die Zugangsvorleistung ist das Kartellverbot anwendbar, denn die Unternehmen werden in jedem Fall auf dem Endkundenmarkt für Breitbandanschlüsse im Wettbewerb zueinander tätig. 2 Vom Kartellverbot nicht erfasst sind dagegen Vereinbarungen über rein technische Bedingungen, etwa zur Interoperabilität von Netzen und Diensten oder zu den Prozessabläufen beim Anbieterwechsel von Endkunden. Prüfungsaspekte bei Open-Access-Modellen 1. Allgemeine Grundsätze Liegt die Normadressateneigenschaft für einen Netzbetreiber vor, unterliegt er dem Diskriminierungsverbot nach 19, 20 GWB. Hiernach darf der Normadressat ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln. Dabei hat der Begriff der gleichartigen Unternehmen nur eine grobe Filterfunktion. Gleichartig sind Unternehmen dann, wenn sie gegenüber dem Normadressaten auf dem Markt dieselbe Grundfunktion ausüben. Bezogen auf die verschiedenen Netzzugangsvarianten ist es 2 So war z.b. die anfänglich branchenweite Verständigung über die Mobilfunkterminierungsentgelte sowie über symmetrische Terminierungsentgelte im Festnetz ein kartellrechtlich problematisches Vorgehen.

3 daher unerheblich, welches Geschäftsmodell der Zugangsbegehrende verfolgt, soweit die Unternehmen die Vorleistungen für Endkundenprodukte beziehen. Nicht gleichartig im Verhältnis zu diesen Geschäftsmodellen sind Unternehmen, die eine Großhandelsfunktion erfüllen. Der Schwerpunkt der Behinderungs- und Diskriminierungsprüfung liegt im Begriff der Unbilligkeit bzw. der sachlichen Rechtfertigung. Eine Behinderung oder Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten eines anderen Unternehmens als solches hat keinerlei Unwertgehalt, sondern ist eine typische Auswirkung jedes Wettbewerbsverhaltens. In den Bereich des Missbrauchs gerät das Verhalten erst dann, wenn es unbillig oder sachlich nicht gerechtfertigt ist. Diese beiden unbestimmten Rechtsbegriffe sind identisch auszufüllen, nämlich im Wege einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB. Diese Zielsetzung besteht vor allem in der Offenhaltung der Märkte für Wettbewerb. Ein Verhalten liegt danach vor allem dann im Bereich des Missbrauchs, wenn es sich in erheblichem Ausmaß als Marktzutrittsschranke auswirkt oder in erheblichem Ausmaß Verdrängungswirkung hat. 2. Konkrete Missbrauchsaspekte Nach den bisherigen Erfahrungen in der Praxis birgt der Netzzugang relativ typische Behinderungs- und Diskriminierungsgefahren. Hierbei können folgende Aspekte beispielhaft hervorgehoben werden: Der Normadressat verweigert einem Unternehmen den Netzzugang, während er anderen Unternehmen den Netzzugang gewährt (Fallgruppe der Lieferverweigerung). Der Normadressat verfolgt ein Rabattsystem, das bestimmte Unternehmen bevorzugt, ohne dass dem Rabatt eine angemessene Leistung zugeordnet werden kann. Der Normadressat verfolgt ein Preissystem, das unbegründete Differenzierungen enthält. Das Preissystem führt zu Preis-Kosten-Scheren. Der Vertrag mit dem Normadressaten enthält unangemessene Mindestabnahmemengen. Der Vertrag enthält unangemessene Laufzeiten. Der Normadressat diskriminiert bei der Handhabung des Zugangs z.b. durch verzögerte Bereitstellung, Priorisierung einzelner Petenten oder schlechte Dienstequalität. Zu betonen ist dabei, dass die Frage, ob eine verbotene Diskriminierung vorliegt oder nicht, sehr stark von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Bezieht sich z.b. die Normadressateneigenschaft nur auf einzelne Netze in einer bestimmten Region, wie es z.b. bei einer freigestellten Kooperation der Fall wäre, sind die dortigen zum Prüfungszeitpunkt herrschenden regionalen Marktverhältnisse maßgeblich. Es mag auch einen Unterschied machen, ob es sich um einen Zugangspetenten oder um einen selbst in irgendeiner Form mitinvestierenden

4 Petenten handelt. Dies hat zur Folge, dass es einen generell diskriminierungsfreien Vertrag für alle Konstellationen kaum geben kann. Auch wenn aus Praktikabilitätsgründen eine generalisierende Betrachtungsweise sinnvoll wäre, werden die Prüfungsergebnisse im Detail mit hoher Wahrscheinlichkeit immer unterschiedlich sein. II. Regulierungsrechtliche Prüfungsgrundlagen von Diskriminierungsverboten Anders als im Kartellrecht und auch noch unter der Geltung des TKG 1996 gilt nach dem Regulierungskonzept des TKG 2004 das Diskriminierungsverbot im Bereich der TK-rechtlichen Vorleistungsregulierung nicht unmittelbar qua Gesetz. Das dem TKG aufgrund europarechtlicher Vorgaben zugrunde liegende flexible Konzept der bedarfsorientierten Regulierung setzt vielmehr einen Zwischenakt voraus: Einem Unternehmen werden Verpflichtungen, u.a. auch ein Diskriminierungsverbot bzw. positiv gewendet ein Gleichbehandlungsgebot, erst durch einen konkreten Verwaltungsakt, eine sog. Regulierungsverfügung, auferlegt. Solche Regulierungsverfügungen müssen gegenüber Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht ergehen, sie können aber auch gegenüber Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht ergehen, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren. Unabhängig vom Vorliegen einer beträchtlichen Marktmacht gilt allerdings für alle Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen nach 16 TKG die allgemeine Verpflichtung, auf Verlangen ein Angebot auf Zusammenschaltung zu unterbreiten. A. Diskriminierungsverbot für Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht 1. Diskriminierungsverbot nach 19 TKG Gemäß 19 TKG kann ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes mit beträchtlicher Marktmacht dazu verpflichtet werden, dass Vereinbarungen über Zugänge auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sind, einen gleichwertigen Zugang gewähren und den Geboten der Chancengleichheit und Billigkeit genügen müssen. Die Entscheidung darüber liegt im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Beschlusskammer. In der bisherigen Regulierungspraxis ist Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht - das sind neben der hauptsächlich auf verschiedenen Vorleistungsmärkten betroffenen Deutsche Telekom AG bzw. Telekom Deutschland GmbH auch die Mobilfunknetzbetreiber und sämtliche alternativen Teilnehmernetzbetreiber für die Terminierung in ihre jeweiligen Fest- bzw. Mobilfunknetze - neben anderen Verpflichtungen stets auch ein Diskriminierungsverbot auferlegt worden. Dafür, dass einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht im Rahmen einer Regulierungsverfügung quasi als regulatorische Grundverpflichtung regelmäßig auch eine Abhilfemaßnahme nach 19 TKG auferlegt wird, spricht die Tatsache, dass die Anwendung der

5 sektorspezifischen TK-Regulierung damit begründet wird, dass das allgemeine Wettbewerbsrecht allein nicht ausreicht, um dem auf einem Telekommunikationsmarkt infolge des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht festgestellten Marktversagen zu begegnen. Da aber im allgemeinen Wettbewerbsrecht beim Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung ein gesetzliches Diskriminierungsverbot gilt (s.o.), wäre es folglich inkonsequent und widersprüchlich, im Bereich der sektorspezifischen Marktregulierung hinter diesem Standard des allgemeinen, zur Begegnung des festgestellten Marktversagens jedoch nicht ausreichenden Wettbewerbsrechts zurückzubleiben. Eine besondere Bedeutung kommt dem Diskriminierungsverbot für vertikal integrierte Unternehmen zu. Ist ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht sowohl auf einem Vorleistungsmarkt als auch den nachgelagerten Endkundenmärkten aktiv, besteht durch diese vertikale Integration die Gefahr, dass es sich intern günstigere Bedingungen gewährt, als es diese gegenüber anderen Unternehmen im Rahmen des Zugangs gewährt, vgl. Erwägungsgrund 17 der Zugangsrichtlinie. Zudem bestünde bei einer Nichtauferlegung der Gleichbehandlungsverpflichtung die Gefahr, dass sich am gegenständlichen Markt in Abhängigkeit von z.b. der Verhandlungsmacht der einzelnen Nachfrager etwa im Rahmen von Kooperationen beim Ausbau von NGA-Netzen - unterschiedliche Bedingungen ergeben könnten, zu denen Vorleistungen einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht bezogen werden können. Daraus würden sich für die einzelnen Nachfrager unterschiedliche wettbewerbliche Ausgangslagen ergeben können. Es wäre nicht auszuschließen, dass es sowohl im Verhältnis des Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht (bzw. seines Vertriebsbereiches) zu alternativen Nachfragern als auch im Verhältnis der alternativen Nachfrager zueinander zu Wettbewerbsverzerrungen kommen könnte. Um solche sowohl externen als auch internen Ungleichbehandlungen durch das Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht zu unterbinden, ist die Auferlegung des Diskriminierungsverbotes regelmäßig erforderlich und geeignet. Die Auferlegung eines Diskriminierungsverbotes ist unter Berücksichtigung der Regulierungsziele, insbesondere mit Blick auf das in 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG aufgeführte Regulierungsziel der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs, in der Regel auch angemessen und für das Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht nicht unzumutbar. Denn einerseits unterliegt es ohnehin nach dem allgemeinen Wettbewerbsrecht einem gesetzlichen Diskriminierungsverbot ( 20 GWB), und andererseits ist dem Diskriminierungsverbot die Möglichkeit immanent, eine objektive Ungleichbehandlung durch sachliche Gründe zu rechtfertigen, wobei über letztere im Wege einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Regulierungsziele zu entscheiden ist.

6 2. Entgeltbezogenes Diskriminierungsverbot nach 28 TKG Ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht darf auch hinsichtlich der Entgelte nicht diskriminieren. Auch hier ist die Vorbedingung für die Geltung des Diskriminierungsverbotes das vorher festgestellte Vorliegen beträchtlicher Marktmacht. Die maßgebliche Vorschrift des 28 TKG, wonach ein Missbrauch einer beträchtlichen Marktmacht bei der Forderung und Vereinbarung von Entgelten vorliegt, wenn einzelnen Nachfragern Vorteile gegenüber anderen Nachfragern gleichartiger oder ähnlicher Telekommunikationsdienste einräumt werden, gilt unabhängig davon, ob die Entgelte für die Gewährung der Zugangsleistung in der grundständigen Regulierungsverfügung einer Ex-ante- Genehmigungspflicht oder der nachträglichen Missbrauchskontrolle unterworfen worden sind. Im Falle der Auferlegung einer Ex-ante-Genehmigungspflicht ist ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot kaum zu besorgen, weil das regulierte Unternehmen gar keine anderen Entgelte als die genehmigten erheben darf. Anders verhält es sich bei lediglich ex-post kontrollierten Entgelten. Hier ist eine Differenzierung nicht gänzlich ausgeschlossen, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist. 3. Wann liegt eine Diskriminierung vor? Zweck des Diskriminierungsverbots ist zum einen, dass der betreffende Betreiber anderen Unternehmen, die gleichartige Dienste erbringen, unter den gleichen Umständen gleichwertige Bedingungen anbietet und Dienste und Informationen für Dritte zu den gleichen Bedingungen und mit der gleichen Qualität bereitstellt wie für seine eigenen Produkte oder die seiner Tochter- oder Partnerunternehmen (vgl. 19 Abs. 2). Zum anderen bezweckt das Diskriminierungsverbot, dass einzelne Wettbewerber von einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht nicht ungerechtfertigt bevorzugt bzw. benachteiligt werden. Insgesamt soll damit ein chancengleicher Wettbewerb sowohl zwischen dem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht als auch zwischen Wettbewerbern, die auf Vorleistungen des Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht angewiesen sind und diese in Anspruch nehmen, sichergestellt werden. Eine Diskriminierung liegt in der Regel dann vor, wenn gleiche Sachverhalte unterschiedlich bzw. ungleiche Sachverhalte gleich behandelt werden. Eine Ungleichbehandlung führt indes nicht zwangsläufig zu einem Verstoß gegen das in einer Regulierungsverfügung auferlegte Diskriminierungsverbot. Eine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte bzw. Gleichbehandlung verschiedener Sachverhalte kann sachlich gerechtfertigt sein. Es liegt dann keine sanktionierbare Diskriminierung vor. Über die Frage der sachlichen Rechtfertigung ist im Wege einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Regulierungsziele, insbesondere des chancengleichen Wettbewerbs ( 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) zu entscheiden,

7 vgl. BVerwG, Urteil 6 C 47/06 vom 18.12.2007, Rz. 31 (juris), unter Hinweis auf Schütz, a.a.o., Rz. 41; siehe ferner BVerwG, Urteil 6 C 6/00 vom 25.04.2001, Rz. 58 (juris), BVerwG, Urteil 6 C 20/02 vom 03.12.2003, Rz. 56 (juris), und BVerwG, Urteil 6 C 1/03 vom 21.01.2004, Rz. 63 (juris). Dementsprechend lässt sich eine allgemeingültige Aussage, wann ein Verhalten vorwerfbar diskriminierend ist und wann nicht, kaum machen. Das gilt insbesondere für die bisher kaum praktische relevant gewordenen Zugangsverhältnisse zu NGA-Netzen, die unter dem Stichwort Open-Access diskutiert werden. Im Rahmen von Kammerverfahren aus dem Bereich der Vorleistungsregulierung sind jedoch bisher folgende Aspekte unter dem Gesichtspunkt einer möglichen sachlichen Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung bei der Zugangsgewährung bzw. der Vereinbarung/Erhebung von Entgelten diskutiert worden: Fehlende Produktreife Unklare Produktakzeptanz Produktinnovation Besonderes Investitionsrisiko Auslastungsrisiko Durch Kosteneinsparungen gerechtfertigte Rabattierung Regulierungsziele des TKG Die Berücksichtigung solcher Gesichtspunkte kommt grundsätzlich auch bei der Bewertung von Open-Access-Modellen in Betracht. 4. Weitere mögliche Verpflichtungen zur Vermeidung diskriminierenden Verhaltens Ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht kann nach 23 Abs. 1 S. 1 TKG zur Vorlage eines Standardangebotes für Leistungen verpflichtet werden, nach denen eine allgemeine Nachfrage besteht. Sinn und Zweck eines Standardangebotes ist es, den Wettbewerbern durch einen vorab von der Bundesnetzagentur festgelegten Mustervertrag, dessen Regelungen den Kriterien der Billigkeit, Chancengleichheit und Rechtzeitigkeit genügen, einen schnellen Zugang zu Vorleistungen des regulierten Unternehmens zu verschaffen, ohne vorher zeitaufwändig verhandeln oder die Bundesnetzagentur anrufen zu müssen. Durch die einheitlichen standardisierten Bedingungen eines solchen Mustervertrages können ungerechtfertigte Diskriminierungen zwischen den Nachfragern weitgehend vermieden werden. Darüber hinaus kann die Bundesnetzagentur gemäß 24 Abs. 1 TKG einem Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, für bestimmte Tätigkeiten im Zusammenhang mit Zugangsleistungen eine getrennte Rechnungsführung

8 vorschreiben. Die Bundesnetzagentur verlangt insbesondere von einem vertikal integrierten Unternehmen in der Regel, seine Vorleistungspreise und seine internen Verrechnungspreise transparent zu gestalten. Damit sollen unter anderem Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot und unzulässige Quersubventionen verhindert werden. Die Bundesnetzagentur kann dabei konkrete Vorgaben zu dem zu verwendenden Format sowie zu der zu verwendenden Rechnungsführungsmethode machen. In der Regulierungspraxis ist eine Verpflichtung zur getrennten Rechungsführung der Telekom Deutschland im Zusammenhang mit der Verpflichtung zum Bitstrom-Zugang und der Verpflichtung zur Zugangsgewährung zur Glasfaser-TAL auferlegt worden. B. Diskriminierungsverbot für Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht Ein inhaltlich beschränktes Diskriminierungsverbot, das nicht marktmächtigen Unternehmen auferlegt werden kann, enthält 18 Abs. 2 TKG für Unternehmen, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren. Dieses Diskriminierungsverbot kann im Zusammenhang mit einer Zusammenschaltungsverpflichtung nach 18 Abs. 1 TKG oder unabhängig davon auferlegt werden. Anders als das für Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht geltende Diskriminierungsverbot sieht 18 Abs. 2 S. 1 TKG nicht vor, dass das Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht im Falle seiner Verpflichtung zu diskriminierungsfreiem Verhalten anderen Betreibern die gleichen Bedingungen gewähren muss, die es sich selbst gewährt. In der Praxis durch Regulierungs- bzw. gerichtliche Entscheidungen bisher nicht geklärt ist allerdings, ob und ggf. inwieweit Verpflichtungen nach 18 TKG im Zusammenhang mit einer Zuganggewährung zu Glasfaser-TAL oder Bitstrom, seien es eine Zugangsverpflichtung oder ein Diskriminierungsverbot, gegenüber Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht auferlegt werden könnten. Im Fokus des 18 TKG steht die Sicherstellung des Ende-zu-Ende-Verkehrs über die Netzgrenzen verschiedener Netzbetreiber, die den Zugang zu Endkunden kontrollieren, hinweg. Beim Zugang zur TAL oder zum Bitstrom geht es dem nachfragenden Unternehmen jedoch darum, die Kontrolle zum Endkunden selbst zu bekommen. C. Fazit Einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht wird regelmäßig ein Diskriminierungsver- /Gleichbehandlungsgebot nach 19 TKG aufzuerlegen sein. Wann ein Unternehmen über eine beträchtliche Marktmacht verfügt, ist ausschließlich eine Frage der einschlägigen Marktdefinitionen und Marktanalysen, aus deren Ergebnissen der Kreis und die Anzahl derjenigen Unternehmen folgt, denen aufgrund ihrer festestellten beträchtlichen Marktmacht in einer Regulierungsverfügung ein Diskriminierungsverbot nach dem TKG auferlegt werden kann und aus den oben dargelegten Gründen auch regelmäßig aufzuerlegen sein wird.

9 Bezogen auf die Open-Access-Diskussion bedeutet das: Ein Unternehmen, das im Rahmen eines Open-Access-Modells Zugang zu seiner NGA-Infrastruktur gewährt, unterfällt in der Regel dann dem sektorspezifischen Diskriminierungsverbot nach dem TKG, wenn es auf dem relevanten Markt für das einschlägige Vorleistungsprodukt Glasfaser-TAL, Bitstrom über eine festgestellte beträchtliche Marktmacht verfügt. Dabei ist ohne Belang, in welchem übergeordneten Rahmen die Zugangsgewährung vereinbart wird sei es im Rahmen eines kartellrechtlich freigestellten Kooperationsmodells oder einer sonstigen reziproken bzw. einseitigen Zugangsvereinbarung. Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht müssen sich dagegen nicht ohne weiteres dem Diskriminierungsverbot nach dem TKG fügen. Bei Kooperationsmodellen kann es daher durchaus zu Konstellationen kommen, in denen ein Partner der sektorspezifischen Regulierung nach dem TKG und folglich dem TK-rechtlichen Diskriminierungsverbot unterliegt, der andere Kooperationspartner dagegen nicht. Die Beurteilung der Frage, wann noch eine Gleichbehandlung gewährleistet ist und wann bereits eine Ungleichbehandlung vorliegt, hängt jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Das gilt auch für das Vorliegen sachlicher Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung. Grundsätzlich dürfte es bei der Bewertung dieser Fragen nicht zu einem Auseinanderfallen von kartellrechtlicher und TK-regulierungsrechtlicher Bewertung kommen. Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht kann nur in den engen Grenzen des 18 TKG ein Diskriminierungsverbot auferlegt werden. Ob und inwieweit eine Anwendung von 18 TKG auch auf Vorleistungen für den Zugang zu NGA-Netzen möglich ist, ist bislang nicht geklärt. Unabhängig davon sind freiwillige Selbstverpflichtungen zu einer nichtdiskriminierenden Zugangsgewährung im Rahmen freiwilliger Open-Access-Modelle möglich und zu begrüßen.